Schle|si|en; -s:
historisches Gebiet beiderseits der oberen u. mittleren Oder.
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Schlesi|en,
1) Woiwodschaft S.Schlesien, poln.polnisch Województwo Śląskie [woje'wudztwɔ 'ɕlɔ̃skiə], seit 1999 Woiwodschaft im Süden Polens, 12 294 km2, 4,88 Mio. Einwohner; Verwaltungszentrum ist Kattowitz.
2) poln.polnisch Śląsk [ɕlɔ̃sk], tschechisch Slezsko ['slɛskɔ], historisches Gebiet in Mitteleuropa, in Polen, der kleinere Südwestteil in Sachsen, ein kleiner Südteil in der Tschechischen Republik (Hultschin), umfasst das Einzugsgebiet der oberen und mittleren Oder und reicht im Südwesten bis etwa zur Wasserscheide der Sudeten, im Südosten zur Oberschlesischen Platte (Oberschlesische Hochfläche); die Nordostgrenze verläuft im Wesentlichen auf der Wasserscheide zwischen Oder einerseits und Warthe und Weichsel andererseits durch das mitteleuropäische Tiefland, die Nordwestgrenze in der Lausitzer Übergangszone zur Mark Brandenburg; Nordwest-Südosterstreckung etwa 420 km bei einer Breite von 100-150 km; insgesamt etwa 45 500 km2. - Schlesien gehört überwiegend zum mitteleuropäischen Tiefland; es liegt größtenteils 150-250 m über dem Meeresspiegel und wird untergliedert in Niederschlesien (nordwestlicher Teil mit der Lausitz) und Oberschlesien (südöstlicher Teil). Im Süden umfasst es die Nordostabdachung der Sudeten (mit der Schneekoppe, 1 602 m über dem Meeresspiegel), westlich der Lausitzer Neiße Teile des Lausitzer Gebirges und Lausitzer Berglandes sowie das fruchtbare Sudetenvorland mit den inselartig herausragenden Sudetenvorbergen (z. B. Zobten, 718 m über dem Meeresspiegel), das im Nordosten von fruchtbaren Flussebenen an der Oder und ihren Nebenflüssen (Schlesische Bucht) begrenzt wird. Weiter nördlich liegen die kargeren flachwelligen Hügelketten des Nordschlesischen Landrückens mit dem Katzengebirge (257 m über dem Meeresspiegel) und den Dalkauer Hügeln (229 m über dem Meeresspiegel). Im Südosten geht der Nordschlesische Landrücken südlich des Oderzuflusses Malapane in die Oberschlesische Platte (300 m über dem Meeresspiegel) über, zu der das Hügelland des Oberschlesischen Höhenrückens, eine aus Muschelkalk bestehende Schichtstufe, gehört, die von der Basaltkuppe des Annaberges (385 m über dem Meeresspiegel) überragt wird und nach Osten in die Tarnowitzer Höhen (357 m über dem Meeresspiegel) übergeht. Im Südosten der Oberschlesischen Platte befindet sich das Oberschlesische Steinkohlenbecken. Niederschlesien liegt im durch Urstromtäler gegliederten Altmoränenland. Die nahezu waldfreien Flussebenen und Hügellandschaften im Gebirgsvorland werden landwirtschaftlich intensiv genutzt. Die Sandergebiete der niederschlesischen Heide im Nordwesten und der Lausitzer Grenzwall sind mit weiten Kiefernwäldern bedeckt (u. a. Muskauer Forst).
Das Gebiet war in vorgeschichtlicher Zeit von Skythen und Kelten besiedelt, wurde aber kurz vor der Zeitwende von germanischen Wandalen erobert. Deren links der Oder um den Zobten siedelnder Teilstamm der Silingen wurde namengebend für das gesamte Gebiet. Den in der Völkerwanderungszeit großenteils abziehenden Wandalen folgten slawische Stämme nach. Im 10. Jahrhundert stand Schlesien unter böhmischer Herrschaft, seit 990 besaßen es, von dem böhmischen Přemysliden häufig angefochten, die polnischen Piasten. Im Anschluss an die vermutlich von Böhmen ausgehende Christianisierung wurde 1000 unter Mitwirkung Kaiser Ottos III. das Landesbistum Breslau gegründet und Gnesen unterstellt. 1138 entstand durch Erbteilung das piastische Teilfürstentum Schlesien mit einem eigenen, 1146 vertriebenen Herzog, dessen Söhne Kaiser Friedrich I. Barbarossa nach Schlesien zurückführte. Er erreichte 1163 die Bildung von zwei schlesischen Herzogtümern: Bolesław (✝ 1201) erhielt fast ganz Niederschlesien mit Breslau, Mieszko (✝ 1211) Oberschlesien mit Ratibor, Beuthen und später Oppeln.
Beide Herzöge sind die Stammväter der verschiedenen, mit deutschen Fürstenhäusern eng versippten schlesischen Piastenlinien. Herzog Heinrich I. (✝ 1238), Gemahl der heiligen Hedwig, der späteren Landespatronin, sein Sohn Heinrich II. (gefallen 1241 in der Schlacht bei Liegnitz) sowie dessen Söhne und Enkel bemühten sich, ihr Land durch die Ansiedlung von deutschen Kolonisten sowie durch Kloster- und Städtegründungen wirtschaftlich und kulturell zu heben. 1248 beziehungsweise 1251 entstanden durch Erbteilungen in Niederschlesien die Teilherzogtümer Breslau, Liegnitz und Glogau, 1278 Jauer, 1281 Schweidnitz; Glogau zerfiel 1312 in Sagan, Steinau und Oels. Oberschlesien spaltete sich 1281 in die Herzogtümer Oppeln, Ratibor, Beuthen und Teschen. 1327-29 unterstellten sich alle oberschlesischen und die meisten niederschlesischen Herzöge der Lehnshoheit König Johanns von Böhmen. Die polnischen Könige verzichteten in den Verträgen von 1335 (Trentschin), 1339, 1356 und 1372 auf ihre Ansprüche.
Im 15. Jahrhundert hatte Schlesien unter den Hussiten (1420-34) und den Kriegszügen Georgs von Podiebrad, des Königs Matthias I. Corvinus von Ungarn und des Königs Wladislaw III. von Polen zu leiden. Unter Matthias Corvinus wurden in Schlesien und den beiden Lausitzen Ständetage eingerichtet, in denen der Bischof von Breslau den Vorsitz führte. 1523 erwarb Markgraf Georg von Ansbach-Bayreuth, ein Förderer der Reformation, das seit 1377 selbstständige Herzogtum Jägerndorf sowie weiteren schlesischen Besitz.
1526 fiel ganz Schlesien mit Böhmen an die österreichischen Habsburger. Dreißigjähriger Krieg und Gegenreformation verursachten schwere Schäden. Im Westfälischen Frieden (1648) wurden den Evangelischen in den Erbfürstentümern nur drei Friedenskirchen zugestanden (Glogau, Jauer, Schweidnitz), im Altranstädter Vertrag (1707) unter dem Druck König Karls XII. von Schweden sechs Gnadenkirchen. Ebenso wurden 128 früher entzogene Kirchen zurückgegeben. Zur gleichen Zeit erlebte Schlesien eine kulturelle Hochblüte in barocker Baukunst, Malerei und Dichtung.
Nach dem 1. Schlesischen Krieg, dessen Ausbruch von preußischer Seite formell mit einer umstrittenen Erbverbrüderung Herzog Friedrichs II. (✝ 1547) von Liegnitz, Brieg und Wohlau mit Kurfürst Joachim II. Hektor von Brandenburg (1537) begründet wurde, fielen 1742 im Frieden von Berlin (Breslauer Vertrag) Niederschlesien, ein großer Teil Oberschlesiens und die böhmische Grafschaft Glatz an Preußen. Die alte ständische Ordnung Schlesiens wurde aufgehoben und eine neue Kreis- und Verwaltungseinteilung vorgenommen. An die Spitze trat ein Provinzialminister.
Die 1742 habsburgisch gebliebenen südlichen Teile Oberschlesiens, im Wesentlichen die Gebiete von Troppau, Jägerndorf, Teschen, Bielitz und ein Teil des Neisser Bistumslands, bildeten bis 1918 das Kronland Österreichisch-Schlesien mit der Hauptstadt Troppau.
Durch den Versailler Vertrag vom 28. 6. 1919 (in Kraft seit dem 10. 1. 1920) kamen Gebiete des Regierungsbezirks Breslau (Teile der Kreis Guhrau, Militsch, Groß Wartenberg und Namslau) an Polen, das Hultschiner Ländchen (Hultschin) an die Tschechoslowakei. Darüber hinaus sollte eine Volksabstimmung über die von Frankreich unterstützten polnischen Ansprüche auf Oberschlesien entscheiden. Am 11. 2. 1920 übernahm eine »Interalliierte Regierungs- und Plebiszitkommission« (IK) die Verwaltung des Abstimmungsgebietes. Im August 1919 sowie im August 1920 versuchten polnische Freischärler, oberschlesische Gebiete mit Gewalt dem neuen polnischen Staat einzuverleiben. Bei einer hohen Wahlbeteiligung (97 %) stimmten am 20. 3. 1921 59,64 % für den Verbleib Oberschlesiens bei Deutschland, 40,36 % für dessen Eingliederung nach Polen. Im Mai 1921 kam es zu blutigen Kämpfen zwischen polnischen Freischaren (unter W. Korfanty), die mit dem Ergebnis der Abstimmung unzufrieden waren, und deutschen Freiwilligenverbänden. Höhepunkt war das Gefecht am 21. 5. 1921 um den Annaberg. Auf der Grundlage der in den einzelnen Abstimmungskreisen abgegebenen Mehrheitsentscheidungen und eines Gutachtens des Völkerbundsrats gab die Botschafterkonferenz (ständige Kommission der Botschafter der Entente) am 20. 10. 1921 eine Teilung Oberschlesiens bekannt, wobei dessen östlicher Teil (»Ostoberschlesien«) an Polen fiel und dessen westlicher Teil (»Westoberschlesien«) bei Deutschland blieb. In der unter dem Vorsitz des Schweizers F. Calonder verhandelten Genfer Konvention vom 15. 5. 1922 vereinbarten Deutschland und Polen Minderheitenschutz- und Übergangsbestimmungen auf verwaltungstechnischem und wirtschaftlichem Gebiet.
Im Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye (10. 9. 1919 am 16. 7. 1920 in Kraft getreten) musste die Republik Österreich den größten Teil Österreichisch-Schlesiens der Tschechoslowakei übergeben, den die tschechoslowakische Regierung mit Mähren vereinigte (Mährisch-Schlesien). Das Teschener Gebiet wurde 1920 zwischen der Tschechoslowakei und Polen geteilt. Der polnische Teil bildete mit den polnisch gewordenen Gebieten Oberschlesiens die Woiwodschaft Śląsk.
Die beiden preußischen Provinzen Nieder- und Oberschlesien wurden 1938 zusammengefasst, 1941 erneut aufgeteilt. 1938-45 war das Hultschiner Ländchen wieder schlesisch. 1939 wurden die an Polen gekommenen Gebiete (einschließlich des Teschener und des Olsagebietes) mit dem Deutschen Reich vereinigt.
Während des Zweiten Weltkriegs besetzten sowjetische Truppen im Frühjahr 1945 Schlesien. Im Potsdamer Abkommen (2. 8. 1945 wurde es mit Ausnahme eines kleinen Gebietes westlich der Lausitzer Neiße (etwa 2 100 km2, der heutige Niederschlesische Oberlausitzkreis sowie die kreisfreien Städte Görlitz und Hoyerswerda) unter polnische Verwaltung gestellt. Noch bevor der Alliierte Kontrollrat Pläne für die in Potsdam vereinbarte »humane Umsiedlung« ausgearbeitet hatte, begannen die polnische Behörden mit der Vertreibung der Deutschen (Höhepunkt: Sommer 1946). Etwa 500 000 Schlesier kamen um; 2 Mio. wurden in den westlichen, etwa 1,15 Mio. in der sowjetischen Besatzungszone aufgenommen. Rd. 700 000 Schlesier blieben zurück, meist Bergarbeiter und mehrsprachige »Autochthone« (Polendeutsche). Das Gebiet wurde v. a. auf die Wwschaften Zielona Góra (Grünberg i. Schlesien), Wrocław (Breslau), Opole (Oppeln) und Katowice (Kattowitz) aufgeteilt, die nach der neuen Wwschafts-Gliederung von 1999 in den neuen Wwschaften Lebus, Niederschlesien und Schlesien sowie in der erweiterten Woiwodschaft Opole aufgingen. Mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie durch beide deutsche Staaten im Zwei-plus-Vier-Vertrag (12. 9. 1990 und durch Deutschland im Deutsch-Polnischen Grenzvertrag (14. 11. 1990 in Kraft seit 16. 1. 1992) wurde die 1945 praktisch vollzogene Eingliederung Schlesiens nach Polen völkerrechtlich endgültig anerkannt.
K. Fuchs: Beitr. zur Wirtschafts- u. Sozialgesch. S.s (1985);
Gesch. S.s, hg. v. L. Petry, 2 Bde. (2-51988);
J. Schultz-Tesmar: S. Der Reiseführer durch das Land an der Oder (21991);
K. Ullmann: S. Lex. Geografie, Gesch., Kultur (Neuausg. 21996).
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Schle|si|en; -s: ehemalige Provinz des Deutschen Reiches.
Universal-Lexikon. 2012.