die Literatur in schwedischer Sprache in Schweden und Finnland. - Schriftliche Zeugnisse aus der Epoche vor der Christianisierung (um 1100 n. Chr.) finden sich nur auf den zahlreichen schwedischen Runensteinen. Poetische Runentexte, Bildsteine und Felszeichnungen zeigen Vertrautheit mit der Heldensage und lassen den Schluss zu, dass die Gattungen der altnordischen Literatur mit Ausnahme der Saga auch in Schweden bekannt waren.
Die späte Christianisierung brachte die lateinische Schriftkultur und führte hierdurch zu einem Traditionsbruch; nur in den muttersprachlichen Landschaftsrechten lebte heidnisch-germanisches Bewusstsein fort. Die religiöse Literatur, meist in lateinischer Sprache (Petrus de Dacia, * um 1230, ✝ 1289; Brynolf Algotsson, ✝ 1317), fand ihren Höhepunkt in den mystischen Visionen (»Uppenbarelser«, etwa 1342-49) der heiligen Birgitta, deren lateinische Fassung (»Revelationes«, 1371-80) in ganz Europa Aufsehen erregte. In der weltlichen muttersprachlichen Literatur waren neben den nach deutschem Vorbild verfassten Reimchroniken (»Erikskrönika«, um 1325; »Karlskrönika«, um 1450) übersetzte und bearbeitete Ritterepen von Bedeutung, u. a. die »Eufemiavisor« (drei Epen, 1303-12), »Konung Alexander« (um 1380) und »Karl Magnus« (vor 1430). Die ersten bedeutenden selbstständigen Dichtungen in der Landessprache verfasste Bischof Thomas von Strängnäs (✝ 1443). Die erst im 19. Jahrhundert gesammelten Volksballaden entwickelten sich als mündliche Literatur am Ende des 13. Jahrhunderts unter deutschem, dänischem und norwegischem Einfluss; 1477 wurde die erste schwedische Universität in Uppsala gegründet.
Reformationszeit (1520-1600)
Die zunächst stark polemische Reformationsliteratur, die durch die Schriften der Lutherschüler O. und L. Petri initiiert wurde, erhielt durch die ersten Bibelübersetzungen ihr volkssprachliches Fundament. Die erste schwedische Übersetzung des Neuen Testaments 1526 markiert auch die sprachgeschichtliche Grenze zwischen dem Alt- und dem Neuschwedischen. Die Prälaten Johannes Magnus (* 1488, ✝ 1544) und Olaus Magnus verließen Schweden; im Exil in Italien verfasste Johannes die große Königschronik »Historia de omnibus gothorum sveonumque regibus« (herausgegeben 1554), sein Bruder Olaus das ethnographisch-historische Werk »Historia de gentibus septentrionalibus« (1555). In diese Zeit fallen auch die Anfänge der schwedischen Dramatik (J. Messenius).
Großmachtzeit (1611-1718)
Die Epochenbezeichnung in der schwedischen Literaturgeschichte nach 1600 sind seit jeher mehr von der politischen Geschichte als von den gleichzeitigen literarischen Strömungen Europas geprägt worden. Die »Großmachtzeit« (vom Regierungsantritt Gustavs II. Adolf bis zum Tod Karls XII.) umfasst den Übergang vom Humanismus zum so genannten karolinischen Barock. Künste und Wissenschaften wurden vom schwedischen Hof gefördert und dort zentralisiert. Neben Königin Christine wirkte der Adel (A. G. Graf Oxenstierna) als Beschützer und Förderer der nicht mehr nur national verstandenen Künste und Wissenschaften: R. Descartes, H. Grotius, S. von Pufendorf, J. A. Comenius u. a. wurden nach Schweden gerufen, Universitäten und Schulen gegründet. Parallel zu dieser Öffnung nach Europa erwachte das Interesse an der Muttersprache, der schwedischen Geschichte und der Vorzeitkunde (»Götizismus«). Das enzyklopädisch-polyhistorische Bewusstsein der Epoche spiegelt sich in dem Geschichtswerk »Atland eller Manheim« (4 Bände, 1675-1702) des Universalgelehrten Olof Rudbeck dem Älteren (* 1630, ✝ 1702), das Schweden als Wiege der Völker und Ursprung aller Kulturen darstellt. Andreas Arvidi (* um 1620, ✝ 1673) verfasste die erste schwedische Poetik »Manuductio at poesin Svecanam« (1651) nach dem Vorbild des Deutschen M. Opitz und des Dänen Hans Mikkelsen Ravn (* um 1610, ✝ 1663). In L. Wivallius fand die schwedische Literatur ihren ersten volkstümlichen Lyriker. Mit seinem Gedicht »Hercules« (1658; deutsch) leitete G. Stiernhielm eine neue Epoche ein, in der nicht die muttersprachliche Tradition, sondern die europäische Kunstdichtung mit ihren festen Regeln und Formen die Literatur bestimmte. Die Dichtung wurde mit ihrem rhetorisch-repräsentativen Gepräge zum Ausdruck der barocken Weltordnung. Die Lyrik war teils religiös (Haquin Spegel, * 1645, ✝ 1714; Jacob Frese, * 1690, ✝ 1729; Jesper Swedberg, * 1653, ✝ 1735), teils weltlich geprägt und fand ihren Höhepunkt bei Skogekär Bergbo L. Johansson (Lucidor) und J. Runius. Gunno Dahlstierna (* 1661, ✝ 1709) schuf mit seinem pompösen Begräbnisgedicht »Kunga skald« (1698) das repräsentative Werk der Großmachtzeit, eine Manifestation des absolutistischen Königtums.
Mit Beginn des 18. Jahrhunderts, der »Freiheitszeit« (1718-72), verdrängten französische und englische Einflüsse die kulturelle Dominanz des Deutschen. Die französische Klassik und die Poetik N. Boileau-Despréaux' bestimmten die Dichtung. Einheit und Divergenz der Epoche zeigten sich in der naturwissenschaftlichen Systematik C. von Linnés und in der religiös-fantastischen Mystik E. Swedenborgs (»De cultu et amore Dei«, 2 Teile, 1745). Olof von Dalin (* 1708, ✝ 1763) wurde mit seiner moralisch-satirischen Wochenschrift »Then swänska Argus« Begründer der modernen schwedischen Prosasprache, die von dem ersten schwedischen Romancier Jacob Henrik Mörk (* 1714, ✝ 1763) und dem Humoristen J. Wallenberg weiterentwickelt wurde. Die Ideen der Frühaufklärung reflektierten die Mitglieder des Ordens der »Gedankenbauer« (»Tankebyggarorden«): Hedvig Charlotta Nordenflycht (* 1718, ✝ 1763), Gustaf Philip Graf Creutz (* 1731, ✝ 1785) und Carl Graf Gyllenborg (* 1679, ✝ 1746). Neben diesen Repräsentanten der so genannten akademischen Stilrichtung wirkte der größte schwedische Dichter des 18. Jahrhunderts, der Lyriker C. M. Bellman, dessen Gedichte auf der Tradition des Gesellschafts- und Trinkliedes aufbauen. 1737 erhielt Schweden ein Nationaltheater, aufgeführt wurden schwedische Dramen nach dem Vorbild J. Racines, Molières und L. Baron von Holbergs.
König Gustav III., ein unermüdlicher Förderer der Künste, schrieb Dramen und Opern und wirkte durch Theatergründungen und die Errichtung der Schwedischen Akademie (1786) bis in die Gegenwart. Die Akademie und ihre führenden Mitglieder, die Dichter J. G. Graf Oxenstierna, J. H. Kellgren, Carl August Ehrensvärd (* 1745, ✝ 1800) und C. G. af Leopold, sowie die Idyllikerin Anna Maria Lenngren verteidigten den klassizistischen französischen Geschmack und die skeptische Lebenshaltung gegen die von J.-J. Rousseau und vom deutschen Sturm und Drang beeinflussten Dichter B. Lidner und T. Thorild. Die von Kellgren herausgegebene Zeitung »Stockholms Posten« stand im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion; sie trug wesentlich zur Entwicklung einer Literatur- und Theaterkritik im modernen Sinne bei.
Romantik (1810-30)
Die gegenüber den übrigen europäischen Ländern verspätet einsetzende Romantik erhielt die entscheidenden Impulse vom deutschen Idealismus und der Jenaer Romantik. Die Mitglieder des »Auroraförbundets« (»Aurorabundes«) unter P. D. A. Atterbom vertraten eine von F. W. J. von Schelling beeinflusste romantische Universalpoesie, z. B. im Hauptwerk Atterboms, »Lycksalighetens Ö«(2 Bände, 1824-27; deutsch »Die Insel der Glückseligkeit«), in den polemischen und satirischen Schriften von Lorenzo Hammarskjöld (* 1785, ✝ 1827) und Clas Johan Livijn (* 1781, ✝ 1844) sowie in den Romanen V. F. Palmblads. Der »Götische Bund« repräsentierte eine auf den Götizismus des 17. Jahrhunderts zurückgehende Nationalromantik; zu ihm gehörten u. a. der Dichter und Historiker E. G. Geijer, A. A. Afzelius und der schwedische Turnvater P. H. Ling. Nach dem Vorbild A. von Arnims, C. Brentanos und der Brüder Grimm sammelten Geijer und Afzelius Volksballaden, Sagen und Märchen. Außerhalb der beiden Lager blieben der von Götizismus und Klassizismus beeinflusste Nationaldichter der Epoche E. Tegnér, E. J. Stagnelius mit seiner von neuplatonischen Mystik geprägten Lyrik sowie die »Vorromantiker« Frans Michael Franzén (* 1772, ✝ 1847) und J. O. Wallin.
Liberalismus (1830-80)
Die Ideen des europäischen Liberalismus bewirkten nach der Julirevolution von 1830 in Frankreich eine langsame Ablösung romantischer Dichtungsideale durch den poetischen Realismus. Die Übergangssituation zwischen Romantik und Realismus repräsentierte C. J. L. Almqvist, der in seinem Hauptwerk »Törnrosens bok« (14 Bände, 1832-51) romantische Universalpoesie und realistische Alltagsschilderung verknüpft. Eine idealistisch-realistische Richtung vertraten Frederik Cederborgh (* 1784, ✝ 1835) und Carl Frederic Dahlgren (* 1791, ✝ 1844) sowie die Finnlandschweden J. L. Runeberg und Z. Topelius. Neben Almqvist waren an der Begründung einer realistischen Romantradition v. a. drei Autorinnen beteiligt, die besonders Frauen- und Familienprobleme darstellten: Fredrika Bremer, Sophie von Knorring (* 1797, ✝ 1848) und Emilie Flygare-Carlén (* 1807, ✝ 1892). August Blanche (* 1811, ✝ 1868) schilderte das Stockholmer Bürgerleben. Vertreter einer formbewussten nachromantischen Lyrik waren Carl Vilhelm Böttiger (* 1807, ✝ 1878) und B. E. Malmström, während O. P. Sturzen-Becker und K. V. A. Strandberg sich für die Ideen des politischen Skandinavismus engagierten. Großen Einfluss hatten ab 1860 die Dichter der Signaturgruppe, u. a. Karl Pontus Wikner (* 1837, ✝ 1888), C. D. af Wirsén und C. Graf Snoilsky, die zusammen mit dem Ästhetiker Carl Rupert Nyblom (* 1832, ✝ 1907) den vordringenden Naturalismus bekämpften. Außerhalb der literarischen Bewegungen stand der begabte idealistische Dichter, Journalist und Wissenschaftler A. V. Rydberg.
Die 80er-Jahre (schwedisch »åttitalet«) standen im Zeichen des gesellschaftskritischen Naturalismus. Überragende Gestalt der 80er- und 90er-Jahre war der in Schweden zeitlebens umstrittene und bekämpfte A. Strindberg, der mit seinem Roman »Röda rummet« (1879; deutsch »Das rote Zimmer«) den Naturalismus in Schweden einleitete, mit »Fadren« (1887; deutsch »Der Vater«) und »Fröken Julie« (1888; deutsch »Fräulein Julie«) eine bedeutende naturalistische Dramatik schuf und mit den symbolistisch-mystischen Dramen seiner »Nachinfernozeit« die dramatische Weltliteratur des 20. Jahrhunderts entscheidend beeinflusste. Der Naturalismus wurde Anfang der 1880er-Jahre auch von Strindbergs Gefolgsmann G. af Geijerstam und der Gruppe »Det unga Sverige« (»Das junge Schweden«) vertreten, die in einer gemeinsamen realistisch-radikalen Front gegen den »romantischen Nachklang« und den Konservativismus zu Felde zogen: der Lyriker Albert Ulrik Bååth (* 1853, ✝ 1912), der Journalist und Dramatiker T. Hedberg, die Erzähler A. W. Lundegård, O. J. Levertin, O. Hansson, Anne Charlotte Leffler und Victoria Maria Benedictsson sowie der finnlandschwedische Dichter K. A. Tavaststjerna. Fast alle diese Vertreter des Naturalismus vollzogen in den 1890er-Jahren die Wendung zu Impressionismus und Symbolismus mit. Das einer neuromantischen Ästhetik verpflichtete Programm der 1890er-Jahre (schwedisch »nittitalet«) wird in V. von Heidenstams Schriften »Renässans« (1889) und »Pepitas bröllop« (1890; mit Levertin) formuliert. Heidenstam forderte eine Verinnerlichung der Literatur, die dem Schönheitsgefühl und der Fantasie des Dichters freien Raum lässt. Die Autoren der 90er-Jahre gestalteten bevorzugt Themen aus der schwedischen Geschichte und der bäuerlichen Kultur der verschiedenen Landschaften. In der Lyrik von G. Fröding und E. A. Karlfeldt fand diese Ästhetik ihren formal vollendeten Ausdruck. Auch die Romane von Selma Lagerlöf und P. A. L. Hallström reflektieren neuromantisches Gefühl, Geschichtsbewusstsein und Heimatliebe. H. Söderberg und B. H. Bergman schildern dagegen die Fin-de-Siècle-Stimmung des Stockholmer Bürgertums; Ellen Key (* 1849, ✝ 1926) propagierte das »Jahrhundert des Kindes«.
Unter dem Einfluss der Philosophie H. Bergsons vollzog sich der endgültige Bruch mit der Ästhetik der Neuromantik. Die psychologisch vertiefte Gesellschaftsschilderung bestimmte die Prosa im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts L. Nordström, E. G. Hellström, Elin Wägner, S. Siwertz und Sven Lidman schildern in ihren realistischen Romanen das Bürgertum. Sowohl aus erzähltechnischer Sicht als auch von der psychologischen Personengestaltung her muss H. Bergman als der bedeutendste Prosaist dieser Generation gelten. Zwischen 1910 und 1920 debütierte die erste Gruppe von autodidaktischen Autoren: M. Koch, K. F. Månsson und Gustav Hedenvind-Eriksson (* 1880, ✝ 1967), die in der Zeit des Ersten Weltkrieges als »Proletärförfattare« (»Arbeiterdichter«) die schwedische Arbeiterdichtung ins Leben riefen, eine auch von der Lyrik (Erik Lindorm, * 1889, ✝ 1941; Ragnar Jändel, * 1895, ✝ 1939) mitgetragene Bewegung. Eine Wendung von der sozialen Problematik zum Religiösen zeigte sich bei D. Andersson und Harry Blomberg (* 1893, ✝ 1950). V. Ekelunds von der schwedischen Landschaft, vom europäischen Ästhetizismus und von antiker Bildungstradition geprägten Gedichte wurden zum Vorbild für eine ganze Generation sensitiver Lyriker wie A. J. Österling und B. Malmberg, aber auch Sten Selander (* 1891, ✝ 1957), Gunnar Mascoll Silfverstolpe (* 1893, ✝ 1942) und Karl Asplund (* 1890, ✝ 1978), während Birger Sjöberg (* 1885, ✝ 1929) in seiner den Modernismus vorbereitenden Lyrik das Idyllische ironisch reflektiert (»Kriser och kransar«, 1926). Als Beginn der modernen Lyrik im engeren Sinn gilt die Gedichtsammlung »Ångest« (1916) des jungen P. F. Lagerkvist. Weitere Impulse kamen aus Finnland (u. a. Edith Irene Södergran, E. R. Diktonius). Lagerkvist entwickelte in seinen Romanen und Dramen eine pazifistische Bekenntnisdichtung, deren antifaschistischen und christlichen Elemente bedeutenden Einfluss auf die schwedische Geistesgeschichte hatten. Die Erzählprosa der 20er- und 30er-Jahre ist wesentlich geprägt durch die zweite Generation autodidaktischer Autoren. Aus einer Vielzahl von literarischen Programmen ragt der 1929 verkündete Primitivismus der »Fem Unga« (»Fünf Jungen«) - N. A. Lundkvist, H. E. Martinson, G. E. Sandgren, Erik Asklund (* 1908, ✝ 1980) und J. Kjellgren - hervor. Bevorzugt wurden autobiographische und historische Themen gestaltet, häufig in Romanzyklen. C. A. V. Moberg schilderte in seinem Auswandererzyklus schwedische Schicksale in Amerika, während sich I. Lo-Johansson, J. Fridegård und Moa Martinson für die unfreien Häusler einsetzten. H. E. Martinson und E. O. V. Johnson begannen mit autobiographischen Romanen. In Johnsons späteren historischen Romanen kann die geschichtliche Thematik stets als Parabel für Gegenwartsprobleme aufgefasst werden. F. G. Bengtsson zeigte in seinen historischen Romanen satirischen Humor, der sich bei Nils Fritiof Nilsson (* 1895, ✝ 1972) ins Hintergründig-Groteske wandelte. Die Tradition des bürgerlichen Realismus verbanden O. Hedberg, Walter Ljungquist (* 1900, ✝ 1974), Sven Johan Stolpe (* 1905), Stina Aronson (* 1892, ✝ 1956) und Arvid Brenner (* 1907, ✝ 1975) mit einer neuen psychologischen Mystik. Die Lyriker der 30er-Jahre (H. Gullberg; Karel Ragnar Gierow, * 1904, ✝ 1982; J. Edfelt; Karin Maria Boye; N. J. E. Ferlin u. a.) setzten in ihren formal meist traditionellen Gedichten Elemente der Alltagssprache ein. Die Arbeiten G. Ekelöfs, des »klassischen« Lyrikers der Moderne, waren u. a. von orientalischer Philosophie und Musik geprägt. In den 40er-Jahren erhielt die Lyrik neue Impulse. Inspiriert von angelsächsischen und französischen Vorbildern sowie eigenen modernen Traditionen (Sjöberg, Ekelöf) schufen u. a. W. Aspenström, Elsa Grave (* 1918) und v. a. E. Lindegren sowie K. G. Vennberg neue experimentelle, von Symbolismus und Surrealismus beeinflusste Gedichte. Einflüsse F. Kafkas und E. Hemingways wirkten in der Erzählprosa bei Thorsten Jonsson (* 1910, ✝ 1950), Ernst Nils Sivar Arnér (* 1909), S. Dagerman und L. Ahlin. In ihrem Werk ist bereits jene Verinnerlichung und Abkehr vom Ideologischen zu spüren, die noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und in den 50er-Jahren u. a. bei W. Kyrklund, L. W. Gyllensten und Birgitta Trotzig thematisiert wurde. Eine völlig neue Richtung der Lyrik begann Ende der 50er-Jahre mit konkreten Experimenten (u. a. C. F. Reuterswärd; Bengt Emil Johnson, * 1936; Erik Beckman, * 1935). In den 60er-Jahren entstanden neue literarische Formen wie der von P. O. Sundman und P. O. Enquist vertretene Dokumentarroman. Daneben bedienten sich viele Autoren nichtfiktionaler Genres wie Reportage, Protokoll, Interview, Bericht (so z. B. Göran Palm, * 1931; Sara Lidman; Sture Källberg, * 1928). Die Probleme der modernen Welt thematisierten P. G. Evander, Stig Claesson, Beckman, Staffan Seeberg (* 1938), L. Gustafsson und P. C. Jersild. Eine kritische Sicht der schwedischen Gesellschaft wurde auch in den Kriminalromanen Maj Sjöwalls und P. Wahlöös deutlich. Internationale Bedeutung als Kinderbuchautorin erlangte Astrid Lindgren. T. G. Tranströmer, Nestor der schwedischen Gegenwartslyrik, entwickelte seit den 50er-Jahren eine differenzierte Bildsprache mit zum Teil surrealistischen Zügen. Die modernistische Tradition der Lyrik führen auch Bo Setterlind (* 1923), F. Isaksson und Östen Sjöstrand (* 1925) weiter, während die Vertreter der »nyenkelhet« (»neueinfache Richtung«), u. a. Palm, Sonja Åkesson, Peter Ortman (* 1939), Björn Håkansson (* 1937) sich um mehr Nähe zur gesellschaftlichen Realität bemühen. Im Werk Göran Sonnevis (* 1939), eines der bedeutendsten Lyriker der Gegenwart, verbinden sich politisches Engagement und sprachkritische Reflexion. - Innerhalb der Erzählprosa ist seit Mitte der 70er-Jahre eine Neuorientierung festzustellen: Rückkehr zu epischen Großformen, zu historischen Themen und zur psychologischen Personenschilderung. Neben den stilbildend wirkenden Werken S. Delblancs, Kerstin Ekmans, Sara Lidmans und Enquists entstehen zahlreiche sozialhistorische Romane und Romanzyklen. Neue Wege zu einer eindringlichen psychologischen Personendarstellung zeigen die Autorinnen Ann-Charlotte Alverfors (* 1947), Anna Westberg (* 1946), Gerda Antti (* 1929) und Gun Britt Sundström (* 1945). Bei den Erzählern der jüngsten Generation ist zudem die Hinwendung zu mehr experimentellen Formen festzustellen: Die Werke Göran Häggs (* 1947), K. Östergrens, Jacques Werups (* 1945), Lars Gunnar Anderssons, Torgny Lindgrens (* 1938) und Ernst Brunners (* 1950) sind gekennzeichnet durch Sinn für Komik und Humor, die Verbindung von Alltäglichem mit Fantastischem und große Fabulierfreudigkeit. Wege zu einer eigenständigen Erzählsprache zeigen v. a. Andersson, der die Verbindung zwischen individueller Identitätssuche und gesellschaftlicher Umwelt gestaltet, und Per Odensten (* 1938) in seinem suggestiven Prosaepos »Gheel« (1981, deutsch). Die Neuorientierung des naturalistischen Familiendramas durch eindringliche, psychologisch fundierte Personengestaltung gelingt dem bedeutendsten Dramatiker der Gegenwart, L. Norén. Innerhalb der Epik setzt sich seit den 80er-Jahren ein magischen, nicht selten von den bedeutenden lateinamerikanischen Dichtern des 20. Jahrhunderts beeinflusster Realismus durch, zu dem neben einigen neuen (G. Tunström; Peter Nilsson, * 1937) auch bereits etablierte Autoren wie Birgitta Trotzig und Enquist beitragen, während Lindgren und L. Gustafsson die verschiedenen Möglichkeiten eines »postmodernen« Erzählens nutzen. In der Lyrik dominieren vielfach hermetische und sprachexperimentelle Tendenzen (Eva Runefeld, * 1953; Stig Larsson).
Finnlandschwedische Literatur
Bis zur Eroberung durch Russland (1809) wurde Finnland als Teil des schwedischen Reiches und die fast ausschließlich schwedischsprachige Literatur in Finnland als integraler Bestandteil der schwedischen Literatur betrachtet. Erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine bemerkenswerte schriftlich fixierte finnische Literatur, die die finnlandschwedische Literatur im Lauf von 150 Jahren in die Rolle einer - wenn auch sehr aktiven und lebendigen - Minderheitenliteratur drängte. In der Barockzeit traten erstmals finnlandschwedische Dichter, u. a. Johan Paulinus Lilienstedt (* 1655, ✝ 1732) und Jacob Frese (* 1690, ✝ 1729), in Erscheinung. Eine spezifisch finnlandschwedische Bewegung entwickelte sich jedoch erst mit der Åbo-Romantik. In der schwedischen Universität von Åbo (finnisch Turku) fanden sich nationalgesinnte Schüler des Dichters Franzén 1815 im »Auroraförbundet« zusammen, um die Ideen der Romantik mit dem neuen Nationalbewusstsein der Finnen zu verbinden. Die Mitglieder des Kreises, u. a. Adolf Ivar Arwidsson (* 1791, ✝ 1858), wurden zu Anregern für die folgende Generation: für den in finnischer Sprache schreibenden E. Lönnrot und die schwedischsprachigen Autoren Johan Vilhelm Snellman (* 1806, ✝ 1881) und J. L. Runeberg. In dem auch in Schweden mit Begeisterung aufgenommenen und als »klassisch« empfundenen Werk Runebergs vereinigen sich die Tendenzen der finnlandschwedischen Literatur des 19. Jahrhunderts: Vermischung von Klassik, Romantik und Liberalismus in Verbindung mit einer patriotisch-finnischen Gesinnung; Tendenzen, wie sie von Josef Julius Wecksell (* 1838, ✝ 1907) und Z. Topelius übernommen und in den bürgerlichen Realismus eingebracht wurden. Den Wandel vom Realismus zum Naturalismus vollzogen um 1885 K. A. Tavaststjerna, Jacob Ahrenberg (* 1847, ✝ 1914), Karl Mikael Lybeck (* 1864, ✝ 1925) und Hjalmar Procopé (* 1868, ✝ 1927). A. Mörne wurde zum Schilderer der schwedischsprachigen Westküste. In Bertel Johan Sebastian Baron von Gripenbergs (* 1878, ✝ 1947) sensualistische Lyrik fand wie bei Jacob Tegengren (* 1875, ✝ 1956) erstmals die Fin-de-Siècle-Stimmung Eingang in Finnland, die in der pessimistischen Prosa von Ernst Runar Schildt (* 1888, ✝ 1925) und Jarl Hemmer (* 1893, ✝ 1944) weitergeführt wurde: Als Neoklassizisten gelten E. Zilliacus und Ragnar Rudolf Eklund (* 1895, ✝ 1946). - Bald nach der finnischen Unabhängigkeitserklärung von 1917 fand der europäische Modernismus in die finnlandschwedische Literatur Eingang: Der von Hagar Olsson mitbegründete »Dynamismus« (Edith Irene Södergran, E. R. Diktonius) beeinflusste den Modernismus in Schweden und strahlte zugleich auf die finnischsprachige Literatur aus. Vom Dadaismus war der Ästhetiker Gunnar Olof Björling (* 1887, ✝ 1960) beeinflusst. Der formale Modernismus wurde in der Folgezeit sensibilisiert. Hauptgattung blieb die Lyrik, u. a. bei R. Enckell, Henry Georg William Parland (* 1908, ✝ 1930), Eklund und Solveig von Schoultz (* 1907). Die Grenzsituation mit Russland prägte das Romanwerk von Tito Colliander (* 1904), während die Åländerin Sally Salminen populäre Romane verfasste. Die starke Orientierung zum Westen bleibt trotz der veränderten politischen Situation auch nach 1945 Kennzeichen der finnlandschwedischen Literatur, die nun merklich die Literatur einer kleinen Minderheit wird (1979: 6,3 % der Bevölkerung) und sich daher wieder näher an das Nachbarland Schweden anschließt. Dies wird deutlich in der Lyrik von Bo Carpelan (* 1926) und Thomas Warburton (* 1918). Mit der lange dominanten Tradition des Modernismus bricht Claes Andersson in seinem lyrischen Werk; Lars Huldén (* 1926) setzt sich in seinen Gedichten u. a. kritisch-ironisch mit Runeberg auseinander. Unter den Autoren der erzählenden Prosa ist eine ausgeprägte Neigung zu epischen Großformen zu beobachten, Jörn Donner (* 1933), Johan Bargum (* 1943), Christer Alfred Kihlman (* 1930) und Henrik Tikkanen (* 1924, ✝ 1984) gestalten soziale und psychologische Themen aus der Welt des schwedischsprachigen Bürgertums, Märta Tikkanen schildert engagiert Frauenprobleme.
Bibliographische Hilfsmittel:
Svensk litteraturhistorisk bibliografi, Jg. 4 ff. (Uppsala 1886 ff., früher u. a. T.);
Svenskt författarlexikon, hg. v. B. Åhlén u. a., 10 Bde. (ebd. 1942-81);
Svenskt litteraturlexikon (Lund 21970);
S. L. in dt. Übers. 1830-1980. Eine Bibliogr., bearb. v. R. Quandt, 7 Bde. (1987-88).
Gesamtdarstellungen:
Svenska litteraturens historia, hg. v. O. Sylwan u. a., 3 Bde. (Neuausg. ebd. 1929);
Ny illustrerad svensk litteraturhistoria, hg. v. E. N. Tigerstedt, 6 Tle. (Stockholm 1-21965-67);
W. Friese: Nord. Lit. im 20. Jh. (1971);
E. N. Tigerstedt: Svensk litteraturhistoria (Stockholm 41971);
Författarnas litteraturhistoria, hg. v. L. Ardelius u. a., 3 Bde. (ebd. 1977-78);
Nord. Literaturgesch., hg. v. M. Brønstedt u. a., 2 Bde. (a. d. Dän., 1982-84);
Den svenska litteraturen, hg. v. L. Lönnroth u. a., 7 Bde. (ebd. 1987-90);
D. Brennecke: Von Strindberg bis Lars Gustafsson (1989);
Grundzüge der neueren skandinav. Lit., hg. v. F. Paul (21991);
Einzelgebiete:
G. Castrén: Stormaktstidens diktning (Stockholm 1907);
M. Lamm: Upplysningstidens romantik, 2 Bde. (ebd. 1918);
H. R. Pipping: Den fornsvenska litteraturen (ebd. 1943);
A. Henriques: Svensk litteratur efter 1900 (ebd. 1944);
G. Ahlström: Det moderna genombrottet i nordens litteratur (ebd. 1947);
K.-E. Lundevall: Från åttital till nittital (ebd. 1953);
Kulturhistoriskt lexikon för nordisk medeltid, hg. v. J. Granlund, 22 Bde. (Malmö 1956-78);
A. Nilsson: Svensk romantik (Lund 1964);
T. Hedlund: Den svenska lyriken från Ekelund till Sonnevi (ebd. 1978);
I. Algulin: Schwed. Erzählkunst der Gegenwart (a. d. Schwed., ebd. 1983).
Finnlandschwedische Literatur:
R. Hedvall: Finlands svenska litteratur (Stockholm 1918);
J. Landquist: Modern svensk litteratur i Finland (ebd. 1929);
B. Holmquist: Modern finlandssvensk litteratur 1898-1948 (ebd. 1951);
T. Warburton: Finlandssvensk litteratur. 1898-1948 (ebd. 1951);
T. Warburton: Åttio år finlandssvensk litteratur (ebd. 1984);
Special issue devoted to modernism in Finland-Swedish literature, hg. v. J. Wrede (London 1976).
Universal-Lexikon. 2012.