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Symbolismus
Sym|bo|lịs|mus 〈m.; -; unz.〉 literar. Strömung des 19. Jh., die ihre Aussagen durch symbol. Darstellung vermitteln wollte

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Sym|bo|lịs|mus, der; -:
1. [frz. symbolisme, zu: symbole = Symbol < lat. symbolum, Symbol] (von Frankreich Ende des 19. Jh.s ausgehende) Kunstrichtung, die in Abkehr von Realismus u. Naturalismus den künstlerischen Inhalt in Symbolen wiederzugeben versucht.
2. (Fachspr. selten) System von Formelzeichen.

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Symbolịsmus
 
der, -,  
 1) bildende Kunst: eine in ihren Anfängen bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende Kunstrichtung, die als Antithese zur Aufklärung (F. de Goya, W. Blake, J. H. Füssli, P. O. Runge u. a.) entstand. Im ganzen 19. Jahrhundert stand der Symbolismus im Widerspruch zu der jeweils anerkannten Kunstauffassung, die von rationalistischen, realistischen oder naturalistischen Tendenzen bestimmt wurde. Der Symbolismus stellte den Glauben an den Wert allgemein gültiger Maximen infrage und versuchte, die Welten der Fantasie und des Traums, die sich einer rationalistischen Festlegung entziehen, wiederzugeben. Die symbolistische Kunst, stilistisch nicht einheitlich, ist mehr vom Inhalt her zu definieren. Grundlage ihres Ausdrucks war das Gefühl. In enger Beziehung zum literarischen Symbolismus begegnet der Symbolismus in der Malerei nach 1885 bei einer Künstlergruppe um P. Gauguin und É. Bernard. Zu ihren Hauptvertretern gehörten außerdem M. Denis, P. Sérusier, P. Ranson (Gruppe der Nabis), die sich auch in theoretischen Schriften äußerten. Der Symbolismus war eine gesamteuropäische Erscheinung, die keine nationalen Eigenheiten entwickelte. Wichtige Vertreter in Frankreich waren außerdem G. Moreau, G. Doré, P. Puvis de Chavannes, A. Rodin, E. Carrière, O. Redon, in Belgien F. Khnopff, F. Rops, J. Ensor, in den Niederlanden J. Toorop, J. Thorn Prikker, in Deutschland H. von Marées, M. Klinger, F. von Stuck, in Österreich G. Klimt, in der Schweiz A. Böcklin, F. Hodler, in Italien G. Segantini, G. De Chirico, in England E. Burne-Jones, G. F. Watts, in Polen J. Malczewski, in Finnland A. Gallén-Kallela, K. M. Enckell, in Dänemark J. F. Willumsen, in Russland M. A. Wrubel u. a. In ihren Bildern erschienen irrationale Themen wie kosmische Landschaftsbilder, nächtliche Szenen, Visionen und Beschwörungen, Vergänglichkeitsbilder, Tod und Eros in unmittelbarer Gegenüberstellung, Traumbilder u. a. In der Grafik mit ihren Helldunkelkontrasten konnte das Fantastische und Märchenhafte am besten erfasst werden. Die Wirkung des Symbolismus reicht weit ins 20. Jahrhundert hinein und beeinflusste besonders den Jugendstil und den Surrealismus.
 
Literatur:
 
S. in Europa, hg. v. H. A. Peters u. a., Ausst.-Kat. (1976);
 M. u. D. Gerhardus: S. u. Jugendstil (1977);
 H. H. Hofstätter: S. u. die Kunst der Jh.-Wende (41978);
 J. Juszezak: Les sources du symbolisme (Paris 1985);
 
Lost paradise - symbolist Europe, bearb. v. P. Theberge u. a., Ausst.-Kat. Montreal Museum of Fine Arts (Montreal 1995);
 
S. in Russland, hg. v. J. Kiblitsky, Ausst.-Kat. Staatl. Russ. Museum, Sankt Petersburg (1996);
 
Der S. in England 1860-1910, hg. v. A. Wilton u. a., Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München (1998).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Symbolismus: Geboren aus der Imagination
 
 2) Literatur: eine im Paris der 1880er-Jahre entstandene Strömung, die die ästhetisch-philosophischen Impulse aus ganz Europa zu einem revolutionär neuen Verständnis dichterischer Theorie und Praxis bündelte, das mit weltweiter Resonanz die Entstehung der modernen Poesie in die Wege leitete sowie neue Maßstäbe für die Entwicklung von Drama und Romankunst setzte.
 
Erstmals begrifflich fixiert wurde die Bewegung durch J. Moréas, der am 18. 9. 1886 im »Figaro« das literarische Manifest des Symbolismus publizierte, wodurch kurzfristig die Fiktion einer homogenen »École symboliste« (1886-91) entstand, der auch G. Kahn, S. Merrill, F. Viélé-Griffin, R. Ghil und H. de Régnier angehörten. In enger Berührung mit der Gruppe standen R. de Gourmont, A. Mockel, Charles Morice (* 1860, ✝ 1919) und Albert Samain (* 1858, ✝ 1900), daneben G. Rodenbach, J. Laforgue, M. Elskamp, Charles Cros (* 1842, ✝ 1888) sowie J. Péladan.
 
Die faktische Heterogenität der Bewegung spiegelt sich wider in einer großen Zahl vielfach kurzlebiger Zeitschriften (u. a. »Le symboliste«, 1886; »Mercure de France«, 1890-1940 und 1946-65; »Vers et prose«, 1905-14 und 1928) sowie programmatische Texte (u. a. Moréas, »Les premières armes de symbolisme«, 1889; A. Gide, »Le traité du Narcisse. Théorie du symbole«, 1891; S. Mallarmé, »Divagations«, 1896), die sämtlich ein seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestehendes kunstpraktisches und theoretisches Bezugsfeld bewusst machten, das bis auf G. de Nerval und C. Baudelaire (»Correspondances«) zurückgeht, seine Hauptvertreter in A. Rimbaud, P. Verlaine und Mallarmé fand und mit P. Valéry, A. Gide, P. Claudel und Saint-John Perse die Literatur des 20. Jahrhunderts berührt.
 
Die verschiedenen literarischen Gruppierungen des Symbolismus einte v. a. ihr Unbehagen an einer vom positivistisch-materialistischen Denken beherrschten Epoche und die gemeinsame Erfahrung eines Krisen- und Dekadenzbewusstseins, wie es prototypisch in J.-K. Huysmans Roman »À rebours« (1884) zum Ausdruck kommt. Der literarische Symbolismus ist wesentlich geprägt von Realitätsflucht und der Idee der Poésie pure. Der Rückzug des symbolistischen Dichters aus der spätbürgerlichen Welt führte zur Verselbstständigung, zur Selbstbezüglichkeit des sprachlichen Zeichens und zur Forderung nach Eliminierung aller der Dichtung fremden Zwecke wie Beschreibung, Belehrung, Polemik und politisches Engagement. Das symbolistische Schreiben entstand aus der Negation der positivistischen Beschreibungslyrik des Parnasse (Parnassiens), der Abkehr von der realistisch-naturalistischen Tradition und als Reaktion auf die gefühlsbetonte Lyrik der Spätromantik. Als Aufgabe des Dichters galt es, symbolhaft die geheimnisvollen Zusammenhänge zwischen den Dingen und den hinter den äußeren Erscheinungen verborgenen Seins- und Bewusstseinsschichten zu evozieren mittels einer Sprache, die - von suggestiver Klanglichkeit und aus konventionellen Bedeutungszusammenhängen gelöst - ihrerseits zum poetischen Symbol wird: Ihre oszillierende Semantik erzeugt eine schwebende Atmosphäre von Irrealität, die weniger den Intellekt als die Intuition des Lesers anspricht. Stilbildendes Charakteristikum symbolistischer Lyrik ist - neben der Synästhesie (Ghil, »Traité du verbe«, 1886) - ihre außerordentliche Musikalität (Verlaine, »Art poétique«, entstanden 1874, gedruckt 1882). Zentrale Neuerungen sind in der Lexik der Rekurs auf klangvolle, unverbrauchte Wörter (Archaismen, Neologismen u. a.), in der Syntax die zunehmende Lockerung des Satz- und Versverbandes (Isolierung einzelner Wörter, Ellipse, Anakoluth), in der Metrik die Aufgabe strenger Reim- und Metrikschemata zugunsten des Prosagedichts und v. a. die Proklamation des Vers libre (G. Kahn, »Le vers libre«, 1912). - Im Bereich der Prosaliteratur gilt É. Dujardin mit der Einführung des inneren Monologs als ein Wegbereiter des modernen Romans; das symbolistische Drama hat in M. Maeterlinck und im frühen Claudel (»La tête d'or«, 1890) seine bedeutendsten Vertreter.
 
Der Symbolismus generalisierte in extremer Luzidität die Erfahrungen der Vorläufergeneration, prägte bedeutende französische Autoren in ihrer Frühphase - Valéry, Gide, Claudel, M. Proust - entscheidend und war weltweit von zentraler Bedeutung für die Entstehung der literarischen Moderne (Futurismus, Dadaismus, Modernismus, Surrealismus, Hermetismus, Lettrismus, konkrete Poesie u. a.). Während der belgische Symbolismus in enger Symbiose mit dem französischen entstand - Mockel schuf mit der Gründung der Zeitschrift »La Wallonie« (1886-92) ein Forum zur Verbreitung der französischen symbolistischen Literatur; É. Verhaeren und Maeterlinck übertrugen die für die Lyrik entwickelten literarischen Prinzipien auf das Theater, Rodenbach und Huysmans auf den Roman -, verschmolz er in anderen Ländern - bis hin nach Australien und Indien, Japan und China - eher mit den jeweiligen nationalen, oft progressiven, antirationalistischen, individualistischen Strömungen. Als Hauptvertreter im angloamerikanischen Bereich sind Ernest Christopher Dowson (* 1867, ✝ 1900), A. Symons, O. Wilde, W. B. Yeats sowie T. S. Eliot, E. Pound und Wallace Stevens (* 1879, ✝ 1955) zu nennen; in Norwegen S. Obstfelder; in Dänemark S. Claussen und J. Jørgensen, in Italien v. a. G. D'Annunzio sowie G. Ungaretti und E. Montale; in Portugal gab es unter dem frühen Einfluss Baudelaires (v. a. Altes Testament de Quental und J. J. C. Verde) eine intensive, durch E. de Castro e Almeida initiierte symbolistische Bewegung (v. a. C. Pessanha und A. Nobre), die in den Dichtungen von M. de Sá-Carneiro, der auch modernistische Tendenzen aufgriff, ihren Höhepunkt fand; symbolistische Tendenzen zeigen sich auch bei F. A. Pessoa; in der spanischsprachigen Literatur beeinflusste der Symbolismus, vermittelt durch R. Darío, den Modernismo (Modernismus), v. a. J. R. Jiménez, J. Guillén, F. García Lorca und die Generation von 1927. In Polen griff die Bewegung »Junges Polen« den Symbolismus auf: S. Wyspiański, S. Przybyszewski, J. Kasprowicz, B. Leśmian. In Russland wurde er von K. D. Balmont, D. S. Mereschkowskij und W. J. Brjussow eingeführt und fand seine bedeutendsten Vertreter in W. I. Iwanow, F. Sologub, A. A. Blok und A. Belyj, der mit seinen theoretischen Schriften auch den russischen Formalismus anregte. In Rumänien entstand um A. Macedonski eine symbolistische Bewegung, in Bulgarien um die Zeitschrift »Hyperion«, in der Tschechoslowakei sind O. Březina und A. Sova zu nennen, in Ungarn die Zeitschrift »Nyugat« (1908-41) und E. Ady, D. Kosztolányi und M. Babits. In Deutschland wurde S. George, der Baudelaire, Verlaine, Mallarmé, Rimbaud, D. G. Rossetti, C. Swinburne, Dowson, W. Kloos, A. Verwey und D'Annunzio übersetzte, zum Wegbereiter des Symbolismus (auch mit den Blättern für die Kunst); ihm folgten in ihren Frühwerken H. von Hofmannsthal und R. M. Rilke. Die Dichtungstheorie des Symbolismus beeinflusste auch Vertreter oder Gruppen, die der Neuromantik oder dem literarischen Jugendstil zuzurechnen sind (Jung-Wien); die Lyrik G. Trakls, G. Benns und P. Celans steht gleichfalls in der Tradition des Symbolismus.
 
Literatur:
 
P. Adam u. F. Fénéon: Petit glossaire pour servir à l'intelligence des auteurs décadents et symbolistes (Paris 1888);
 J. Holthusen: Studien zur Ästhetik u. Poetik des russ. S. (1957);
 G. Donchin: The influence of French symbolism on Russian poetry (Den Haag 1958);
 
Cahiers internationaux de symbolisme (Genf 1963 ff.);
 J. Theisen: Die Dichtung des frz. S. (1974);
 A. E. Balakian: The symbolist movement (Neuausg. New York 1977);
 N. Richard: Profils symbolistes (Paris 1978);
 
The symbolist mouvement in the literature of European languages, hg. v. A. E. Balakian (Budapest 1982, Nachdr. 1984);
 Margaretha Müller: Musik u. Sprache. Zu ihrem Verhältnis im frz. S. (1983);
 P. Hoffmann: S. (1987);
 H. Peyre: La littérature symboliste (Paris 21987);
 E. V. Ermilova: Teorija i obraznyj mir russkogo simvolizma (Moskau 1989);
 A. A. Hansen-Löve: Der russ. S., auf 5 Bde. ber. (Wien 1989 ff.);
 R. Biétry: Les théories poétiques à l'époque symboliste: 1883-1896 (Bern 1989);
 F. Rinner: Modellbildungen im S. (1989);
 H. Friedrich: Die Struktur der modernen Lyrik (165.-167. Tsd. 1992);
 H. Beauclair: Les déliquescences. Poèmes décadents (Neuausg. Paris 1995).
 
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Baudelaire und der Symbolismus
 
 3) Religionswissenschaft: Denkrichtung, die alle religiösen Vorstellungen und Kulthandlungen symbolisch zu erklären sucht. Symbol meint in diesem Zusammenhang nicht Repräsentation oder Vergegenwärtigung heiliger Wirklichkeit, sondern es wird als rationales Gleichnis religiöser Ideen verstanden. Religion wird so z. B. als ein Symbolsystem unter anderen Symbolsystemen einer Kultur aufgefasst. Zu unterscheiden hiervon ist die symbolistische Schule (G. F. Creuzer) zu Anfang des 19. Jahrhunderts, ebenso wie tiefenpsychologischen Ansätze in der Religionswissenschaft (Religionspsychologie).
 

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Sym|bo|lịs|mus, der; - [1: frz. symbolisme, zu: symbole = Symbol < lat. symbolum, ↑Symbol]: 1. (von Frankreich Ende des 19. Jh.s ausgehende) Kunstrichtung, die in Abkehr von Realismus u. Naturalismus den künstlerischen Inhalt in Symbolen wiederzugeben versucht. 2. (Fachspr. selten) System von Formelzeichen.

Universal-Lexikon. 2012.