Je|men; -s, auch: der; -[s]:
Staat im Süden der Arabischen Halbinsel:
die Küste -s/des J./des -s.
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Jemen,
Fläche: 527 968 km2
Einwohner: (2000) 17,5 Mio.
Hauptstadt: Sanaa
Amtssprache: Arabisch
Nationalfeiertag: 22. 5.
Währung: 1 Jemen-Rial (Y. RI) = 100 Fils
Zeitzone: 1400 Sanaa = 1200 MEZ
Yemen ['jeːmən], amtlich arabisch Al-Djumhurijja al-Jamanijja [-dʒum-], deutsch Republik Jemen, Staat in Vorderasien, im Süden der Arabischen Halbinsel, grenzt an das Rote Meer, den Golf von Aden und den Indischen Ozean, an Saudi-Arabien und Oman. Zum Staatsgebiet gehören die Koralleninseln Kamaran im Roten Meer, die vulkanischen Insel Perim in der Meerenge Bab el-Mandeb sowie die Inselgruppe Sokotra vor der Ostspitze Afrikas. Insgesamt rd. 527 968 km2 mit den Hanischinseln (auch von Eritrea beansprucht) u. a.; (2000) 17,5 Mio. Einwohner. Hauptstadt ist Sanaa, (»Winterhauptstadt« Aden), Amtssprache Arabisch. Währungseinheit: 1 Jemen-Rial (Y. RI) = 100 Fils. Uhrzeit: 1400 Sanaa = 1200 MEZ.
Staat und Recht:
Die Verfassung vom 28. 9. 1994 (2001 revidiert) bestimmt Jemen als arabische islamische Republik mit Präsidialregime und den Islam als Staatsreligion, garantiert das Mehrparteiensystem und die Religionsausübung nichtislamischer Minderheiten. Als Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte fungiert der mit weit reichenden Kompetenzen ausgestattete Präsident, der auf fünf Jahre direkt gewählt wird (einmalige Wiederwahl möglich). Er ernennt den den Ministerpräsidenten und das Kabinett. Die Gesetzgebung liegt beim Parlament, dessen 301 für vier Jahre gewählte Abgeordnete (aktives und passives Wahlrecht auch für Frauen) auf das islamische Recht (Scharia) als Grundlage der Gesetzgebungverpflichtet sind. Die am 20. 2. 2001 durch Referendum gebilligte Verfassungsreform sieht eine Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten auf sieben Jahre und eine Ausweitung seiner Komptenzen (z. B. Recht auf Parlamentsauflösung) sowie eine Veränderung der Legislaturperiode des Parlaments auf sechs Jahre vor. Ferner soll eine zweite Parlamentskammer (111 vom Präsidenten ernannte Mitglieder) gebildet werden. Sie soll sich an grundlegenden Entscheidungen der Exekutive beteiligen und Beschlüsse der ersten Kammer aufheben können.
Parteien:
Zu den einflussreichsten der über 40 Parteien gehören der konservative Allgemeine Volkskongress (AVK), der v. a. im nördlichen Jemen seine Basis hat, die islamisch ausgerichtete Jemenitische Vereinigung für Reform (El-Islah), die Nasseristische Unionistische Volkspartei (NUPP) und die Arabische Sozialistische Baath-Partei. Die Jemenitische Sozialistische Partei (JSP), vor der Vereinigung beider Jemen im Süden staatstragende Partei, danach (bis 1994/97) zweitstärkste Gruppe in Jemen, besteht nach dem Bürgerkrieg von 1994 unter veränderter Führung weiter.
Das Wappen zeigt einen Adler mit ausgebreiteten Schwingen und Brustschild; in diesem ein Zweig der Kaffeepflanze und die stilisierte Darstellung des Staudamms von Marib; in den Fängen des Adlers zwei Staatsflaggen und ein Schriftband mit dem offiziellen Landesnamen in kufischer Schrift.
Nationalfeiertage:
Nationalfeiertag ist der 22. 5. (Tag der Vereinigung 1990), außerdem auch noch der 26. 9. (1962 Ausrufung der Republik im Norden) und der 30. 11. (1967 Erlangung der Unabhängigkeit im Süden).
Gliederung in 17 Provinzen.
Die islamische Scharia ist Grundlage der Gesetzgebung. Höchste richterliche Instanz ist der Oberste Gerichtshof in Sanaa. Daneben existiert lokales Gewohnheitsrecht sowie bei den Beduinen Stammesrecht.
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 24 Monate) beträgt etwa 39 500 Mann, wobei das Heer über schätzungsweise 37 000 Soldaten, die Luftwaffe über rd. 1 000 und die Marine über etwa 1 500 Soldaten verfügt. Die Ausrüstung bestand vor Ausbruch des Bürgerkrieges 1994 hauptsächlich aus etwa 1 150 Kampfpanzern (150 amerikanischer M-60, 1 000 T-54/-55 oder T-62), 190 Kampfflugzeugen (80 MiG-21, je 50 Su-22 und MiG-23, 10 F-5 E), zwei Korvetten, neun Minensuchern sowie 14 Kleinen Kampfschiffen. Über die Materialverluste während des Bürgerkrieges liegen keine exakten Angaben vor.
Landesnatur und Bevölkerung:
Hinsichtlich Oberflächenformen, Klima und Nutzungsmöglichkeiten lassen sich folgende Landschaften unterscheiden: Längs der Küste des Roten Meeres ziehen sich die von Sanden (zum Teil Dünen) und Kiesen bedeckten Ebenen der Tihama hin, ein 30-60 km breiter, dünn besiedelter Tieflandstreifen mit einigen Fischerdörfern und Hafenplätzen. Am Golf von Aden ist die Küstenebene schmaler (höchstens 30 km), und an mehreren Stellen reichen Randschollen des Gebirges bis zum Meeresufer, sodass Steil- und Flachküsten einander ablösen. Zusätzlich treten Lavafelder mit eingestreuten Vulkankegeln auf: Stadt und Hafen Aden liegen in einem Doppelkrater; zwischen Schukra und Ahwar zieht sich die Harralandschaft As-Sauda weit ins Gebirge hinein, und bei Bir Ali liegt die antike Hafenstadt Qana ebenfalls an einem Vulkankegel. In der Tihamaebene dominiert Wüstensteppe, in der Salzpflanzengebüsch verbreitet ist; sie wird nur im besser beregneten Gebirgsvorland und entlang wenigen, vom Hochland kommenden Wasserläufen von Anbauflächen unterbrochen. Am Golf von Aden wechselt Sand- und Felswüste einander ab. Das dahinter anschließende Gebirgsland lässt sich in zwei Teile gliedern: Im Westen folgt mit einem mächtigen, zertalten Steilanstieg das größtenteils aus vulkanischen Trappdecken aufgebaute Hochland von Jemen, das in einigen nahe dem Westrand gelegenen Bergstöcken bis 3 760 m über dem Meeresspiegel (Nabi Schuaib, höchste Erhebung der Arabischen Halbinsel) aufragt. Eine verhältnismäßig dichte Besiedlung und intensive Landnutzung machen es zum Kernraum Jemens. Die Hänge vieler Berge sind bis zum Gipfel zu Anbauflächen terrassiert. Der Anbau kommt vielerorts ohne Bewässerung aus. Im Umkreis der Städte ermöglicht das Grundwasser eine Bewässerung, am Rande der Becken das austretende Quellwasser. Weiter nach Osten zu senkt sich das Hochland allmählich; mit abnehmenden Niederschlägen findet man nur noch in den Tälern landwirtschaftliche Nutzung. Dies gilt auch für das sich östlich anschließende, überwiegend aus tertiärem Kalkstein aufgebaute Tafelland des Djol (bis 2 185 m über dem Meeresspiegel) mit Halbwüsten und nomadischer Nutzung, das nach Norden hin einfällt und dort in die Sandwüste Rub al-Chali übergeht. Im Süden bricht es mit markanten Steilstufen zum Meer hin ab. Tiefe steilwandige Wadis (größtes und wichtigstes ist das Wadi Hadramaut) sind in das Hochplateau eingeschnitten und bieten Lebensraum für sesshafte Bauern. Östlich davon leben in der Landschaft von Mahra fast nur noch Nomaden.
Die Tihama gehört zu den heißesten und schwülsten Gebieten der Erde, hat aber nur sehr geringe Niederschläge (unter 100 mm, am Gebirgsrand etwa 250 mm im Jahr). Die Westflanke des Hochlandes erhält Steigungsregen (in zwei Regenzeiten: März-Mai und Juli-September; gebietsweise bis 1 000 mm im Jahr), in Höhenlagen zwischen 1 000 und 2 000 m über dem Meeresspiegel treten häufig Nebel auf, darüber auch Nachtfröste, über 3 000 m über dem Meeresspiegel fällt gelegentlich Schnee. Im inneren Hochland und an den Süd-Rändern des Djol erreichen die Jahresniederschläge nur noch 150-400 mm, weiter im Osten liegen sie noch darunter. Die extrem lufttrockene Wüste im Landesinneren (stellenweise 10 % relative Luftfeuchtigkeit) weist große tägliche Temperaturschwankungen auf. - Die Flüsse der West- und Südflanke erreichen nur selten das Meer, die nach Osten ziehenden Wadis führen zwischen Mai und September jeweils kurzzeitig Wasser, das aber am Gebirgsrand schnell versiegt.
Die einst im Gebirge weit verbreiteten Trockenwälder (u. a. mit Balsam und Myrrhe) sind aufgrund jahrtausendelanger Besiedlung und Nutzung fast verschwunden. An ihrer Stelle findet man meist nur noch Dornsträucher und Sukkulenten (viele Euphorbiaceen). Lediglich entlang der Wadis hat sich eine üppigere Vegetation erhalten (Ficus-Arten). In trockeneren Regionen (Tihama, Osten) sind Akazien verbreitet, in Mahra auch noch Weihrauchbäume (Boswellia) zu finden.
Den Hauptteil der Bevölkerung bilden die Araber, überwiegend sesshafte Bauern und Städter. Nur höchstens 10 % der Bevölkerung sind Nomaden, v. a. im Süden und O. Bewohner der Tihama und der Oasen im Osten zeigen vielfach negriden Einschlag, der auf die alten Beziehungen zu Ostafrika hinweist. Im Südosten (Hadramaut, Mahra, Sokotra) kommen Vertreter der kleinwüchsigen, kraushaarigen, dunklen südarabischen Form hinzu, die das älteste Bevölkerungs-Element verkörpern und teilweise noch altsüdarabische Sprachen sprechen (Mahri, Sokotri). In Hadramaut ist der malaiische Einschlag unverkennbar (Rückwanderer jemenitischer Kaufleute und deren Nachkommen aus Südostasien). Inder und Somalis haben sich v. a. in Aden niedergelassen. Die meisten Männer tragen in Jemen noch den traditionellen Wickelrock (Futa), die Hochlandbewohner zusätzlich den Krummdolch (Djanbija).
Da immer noch rd. 70 % der Bevölkerung in Dörfern leben, ist die Siedlungsdichte in Gebieten mit höheren Niederschlägen, guten Bewässerungsmöglichkeiten und fruchtbaren Böden am höchsten (Gebirgsfuß im Westen, Hochland, Täler im Osten). Im Osten dominieren Flachdach-Lehmhäuser mit bis zu acht Stockwerken, im Hochland mehrstöckige Wohntürme (einzeln oder in Gruppen) in Schutzlage auf Spornen oder Ähnlichem. Auch die städtischen Häuser sind mehrstöckig und oft ornamental weiß bemalt. Die Altstädte von Sanaa, Schibam/Hadramaut und Sabid gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. In der Tihama zeigt sich auch bei den Siedlungsformen der afrikanische Einfluss (Gehöfte aus strohgedeckten Hütten). - Die größten Städte sind Sanaa (1996: 1,9 Mio. Einwohner), Aden (400 000 Einwohner), Taiz (190 000 Einwohner), Hodeida (170 000 Einwohner) und Makalla (160 000 Einwohner). Bis zum 2. Golfkrieg lebten fast 1 Mio. Jemeniten im Ausland, die meisten davon in den Erdölstaaten des Persischen Golfes. Ihre Geldüberweisungen waren die wichtigste Devisenquelle des Landes.
Der Islam ist Staatsreligion und bildet mit 99,9 % das Bekenntnis nahezu der gesamten Bevölkerung. Über 61 % der jemenitischen Muslime sind Sunniten der schafiitischen Rechtsschule (v. a. in der Tihama und im Süden), rd. 38 % Schiiten (Saiditen und Ismailiten [rd. 0,9 %], v. a. Bewohner des Hochlandes). Die kleine christliche Minderheit (Anglikaner, Katholiken) ist auf die v. a. im Süden lebenden Ausländer, die hinduistische Gemeinde auf die ebenfalls dort niedergelassenen Inder beschränkt. Die seit dem 3. Jahrhundert in Jemen nachweisbare jüdische Gemeinde (1949 etwa 60 000 Mitglieder) existiert heute mit Ausnahme weniger Familien im Norden (Saada) nicht mehr. - Die Verfassung der ehemaligen Demokratischen Volksrepublik Jemen (»Süd-Jemen«) trennte Staat und Religion und gewährte die Religionsfreiheit.
Die Vorschulerziehung erstreckt sich vom vierten bis zum siebten Lebensjahr. Ab dem siebten Lebensjahr folgt die obligatorische Grundschule (sechs Jahre), ab dem 13. Lebensjahr die Sekundarstufe I (drei Jahre) beziehungsweise die Sekundarstufe II (vier Jahre). Der Schulbesuch ist auf allen Ebenen kostenlos. Auch Kinder von Beduinen können am Unterricht teilnehmen. Die Grundschulausbildung wird durch eine Vielzahl von weiterbildenden (z. B. technischen) Schulen ergänzt. Trotz aller staatlichen Anstrengungen liegt die Analphabetenquote immer noch bei 47,5 %, zumal es in den ländlichen Gebieten an Lehrkräften und Schulräumen fehlt. Universitäten gibt es in Sanaa (gegründet 1970) und Aden (gegründet 1975).
Presse: Im Vereinigungsvertrag ist die Pressefreiheit verankert. In Sanaa erscheint die regierungseigene »Ath-Thawra«, in Aden die Tageszeitungen »Ar-Rabi Aschar Min Uktubar« (Arabisch; Auflage rd. 20 000) und »Asch-Scharara« (6 000); außerdem kommen rd. 30 wöchentlich und monatlich Publikationen heraus. - Nachrichtenagenturen: »Saba News Agency«, Sanaa, und »Aden News Agency« (ANA), gegründet 1970, Aden. - Der Rundfunk ist in der »Yemen Radio and Television General Corporation« mit vier Hörfunk- und zwei Fernsehstationen öffentlich-rechtlich organisiert.
Wirtschaft und Verkehr:
Jemen gehört, gemessen am Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner von (1994) 520 US-$, zu den ärmsten Ländern Arabiens (vergleiche Abschnitt Außenwirtschaft).
Sie ist noch immer der wichtigste Wirtschaftszweig. In ihr sind (1994) 38 % der Erwerbstätigen beschäftigt, die 19 % des BIP erwirtschaften. Das Ackerland umfasst rd. 1,7 Mio. ha, vorwiegend im Bergland und im Gebirgsrandbereich des W. Der Anteil bewässerter Flächen nimmt stetig zu, doch sind die dafür herangezogenen Grundwasserkörper (Tiefbrunnen) vielfach schon übernutzt. Wichtigste Anbauprodukte im Subsistenzbereich sind Hirse, Weizen, Gerste, Mais und Hülsenfrüchte. Für den Markt werden Obst (v. a. Bananen, Weintrauben), Gemüse, Baumwolle und Tabak produziert. Der einst bedeutende Kaffee spielt nur noch eine geringe Rolle (vorwiegend Export). Das mit Abstand wichtigste Agrarprodukt für den Binnenmarkt ist die Drogenpflanze Kath. Der immergrüne Kathstrauch gedeiht in frostfreien Lagen oberhalb von etwa 1 000 m über dem Meeresspiegel und bringt bei Bewässerung ständigen Ertrag (frische Triebe). Etwa 80 % aller Jemeniten kauen täglich Kath, das auf rd. 10 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen kultiviert wird und den Bauern hohe Gewinne einbringt. Insgesamt stagniert die Agrarproduktion seit Mitte der 1970er-Jahre, sodass Lebensmittel in ständig steigendem Maße eingeführt werden müssen (1994: 36 % des gesamten Importwertes).
Die Fischerei (Fangmenge stagniert bei 85 000 t jährlich) hat besonders im Süden Bedeutung für die Eigenversorgung (Trockenfisch, auch als Viehfutter). Exportiert werden Sardinen und Thunfische (Konservenfabriken in Aden und Al-Schihr).
Seit 1984 sind einige Erdölvorkommen erschlossen worden, Rohölexport erfolgt seit 1987. Die wichtigsten Felder sind die von Marib/Al-Jawf, Schabwa und Masila/Hadramaut. Von jedem Feld führt eine Pipeline zur Küste (Ausfuhrhäfen Salif am Roten Meer beziehungsweise Balhaf und Makalla am Golf von Aden). Produktion (1995: 17 Mio. t) und Export (90 % des Ausfuhrwertes) nehmen ständig zu. Raffinerien in Aden und Safir versorgen den Binnenmarkt mit Ölprodukten. Langfristig wichtiger dürften aber die großen Erdgasvorkommen sein, deren Erschließung und Nutzung derzeit mithilfe ausländischer Gesellschaften erfolgt. - Daneben besitzen nur noch die Steinsalzvorkommen bei Salif eine gewisse Bedeutung.
Das produzierende Gewerbe (16 % der Erwerbstätigen, 24 % des BIP) besitzt nur für den Binnenmarkt Bedeutung. Die Industrie ist in den großen Städten konzentriert und umfasst (teils staatlich) Betriebe der Textilherstellung, Nahrungsmittelverarbeitung und Metallbranche. Drei Zementfabriken versorgen das relativ bedeutende Baugewerbe.
Die meisten Erwerbstätigen (1994: 46 %) sind im Handel und im stark aufgeblähten öffentlichen Sektor beschäftigt.
Der Tourismus ist v. a. wegen mangelnder Infrastruktur bisher wenig entwickelt (1995: 60 000 Auslandsgäste).
Trotz chronisch defizitärer Außenhandelsbilanz konnte die Leistungsbilanz bis 1990 weitgehend ausgeglichen gestaltet werden, da Gastarbeiterüberweisungen, hohe Entwicklungshilfeleistungen und direkte Budgethilfen arabischer Ölstaaten den Devisenzufluss sicherten. Seitdem sind aus politischen Gründen (Vereinigung des Landes, Verhalten des Jemens im 2. Golfkrieg) diese Einnahmequellen fast versiegt; die Einnahmen aus dem Ölexport konnten die Verluste bei weitem nicht wettmachen, sodass die Verschuldung rasch zunahm (1994: 9,15 Mrd. US-$ = etwa das Doppelte des jährlichen BIP). Die Schäden des Sezessions-(Bürger-)Krieges von 1994 werden auf 7,5 Mrd. US-$ geschätzt und verschärften die Wirtschaftskrise weiter. Hohe Inflationsraten treffen v. a. die Angehörigen der Unterschicht, sodass erstmals in jemenitischen Städten auch Elendsviertel entstehen.
Verkehr:
Das Straßennetz wird seit 1970 zügig ausgebaut (1994: 2 500 km Asphaltstraßen, rd. 8 000 km Staubstraßen und viele Pisten), sodass inzwischen alle wichtigen Städte miteinander verbunden sind. Eisenbahnen existieren nicht. Wichtigste Häfen sind Hodeida, Aden und Makalla. Internationale Flughäfen bestehen in Sanaa und Aden; das Binnenflugnetz zu weiteren acht Landeplätzen ist recht bedeutsam.
Das historische Gebiet von Asir bis Hadramaut im Südwesten der Arabischen Halbinsel (einschließlich Dhofar in Oman), der im Rahmen der vorderasiatischen Trockengebiete begünstigte Jemen, wurde in der Antike von Herodot »Land des Weihrauchs« (hier wurde der Weihrauch gewonnen, der über die Weihrauchstraße in den östlichen Mittelmeerraum gelangte), von den Römern wegen seiner fruchtbaren Täler Arabia Felix (»Glückliches Arabien«) genannt. Das Wadi Hadramaut war schon im Frühpaläolithikum besiedelt. Im 1. Jahrtausend v. Chr. entstanden die Reiche Saba (Sabäer), Main (Minäer), Hadramaut und Kataban, im 3. Jahrhundert n. Chr. das sabäohimjarische Großreich (Himjar). Seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. fielen mehrmals Äthiopier ein. Nach einer Phase unter äthiopischer (im frühen 6. Jahrhundert) und persischer Oberhoheit (ab 570) kam der Jemen unter Abu Bakr (632-634) zum arabisch-islamischen Kalifat, aus dessen Hoheitssphäre er sich mit dem Auftreten der alidischen Dynastie der Saiditen (seit 897 in Saada, seit 901 in Sanaa, Gründung des Imamats) zu lösen begann (945 unabhängig); dann zerfiel der Jemen in kurzlebige Stammesherrschaften, die 1173-1229 unter den in Ägypten und Syrien herrschenden Aijubiden zusammengefasst wurden. Von diesen machten sich die Rasuliden unabhängig; sie führten das Land zu hoher Blüte (1229-1454). Unter ihren schwachen Nachfolgern fiel es größtenteils an die ägyptischen Mamelucken; mit der Eroberung Ägyptens durch die Türken 1517 fiel Jemen an das Osmanische Reich. Die Türken konnten unter ständigen Kämpfen, v. a. gegen den Imam der Saiditen, nur einen Teil des Landes (Aden, Lahedj) unterwerfen (1538/39); Sanaa, ab 1517 autonomes Sultanat, wurde nur 1546 besetzt. Nach der Niederlage gegen Scheich Qassim (1630) räumten die osmanischen Truppen Aden und Lahedj bis 1633/35. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts war das südjemenitische Küstenland, besonders Aden, auch Interessengebiet europäischer Kolonialmächte: Die Portugiesen besetzten 1506-10 die Insel Sokotra; ihr Versuch, Aden einzunehmen (1513), misslang. 1799 eroberte die (britische) Ostindische Kompanie die Insel Perim, 1839 die Halbinsel Aden und unterstellte beide ihrer Verwaltung; durch ein Handelsabkommen mit dem Sultan von Lahedj (1802) sicherte sich die britische Regierung ihren Einfluss in der Region. 1849 begann eine neue unvollständige osmanische Eroberung; Sanaa stand nur 1872-90 unter osmanischer Herrschaft (Wilajet Jemen). Danach kam es verstärkt zu einer getrennten Entwicklung von Nord- und Süd-Jemen.
Nordjemen:
Nach den Aufständen von 1904/05 und 1911 mussten die Türken Jahja Ibn Mohammed (* 1876; seit 1904 Imam) als Herrscher des nördlichen Jemen anerkennen (1913 weitgehende Autonomie). Mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches (1918) wurde Jemen unter Jahja ein selbstständiges Königreich; der Imam selbst nahm den Königstitel an. Im Vertrag von Taif (20. 5. 1934; jeweils nach 20 Jahren zu erneuern) verzichtete Jemen auf die Herrschaft über die Landschaft Asir sowie zwei weitere Provinzen zugunsten Saudi-Arabiens; dieses erkannte die Unabhängigkeit des Jemens und die bestehenden Grenzen an. Am 22. 3. 1945 beteiligte sich Jemen an der Gründung der Arabischen Liga und trat 1947 der UNO bei. Nach der Ermordung Jahjas (1948) setzte sich sein Sohn Ahmed (* 1895) im Verlauf blutiger Kämpfe als Herrscher (1948-62) durch. 1948-51, nach Aufhebung des Auswanderungsverbotes von 1929, wanderten die meisten jemenitischen Juden über eine Luftbrücke von Aden nach Israel aus. Nach Verträgen mit Ägypten (1956) gehörte Jemen 1958-61 der »Vereinigten Arabischen Republik« als föderatives Mitglied an.
Nach dem Tod Ahmeds (19. 9. 1962 kam es am 26. 9. durch einen Militärputsch zum Sturz der Monarchie; Oberst Abdullah as-Sallal (* 1917, ✝ 1994) rief die Arabische Republik Jemen (Abkürzung JAR) aus und leitete als Staatspräsident sowie Präsident des Revolutionsrates eine sozialistische, panarabische und außenpolitisch proägyptische Politik ein. Durch den Widerstand von Anhängern der Monarchie, die sich um Ahmeds Sohn, den Imam Mohammed al-Badr (* 1920), sammelten, brach noch 1962 ein Bürgerkrieg aus. Mit (zuletzt) 50 000 Soldaten unterstützte Ägypten auf der Basis eines Militärbündnisses (November 1962) die Republikaner, die sich v. a. in den Städten und in der Küstenebene behaupteten. Mithilfe Saudi-Arabiens gewannen die Royalisten v. a. bei den Bergvölkern im Norden eine politische und militärische Basis. Im August 1967 stimmte G. Abd el-Nasser in Verhandlungen mit König Feisal von Saudi-Arabien in Khartum dem Abzug der ägyptischen Truppen aus Jemen zu. Am 5. 11. 1967 stürzte die republikanische Armee Sallal, der als Exponent der völligen politischen Abhängigkeit von Ägypten galt, und stellte Abd ar-Rahman al-Iriani (* 1901) an die Spitze des Staates; 1969/70 gewannen die Republikaner im Bürgerkrieg endgültig die Oberhand (Beendigung mit dem Abkommen vom 28. 4. 1970).
Im Verlauf eines unblutigen Militärputsches übernahm am 13. 6. 1974 Oberst I. al-Hamdi das Amt des Staatschefs. Nach der Ermordung Hamdis (1977) und seines Nachfolgers A. H. al-Ghaschimi (1978) trat A. Abdullah Saleh (* 1942) an die Spitze der Republik. Bei den inneren Konflikten spielten v. a. die Spannungen zwischen der Zentralregierung in Sanaa und den Bergstämmen im Norden eine große Rolle. Seit Beginn der 70er-Jahre entwickelten sich zwischen der Arabischen Republik Jemen (seitdem kurz Nordjemen genannt) und der 1969/70 entstandenen »Demokratischen Volksrepublik Jemen« (Südjemen) konfliktreiche, wechselseitig von militärischen Aktionen und politischen Verhandlungen bestimmte Beziehungen, die sich v. a. um die Frage der Vereinigung beider Staaten drehten.
Südjemen:
Zwischen 1882 und 1914 gelang es Großbritannien, durch den Abschluss von Schutzverträgen die zahlreichen Stammesfürstentümer im Hinterland und an der Küste in einem Ostprotektorat Aden (Kernlandschaft Hadramaut) und in einem Westprotektorat Aden (17 Staaten, u. a. das Sultanat von Lahedj) zusammenzufassen; 1937 löste die britische Regierung das Gebiet von Aden aus der Verwaltung von Britisch-Indien und erklärte es zur Kronkolonie, 1963 zum »Staat Aden«, der sich mit der »Föderation der arabischen Emirate des Südens« (1959 hervorgegangen aus den Emiraten des früheren Westprotektorates Aden) zur »Südarabischen Föderation« zusammenschloss. - Antisemitische Pogrome 1947 und 1967 veranlassten die Übersiedlung der überlebenden südjemenitischen Juden (1946: 7 000) nach Israel. - Am 14. 10. 1963 begann im Radfanggebirge der Kampf der »Nationalen Front zur Befreiung des besetzten Südjemens«. Nach einem Umsturz im September 1967 in zahlreichen Emiraten und Abzug der britischen Truppen (bis 30. 11. 1967; Proklamation der »Volksrepublik Südjemen«) setzten sich revolutionäre Kräfte sowohl in der Südarabischen Föderation als auch im früheren Ostprotektorat Aden durch; sie wandelten mithilfe von Beratern aus der UdSSR, der DDR und Kuba das monarchisch-föderative System der Emirate in einen sozialistischen Einheitsstaat um. Am 30. 11. 1970 erfolgte die Umbenennung in die Demokratische VR Jemen (Abkürzung VDRJ). Nach Konstituierung der »Jemenitischen Sozialistischen Partei« (JSP) 1978 und auf der Grundlage der am 31. 10. 1978 gebilligten Verfassung war diese die einzig zugelassene politische Kraft. Der 111 gewählte Mitglieder zählende »Oberste Volksrat« bildete die Legislative. Er ernannte sowohl ein Präsidium, dessen Vorsitzender Staatsoberhaupt war, als auch den Ministerrat (Regierung).
In ihrer Außenpolitik stellte sich die Demokratische Volksrepublik Jemen (u. a. Mitglied der UNO und der Arabischen Liga) auf die Seite der radikalen Gegner Israels. 1979 schloss sie ein Freundschaftsabkommen mit der UdSSR, 1981 ein Bündnis mit Libyen und Äthiopien.
Nach Flügelkämpfen innerhalb der Staatspartei kam es im Januar 1986 zum Bürgerkrieg; der seit 1978 amtierende Staatspräsident A. Nasser Mohammed (* 1944) floh nach Nordjemen. Im Februar 1986 wählte der »Oberste Volksrat« Haidar Abu Bakr al-Attas (* 1939) zu seinem Nachfolger.
Das vereinigte Jemen:
Bemühungen zu einer staatlichen Vereinigung Jemen scheiterten zunächst an ideologischen Gegensätzen. Ein 1972 von beiden Staaten geschlossenes Abkommen über ihren Zusammenschluss wurde bereits 1973 von der Arabischen Republik Jemen gekündigt. Es kam zu Grenzkonflikten und offenen Feindseligkeiten (1970/1971, 1972, 1979, 1981/82). Vereinigungsverhandlungen 1972 (Grundsatzvertrag, erneuert 1979), 1977, 1981 (Koordinierungs- und Kooperationsabkommen; u. a. Einsetzung eines aus den Staatsoberhäuptern bestehenden »Jemenitischen Rates«) und 1989 (Bildung eines Vereinigten politischen Organisationskomitees) führten schließlich am 22. 5. 1990 zum Zusammenschluss zu einem einheitlichen Nationalstaat Jemen ([Islamische] Republik Jemen). Erster Präsident wurde Saleh, Ministerpräsident al-Attas. Am 15. und 16. 5. 1991 billigte die Bevölkerung beider Jemen die vorläufige Verfassung der Republik Jemen; bei den Parlamentswahlen vom 27. 4. 1993 siegte der Allgemeine Volkskongress (AVK), die Partei des Staatspräsidenten; die frühere Staatspartei Südjemens, die JSP, wurde drittstärkste Partei.
Die Unterstützung Iraks im 2. Golfkrieg (u. a. Ausweisung jemenitischer Gastarbeiter aus Saudi-Arabien) und der Einstrom somalischer Flüchtlinge 1991/92 führte Jemen in starke wirtschaftliche (hohe Arbeitslosigkeit und Inflation) sowie politische Schwierigkeiten. Die nach den Wahlen (1993) gebildete Koalitionsregierung aus AVK und JSP (bis 1994) bemühte sich um eine Stabilisierung des Landes und eine gemäßigte Außenpolitik, u. a. durch die Anerkennung Eritreas und Öffnung der Grenze zu Oman. Verschiedene Konfliktpotenziale zwischen dem konservativ-religiösen Norden und dem sozialistisch-laizistisch geprägten, nunmehr politisch wie wirtschaftlich unterprivilegierten Süden lösten jedoch Kämpfe zwischen dem Süden und Norden aus (27. 4.-5. 5. 1994), die sich zu einem Bürgerkrieg ausweiteten. Am 21. 5. proklamierten Politiker des Südens die Wiederherstellung der »Demokratischen Volksrepublik Jemen«. Der militärisch überlegene Norden eroberte den Süden (u. a. Belagerung und Einnahme Adens, 5. 7.) und erklärte am 7. 7. 1994 den Sezessionskrieg für beendet (rd. 7 000 Opfer). Nachdem das Parlament am 28. 9. 1994 eine neue islamisch bestimmte Verfassung gebilligt hatte, wählte es Saleh am 1. 10. 1994 für fünf Jahre zum Staatspräsidenten (erneut Oktober 1999); neuer Ministerpräsident einer Koalition aus AVK und Islah (bis 1997) wurde am 3. 10. Abdul Aziz Abdulghani (* 1939; schon 1975-80 und 1983-90 Ministerpräsident von Nordjemen). Der mächtige Führer der Islah, Scheich Abdallah Ibn Hussain Al-Ahmar, wurde am 27. 4. 1993 Präsident des Parlaments (bis 1997). Nach bewaffneten Auseinandersetzungen mit Eritrea um die Inselgruppe Hanisch (Ende 1995) wurde am 3. 5. 1996 die friedliche Beilegung des Konflikts vereinbart; 1998 konnten die Grenzstreitigkeiten per internationalem Schiedsspruch beigelegt werden. Die Parlamentswahlen vom 27. 4. 1997 führten zu einer Alleinregierung des AVK (187 der 301 Mandate); die JSP und v. a. der Führer der Islah hatten die Wahlen boykottiert. 1995 begannen neue Verhandlungen mit Saudi-Arabien zur Regelung der Grenzstreitigkeiten, v. a. bezüglich der Landschaft Asir. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Jemen im Vertrag von Taif von 1934 (nach einem Krieg mit dem damaligen Süd- Jemen) zugunsten Saudi-Arabiens auf die Herrschaft darüber verzichtet hatte.
P. Wald: Der J. Nord- u. Süd-J. (1980);
R. L. Bidwell: The two Yemens (Harlow 1983);
Economy, society and culture in contemporary Yemen, hg. v. B. R. Pridham (London 1985);
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Die Königin von Saba. Kunst, Legende u. Archäologie zw. Morgenland u. Abendland, hg. v. W. Daum,: (1988);
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The Yemeni War of 1994: Causes and consequences, hg. v. J. S. Al-Sawaidi (London 1995);
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Weitere Literatur: Arabische Halbinsel.
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Universal-Lexikon. 2012.