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Umweltschutz
Naturschutz

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Um|welt|schutz ['ʊmvɛltʃʊts̮], der; -es:
Gesamtheit der Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Umwelt:
wer anstatt mit dem Auto mit dem Fahrrad fährt, leistet einen Beitrag zum Umweltschutz.
Syn.: Naturschutz.

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Ụm|welt|schutz 〈m.; -es; unz.〉 das Aufrechterhalten erträglicher Lebensbedingungen durch Verhindern od. Beseitigen von Umweltschäden ● sie ist im Umweltschutz aktiv

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Ụm|welt|schutz, der <o. Pl.> [viell. nach engl. environmental protection]:
Schutz der natürlichen Umwelt:
sich für den U. einsetzen, engagieren.

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Umweltschutz,
 
zu Beginn der 1970er-Jahre aufgekommener Begriff für die Gesamtheit der Maßnahmen und Bestrebungen, die darauf abzielen, die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen zu sichern, den Naturhaushalt (das heißt die Gesamtheit der Bestandteile Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wechselgefüge zwischen ihnen) zu schützen und eingetretene Schäden zu beheben.
 
 Historische Entwicklung
 
Das Wort Umwelt wurde erstmals im Jahr 1800 von dem dänischen Dichter J. Baggesen (für den lesenden Menschen) verwendet. In die Naturwissenschaft wurde der Begriff durch Jakob von Uexküll eingeführt. Die weltweite Auseinandersetzung mit Umweltproblemen sowie dem Umweltschutz löste insbesondere Rachel Carsons Buch »Silent spring« (1962; deutsch »Der stumme Frühling«) aus.
 
Seit ihrer Existenz beeinflusst die Menschheit ihre Umwelt. Mit Beginn der neolithischen Revolution vor etwa 10 000 Jahren erfolgte der Übergang vom Sammeln und Jagen der Steinzeit zu geordneten Ackerbau- und Viehzuchtgesellschaften, das heißt hin zur geplanten Gestaltung der natürlichen Umwelt. In der Antike haben die Mittelmeerkulturen ihre Wälder abgeholzt, um Holz zur Metallverhüttung und für den Schiffbau zu gewinnen. Weite Teile der Böden wurden dadurch der Erosion durch Wind und Regen ausgesetzt. - Im dünner besiedelten Mitteleuropa griffen die Menschen erst seit dem Mittelalter in stärkerem Ausmaß in die natürliche Umwelt ein. Die ursprünglich bewaldete Lüneburger Heide wurde für Salinen und frühe Kohlegruben gerodet. Gegen Ende des Mittelalters waren weite Teile Mitteleuropas nahezu entwaldet. In den Städten bewirkten Abwässer und Abfälle von Berufsständen wie Gerber, Metzger und Färber eine Verunreinigung von Wegen und Gewässern, die die Gesundheit beeinträchtigten. - Mit der industriellen Revolution seit etwa 1800 kam es zu erheblichen Umweltbeeinträchtigungen. Einleitungen von ungeklärten Industrie- und Haushaltabwässern führten zum biologischen Absterben von Flüssen und Gewässern. In der Nähe von Industriegebieten stiegen die regionalen Luftbelastungen mit Gasen, Rauch, Staub und Schadstoffen stark an.
 
Als erste Umweltschutzmaßnahmen können der Bau von Kanalisationen und hohen Schornsteinen sowie die Einrichtung erster Naturschutzgebiete gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts angesehen werden; zu den ersten Naturschutzgebieten in Deutschland gehörten z. B. das Siebengebirge bei Bonn (zur Verhinderung von Waldkahlschlag) und die Lüneburger Heide (um 1920).
 
Der wirtschaftliche Wiederaufschwung seit den 1950er-Jahren und die mit ihm verbundenen hohen Wachstumsraten riefen steigende Umweltprobleme (besonders durch Industrieabgase) hervor. 1961 erhob deshalb W. Brandt die Forderung nach einem »Blauen Himmel über der Ruhr«. 1971 erarbeitete die Bundesregierung erstmalig ein Programm zum Umweltschutz. Durch Gründung des Umweltbundesamtes (1974) wurde der Umweltschutz bundesweit institutionalisiert; Umweltpolitik konnte sich seitdem zunehmend als eigenständiger Politikbereich etablieren und v. a. in den Bereichen Luft- und Gewässerreinhaltung Erfolge erzielen.
 
Die fachliche Zuständigkeit für umwelt- und naturschutzrechtliche Maßnahmen lag in Westdeutschland zu dieser Zeit im Bundesministerium des Inneren, der Bereich Energie- und Atomrecht beim Bundesministerium für Wirtschaft. Weitere Aufgaben oblagen den Ministerien für Landwirtschaft und Gesundheit. Mit wachsenden Umweltproblemen wurde zunehmend die Gründung eines eigenständigen Ministeriums zur Bündelung der vielfältigen Aufgaben diskutiert. - Das Reaktorunglück von Tschernobyl (Ukraine) und dessen Folgen führten 1986 zur Gründung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Unterstellt sind ihm neben dem Umweltbundesamt das Bundesamt für Strahlenschutz sowie das Bundesamt für Naturschutz, die v. a. Eigenkompetenzen in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Kontrolle (z. B. Luftqualität, Radioaktivität) haben. Seitdem findet bundesweit koordinierter Umweltschutz statt, der v. a. bei der Reaktorsicherheit rasches Handeln ermöglichen soll. Auf Länderebene existieren Umweltministerien in verschiedenen Zuständigkeitskombinationen (z. B. »Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz« in Nordrhein-Westfalen).
 
In Deutschland wurde der Umweltschutz 1994 als Staatsziel im Grundgesetz (Artikel 20 a) verankert. Grundlagen des Umweltschutzes bilden das Kooperationsprinzip, das Vorsorgeprinzip, das Verursacherprinzip sowie die ökologisch verpflichtete soziale Marktwirtschaft.
 
Die Umweltpolitik ist seit etwa 1990 in eine neue Phase eingetreten. In Westdeutschland konnte ein insgesamt hohes Umweltschutzniveau erreicht werden. Die Einheit Deutschlands und die Öffnung Europas haben deshalb die Aufmerksamkeit besonders auf unmittelbar drängende Probleme in Ostdeutschland und in Staaten des ehemaligen Ostblocks gelenkt (z. B. Gewässersanierungen, nukleare Sicherheit, Altlasten des Uranbergbaus und des Militärs). Im Zusammenhang mit dem Umweltschutz kann die Globalisierung der Wirtschaft zu nachteiligen Folgen führen: Würden alle Länder der Erde das Wohlstandsniveau mit dem Naturverbrauch der westlichen Industrieländer verwirklichen, wäre die Tragfähigkeit lebenswichtiger Ökosysteme überfordert. So wäre z. B. der weltweite Energieverbrauch etwa doppelt so hoch wie gegenwärtig. Umweltschutz erfordert daher verstärkte internationale Anstrengungen und die Verwirklichung des Vorsorgeprinzips über einen schrittweise sinkenden Ressourcenverbrauch in den westlichen Industrieländern. Entsprechende rechtliche Grundlagen bilden z. B. das um Umweltbelange erweiterte Grundgesetz sowie verschiedene völkerrechtliche Konventionen.
 
 Ursachen und Folgen gegenwärtiger Umweltbelastungen
 
Umweltbelastungen haben zahlreiche Ursachen, die eng miteinander verbunden sind. Von besonderem Gewicht sind: 1) die industrielle und landwirtschaftliche Produktion, die Energie, Rohstoffe und Flächen verbraucht und Schadstoffe und Abfälle hervorbringt; 2) Handel und Distribution, die über den Transport Belastungen hervorrufen; 3) der Verbrauch umweltintensiver Produkte und der Lebensstil von Konsumenten.
 
Der Charakter wichtiger Umweltbelastungen hat in den letzten Jahren einen Bedeutungswandel erfahren. Wurden anfangs eher lokale Probleme wahrgenommen, die sinnlich unmittelbar erfahrbar sind, so stehen heute Internationalität, Komplexität und Langfristigkeit im Vordergrund. Ökosysteme und Länder sind über globale Stoffkreisläufe miteinander vernetzt, sodass nahezu jedes Umweltproblem grenzüberschreitende Auswirkungen hat. Umweltprobleme wie der Treibhauseffekt, die Ausdünnung der stratosphärischen Ozonschicht, die Verschmutzung und Überfischung der Weltmeere, die Abnahme von Süßwassereressourcen, die Ausbreitung von Wüsten, der Verlust fruchtbarer Bodenflächen sowie das Schwinden der biologischen Vielfalt und die Vernichtung der Wälder erfordern international koordinierte Handlungsstrategien.
 
Umweltprobleme wirken in vielfacher Weise aufeinander ein und kumulieren ihre Wirkungen, sodass gesicherte Aussagen über Ursachen und Schadenspotenziale häufig schwierig sind. So haben z. B. mehr als 10 Jahre intensiver Waldschadensforschung nicht zur Ermittlung hinreichend eindeutiger Aussagen führen können. Neuartige Umweltprobleme können ferner zeitversetzt zu ihrer Verursachung auftreten, weil manche Reaktionen erst ab bestimmten Schwellenwerten sichtbar werden (z. B. kann die Lebensdauer von FCKW bis etwa 100 Jahre betragen, die Klimaforschung rechnet in Jahrhunderten). Negative Folgen sind dann erst Jahrzehnte später nachzuweisen. Die relative Langsamkeit ökologischer Prozesse steht im Kontrast zur Beschleunigung wirtschaftlicher Prozesse. Der Umweltschutz löst sich deshalb zunehmend von der Bekämpfung einzelner Probleme und wendet sich Verursachergruppen zu. Von Bedeutung sind dabei v. a. Energieversorgung, Verkehr, Städtebau, Landwirtschaft, chemische Industrie sowie Freizeit und Tourismus. In diesen Bereichen werden Strategien entwickelt, in denen Politik, Unternehmen, Verbrauchergruppen, Umwelt- und Naturschutzverbände kooperieren, um schrittweise die Umweltbelastungen zu reduzieren.
 
 Kosten und Nutzen des Umweltschutzes
 
Kosten und Nutzen des Natur- und Umweltschutzes werden unterschiedlich eingeschätzt. Kosten für Umweltschutzmaßnahmen entstehen in der Regel für individuelle Marktteilnehmer, wohingegen ein intakter Naturhaushalt der Allgemeinheit und künftigen Generationen zugute kommt. Umgekehrt betrachtet, ruft unterlassener Umweltschutz Kosten für die Allgemeinheit hervor, die mit einem funktionierenden Preismechanismus eigentlich von ihren privaten Verursachern getragen werden müssten. - Die Mehrzahl durchgeführter Untersuchungen über Kosten und Nutzen des Umweltschutzes weist eine volkswirtschaftlich positive Bilanz aus. Ein wirksamer Umweltschutz ist mit Kostensenkungen z. B. im Gesundheitswesen sowie hinsichtlich des Arbeitsschutzes, der Sanierung und des sparsameren Verbrauchs natürlicher Ressourcen verbunden. Steigende Kosten entstehen für umweltintensive Industriezweige oder für einzelne Konsumgewohnheiten (z. B. Pkw-Nutzung). Methodisch schwierig ist die Abschätzung indirekter Effekte und von Vorsorgemaßnahmen.
 
Ein integrierter Umweltschutz und ein Anstieg der Ökoeffizienz sind weniger kostenintensiv als herkömmliche Maßnahmen, die überwiegend am Ende der Wertschöpfungskette ansetzen. Über ein optimales Umweltmanagement, ein Ausschöpfen von Effizienzpotenzialen und einen Übergang zu umweltverträglichen Technologien können laufende Betriebskosten weiter gesenkt und Systemlösungen realisiert werden. Manche Experten halten einen »Faktor Vier« im Sinne eines verdoppelten Wohlstands bei halbiertem Naturverbrauch für technologisch realisierbar. Die internationale Koordination von Umweltschutzbemühungen erleichtert den Handel mit Umweltschutzgütern. Die Umsetzung entsprechender Möglichkeiten auf der Ebene von Unternehmen und privaten Haushalten ist allerdings von der Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen und von der allgemein dem Umweltschutz zugemessenen Bedeutung abhängig.
 
 Umweltethik
 
Die zunehmende Umweltzerstörung kann zu einer Gefährdung der menschlichen Lebensgrundlagen für gegenwärtige und künftige Generationen in allen Gebieten der Erde werden. Dies stellt auch die Ethik vor neue Aufgaben und Fragen, denn der Freiheit des Menschen, sich nach eigenen Bedürfnissen in besonderem Maße materiell zu entfalten und die Natur als nutz- und beherrschbar zu begreifen, sind durch die Tragfähigkeit beziehungsweise Belastbarkeit ökologischer Systeme Grenzen gesetzt. Ein aktiver Umweltschutz erfordert Werturteile über die Schutzwürdigkeit des Naturhaushalts, seinen Wert für künftige Generationen und die Einbeziehung von Menschen in anderen Teilen der Erde.
 
Parallel zum frühen Erscheinen zahlreicher Studien über die bedrohte Zukunft der Menschheit und des Planeten Erde (D. Meadows u. a.: »Die Grenzen des Wachstums«, 1972; H. Gruhl: »Ein Planet wird geplündert«, 1975) hat in Philosophie und Theologie seit den 1970er-Jahren eine intensive Auseinandersetzung mit umweltethischen Fragen begonnen.
 
In der christlichen Umweltethik werden v. a. die Aussagen des Alten Testaments als richtungweisend für das Verhalten vom Menschen zur Umwelt herangezogen. Mensch und Natur verdanken demnach ihre Existenz der Schöpfung Gottes; der Mensch hat den Auftrag erhalten, über die Erde mit allen Tieren zu herrschen (1. Mose 1, 28) und den Paradiesgarten zu bebauen und zu bewahren (1. Mose 2, 15). In der ersten Aussage ist Herrschaft im Sinne der Fürsorge eines Hirten für die Herde gemeint; die letzte Aussage weist auf den göttlichen Auftrag an den Menschen, die Erde zu schonen und zu gestalten.
 
Von den Kirchen liegt bislang keine geschlossene Konzeption einer Umweltethik vor. Seit Beginn der 1970er-Jahre jedoch thematisieren eine Vielzahl von Stellungnahmen, Erklärungen und päpstlichen Ansprachen ökologische Probleme und fordern die Übernahme der Verantwortung des Menschen für die Natur (»die Schöpfung bewahren«). Denn allein der Mensch ist in der Lage, für die Sicherung der Zukunft Sorge zu tragen. Ebenso wird der Natur ein Eigenwert zuerkannt, der sich nicht im Nutzen für den Menschen erschöpft (Deutsche Bischofskonferenz und Rat der EKD, 1985).
 
Die vielfältigen philosophischen Positionen lassen sich in anthropozentrische und nichtanthropozentrische Ethiken gliedern. Ansätze einer Umweltethik reichen bis in die Antike zurück. Anthropozentrische Ethiken gehen von einem grundlegenden Unterschied zwischen Menschen und der belebten (Pflanzen, Tiere) und unbelebten Natur aus. Pflichten hat der Mensch als sittliches Wesen nur sich selbst und anderen Menschen gegenüber, der Natur gegenüber allenfalls um des Menschen willen (I. Kant). Die aktuelle (anthropozentrische) Zukunftsethik begründet eine Vermeidung von Umweltschädigungen zugunsten gleicher Lebensbedingungen zukünftiger Generationen (H. Jonas). Dieser ethische Ansatz wurde im politischen Raum besonders durch die so genannte Brundtlandkommission (1987) aufgegriffen und findet seine politische Konkretisierung in der Forderung der internationalen Staatengemeinschaft, als Leitlinie eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung anzustreben (nachhaltige Entwicklung; UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung, Rio de Janeiro, 1992). Verstanden wird darunter eine Entwicklung, in der die heutigen Generationen ihre Bedürfnisse in Form und Ausmaß nur so weit befriedigen können, dass sie die Lebensgrundlagen kommender Generationen nicht gefährden. Gleichzeitig wird die intragenerative Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen Menschen in allen Teilen der Erde betont.
 
Biozentrischer Ethik zufolge hat der Mensch unmittelbare Pflichten gegenüber der belebten Natur (A. Schweitzer). Nach der physiozentrischen oder kosmozentrischen Ethik hat der Mensch darüber hinaus Pflichten gegenüber der gesamten Natur. So fordert K. M. Meyer-Abich vom Ganzen der Natur her zu denken und übt Kritik am neuzeitlichen Dualismus von Subjekt und Objekt. Dieser bestimme das anthropozentrische Denken und Verhalten und somit auch Maßnahmen zum Schutz der Umwelt. Neben der Aufklärung über die Gleichheit der Menschen solle eine Aufklärung über unsere natürliche Verwandtschaft mit der übrigen Welt erfolgen. Meyer-Abich spricht in diesem Zusammenhang von der »Mitweltlichkeit« mit Tieren, Pflanzen und Elementen. Die Anerkennung von Eigenrechten der Natur sieht er als notwendige Grundlage für die Lösung von Umweltproblemen an.
 
Forderungen der Umweltethik betreffen die Zielorientierung, die sittliche Haltung und das sich hieraus ergebende Handeln. Als Ziele werden genannt: ein ganzheitliches (das heißt ökologisches) Weltbild, das von der Vernetztheit und gegenseitigen Abhängigkeiten der Phänomene ausgeht (F. Capra); Überwindung der Entfremdung des Menschen in seiner Beziehung zur Natur und zu sich selbst durch Berücksichtigung der einheitlichen Zusammengehörigkeit und einer Ausbildung aller Sinnesorgane; Überwindung der reduktionistisch-mechanistischen Betrachtungsweise durch integrative Sicht; Glaube an die Schöpfung; Abkehr von materiellen Statussymbolen, quantitativem Wachstum, Herrschafts- und Beherrschbarkeitsdenken und Hinwendung zu Grundwerten des Zeitwohlstands, der qualitativen Entwicklung, der Kooperation und der Solidarität.
 
Die sittliche Haltung soll geprägt sein durch Ehrfurcht und Achtung vor der Natur, Einfühlung in und Verständnis für ökologische, soziale und globale Zusammenhänge sowie ein hohes Umweltbewusstsein. Dennoch besteht oft ein Widerspruch zwischen hohem Umweltbewusstsein (z. B. in Deutschland) und menschlichem Verhalten. Umweltschutz als globale Verantwortung und unter Einbeziehung der Rechte künftiger Generationen impliziert ein vorausschauendes, präventives Handeln. Neben allgemeinen Handlungsmaximen müssen dementsprechend Regeln für den Einzelnen entwickelt werden, die auf reale Entscheidungssituationen des Alltags beziehbar sind.
 
 Umweltverhalten und Lebensstile
 
Umweltbelastungen gehen von der industriellen Produktion im weitesten Sinne aus und sind durch gesellschaftliche (ökonomische) Vorgaben (Energie-, Verkehrs-, Forschungs-, Wirtschaftspolitik u. a.) und Zielvorstellungen bestimmt (Wachstum). Grundlagen der Umweltvorsorge, die der stärker werdenden Forderung, die natürliche Lebensgrundlage künftiger Generationen zu bewahren, nachkommt, sind neben den nach dem Stand der Technik möglichen technischen und technologischen Veränderungen (z. B. für die Produktion von Gütern mit geringerem Energie- und Ressourcenverbrauch), umweltpolitische Prinzipien und gesetzliche Regelungen insbesondere auch die Stärkung des Umweltbewusstseins und Maßnahmen zur Umweltbildung, die in zahlreiche internationale Vertragstexte (z. B. Klimarahmenkonvention, Konvention zur biologischen Vielfalt, Agenda 21) Eingang gefunden haben. Erforderlich ist eine allgemeine Richtungsänderung des technischen und sozialen Fortschritts, für die die Veränderungen der Konsum- und Lebensgewohnheiten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.
 
Umweltschutz wird im Alltag oft mit Verzicht gleichgesetzt. Ein derartiger Ansatz greift jedoch zu kurz. Praktizierter Umweltschutz kann vielmehr mit der »Suche nach dem erfüllten Leben« einhergehen, das die Philosophie seit Aristoteles beschäftigt. Eine allgemeine Grundregel ist die Angemessenheit aller Handlungen, die auch auf der Einsicht basiert, nicht alles zugleich nutzen und besitzen zu können. Konsum sollte demzufolge bewusst und selektiv stattfinden. Die Beachtung umweltverträglicher Merkmale bei Kauf und Nutzung von Produkten kann als erster Schritt zu einem umweltbewussten Verhalten angesehen werden. Darüber hinaus sind allgemeine Lebensstile von Bedeutung, die das ökologische Gleichgewicht bewahren (nach E. Fromm als Alternative zwischen »Haben oder Sein« bezeichnet).
 
Nach verschiedenen internationalen Vergleichsstudien ist das Umweltbewusstsein in Deutschland hoch. Ausgeprägt sind Verhaltensweisen der Abfalltrennung und -aufbereitung sowie der Kauf umweltschonender Produkte. Darüber hinaus existieren verschiedene Handlungsmöglichkeiten (z. B. zum Energiesparen, zur technischen Optimierung von Heizungs- und Kühlsystemen, bei der Entscheidung für langlebige Qualitätsgüter u. a.), die ohne tief greifende Verhaltensänderungen die Umwelt entlasten. In anderen Entscheidungssituationen, die einen Wandel der Lebensstile erfordern, treten Umsetzungshemmnisse zutage (Psychologen sprechen von »kognitiver Dissonanz«). Da Wachstum, Individualismus, Mobilität, zunehmende Erlebnisorientierung zu den Grundinhalten beziehungsweise -zielen unserer Gesellschaft gehören, erfordert ein Wandel der Lebensstile zu einem umweltbewussten Leben, gesunder Ernährung, einer maßvollen Güterausstattung, gemeinschaftlicher Nutzung von Gebrauchsgütern usw. sowohl Anreize von außen (wie funktionierende Nutzungsalternativen, Informationen und Finanzierbarkeit) als auch einen gesellschaftlichen Wertewandel und eine stärker ausgeprägte Umweltethik. Der Umweltbildung kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. Zielorientierte Umweltbildung muss in den politisch-gesellschaftlichen Kontext eingebunden sein, das heißt relevante Rahmenbedingungen thematisieren, um Entscheidungskriterien zum Handeln anbieten zu können. Ein allmählicher Wandel der Lebensstile zu einem umweltbewussten Verhalten wird deshalb nicht völlig ohne die Grundwerte der Verantwortlichkeit, des Gemeinsinns und ohne materiellen Verzicht auskommen können.
 
 Umwelt- und Naturschutzverbände
 
Wichtige Akteure im Umweltschutz sind die Umwelt- und Naturschutzverbände, die zwischen Staat, Bürgern sowie den Interessengruppen der Wirtschaft aktiv sind. Sie haben in Deutschland im Wesentlichen zwei historische Wurzeln: Die Naturschutzbewegung der deutschen Romantik im 19. Jahrhundert und die protestierenden Bürgerinitiativen der 1970er-Jahre. Beide Wurzeln prägen die organisatorische Landschaft der Verbände und ihre inhaltliche Ausrichtung. Bedeutende Umwelt- und Naturschutzverbände sind der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND), der Deutsche Naturschutzring - Bundesverband für Umweltschutz e. V. (DNR), der Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) sowie die nationalen Sektionen von Greenpeace und dem World Wide Fund for Nature (WWF).
 
Während die Naturschutzverbände vorwiegend im Gebietsschutz zu verschiedenen Bereichen (z. B. Umweltbildung) bis heute aktiv sind, waren in den 1970er-Jahren die Aktionen der Umweltverbände hauptsächlich gegen bestimmte Risiken konkreter Großtechnologien gerichtet. Öffentlichkeitswirksame Handlungen wie Demonstrationen, Besetzungen von Fabriken, Baugeländen, Schiffen usw. bestimmten das Bild. Das Verhältnis zur staatlichen Politik und zur Wirtschaft war demzufolge gespannt. Die Umweltverbände konnten jedoch Medien und weite Teile der Öffentlichkeit für ihre Anliegen mobilisieren; sie trugen dadurch maßgeblich zum hohen Stand des Umweltbewusstseins und zur Weiterentwicklung von Beteiligungsverfahren in Politik und Unternehmen bei. - In den 1980er-Jahren wurden (unter der Bezeichnung »Wende«) konkrete Konzepte zur umweltverträglichen Gestaltung wichtiger Handlungsfelder wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Chemie vorgelegt. Parallel etablierten sich »Die Grünen« als Partei und vertraten wichtige Anliegen der Umweltschutz- und Naturschutzbewegung in den Parlamenten. Da auch Politik und Wirtschaft begannen, sich des Themas Umweltschutz aktiv anzunehmen, fand ein Übergang von der Konfrontation zur Kooperation statt. - Seit etwa 1990 findet eine neue Standortbestimmung statt, die auch mit dem allgemeinen Wandel des Umweltschutzes zusammenhängt. Allgemein ist Umsetzungskönnen gefragt, das heißt, maßgebliche Teile der Umweltschutzbewegung arbeiten mittlerweile mit Politik und Industrie zusammen. Bündnis 90/Die Grünen wurden 1998 gemeinsam mit der SPD Regierungspartei der Bundesrepublik Deutschland. Gleichsam ist weiterhin ein gesellschaftliches Korrektiv erforderlich, das bei Bedarf wirkungsvolle Protestaktionen inszeniert. So hat beispielsweise Greenpeace bei der angekündigten Versenkung der Nordseeölplattform »Brent Spar« den Mineralölkonzern Shell zum Einlenken bewegen können. Konfliktlinien zeichnen sich beim Einsatz neuer Technologien, der Verwendung gentechnisch veränderter Lebensmittel, dem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie und der Bewältigung der BSE-Krise ab. Hier bleiben Teile der Umweltbewegung ihren Zielen stärker verpflichtet als die rot-grüne Bundesregierung, die stärker auf Interessenausgleich bedacht ist. Beide suchen zurzeit in diesem Spannungsfeld nach einer neuen Identität.
 
Deshalb hat die Umweltbewegung die anspruchsvolle Aufgabe, ihre Kompetenz und Glaubwürdigkeit in weiten Bevölkerungskreisen für die weitergehende Motivation zu umweltverträglichen Lebensstilen, die Praktizierung einer Umweltethik und die allgemeine Umsetzung von Zukunftsentwürfen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung einzusetzen. In dieser Rolle ist sie weder von Industrie und Politik noch von Kirchen oder Gewerkschaften zu ersetzen. Sie ist dabei auf Kooperation und Unterstützung angewiesen. Ein dauerhafter Frieden mit der Natur im Einklang mit der Wirtschaft und den Bedürfnissen der unterschiedlichen Gesellschaften der Erde bleibt daher eine Zukunftsaufgabe.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Abfallwirtschaft · Boden · Desertifikation · Ethik · Fortschritt · Gewässerschutz · Kernenergie · Klimaänderung · Lärm · Luftverschmutzung · Meeresverschmutzung · Natur · Naturschutz · Ökologie · Ozonloch · Recycling · Rohstoffe · Tierschutz · Tourismus · Treibhauseffekt · Verantwortung · Waldsterben
 
Literatur:
 
Lernorte in der Umwelterziehung, hg. v. K. Schleicher (1992);
 M. Schlitt: Umweltethik (1992);
 K. Gillwald: Ökologisierung von Lebensstilen (1995);
 E. U. von Weizsäcker u. a.: Faktor Vier. Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch (1995);
 M. Heidegger: Die Technik u. Die Kehre (91996);
 
Daten zur Natur, hg. v. Bundesamt für Naturschutz (1996);
 W. Lochbühler: Christl. Umweltethik (1996);
 
Nachhaltiger Konsum. Welchen Beitr. kann die umweltbezogene Verbraucherarbeit leisten?, bearb. v. G. Fleischer u. a. (1996);
 
Welt im Wandel. Wege zur Lösung globaler Umweltprobleme, hg. v. Wiss. Beirat der Bundesreg. Globale Umweltveränderungen (1996);
 A. Etzioni: Die Verantwortungsgesellschaft. Individualismus u. Moral in der heutigen Demokratie (a. d. Engl., 1997);
 K. M. Meyer-Abich: Prakt. Naturphilosophie. Erinnerung an einen vergessenen Traum (1997);
 G. Scherhorn u. a.: Wege zu nachhaltigen Konsummustern (1997);
 
Nachhaltiges Dtl. Wege zu einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung, hg. v. Umweltbundesamt (21998);
 
Nachhaltige Entwicklung in Dtl., hg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz u. Reaktorsicherheit, Referat Öffentlichkeitsarbeit (1998);
 
Umwelt u. Wirtschaftsethik, hg. v. H. Steinmann u. G. R. Wagner (1998);
 
Zukunftsfähiges Dtl. Ein Beitr. zu einer global nachhaltigen Entwicklung, Beitrr. v. R. Loske u. a. (Basel 51998);
 M. Jänicke u. a.: Lern- und Arbeitsbuch Umweltpolitik (1999);
 M. Bank: Basiswissen Umwelttechnik. Wasser, Luft, Abfall, Lärm u. Umweltrecht (42000);
 U. Kuckartz: Umweltbewußtsein in Dtl. 2000, hg. v. Bundesumweltministerium/Umweltbundesamt (2000);
 A. Porteous: Dictionary of environmental science and technology (Chichester 32000);
 E. U. von Weizsäcker: Das Jahrhundert der Umwelt. Vision: öko-effizient leben u. arbeiten (2000).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Umweltschutz: Die Grenzen des Wachstums
 
Bergbau: Die ökologischen Folgen
 
Abfallentsorgung und Recycling
 
Umweltmanagement: Instrumente und Ziele
 
Klima: Schutzmaßnahmen
 
Luftverschmutzung und ihre Folgen
 
Luftreinhaltung: Technische Maßnahmen
 
Staubabscheider: Damit staubhaltige Luft sauber wird
 
Abtrennung gasförmiger Luftverunreinigungen
 
Umweltpolitik im 21. Jahrhundert
 
Umweltschutz: Aufgaben der Umweltschutzpolitik
 

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Ụm|welt|schutz, der [viell. nach engl. environmental protection]: Schutz der natürlichen Umwelt: Unter dem neuen Namen U. verlor in diesem Jahr der Naturschutz endgültig das Odium einer romantischen Liebenswürdigkeit (MM 31. 12. 70, 3); Die Reformer wollen den U. als Staatsziel in der Verfassung verankern (Spiegel 6, 1993, 29); sich für den U. einsetzen, engagieren; jeder von uns kann etwas zum U. beitragen.

Universal-Lexikon. 2012.