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Gesundheitswesen
Gesundheitssystem

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Ge|sụnd|heits|we|sen 〈n.; -s; unz.〉 alle die öffentl. Gesundheit betreffenden Einrichtungen u. Vorgänge; Sy Gesundheitsdienst, Sanitätswesen

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Ge|sụnd|heits|we|sen, das <o. Pl.>:
Gesamtheit der öffentlichen Einrichtungen zur Förderung u. Erhaltung der Gesundheit, zur Bekämpfung von Krankheiten od. Seuchen.

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Gesundheitswesen,
 
System von öffentlichen Einrichtungen und Leistungserbringern, das die Gesundheitsförderung, -erhaltung und -versorgung der Bevölkerung sicherstellt. Zum Gesundheitswesen in Deutschland gehören die ambulante und die stationäre medizinische Versorgung, die Pflege sowie die Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen.
 
Im ambulanten Sektor sind freiberuflich tätige Allgemeinärzte, Fachärzte und Zahnärzte sowie Pflegekräfte die wesentlichen Leistungserbringer. Die stationäre medizinische Versorgung erfolgt in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Pflegeheimen. Diese befinden sich in öffentlicher, frei-gemeinnütziger und privater Trägerschaft. Öffentliche (Länder und Kommunen) und frei-gemeinnützige (Kirchen und Wohlfahrtsverbände) Träger stellen den größten Teil der Bettenkapazitäten bereit. Der öffentliche Gesundheitsdienst ergänzt deren Leistungen und übt zahlreiche Überwachungsfunktionen aus. Wesentliche Industriezweige für das Gesundheitswesen sind die pharmazeutische Industrie (Arzneimittel) und die Medizinprodukteindustrie (medizinische Geräte, Hilfsmittel). Die ärztliche und pflegerische Ausbildung sowie die Gesundheitsforschung finden an den Hochschulen und Hochschulkliniken, FH und Fachschulen statt. Für die medizinische Forschung gibt es außerdem zahlreiche Forschungseinrichtungen (z. B. Max-Planck-Institute, Deutsches Krebsforschungszentrum).
 
Die Gesamtverantwortung für das Gesundheitswesen ist in Deutschland nach Artikel 74 GG zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Danach können auch die Länder Gesetze erlassen, soweit der Bund nicht tätig wird. Auf Bundesebene ist insbesondere das 1991 neu eingerichtete Bundesministerium für Gesundheit mit seinen gesetzlichen Regelungskompetenzen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, das Arzneimittel- und Medizinprodukterecht und die Ausbildung der Gesundheitsberufe (soweit diese nicht in die Zuständigkeit der Länder fällt) zuständig. Weitere gesundheitspolitische Kompetenzen liegen bei den Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung, für Familie, Frauen und Jugend, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie für Bildung und Forschung.
 
Die Finanzierung des Gesundheitswesens wird im Wesentlichen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV, etwa 50 %), die öffentlichen Haushalte, die private Krankenversicherung, die soziale Pflegeversicherung sowie die gesetzliche Renten- und Unfallversicherung sichergestellt. Hinzu kommen direkte Leistungsfinanzierungen durch Arbeitgeber (v. a. Lohnersatzleistungen) und private Haushalte (Zuzahlungen, Selbstfinanzierung nicht verordneter Leistungen). Die Beiträge in den gesetzlichen Versicherungen werden - mit Ausnahme der Unfallversicherungsbeiträge, die die Unternehmen aufbringen - je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen. Mit etwa 2,2 Mio. Beschäftigten (1998) und Aufwendungen von rund 517 Mrd. DM (1997) besitzt das Gesundheitswesen eine große volkswirtschaftliche und beschäftigungspolitische Bedeutung. Der größte Teil der Gesundheitsausgaben entfällt auf die Krankenbehandlung.
 
Für den ambulanten Sektor werden Leistungsvergütungen (Leistungsspektrum und Vergütungsniveau) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (Vertretungskörperschaft der Kassenvertragsärzte) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen ausgehandelt. Die Vergütung erfolgt nicht direkt vom Patienten zum Leistungsbringer, sondern durch die Krankenkassen (Sachleistungsprinzip) und ist weitgehend leistungsbezogen (Einzelleistungsvergütung). Die Vergütungen (Honorare), die für die Versorgung aufgebracht werden, sollten mit der gleichen Wachstumsrate steigen wie die Einkommen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Im stationären Sektor wurde 1996 die ausschließliche so genannte selbstkostendeckende Finanzierung durch Pflegesätze (die zwischen den Krankenkassen und den einzelnen Krankenhäusern festgelegt wurden) abgelöst durch ein System, das Fallpauschalen und Sonderentgelte für bestimmte Leistungen mit vertraglich festgelegten Basis- und Abteilungspflegesätzen kombiniert. Langfristig ist vorgesehen, sämtliche Krankenhausleistungen durch ein pauschaliertes Vergütungssystem abzugelten.
 
Zu den Merkmalen des deutschen Gesundheitswesens gehören die sozialstaatliche und solidarische Verteilung von Risiken und Verantwortlichkeiten, die sich an den Prinzipien der Subsidiarität und Eigenverantwortung orientieren. Im Vergleich zu anderen Gesundheitssystemen sind in Deutschland der breite Leistungsumfang und der für alle sozialen Schichten gleich gute Zugang zu den Einrichtungen des Gesundheitswesens von zentraler Bedeutung. Mit der Einführung der Pflegeversicherung (1995), die die ambulante und stationäre Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Form eines eigenständigen Sozialversicherungszweiges abdeckt, wurde überdies eine Lücke im sozialen Sicherungssystem geschlossen. Problem des deutschen Gesundheitswesens, aber auch der Gesundheitssysteme vergleichbarer Industrienationen, ist die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung.
 
Die Struktur des Gesundheitswesens, dessen Grundlagen ab 1883 mit Einführung der einzelnen Zweige der Sozialversicherung geschaffen wurden, hat durch die Gesundheitsreformen seit den 1960er-Jahren wesentliche Änderungen erfahren. Die bis Mitte der 1970er-Jahre dauernde Phase der Expansion des Gesundheitswesens wurde 1977 mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungs-Gesetz der sozialliberalen Regierung erstmals abgebremst. Seitdem wurden 46 weitere Gesetze mit etwa 7 000 Einzelregelungen verabschiedet. Mit dem Gesundheitsstruktur-Gesetz von 1993 wurde neben Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung auch eine Organisationsreform des Kassenwesens durchgesetzt, die Wahlrechte für alle Versicherten garantiert und der so genannte »Risikostrukturausgleich« eingeführt. Mit dem Beitragsentlastungs-Gesetz sowie mit dem 1. und 2. GKV-Neuordnungs-Gesetz wurden 1997 Leistungskürzungen vorgenommen und die Krankenkassen zu weiteren Sparmaßnahmen verpflichtet.
 
Die 1998 gewählte Regierungskoalition (SPD und Bündnis 90/Die Grünen) schaffte mit dem 1999 in Kraft getretenen Solidaritätsstärkungs-Gesetz insbesondere Regelungen ab, die zu zusätzlichen finanziellen Belastungen der Versicherten geführt hatten (Zuzahlungserhöhungen, soziales Notopfer Krankenhaus, Selbstzahlung des Zahnersatzes für Kinder). Im Dezember 1999 wurde die GKV-Gesundheitsreform 2000 verabschiedet.
 
Die Gesundheitsforschung bezieht sich v. a. auf die medizinische und biomedizinische Grundlagenforschung, die nach ursächlichen Zusammenhängen zwischen biologischen Prozessen des menschlichen Organismus hinsichtlich Krankheit und Gesundheit sucht, auf die klinische Forschung, die neue Behandlungs- und Untersuchungsverfahren sowie Arzneimittel- und Medizinprodukte analysiert, sowie auf die sozialwissenschaftlich orientierte Public-Health-Forschung, die mit Blick auf den Gesundheitszustand der gesamten Bevölkerung in Kooperation mit zahlreichen Einzelwissenschaften Faktoren zur Erhaltung der Gesundheit und zur Verhinderung von Krankheit untersucht.
 
Es gibt unterschiedliche Einrichtungssysteme, die zur Erhaltung, Förderung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Das deutscheGesundheitswesen gliedert sich im Wesentlichen in den ambulanten und stationären Sektor, den öffentlichen Gesundheitsdienst und in weitere Dienstleistungsbereiche (u. a. Rettungsdienste) sowie in die Hersteller medizinisch wichtiger Produkte (pharmazeutische Industrie, Gerätehersteller). Der stationären Versorgung dienen die Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen (einschließlich Kurkliniken) und Hochschulkliniken (auch für Ausbildung, Forschung und Lehre zuständig), die in Deutschland 1998 insgesamt 769 000 Betten zur Verfügung stellten. Bei den Akutkrankenhäusern sind die öffentlichen Körperschaften (Kommunen, Länder, Bund) und die frei-gemeinnützigen Institutionen die größten Träger. Neben den Forschungseinrichtungen (Max-Planck-Institute, Deutsches Krebsforschungszentrum u. a.) sind wesentliche Elemente des Gesundheitswesens die Krankenkassen und Krankenversicherer (Träger der gesetzlichen beziehungsweise privaten Krankenversicherung), die Berufsgenossenschaften (Unfallversicherung) sowie die Landesversicherungsanstalten und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Rentenversicherung und Rehabilitation). Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) stellt ein grundlegendes Ordnungsprinzip für das Gesundheitswesen dar.
 
Andere Modelle sind das staatliche Gesundheitswesen, das durch Steuermittel finanziert wird und in dem in der Regel staatliche Instanzen die Leistungen erbringen (z. B. in Großbritannien eingeführt von W. Beveridge of Tuggal) und das marktwirtschaftlich orientierte Gesundheitswesen der USA, wo Selbstzahler oder privat versicherte Personen private Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
 
Mit 2,2 Mio. Beschäftigten (1998) und finanziellen Aufwendungen von 526 Mrd. DM in Deutschland besitzt das Gesundheitswesen eine große volkswirtschaftliche Bedeutung. Für die Aufgaben des ambulanten und stationären Sektors kommt (mit Ausnahme der Krankenhausinvestitionen, die derzeit von den Ländern finanziert werden) die GKV auf. Für den ambulanten Sektor werden Leistungsspektrum und Vergütungsniveau zwischen den Spitzenverbänden der niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und denen der Kassenverbände ausgehandelt. Die Vergütung erfolgt nicht unmittelbar durch die Patienten, sondern durch die Krankenkassen (Sachleistungsprinzip) und ist weitgehend leistungsbezogen (Einzelleistungsvergütung). Die Summe aller Leistungen ist durch ein Budget begrenzt (Gesamtvergütung). Im stationären Sektor wurde die bisherige Finanzierung durch Pflegesätze (die zwischen den Kassenverbänden und den einzelnen Krankenhäusern ausgehandelt wurden) 1996 abgelöst von der Finanzierung durch Fallpauschalen und pauschalierte Sonderentgelte, Abteilungs- und Basispflegesätze. Dadurch soll die Vergütung stärker mit einzelwirtschaftlichen Anreizen versehen werden.
 
Die Gesamtverantwortung für das Gesundheitswesen in Deutschland liegt bei Bund und Ländern, den Trägern der Gesundheitspolitik. Diese übertragen staatliche Aufgaben zum Teil auf Körperschaften des öffentlichen Rechts (Kassen, Rentenversicherer, Berufsgenossenschaften und kassenärztliche Vereinigungen) und räumen privaten Anbietern erhebliche Anteile an der Leistungserbringung und Produktion ein (Arztpraxen, pharmazeutische Industrie, Apotheken, private oder privat-gemeinnützige Krankenhäuser, Hersteller medizinischer Geräte). Die Struktur des Gesundheitswesens, dessen Grundlagen ab 1883 mit Einführung der einzelnen Zweige der Sozialversicherung geschaffen wurden, hat durch die Gesundheitsreformen der letzten Jahre wesentliche Änderungen erfahren. Die bis Anfang der 70er-Jahre dauernde Phase der Expansion des Gesundheitswesens wurde 1977 mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz der sozialliberalen Regierung und 1982 mit der Kostendämpfungspolitik durch die christlichliberale Regierung fortgesetzt. Die damit angestrebte Begrenzung der Ausgaben in der Krankenversicherung wurde jedoch auch mit dem 1989 in Kraft getretenen Gesundheitsreformgesetz nicht erreicht. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1993 wurde deshalb eine Organisationsreform des Kassenwesens durchgesetzt und die Vergütung im ambulanten und stationären Sektor umgestellt. Mit dem Beitragsentlastunggesetz sowie mit dem 1. und 2. GKV-Neuordnungsgesetz wurden 1997 weitere Kürzungen eingeführt (u. a. durch höhere Zuzahlungen bei Leistungen der GKV) und die Krankenkassen zu weiteren Sparmaßnahmen verpflichtet. Die 1998 gewählte Regierungskoalition (SPD und Bündnis 90/Die Grünen) kehrte mit dem 1999 in Kraft getretenen Solidaritätsstärkungsgesetz diesen Trend um. Zuzahlung und Leistungsausgrenzung wurden teilweise zurückgeführt. Im Dezember 1999 wurde die GKV-Gesundheitsreform 2000 verabschiedet. Das Gesetzespaket beinhaltet Maßnahmen zur Integrationsversorgung, zur Stärkung von Patientenrechten, Prävention und Selbsthilfe sowie eine Qualitätssicherung. Einer Verbesserung der Prävention dient auch das Infektionsschutzgesetz vom 20. 7. 2000 (durch dieses Gesetz wurde das Bundes-Seuchen-Gesetz zum 1. 1. 2001 aufgehoben).
 
Literatur:
 
Wanek, V.: Machtverteilung im G. Frankfurt am Main 1994.
 Schwartz, F. W. u. a.: Das Public Health Buch. München 1998.
 
Beske, F. u. a.: Das G. in Dtl.. Struktur - Leistungen - Weiterentwicklung. Köln 31999.

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Ge|sụnd|heits|we|sen, das <o. Pl.>: Gesamtheit der staatlichen Einrichtungen zur Förderung u. Erhaltung der Gesundheit, zur Bekämpfung von Krankheiten od. Seuchen.

Universal-Lexikon. 2012.