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Gleichgewicht
Balance; Ausgewogenheit; Equilibrium (fachsprachlich)

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Gleich|ge|wicht ['glai̮çgəvɪçt], das; -[e]s:
1. ausbalancierter Zustand eines Körpers, in dem sich die entgegengesetzt wirkenden Kräfte aufheben:
die Balken sind im Gleichgewicht.
Syn.: Balance.
2. innere, seelische Ausgeglichenheit:
lange nach der Krise hat sie schließlich ihr Gleichgewicht wiedergefunden.

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Gleich|ge|wicht 〈n. 11; unz.〉
1. Zustand, in dem sich zwei od. mehr einander entgegengesetzt gerichtete Wirkungen (Kräfte) aufheben
2. 〈fig.〉
2.1 allg. Ausgleich von Kräften, Machtverhältnissen usw.
2.2 innere Harmonie, seelische Ruhe, Ausgeglichenheit
● das \Gleichgewicht der Kräfte ● sich sein \Gleichgewicht bewahren; das \Gleichgewicht halten, stören, verlieren 〈a. fig.〉; sie hat ihr \Gleichgewicht noch nicht wiedergefunden 〈fig.〉 ● chemisches \Gleichgewicht Zustand bei einer umkehrbaren chem. Reaktion, bei der die Geschwindigkeit der Hinreaktion gleich der Geschwindigkeit der Rückreaktion ist, dabei ist die Konzentration der Ausgangs- u. Endprodukte unter den gegebenen Bedingungen stets gleichbleibend; indifferentes, labiles, stabiles \Gleichgewicht Zustand, je nachdem der Körper bei einer kleinen Verschiebung aus seiner momentanen Lage in der neuen Lage verharrt, sich von ihr zu entfernen strebt bzw. in diese zurückzukehren sucht; das innere, seelische \Gleichgewicht herstellen; das politische \Gleichgewicht ● mich kann so leicht nichts aus dem \Gleichgewicht bringen; diese Nachricht hat sie völlig aus dem \Gleichgewicht gebracht 〈fig.〉; aus dem \Gleichgewicht geraten 〈a. fig.〉; sich im \Gleichgewicht halten

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Gleich|ge|wicht: derjenige Zustand eines Körpers oder eines stofflichen bzw. thermodynamischen Systems, bei dem keine Zustandsänderungen eintreten (statisches G.) u./od. Wirkung u. Gegenwirkung sich aufheben (dynamisches G.), z. B. ein chemisches Gleichgewicht, das Säure-Basen-Gleichgewicht, Verdampfungsgleichgewicht, ökologisches Gleichgewicht, Fließgleichgewicht (stationärer Zustand), Pseudogleichgewicht (metastabiler Zustand).

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Gleich|ge|wicht , das <o. Pl.> [ von lat. aequilibrium, frz. équilibre]:
1.
a) Zustand eines Körpers, in dem die entgegengesetzt wirkenden Kräfte einander aufheben:
stabiles G.;
das G. halten;
sie verlor das G. und stürzte;
aus dem G. kommen;
die Waage ist im G.;
b) Ausgeglichenheit, Ausgewogenheit, Stabilität:
das europäische G.;
das G. der Kräfte;
Sicherung des ökologischen -s.
2. innere, seelische Ausgeglichenheit:
darunter leidet mein seelisches G.;
sein G. bewahren, verlieren;
aus dem G. geraten;
sich nicht aus dem G. bringen lassen (ruhig bleiben).

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Gleichgewicht,
 
1) Biologie: ökologisches Gleichgewicht.
 
 2) Chemie: chemisches Gleichgewicht.
 
 3) Physik: der Zustand eines Körpers oder eines Systems, bei dem maßgebende Zustandsgrößen zeitlich konstant sind und/oder Wirkungen und Gegenwirkungen sich aufheben.
 
Mechanik:
 
An einem starren Körper oder einem Teilchensystem herrscht Gleichgewicht (Kräftegleichgewicht), wenn sowohl die vektorielle Summe aller auf die einzelnen Teile beziehungsweise Teilchen einwirkenden Kräfte als auch die vektorielle Summe aller an ihnen angreifenden Drehmomente gleich null ist (Gleichgewichtsbedingungen). Der Körper beziehungsweise das System befindet sich dann im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung (statisches Gleichgewicht). - Auch ein System, in dem Beschleunigungen auftreten, lässt sich als System im Gleichgewicht auffassen, bei dem die beschleunigenden Kräfte (und die von ihnen herrührenden Momente) mit den auftretenden Trägheitskräften (und den von ihnen herrührenden Momenten) im Gleichgewicht stehen (alembertsches Prinzip). Nach der Stabilität eines Gleichgewichtszustands unterscheidet man drei Gleichgewichtsarten: 1) stabiles Gleichgewicht: Wird ein Körper aus einer Gleichgewichtslage, in der er ruht, durch Einwirkung einer Kraft F herausbewegt, so tritt am Körper ein Moment r × G auf (G Gewichtskraft des Körpers, r der vom momentanen Drehpunkt zum Körperschwerpunkt weisende Vektor), das den Körper wieder in diese stabile Gleichgewichtslage zurückführt, in der der Schwerpunkt S die tiefste Lage einnimmt. Im Zustand des stabilen Gleichgewichts ist die potenzielle Energie des Körpers kleiner als in den benachbarten Lagen; sie hat dort ein Minimum; 2) labiles Gleichgewicht: Bei Ablenkung des Körpers aus einer labilen Gleichgewichtslage tritt ein Moment r × G auf, das den Körper noch weiter von dieser Lage entfernt; beim labilen Gleichgewicht hat der Schwerpunkt S seine höchste Lage und die potenzielle Energie des Körpers ein Maximum; 3) indifferentes Gleichgewicht: Jede Ablenkung des Körpers führt in eine neue Gleichgewichtslage, da keine rückstellenden oder den Körper weiter ablenkenden Momente auftreten; die potenzielle Energie ist in jeder Lage gleich groß, der Schwerpunkt S verändert seine Höhe nicht.
 
Kernphysik:
 
Ist das Folgeprodukt (Tochtersubstanz) eines radioaktiven Stoffs selbst radioaktiv und hat es eine kürzere Halbwertszeit als der Ausgangsstoff (Muttersubstanz), so herrscht radioaktives Gleichgewicht, wenn das Zusammenwirken von Neuerzeugung und Zerfall konstant geworden ist. Die Radioaktivität von Mutter- und Tochtersubstanz klingt dann nach der gleichen Zeitfunktion ab.
 
 4) Politikwissenschaft: politisches Gleichgewicht, ein herrschaftspolitisches Modell, das im politisch-sozialen System eines Staates oder im Beziehungsgeflecht unabhängiger Staaten eine machtpolitische Balance zwischen den um Einfluss auf das Ganze ringenden Kräften herstellen will.
 
Innenpolitisch verbindet sich das Prinzip des Gleichgewichts der Kräfte in einem Staat mit dem Versuch, durch wechselseitige Kontrolle Macht zu begrenzen, politische Herrschaft in ihrer Wirkung auf die ihr Unterworfenen zu mäßigen und den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften die Möglichkeit zu ihrer Entfaltung zu geben.
 
Bereits die politische Theorie der Antike (besonders Aristoteles) versuchte, mit der Forderung nach einer »gemischten Verfassung« das politisch-soziale Gleichgewicht in der Polis zu fördern. Im Mittelalter war die gleichgewichtige Teilhabe der Stände an der staatlichen Macht ein Zeichen der »gottgewollten Ordnung«. In den liberalen Verfassungssystemen der Neuzeit sollte das auf Montesquieu zurückgehende Prinzip der Gewaltenteilung ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Trägern der Staatsgewalt im Sinne des »Allgemeinwohls« herstellen. Die Demokratietheorie des 20. Jahrhunderts sucht auf unterschiedlichen Wegen im Einzelnen das Gleichgewicht unter den politischen und gesellschaftlichen Kräften zu sichern (Demokratie).
 
In der internationalen Politik verknüpft sich der Gedanke des Gleichgewichts mit dem Ziel eines ausgewogenen Machtverhältnisses zwischen souveränen Staaten, v. a. in Hinblick auf ihre politischen, militärischen und wirtschaftlichen Potenzen. Grundidee einer solchen Balance of Power ist, dass kein Staat und keine Mächtegruppierung so viel Kraft besitzen darf, eine direkte Herrschaft oder eine Hegemonie über andere Staaten errichten zu können.
 
Der Gedanke eines europäischen Gleichgewichts bildet seit dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-13/14) eine wesentliche Komponente in den Beziehungen der europäischen Staaten untereinander. Das Prinzip der Balance of Power wurde besonders von Großbritannien als Mittel gegen Machtkonzentrationen auf dem europäischen Kontinent, so bei den Hegemoniebestrebungen Frankreichs unter Ludwig XIV. und Napoleon I., angewendet. Ergänzt wurde diese Politik des Mächtegleichgewichts durch die Politik eines »nordischen Gleichgewichts« (Dominium maris Baltici). Innerhalb des römisch-deutschen Kaiserreichs und des Deutschen Bundes spielte die Frage des Gleichgewichts zwischen Preußen und Österreich im 18./19. Jahrhundert eine wesentliche Rolle. Im Vorfeld des Ersten Weltkriegs sah Großbritannien das europäische Gleichgewicht vor allem durch das 1871 geschaffene Deutsche Reich gefährdet.
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte sich die Frage des Gleichgewichts vor allem zwischen den von den USA und den von der UdSSR geführten Machtblöcken (Ost-West-Konflikt). Im Zuge einer atomaren Rüstung suchten besonders die Führungsmächte dieser beiden einander gegenüberstehenden Gruppierungen durch ein »Gleichgewicht des Schreckens« (Abschreckung) ihre Macht- und sicherheitspolitischen Positionen zu behaupten. Nach dem Zerfall des Ostblocks kann durch den Wegfall einer der beiden Machtgruppen von einem solchen Gleichgewicht nicht mehr gesprochen werden. Es rücken neben aus dem ehemaligen Konflikt zwischen den Machtblöcken resultierenden unterschiedlichen Positionen, z. B. um die Osterweiterung der NATO, andere, bis dahin von der Systemauseinandersetzung beziehungsweise vom Kalten Krieg verdeckte wirtschaftliche und soziale Ungleichgewichtigkeiten in den Vordergrund (ethnische Konflikte, Nord-Süd-Konflikt).
 
 5) Psychologie: seelisches Gleichgewicht.
 
 6) Thermodynamik: thermodynamisches Gleichgewicht.
 
 7) Volkswirtschaftslehre: Bezeichnung für Zustände, in denen alle gegebenen wirtschaftlichen Zusammenhänge vereinbar und verträglich sind, in denen widerstrebende gesellschaftliche Kräfte zu einem Ausgleich kommen können und in denen wirtschaftliche Mechanismen reibungslos und deshalb für alle besser funktionieren. Bei der üblichen mathematischen Modellierung der volkswirtschaftlichen Wirklichkeit ist Gleichgewicht etwas, was man algebraisch oder geometrisch als »Lösung« ermittelt. Der konkrete Inhalt des jeweiligen Gleichgewichtsbegriffs ist also vom Inhalt des Gleichungssystems bestimmt, dessen Lösung gerade ermittelt wird.
 
Zentrale Bedeutung hat (mikro- und makroökonomisch) das Marktgleichgewicht: Geplante Nachfrage- und Angebotsmengen stimmen beim Gleichgewichtspreis überein; Anbieter und Nachfrager verwirklichen ihre Absatz- beziehungsweise Einkaufspläne und sind deshalb zufrieden. Zu wenig beachtet wird der abweichende Inhalt des Begriffs Kreislaufgleichgewicht: Einnahmen und Ausgaben aller am Kreislaufgeschehen (Wirtschaftskreislauf) Beteiligten (Transaktoren) stimmen überein; die Budgetgleichungen sind tatsächlich (ohne Rücksicht auf Zufriedenheit) erfüllt, sodass während der Kreislaufperiode keine Bestandsänderungen am Kreislaufmedium (Geld) der Transaktoren auftreten. Zur Konzeption des Kreislaufgleichgewichts gehört z. B. das System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht.
 
Ein Gleichgewicht ist kurzfristig, wenn die geplanten und realisierten Nachfrage- und Angebotsmengen nur vorübergehend übereinstimmen, langfristig, wenn dies für mehrere Perioden zutrifft. Stabil, instabil (labil) und neutral (indifferent) sind Gleichgewichte analog der Begriffsbestimmung in der Mechanik. Ein Gleichgewicht ist partiell, wenn Markträumung nur auf einem Markt vorliegt (mikroökonomisches Gleichgewicht), hingegen total oder gesamtwirtschaftlich, wenn alle Märkte geräumt werden (makroökonomisches Gleichgewicht); gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht im Sinne der gleichzeitigen Verwirklichung von Preisniveaustabilität, hohem Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum ist ein wichtiges wirtschafts-, besonders konjunkturpolitisches Ziel. Bei einem dynamischen Gleichgewicht stimmen die erwarteten Wachstumsraten mit den tatsächlichen überein; sind die Wachstumsraten in allen Sektoren gleich null, so ergibt sich ein stationäres Gleichgewicht.
 
Literatur:
 
E. Helmstädter: Wirtschaftstheorie, 2 Bde. (3-41986-91);
 K. Jaeger: G., ökonomisches, in: Hwb. der Wirtschaftswiss., hg. v. W. Albers u. a., Bd. 3 (Neuausg. 1988).
 

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Gleich|ge|wicht, das <o. Pl.> [LÜ von lat. aequilibrium, frz. équilibre]: 1. a) Zustand eines Körpers, in dem die entgegengesetzt wirkenden Kräfte einander aufheben: stabiles G.; das G. halten; sie verlor das G. und stürzte; aus dem G. kommen; die Waage ist im G.; unsere Maschine schaukelte, bis sie sich wieder im G. hatte und stieg (Frisch, Homo 26); b) Ausgeglichenheit, Ausgewogenheit, Stabilität: das europäische G.; das G. der Kräfte; ein G., das nicht starr, sondern labil ist (Thienemann, Umwelt 21); Sicherung des ökologischen -s; dass der Frieden nur durch militärisches G. möglich wird (durch ein Gleichgewicht in der Rüstung; Saarbr. Zeitung 8./9. 12. 79, 3); *G. des Schreckens (Zustand der Stabilität, der durch Drohung mit einem großen Gefahrenpotenzial erkauft ist): das immer komplizierter und gefährlicher werdende „G. des Schreckens“ (Alt, Frieden 10). 2. innere, seelische Ausgeglichenheit: Darunter leidet mein seelisches G. (Kirst, Aufruhr 67); sein G. bewahren, verlieren; aus dem G. geraten; sich nicht aus dem G. bringen lassen (ruhig bleiben); ein sich nicht im G. befindendes Seelenleben (Nigg, Wiederkehr 98); jmdn. um sein inneres G. bringen.

Universal-Lexikon. 2012.