Exil|li|te|ra|tur 〈f. 20〉 die von den während des Nationalsozialismus im Exil lebenden Schriftstellern geschriebenen Werke
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Exil|li|te|ra|tur, die; -, -en <Pl. selten>:
Literatur von Autorinnen u. Autoren, die im Exil leben (bes. Werke deutscher Autorinnen u. Autoren, die während des Nationalsozialismus im Exil lebten).
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Exilliteratur,
Emigrạntenliteratur, die Gesamtheit der literarischen Werke von Autoren, die ihr Land aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verlassen mussten oder aufgrund »eigener« Entscheidung verließen. Im weiteren Sinn werden auch Werke nicht exilierter Autoren, die nur im Ausland publizieren können, als Teil der Exilliteratur betrachtet.
Staatliche Unterdrückung, Zensur, Schreibverbot oder Verbannung zwangen Schriftsteller, Künstler, Wissenschaftler u. a. seit frühesten Zeiten zur Emigration. In der Antike waren z. B. Hipponax und Ovid Exilautoren, im Mittelalter u. a. Dante. Während der Religionskriege des 16. Jahrhunderts entstand die erste große Welle von Exilliteratur, v. a. als Literatur der exilierten Protestanten aus streng katholischen Ländern. Im 17. und 18. Jahrhundert überwog weiterhin die Literatur des Exils aus religiösen, ab Ende des 18. Jahrhunderts insbesondere aus politischen Gründen (u. a. A. Chamisso). Die Werke der französischen Aufklärung erschienen meist in Amsterdam oder London. Die deutschen Exilautoren der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts (H. Heine, L. Börne, F. Freiligrath, G. Büchner, G. Weerth, G. Herwegh u. a.) gaben ihre Werke v. a. in Paris und London heraus. Die polnische Exilliteratur konzentrierte sich nach den Aufständen von 1830/31 in Paris, wo die wichtigsten Werke der polnischen Romantik erschienen (A. Mickiewicz, J. Słowacki, Z. Krasiński, später C. K. Norwid u. a.). Weniger bedeutsam war die französische Exilliteratur dieser Zeit (H. B. Constant, Madame de Stäel u. a.). In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die russische Exilliteratur größere Ausmaße an. Wichtig, auch für das politische und literarische Leben in Russland, war die Tätigkeit von A. I. Herzen und N. P. Ogarjow, die in London den Almanach »Poljarnaja zvezda« (Polarstern, 1855-62 und 1869) und die Zeitschrift »Kolokol« (Die Glocke, 1857-67) herausgaben.
Die längste Exilgeschichte des 20. Jahrhunderts hat die russische Literatur. Bis zum Frühjahr 1917 stammten die Werke der russischen Exilliteratur (z. B. M. Gorkijs Roman »Die Mutter«, englisch 1906, russisch Berlin 1908) meist von Schriftstellern, die gegen das zaristische Russland opponierten, im Herbst 1917 begann die gegen das sowjetische Regime gerichtete Exilliteratur. Zwischen den Weltkriegen konzentrierte sich die Tätigkeit der Exilverlage in Paris, Berlin, Prag und in den USA. Bis Anfang der 30er-Jahre gab es zwischen der Exilliteratur und der Literatur in der UdSSR manche Parallelen, die sich sowohl in der Wahl der Themen (Erster Weltkrieg, Revolution, Bürgerkrieg, Probleme der Bauern und der Intelligenz) als auch in der Existenz derselben ästhetischen Strömungen (Reste des Symbolismus, dann Futurismus, Realismus u. a.) manifestierten. Ein Teil der emigrierten Intelligenz kehrte in ihr Land zurück, z. B. W. B. Schklowskij, A. Belyj, A. N. Tolstoj. Ihre im Exil veröffentlichten Werke wurden in der UdSSR zum Teil neu herausgegeben und gehören damit sowohl zur Exilliteratur als auch zur Sowjetliteratur (russische Literatur). Die wichtigsten Exilzeitschriften waren »Sovremennye zapiski« (Zeitgenössische Aufzeichnungen, Paris 1929-40) und »Volja Rossii« (Freiheit Russlands, Prag/Paris 1922-32). Mehrere Exilautoren genossen internationalen Ruf, der u. a. durch die Verleihung des Nobelpreises (1933) an den in Paris lebenden Im Allgemeinen Bunin zum Ausdruck kam. Anfang der 30er-Jahre endeten die Kontakte zwischen dem literarischen Exil und der UdSSR wie auch die Parallelen zwischen der Exilliteratur und der Sowjetliteratur. Erst nach dem Tod Stalins wurden in der UdSSR einige Werke der Exilliteratur aus der Zeit zwischen den Weltkriegen herausgegeben. Nach 1945 entwickelte sich eine neue russische Exilliteratur: Zunächst waren es v. a. Autoren, die durch Kriegsereignisse nach Westeuropa gelangt waren und nicht in ihr Land zurückkehren wollten. Fast alle begannen erst im Exil zu veröffentlichen. Für die im Krieg eingestellten Zeitschriften entstanden als Ersatz »Novyj žurnal« (Neue Zeitschrift, New York 1942) und »Grani« (Grenzlinien, Frankfurt am Main 1946). Neben dem Pariser YMCA-Verlag, der schon vor 1939 existierte, übernahmen Verlage in den USA (v. a. Tschechow-Verlag, New York, 1951) sowie 1946 in Frankfurt am Main der Posev-Verlag eine führende Rolle. Ende der 60er-Jahre ging eine beträchtliche Zahl der in der UdSSR lebenden Schriftsteller in die Emigration (wobei A. A. Amalrik z. B. seine Auswanderung als »getarnte Form der Verbannung« charakterisierte), andere wurden offen zur Emigration gezwungen, wie z. B. die Nobelpreisträger Im Allgemeinen Brodskij (1972) und A. I. Solschenizyn (1974). In den 70er-Jahren entstanden neue Zeitschriften (»Kontinent«, Paris 1974, Bonn 1986; »Vremja i my« [Die Zeit und wir], New York 1975; »Sintaksis« [Syntax], Paris 1978) und mehrere neue Verlage, v. a. in den USA. Die Exilzeitschriften und zum Teil auch die literarischen Werke des Exils widmeten sich neben der Kritik an der UdSSR der Analyse der verschiedenen Strömungen, Gruppierungen und Persönlichkeiten des russischen Exils. Probleme der Politik, Moral, Religion und Philosophie, aber auch der Ästhetik wurden in den Zeitschriften »Tret'ja volna« (Die dritte Welle), »Echo«, »Kovčeg« (Die Arche), »Russkoe vozroždenie« (Die russische Wiedergeburt), »Gnosis« u. a. behandelt.
Die größte Gruppe in der Geschichte der Exilliteratur bildet die literarische Produktion der während der Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus im Exil lebenden Schriftsteller. Für Italien ist v. a. I. Silone, für Spanien sind u. a. S. de Madariaga y Rojo, R. J. Sender, A. Casona und R. Alberti zu nennen.
Als deutschsprachige Exilliteratur nach 1933 werden in der Regel nur die belletristischen und publizistischen Schriften bezeichnet. Stationen des Exils waren nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur die europäischen Nachbarstaaten des Deutschen Reichs, nach der Okkupation Österreichs 1938 und der Tschechoslowakei 1939 begann für einen Teil der Flüchtlinge und 1940 nach der Besetzung Dänemarks, der Beneluxstaaten und Frankreichs für die Mehrzahl die zweite Vertreibung (Zentren der ersten Periode: Paris, Amsterdam, Prag, Wien, Moskau; Zentren der Kriegsjahre: Moskau, die USA, Mexiko, die Schweiz, Schweden, Großbritannien und Palästina). In den Zentren entstanden neue Verlage; führend waren der Malik-Verlag (Prag, London), Querido (Amsterdam), Aurora (New York). Auch zahlreiche Emigrantenzeitungen und -zeitschriften wurden gegründet (Exilpublizistik). - Die in Zeitschriften und in Einzelausgaben veröffentlichte Exilliteratur war in ihren Zielen uneinheitlich; gemeinsames Kennzeichen war die Öffnung der thematischen Konzeption für Zeitgeschichte und Politik, im Besonderen die grundsätzliche Opposition gegen den Nationalsozialismus. Der Grad der Revision des bis dahin vorherrschenden apolitischen Kunstverständnisses hing zum Teil davon ab, ob die Autoren vor politischer Verfolgung, vor der Rassendiskriminierung oder aus moralischer Verachtung der nationalsozialistischen »Kulturbarbarei« geflüchtet waren. Versuche der politischen Einigung durch überparteiliche Zeitschriften, den Schutzverband Deutscher Schriftsteller oder das deutsche Volksfront-Komitee (ab 1935) wurden nur begrenzt wirksam. Die Exilliteratur umfasste politische Literatur zu den Vorgängen in Deutschland (etwa T. Manns Aufsätze zur Zeit »Achtung, Europa!«, 1938, »Deutsche Hörer. 25 Radiosendungen nach Deutschland«, 1942; A. Scharrers, W. Bredels, E. Weinerts u. a. Ansprachen über Radio Moskau), wissenschaftliche und essayistische Werke (z. B. A. Kerr: »Walther Rathenau«, 1935; E. Bloch: »Erbschaft dieser Zeit«, 1935; B. Walter: »Gustav Mahler«, 1936), Autobiographien (z. B. E. Toller: »Eine Jugend in Deutschland«, 1933; K. Mann: »The turning point«, 1942, deutsch »Der Wendepunkt«; S. Zweig: »Die Welt von gestern«, herausgegeben 1942), später die politische Publizistik (z. B. H. Mann: »Ein Zeitalter wird besichtigt«, 1946; W. Mehring: »Lost library«, 1951, deutsch »Die verlorene Bibliothek«) und literarische Werke im engeren Sinn, in denen, besonders nach Kriegsausbruch, vielfältig die Zeiterfahrungen gestaltet wurden. Es entstand Lyrik, z. B. von B. Brecht, J. R. Becher, P. Zech, E. Arendt, Else Lasker-Schüler, F. Werfel, M. Herrmann-Neisse, E. Weinert, W. Mehring, Nelly Sachs, A. V. Thelen, E. Waldinger; Romane schrieben K. Mann (»Mephisto«, 1936), B. Frank (»Der Reisepaß«, 1937), L. Feuchtwanger (»Exil«, 1940), Anna Seghers (»Transit«, 1944), ferner A. Döblin, B. Uhse, H. Kesten, Irmgard Keun, A. Zweig u. a. Daneben stehen bedeutsame Werke ohne unmittelbaren Bezug zur Zeitsituation (T. Mann: »Joseph und seine Brüder«, Band 1-4, 1934-43, »Lotte in Weimar«, 1939; F. Werfel: »Der veruntreute Himmel«, 1939, »Das Lied von Bernadette«, 1941; R. Musil: »Der Mann ohne Eigenschaften«, Band 3, 1943; H. Broch: »Der Tod des Vergil«, 1945). Eine typische Erscheinung war die Zuwendung zur Vergangenheit in Geschichtsromanen (B. Frank, L. Feuchtwanger, S. Zweig, R. Neumann, H. Mann, H. Kesten). Stücke zur Zeitgeschichte schrieben F. Wolf (»Professor Mamlock«, entstanden 1934, gedruckt 1939 unter dem Titel »Dr. Mamlocks Ausweg«), B. Brecht (»Furcht und Elend des Dritten Reiches«, 1938, u. a.), E. Toller (»Pastor Hall«, 1939), F. Werfel (»Jacobowsky und der Oberst«, 1944). Im Exil lebten ferner u. a. W. Bredel, M. Brod, E. Canetti, E. Claudius, L. Frank, S. Friedlaender, C. Goetz, S. Heym, H. E. Jacob, Paula Ludwig, A. Mombert, E. E. Noth, L. Perutz, T. Plivier, A. Polgar, E. M. Remarque, L. Renn, A. Schaeffer, R. Schickele, F. von Unruh, E. Weinert, F. C. Weiskopf, E. Weiss, C. Zuckmayer. Die verzweifelte Lage trieb K. Tucholsky, W. Hasenclever, E. Toller, S. Zweig und W. Benjamin in den Selbstmord. Viele Exilschriftsteller blieben in den Gastländern (so M. Zweig, B. Fruchtmann, W. Kraft, F. Naschitz in Palästina/Israel); manche Emigranten, so E. Fried und Hilde Domin, begannen ihre eigentliche literarische Produktion erst nach dem Krieg.
Die wichtigsten Werke der deutschsprachigen Exilliteratur wurden nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR neu oder erstmalig herausgegeben. - Es gibt mehrere Institutionen, die sich mit der Erforschung der Exilliteratur beschäftigen: Neben der »Wiener Library« in London ist die Sondersammlung »Deutsche Exilliteratur« innerhalb der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main die umfangreichste Dokumentation der Exilliteratur in Europa. - Eine neue Emigrationsbewegung entstand innerhalb Deutschlands, als sich nach dem Bau der Berliner Mauer, verstärkt nach der Niederschlagung des »Prager Frühlings« 1968, viele Schriftsteller vom Staat DDR distanzierten und deshalb in ihren Publikationsmöglichkeiten beschränkt wurden. Diese Autoren siedelten - oft nach erheblichen Repressionen - in die Bundesrepublik Deutschland über (u. a. P. Huchel, G. Kunert). Nach der Ausbürgerung W. Biermanns 1976 verstärkte sich diese Bewegung (u. a. verließen die DDR R. Kunze, B. Jentzsch, Jurek Becker, Sarah Kirsch, K.-H. Jakobs). deutsche Literatur
Die polnische Exilliteratur des 20. Jahrhunderts begann 1939. Sie konzentrierte sich in Paris, dann in London. Ein Teil der Exilautoren kehrte nach 1945 nach Polen zurück (J. Tuwim, W. Broniewski, Zofia Kossak-Szczucka u. a.). Nach der Liberalisierung (1956) konnten manche Werke der im Exil gebliebenen Autoren auch in Polen erscheinen (z. B. W. Gombrowicz). Die Exilautoren gaben die Zeitschriften »Wiadomości« (Nachrichten, London 1946 ff.) und »Kultura« (Paris 1947 ff.) heraus; in Paris gibt es den Verlag »Instytut Literacki« (Literarisches Institut). Die Reihen der Exilautoren wurden ständig durch die Autoren verstärkt, die Polen verließen (besonders 1968 sowie 1981 nach dem Verbot der unabhängigen Gewerkschaft »Solidarność«). Besondere Aufwertung erfuhr die polnische Exilliteratur durch Verleihung des Nobelpreises (1980) an C. Miłosz (USA).
Die tschechische Exilliteratur des 20. Jahrhunderts existierte 1916-20 in Russland; die Autoren waren Angehörige der tschechischen Legion (z. B. J. Hašek, F. Langer, R. Medek, Zdeněk Štěpánek, * 1896, ✝ 1968). Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Werke der Emigranten v. a. in London herausgegeben (Langer, J. Mucha u. a.). Fast alle Exilautoren sind 1945 in die Tschechoslowakei zurückgekehrt. Seit 1948, nach dem kommunistischen Umsturz, entstand eine neue tschechische Exilliteratur in Frankreich, Großbritannien, den USA, in der Bundesrepublik Deutschland, in Schweden, Italien u. a. (Ivan Blatný, * 1919, ✝ 1990; E. Hostovský, František Listopad, * 1921; Zdeněk Němeček, * 1894, ✝ 1957, u. a.), die in in den Exilländern gegründeten Verlagen und Zeitschriften (z. B. »Svědectví« [Zeugnis], Paris 1956 ff.) veröffentlicht wurde. Nach der militärischen Intervention der UdSSR (1968) gingen erneut zahlreiche Autoren ins Exil; 1971 gründeten sie drei neue Verlage: den »68 Publishers« in Toronto, »Index« in Frankfurt am Main und »Konfrontation« in der Schweiz. Mehrere der Exilautoren schreiben auch in der Sprache ihres Exillandes, so M. Kundera in französischer, O. Filip und Gabriel Laub (* 1928, ✝ 1998) in deutscher Sprache. In den Exilverlagen und -zeitschriften erschienen auch Werke von Autoren, die in der ČSSR lebten (z. B. von B. Hrabal und dem Nobelpreisträger J. Seifert). - Der wichtigste zeitgenössische Schriftsteller der slowakischen Exilliteratur war L. Mňačko, der seit 1968 im Exil lebte.
Die ungarische Exilliteratur besteht im 20. Jahrhundert aus sehr unterschiedlichen Komponenten, auch wenn man von der Literatur der 1920 abgetrennten Landesteile absieht. Nach 1919 waren es Kommunisten, die in Wien, Berlin und Moskau arbeiteten (so G. Lukács und G. Háy, beide zweisprachig), nach der kommunistischen Machtergreifung 1948 emigrierten hingegen bürgerliche Autoren (S. Márai, L. Szabó), nach dem Aufstand 1956 und in den 60er-Jahren v. a. enttäuschte Kommunisten (T. Tardos, Háy nochmals) sowie Antikommunisten (Győrgy Faludy, * 1910; Győiző Határ, * 1914) in den Westen.
Die rumänische Exilliteratur, vertreten u. a. durch die Werke des Religionsphilosophen und Erzählers M. Eliade sowie die V. Horias, P. Gomas und P. Dumitrius, gewann seit 1945 international an Gewicht; jüngere Emigranten aus dem rumänischen Banat sind in der deutschen Gegenwartsliteratur präsent (Herta Müller, Richard Wagner).
Die lateinamerikanische Exilliteratur: In der nachkolonialen Zeit ist es in zahlreichen Ländern Lateinamerikas aufgrund zum Teil extremer politischer Strukturveränderungen immer wieder zu Exilphasen gekommen. So mussten z. B. in Argentinien im 19. Jahrhundert während der Diktatur J. M. de Rosas zahlreiche Schriftsteller (u. a. D. F. Sarmiento) emigrieren, während der Militärdiktatur 1976-83 u. a. A. Di Benedetto, J. Gelman, O. Soriano und M. Puig ins Exil gehen. Nach dem Militärputsch in Chile 1973 gelang es vielen Schriftstellern, im Ausland ihr literarisches Schaffen fortzusetzen, wobei die Thematisierung der sozioökonomischen und politischen Situation vor 1973 zu ihrem Hauptanliegen wurde. Zu den namhaftesten Autoren dieser Gruppe gehören C. Droguett, F. Alegría, J. Donoso, A. Dorfman, J. Edwards Bello, A. Skármeta und Isabel Allende. Zeitweise im Exil lebten u. a. J. Amado (Brasilien), M. Á. Asturias (Guatemala), C. Alegría und M. Scorza (Peru), E. Cardenal (Nicaragua). Während der Batista-Diktatur gingen viele kubanische Schriftsteller (A. Carpentier, N. Guillén u. a.) ins Exil, nach der Revolution F. Castros, teils aus wirtschaftlichen, teils aus politischen Gründen, Autoren wie G. Cabrera Infante und R. Arenas, in den 90er-Jahren Zoé Valdés, Emilio de Armas und María Elena Cruz Varela. Seit einigen Jahren zeichnet sich jedoch in der Gruppe um die Zeitschrift »Areito« (gegründet 1974) in Miami (Fla.) eine erneute Annäherung an Kuba ab.
Parallelen zu Lateinamerika zeigt die Entwicklung vieler asiatischen (z. B. Indonesien, Pakistan, Iran, Vietnam) und afrikanischen Staaten nach der Erlangung ihrer Unabhängigkeit. Eine Sonderstellung nahm dabei die südafrikanische Exilliteratur ein, da sie, wie die des ehemaligen Rhodesien, in einer noch kolonialer Denkweise verhafteten Rassenpolitik begründet lag, die besonders in den 60er-Jahren zur Verbannung oder Emigration einer ganzen Generation von oppositionellen Journalisten und Schriftstellern (u. a. E. Mphahlele, B. Breytenbach, Bessie Head, D. Brutus, später W. Serote u. a.) führte.
Die politische Wende in den osteuropäischen Staaten Ende der 80er-Jahre brachte auch die Demokratisierung des literarischen Lebens, eingeschlossen eine breitere Rezeption der Exilliteratur. Viele Autoren kehrten zurück; auch A. I. Solschenizyn, bekanntester Vertreter russischer Exilliteratur, lebt seit 1994 wieder in Russland. Andere Autoren wie der Albaner I. Kadaré wählten aus enttäuschter Hoffnung auf Demokratisierung freiwillig das Exil.
Zu einer einmaligen Form der Emigration mit geheimen, ständig wechselnden Orten führte der 1989 gegen den britischen Schriftsteller S. Rushdie gerichtete Mordaufruf des R. M. H. Khomeini; ein ähnliches Schicksal hat die Schriftstellerin T. Nasrin (Bangladesh).
In der Folge der Ereignisse des 3./4. Juni 1989 in Peking u. a. Städten Chinas entwickelte sich eine chinesische Exilliteratur, die - zugleich auch Teil der chinesischen Avantgardeliteratur - u. a. von Bei Dao (Pei Tao), Yang Lian (Yang Lien, * 1955) und Duo Duo (To To, * 1951) repräsentiert wird.
Eine besondere Stellung nimmt die Exilliteratur jüdischer (über jüdische Themen und aus jüdischer Tradition schreibender) Autoren ein. In allen angeführten Exilliteraturen (durch die Jahrhunderte hindurch) spielte und spielt sie eine herausragende Rolle. Als Autoren der jüdischen Exilliteratur sind diejenigen Schriftsteller zu betrachten, die in jiddischer Sprache außerhalb der jüdischen Siedlungsgebiete Osteuropas veröffentlichen. Nach 1918 bildeten sich starke Zentren v. a. in den USA (New York; z. B. I. B. Singer und I. J. Singer). Während des Zweiten Weltkriegs wurde Jiddisch in Europa praktisch ausgerottet. In der UdSSR erschienen nach 1948 nur sporadisch Werke in dieser Sprache.
Deutschsprachige E.:
W. A. Berendsohn: Die humanist. Front. Einf. in die dt. Emigranten-Lit., 2 Bde. (Zürich 1947-76, Nachdr. Bd. 1 1978);
Dt. Nationalbibliogr. Erg. Bd. 1: Verz. der Schriften, die 1933-1945 nicht angezeigt werden durften, Bd. 2: Verz. der Schriften, die infolge von Kriegseinwirkungen. .. nicht angezeigt werden konnten, hg. v. der Dt. Bücherei Leipzig (Leipzig 1949, Nachdr. ebd. 1974);
H. A. Walter: Dt. E. 1933-50, auf mehrere Bde. ber. (1972 ff.);
Die dt. E. 1933-1945, hg. v. M. Durzak (1973);
Dt. E. seit 1933, hg. J. M. Spalek u. a., auf mehrere Bde. ber. (Bern 1976 ff.);
Kunst u. Lit. im antifaschist. Exil 1933-1945, 7 Bde (1-21979-87);
A. Stephan: Die dt. E. 1933-45 (1979);
Dt. Exildramatik 1933 bis 1950, hg. v. N. Mennemeier u. a. (1980);
Polnische E.:
Literatura polska na obczyźnie 1940-60, hg. v. T. Terlecki, 2 Bde. (London 1964/65);
M. Danilewicz Zielińska: Szkice o literaturze emigracyjnej (Paris 1978).
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J. Malzew: Freie russ. Lit. 1955-1980 (a. d. Russ., 1981);
G. Struve: Russkaja literatura v izgnanii (Paris 21984);
Russ. Emigration in Dtl. 1918 bis 1941. Leben im europ. Bürgerkrieg, hg. v. K. Schloegel (1995);
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Tschechische u. slowakische E.:
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A. Měšť'an: Gesch. der tschech. Lit. im 19. u. 20. Jh. (a. d. Tschech., 1984).
Sonstige E.:
C. A. Madison: Yiddish literature. Its scope and major writers (New York 1968);
K. Mildschütz: Bibliogr. der ungar. Exilpresse 1945-1975 (1977);
P. Schumm: Exilerfahrung u. Lit. Lateinamerikan. Autoren in Spanien (1990);
La poesía de los dos orillas. Cuba (1959-93), hg. v. Loen de la Hoz (Madrid 1994).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Exilliteratur: Deutsche Literatur im Exil
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Exil|li|te|ra|tur, die: Literatur, die entstanden ist, während ihre Autoren im Exil lebten (bes. Werke deutscher Autoren, die während des Nationalsozialismus im Exil lebten).
Universal-Lexikon. 2012.