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The|o|rie [teo'ri:], die; -, Theorien [teo'ri:ən]:System wissenschaftlich begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen oder Erscheinungen und der ihnen zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten:
eine kühne, unbeweisbare Theorie; eine Theorie aufstellen, beweisen; etwas in der Theorie beherrschen.
Syn.: ↑ Lehre.
Zus.: Erkenntnistheorie, Literaturtheorie, Quantentheorie, Relativitätstheorie, Sprachtheorie.
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The|o|rie 〈f. 19〉
1. wissenschaftl., rein gedankl. Betrachtungsweise; Ggs Praxis (1)
3. Lehrmeinung
4. Erklärung von Tatsachen u. Zusammenhängen aus ihnen zugrundegelegten Gesetzen (Relativitäts\Theorie)
● eine \Theorie aufstellen; grau, teurer Freund, ist alle \Theorie und grün des Lebens goldener Baum (Goethe, Faust I, Studierzimmer)}}; in der \Theorie sieht manches anders aus als in der Praxis [<grch. theoria „das Anschauen, Betrachtung, Untersuchung, Forschung“]
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The|o|rie , die; -, -n [spätlat. theoria < griech. theōri̓a = das Zuschauen; Betrachtung, Untersuchung, zu: theōreĩn = zuschauen, zu: theōrós = Zuschauer (zu: théā = das Anschauen; Schau) u. horãn = sehen]:
1.
a) System wissenschaftlich begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen od. Erscheinungen u. der ihnen zugrunde liegenden Gesetzlichkeiten:
eine unbeweisbare, kühne T.;
die zahlreichen -n über die, zur Entstehung der Erde;
eine T. entwickeln, vertreten, ausbauen, beweisen;
b) Lehre über die allgemeinen Begriffe, Gesetze, Prinzipien eines bestimmten Bereichs der Wissenschaft, Kunst, Technik:
die T. des Romans.
2.
a) <o. Pl.> rein begriffliche, abstrakte [nicht praxisorientierte od. -bezogene] Betrachtung[sweise], Erfassung von etw.:
das ist alles reine T.;
die T. in die Praxis umsetzen, mit der Praxis verbinden;
☆ graue T. sein (bildungsspr.; nicht der Wirklichkeit entsprechen, sich in der Praxis nicht durchführen lassen);
b) <meist Pl.> wirklichkeitsfremde Vorstellung; bloße Vermutung:
sich in -n versteigen.
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Theorie
[griechisch »Betrachtung«, zu theōreĩn »anschauen«, »betrachten«, »erwägen«] die, -/...'ri |en, 1) rein gedankliche Betrachtungs- und Erklärungsweise im Unterschied zur praktischen Anwendung beziehungsweise im Gegensatz zur Praxis als tätig veränderndem Bezug zur Wirklichkeit; durch Denken gewonnene Erkenntnis im Gegensatz zu dem durch Erfahrung gewonnenen Wissen; 2) ein System von Aussagen oder Sätzen, das in gewissem Umfang der Zusammenfassung, Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Phänomenen dient. Eine Theorie fasst im Rahmen eines Gegenstandsbereichs zahlreiche und vielgestaltige Phänomene so zusammen, dass sie als wissenschaftliche Erkenntnis ausgewiesen werden können. Dies gilt sowohl für die realitätsbezogenen Wissenschaften (Erfahrungswissenschaften) als auch für die rein formalen (z. B. Logik, Mathematik). 3) »Theorie« ist auch Bezeichnung für ein wissenschaftliches Lehrgebäude und für die Lehre über die Grundlagen, Gesetze und Prinzipien eines bestimmten Bereichs der Wissenschaft, Technik oder Kunst. Über ihre Funktion der Erklärung und Prognose hinausgehend, können Theorien (als Metatheorie) auch der Überprüfung ihres eigenen Wahrheits- und Gültigkeitsanspruchs, ihres Anwendungs- und Geltungsbereichs wie auch der Kritik anderer Theorien und der Projektierung neuer Forschungen und Erstellung neuer Theorien dienen. - Im weiteren Sinn ist alles menschliche Erkennen theoretisch, insofern es über die Feststellung des hier und jetzt Gegebenen hinausgeht und auf Allgemeinheit zielt. Theorien sind Bestandteile der menschlichen Erkenntnisentwicklung und unterliegen der historischen Modifikation und Abfolge, die (als »Theoriendynamik«) Gegenstand der Wissenschaftsgeschichte sind.
Der Begriff der Theorie bezeichnet ursprünglich bei Aristoteles das Leben in der Betrachtung des unwandelbaren Seins und des Göttlichen, das im Unterschied zum praktischen Leben als Bürger der Polis und zum genusshaften Leben rein um seiner selbst willen erstrebt wird und daher als wertvoller gilt. Die Höherbewertung der theoretischen gegenüber der praktischen Existenzweise findet im Vorrang der »vita contemplativa« gegenüber der »vita activa«, wie sie ausgehend vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit fortwirkte, ihren Ausdruck. Bei I. Kant bedeutet Theorie das Denken des Seins beziehungsweise die Analyse dessen, was Sein konstituiert. Im Marxismus dagegen wird der Theorie die Praxis als Ausdruck der Dialektik von Denken und Handeln gegenübergestellt. Ob eine Theorie wahr ist, lässt sich demzufolge nur in der Praxis prüfen, die sowohl Grundlage jeder Theorie als auch deren Wahrheitskriterium ist. Die Frankfurter Schule der kritischen Theorie (M. Horkheimer, T. W. Adorno) verweist auf die gesellschaftlich-historische Bedingtheit und Interessenbestimmtheit der nach traditionellem Verständnis wertfreien Theorie und Wissenschaft.
Die Wissenschaftstheorie unterscheidet zwischen empirischen und deduktiven Theorien. Empirische Theorien werden auf der Basis gut bestätigter Hypothesen gebildet, die ihrerseits durch Verallgemeinerung (Induktion) aus Beobachtungen hervorgehen und immer wieder - eventuell nach der Ableitung von Testimplikationen - an der Erfahrung geprüft werden. Aus solchen Theorien können Gesetze, Aussagen über Phänomene, aber auch andere Theorien abgeleitet werden. Sie lassen sich hinsichtlich ihrer formalen Struktur und ihres Gehalts unterscheiden und enthalten in der Regel eine Reihe theoretischer Terme oder Begriffe, die sich nicht direkt auf Beobachtbares beziehen (z. B. »Kraft« oder »Feld«). Der Empirismus, dem zufolge alles Wissen auf Erfahrung beruht, fordert als Kriterium der Gültigkeit einer Theorie, dass sich alle ihre Bestandteile (letztlich mithilfe von Deduktionen oder Reduktionen) auf Beobachtbares zurückführen lassen (Beobachtungssprache, Reduktionismus). Dies wird heute jedoch allgemein als unmöglich betrachtet. Vielmehr muss sich eine empirische Theorie hinsichtlich ihrer Funktion der Erklärung bekannter oder der Voraussage neuer Phänomene bewähren. Im Falle miteinander konkurrierender Theorien (z. B. die Phlogiston- und die Sauerstofftheorie der Verbrennung) stellt sich das Problem, anhand von Erfahrung (Experimentum Crucis) zu entscheiden, welche Theorie zutreffender beziehungsweise welche falsch ist. Eine Theorie stellt aus heutiger Sicht einen vorausgreifenden Rahmenentwurf von Möglichkeiten für Experiment und Forschung dar und lässt sich prinzipiell nicht verifizieren, sondern lediglich - bei mangelnder Bewährung an der Realität - falsifizieren und gegebenenfalls durch eine bessere Theorie ersetzen.
Bei deduktiven Theorien wird prinzipiell darauf verzichtet, mit ihnen einen Wahrheitsanspruch zu verbinden. Axiome werden in ihnen zu Axiomenschemata, die weder wahr noch falsch sein können, der Vorgang des Ableitens von Sätzen hieraus wird zu einem reinen Befolgen logischer Regeln. Erst eine Interpretation macht ein solches formales System wahrheitsfähig: Sie liefert zur Theorie einen Anwendungsbereich, und beide - Theorie und Anwendung - werden durch Übersetzungsregeln miteinander verbunden.
In den exakten Disziplinen der Naturwissenschaften bezeichnet man als Theorie eine quantitative formale Beschreibung eines Vorgangs, z. B. eines Experiments zur Bestimmung einer nicht direkt messbaren Naturkonstante, im engeren Sinn einen mit Bezug auf beobachtbare Fakten eines klar umrissenen Wirklichkeitsbereichs interpretierten, umfassend ausgearbeiteten mathematischen Formalismus (in der Physik z. B. Mechanik, Thermodynamik, Elektrodynamik, Quantenmechanik, Relativitätstheorie). In diesem Sinn gehören zu einer Theorie sowohl eine in sich schlüssige, widerspruchsfreie mathematische Formulierung als auch eine verbindliche und eindeutige Vorschrift darüber, was die dabei verwendeten Größen in der Wirklichkeit und v. a. in Bezug auf ein Experiment bedeuten; v. a. muss jede physikalische Theorie - wenn sie als solche anerkannt werden will - einen eindeutigen Bezug zu messbaren Größen haben. Dieses Konzept der Theorie und das unabdingbar mit ihm verbundene Konzept des Experiments bilden die wichtigste methodische Grundlage der Physik. Von allen naturwissenschaftlichen Theorien wird gefordert, dass sie nicht im Widerspruch zueinander und zu bekannten experimentellen Fakten stehen. Treten Widersprüche auf, dann sind die betroffenen Theorien und die in ihnen verwendeten Begriffe zu revidieren. Die Folge einer solchen Revision ist in der Regel eine Einschränkung der Anwendbarkeit der betroffenen Theorie und häufig das Entstehen neuer; bekannte Beispiele sind die Einschränkung der klassischen newtonschen Mechanik und die Entstehung von Relativitätstheorie und Quantenmechanik.
Von dem naturwissenschaftlichen Begriff der Theorie sind der weniger genaue des Modells sowie derjenige der Hypothese zu unterscheiden. Einer neuen Theorie geht meist eine Hypothesenbildung voraus, bei welcher Modellvorstellungen häufig eine wichtige Rolle spielen. Ihre endgültige Formulierung und Interpretation ergeben sich dann aus dem engen Wechselspiel zwischen experimenteller Verifizierung der aus Hypothese und Modell abgeleiteten Konsequenzen, sukzessiver Verfeinerung der Vorstellungen und begrifflicher Abstraktion aus den experimentellen Befunden.
Die politische Theorie ist ein Teilgebiet der Politikwissenschaft. Sie umfasst thematisch theoretische Entwürfe zur politischen Ordnung (z. B. die Utopien), die grundlegenden Ideen u. a. zu Demokratie oder Rechtsstaat, geschichtlich wirksame Ideologien (Liberalismus, Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus, Konservativismus, Faschismus), Einzelbereiche der Politik (zwischenstaatliche und innerstaatliche Konflikte, Parteiwesen, Wählerverhalten) sowie das Verhalten der politisch Handelnden (politische Ethik). - In der politischen Theoriebildung entwickelten sich verschiedene methodische Ansätze, u. a. der empirisch-analytische (an der Lösung konkreter politischer Probleme orientiert), der normativ-kritische (kritische Bewertung der gegebenen politischen Ordnung an wertbestimmten Vorstellungen) und der dialektisch-kritische (der die geschichtliche Bedingtheit der jeweiligen Herrschafts- und Gesellschaftsordnung und die Notwendigkeit ihrer Korrektur oder Aufhebung als Beitrag zur Emanzipation des Menschen in der Gesellschaft betont).
W. Leinfellner: Die Entstehung der T. Eine Analyse des krit. Denkens in der Antike (1966);
W. Stegmüller: Probleme u. Resultate der Wissenschafts-T. u. analyt. Philosophie, Bd. 2: T. u. Erfahrung, 3 Tle. (1-21974-85);
Theorien der Wissenschaftsgesch. Beitr. zur diachronen Wissenschafts-T., hg. v. W. Diederich (5.-6. Tsd. 1978);
T. S. Kuhn: Die Struktur wiss. Revolutionen (a. d. Amerikan., 71984);
Gesch. der polit. Ideen, Beitrr. v. H. Fenske u. a. (Neuausg. 1996);
Die konstruierte Welt. T. als Erzeugungsprinzip, hg. v. F. Rapp (1997);
Karl Popper, Logik der Forschung, hg. v. H. Keuth (1998).
Politische Theorie:
Polit. T. Begründungszusammenhänge in der Politikwiss., hg. v. G. Göhler (1978);
H. Busshoff: Politikwiss. T.-Bildung. Grundlagen u. Verfahrensweisen (1984);
Polit. T.-Gesch.. Probleme einer Teildisziplin der polit. Wiss., hg. v. U. Bermbach (1984);
Weitere Literatur: Politik
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The|o|rie, die; -, -n [spätlat. theoria < griech. theōría = das Zuschauen; Betrachtung, Untersuchung, zu: theōreĩn = zuschauen, zu: theōrós = Zuschauer (zu: théā = das Anschauen; Schau) u. horãn = sehen]: 1. a) System wissenschaftlich begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen od. Erscheinungen u. der ihnen zugrunde liegenden Gesetzlichkeiten: eine unbeweisbare, kühne T.; die zahlreichen -n über die Entstehung der Erde; nach jenem aufregenden Jahrhundert, das so viele politische und soziale -n ersonnen hatte (Dönhoff, Ära 48); ... müssen zunächst die Fundamente gelegt werden, auf denen neue -n aufbauen können (Gruhl, Planet 23); eine T. entwickeln, vertreten, ausbauen, beweisen; Die europäischen Gelehrten haben die scharfsinnigsten und geistreichsten -n aufgestellt (Bamm, Weltlaterne 99); b) Lehre über die allgemeinen Begriffe, Gesetze, Prinzipien eines bestimmten Bereichs der Wissenschaft, Kunst, Technik: die T. des Romans; am Konservatorium T. (Musiktheorie) lehren. 2. a) <o. Pl.> rein begriffliche, abstrakte [nicht praxisorientierte od. -bezogene] Betrachtung[sweise], Erfassung von etw.: die T. in die Praxis umsetzen, mit der Praxis verbinden; das ist alles reine T.; Von der beliebten T., es gebe ein gutes und ein böses Deutschland, will er also nichts wissen (Reich-Ranicki, Th. Mann 90); *graue T. sein (bildungsspr.; nicht der Wirklichkeit entsprechen, sich in der Praxis nicht durchführen lassen; nach Goethes „Faust“, wo es in der Schülerszene heißt: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie“); b) <meist Pl.> wirklichkeitsfremde Vorstellung; bloße Vermutung: sich in -n versteigen.
Universal-Lexikon. 2012.