Solschenịzyn,
Solženicyn [sɔlʒə'nitsin], Aleksandr Issajewitsch, russischer Schriftsteller, * Kislowodsk 11. 12. 1918; Physik- und Mathematiklehrer, im Zweiten Weltkrieg Artillerieoffizier, 1945-53 im sowjetischen Arbeitslager, danach bis 1956 in Mittelasien in der Verbannung, 1957 rehabilitiert. Seine erste Erzählung »Odin den' Ivana Denisoviča« (deutsch »Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch«), die mit ausdrücklicher Billigung Chruschtschows 1962 von A. T. Twardowskij in der Zeitschrift »Nowyj Mir« gedruckt wurde, erregte als erste Darstellung eines sowjetischen Zwangsarbeitslagers größtes Aufsehen. Zwei weitere, stark autobiographische Romane über den Stalinismus, »Rakovyj korpus« (1968; deutsch »Krebsstation«, 2 Bände) und »V kruge pervom« (1968; deutsch »Der erste Kreis der Hölle«), konnten nur im westlichen Ausland erscheinen (in der UdSSR im »Samisdat« verbreitet) und brachten Solschenizyn weltweite Anerkennung. Hauptanliegen Solschenizyns ist die Rückbesinnung auf ethische und religiöse Werte, sind die »Gesetze der Menschlichkeit in einem unmenschlichen System«. Als Erzähler vereint Solschenizyn dazu die analytische Methode F. M. Dostojewskijs und den moralischen Rigorismus L. N. Tolstojs. 1970 erhielt er den Nobelpreis für Literatur, den er nicht persönlich entgegennehmen durfte; 1969 war er aus dem sowjetischen Schriftstellerverband ausgestoßen worden. 1971 erschien in Paris mit »Avgust četyrnadcatogo« (1983 überarbeitet und stark erweitert; deutsch »August vierzehn«) der erste Teil (»Knoten«, russisch »Uzel«) des monumentalen Romanepos »Krasnoe koleso« (deutsch »Das rote Rad«) über den Untergang des alten Russland vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis in die Zeit nach der Revolution (Teil 2: »Oktjabr' šestnadcatogo«, 1984, deutsch »November sechzehn«; Teil 3: »Mart semnadcatogo«, 1986-88, 4 Bände, deutsch »März siebzehn«; Teil 4: »Aprel' semnadcatogo«, 1991, 2 Bände). 1991 brach Solschenizyn die Arbeit an dem auf 20 Bände angelegten Zyklus zunächst ab. Das Werk »Archipelag GULAG« (3 Bände, Paris 1973-75; deutsch »Der Archipel GULAG«), ein dokumentarischer Bericht über die Verfolgung von Millionen von Sowjetbürgern in der Zeit zwischen 1918 und 1956, führte 1974 zur Ausweisung und Ausbürgerung Solschenizyns aus der UdSSR. Solschenizyn ging nach Zürich, 1976 in die USA; seit 1994 lebt Solschenizyn, der 1990 die sowjetische Staatsbürgerschaft zurückerhalten hatte, wieder in Moskau. Dem problematischen Verhältnis zwischen Russen und Juden widmet sich die Dokumentation »Dvesti let vmeste« (2001).
Weitere Werke: Roman: Lenin v Cjuriche (1975; deutsch Lenin in Zürich).
Erzählungen: Dlja pol'zy dela (1963; deutsch Im Interesse der Sache); Matrenin dvor (1963; deutsch Matrjonas Hof); Krochotki (1997); Molnija (1997).
Dramen: Respublika truda (1954; deutsch Republik der Arbeit); Olen' i šalašovka (1968; deutsch Nemow und das Flittchen); Sveča na vetru (1968; deutsch Kerze im Wind).
Prusskie noči (1974; deutsch Ostpreußische Nächte. Eine Dichtung in Versen).
Skizzen: Bodalsja telenok s dubom (1975; deutsch Die Eiche und das Kalb. Skizzen aus dem literarischen Leben).
Manifest: Kak nam obustroit' Rossiju? (Paris 1990; deutsch Rußland auf dem Weg aus der Krise).
Reden: Russkij vopros k koncu XX veka (1994; deutsch Die russische Frage am Ende des 20. Jahrhunderts).
Ausgaben: Sobranie sočinenij, 6 Bände (Frankfurt am Main 1969-70); Sobranie sočinenij, auf 18 Bände berechnet (Paris 1978 folgende).
Große Erzählungen (Neuausgabe 1984); Das Rote Rad. Texte, Interviews, Reden, herausgegeben von H. Pross-Weerth (1986).
D. M. Fiene: Alexander Solzhenitsyn. An international bibliography of writings by and about him (Ann Arbor, Mich., 1973);
Über S., hg. v. E. Markstein u. a. (1973);
W. Martin: A. S. Eine Bibliogr. seiner Werke (1977);
V. Krasnov: Solzhenitsyn and Dostoevsky (London 1980);
M. Motiramani: Die Funktion der literar. Zitate u. Anspielungen in Aleksandr Solženicyns Prosa: 1962-1968 (1983);
M. Scammell: Solzhenitsyn (Neuausg. London 1985);
Solzhenitsyn in exile. Critical essays and documentary materials, hg. v. J. B. Dunlop u. a. (Stanford, Calif., 1985);
Akte S. 1965-1977, hg. v. A. Korotov u. a. (1994);
D. M. Thomas: S. (a. d. Engl., 1998).
Universal-Lexikon. 2012.