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Seghers
Seghers,
 
1) ['zeːgərs], Anna, eigentlich Netty Reiling, verheiratete Radványi ['rɔdvaːnji], Schriftstellerin, * Mainz 19. 11. 1900, ✝ Berlin (Ost) 1. 6. 1983. Seghers, aus dem jüdischen Bürgertum stammend, studierte in Köln und Heidelberg Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie (Promotion 1924). 1925 heiratete sie den ungarischen Schriftsteller und Soziologen Lászlo Radványi (* 1900, ✝ 1978) und siedelte nach Berlin über. Von Beginn ihres literarischen Auftretens in der Öffentlichkeit zeigte sich ihr Engagement für die sozial Deklassierten und Unterdrückten, so schon in der frühen Erzählung »Aufstand der Fischer von Sankt Barbara« (1928), für die sie 1928 den Kleist-Preis erhielt. Im selben Jahr wurde sie Mitglied der KPD, 1929 trat sie dem »Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller« bei. 1933 kurzfristig inhaftiert, floh sie über Frankreich und Spanien nach Mexiko (Mitarbeit an den Exilzeitschriften, u. a. den »Neuen Deutschen Blättern«). Das Exil und die Zeit des Nationalsozialismus bildeten fortan den zeitgeschichtlichen Hintergrund vieler ihrer Werke, deren Vorbilder die großen Realisten des 19. Jahrhunderts sind. Weltberühmt wurde der Roman »Das siebte Kreuz« (1942) über die Flucht eines KZ-Häftlings. Ein authentisches Bild der Exilerfahrungen bietet der Roman »Transit« (1948, zuerst in Mexiko 1944 unter dem Titel »Visado de tránsito«). 1947 aus dem Exil zurückgekehrt, nahm sie innerhalb der DDR-Kultur eine exponierte Stellung ein (1952-78 Präsidentin des Schriftstellerverbandes). Die in dieser Zeit entstandenen Gegenwartsromane »Die Entscheidung« (1959) und »Das Vertrauen« (1968) illustrieren im Sinne des sozialistischen Realismus in vielsträngigen Handlungen den von der SED gewünschten Prozess der Herausbildung eines »sozialistischen Bewusstseins«. Dass ihr der Widerspruch zwischen ihren kommunistischen Idealen und dem autoritären Regime der DDR bewusst war, ist an dem Fragment »Der gerechte Richter« (entstanden 1957, veröffentlicht 1990) ablesbar. Ihre literarische Meisterschaft, die Fähigkeit zu äußerster Konzentration der Handlung, zeigt sich am eindrucksvollsten in ihren Erzählungen, die häufig mythologische Motive einbeziehen (so »Sagen von Artemis«, 1938; »Das wirkliche Blau«, 1967; »Die Überfahrt«, 1971; »Sonderbare Begegnungen«, 1973).
 
Weitere Werke: Romane: Die Gefährten (1932); Der Weg durch den Februar (1935); Die Rettung (1937); Die Toten bleiben jung (1949).
 
Erzählungen: Auf dem Weg zur amerikanischen Botschaft (1930); Der Ausflug der toten Mädchen (1946); Die Hochzeit von Haiti (1954); Die Kraft der Schwachen (1965); Drei Frauen aus Haiti (1980).
 
Essays: Über Kunstwerk und Wirklichkeit, 4 Bände (1970-79); Woher sie kommen, wohin sie gehen (1980).
 
Die Macht der Worte. Reden, Schriften, Briefe (1979).
 
Ausgabe: Werke, 10 Bände (1977).
 
Literatur:
 
Über A. S. Ein Almanach zum 75. Geburtstag, hg. v. K. Batt (Berlin-Ost 1975);
 E. Haas: Ideologie u. Mythos. Studien zur Erzählstruktur u. Sprache im Werk von A. S. (1975);
 
A. S., Materialienbuch, hg. v. P. Roos u. a. (1977);
 W. Roggausch: Das Exilwerk von A. S. (1979);
 K. Batt: A. S. Versuch über Entwicklung u. Werke (21980);
 C. Degemann: A. S. in der westdt. Literaturkritik 1946 bis 1983 (1985);
 K. J. LaBahn: A. S.' exile literature. The Mexican years (Frankfurt am Main 1986);
 H. Neugebauer: A. S. Leben u. Werk (Berlin-Ost 31988);
 U. Brandes: A. S. (1992);
 A. Schrade: A. S. (1993);
 
A. S. Eine Biogr. in Bildern, hg. v. F. Wagner u. a. (1994);
 C. Zehl Romero: A. S. (12.-13. Tsd. 1999);
 C. Zehl Romero: A. S.Eine Biographie 1900-1947 (2000).
 
 2) ['seːxərs], Daniel, flämischer Maler, getauft Antwerpen 6. 12. 1590, ✝ ebenda 2. 11. 1661, Bruder von 3); Schüler von J. Bruegel dem Älteren, malte Blumenstillleben und Girlanden, die sich um religiöse Figuren, Porträts (ausgeführt u. a. von P. P. Rubens) u. a. ranken.
 
 3) ['seːxərs], Gérard, flämischer Maler, getauft Antwerpen 17. 3. 1591, ✝ ebenda 18. 3. 1651, Bruder von 2); war 1611-20 in Italien, malte religiöse Bilder und Genredarstellungen im Stil Caravaggios; sein Spätwerk ist auch von P. P. Rubens beeinflusst.
 
 4) ['zeːxərs], Hercules Pietersz., auch H. P. Segers, niederländischer Maler und Radierer, * Haarlem 1589 oder 1590, ✝ Den Haag (?) zwischen 1635 und 1639; Schüler von G. van Coninxloo in Amsterdam, wo er 1614-31 nachweisbar ist. Beeinflusst u. a. auch von A. Elsheimer und Meistern der Donauschule, malte Seghers gebirgige und ebene, einsame (Fluss-)Landschaften, in denen er Realistisches und Fantastisches miteinander verband und in der visionären Auffassung seinen eigenen Stil entwickelte. Von den erhaltenen 12 Gemälden ist keines datiert, nur vier sind signiert. Sehr bedeutend sind seine Radierungen (54 bekannt) in verschiedenen, zum Teil experimentellen Techniken; mehrfarbig auf unterschiedlich getönte Papiere (auch Leinwand) gedruckt, bilden sie Vorstufen der modernen Farbradierung. Sie wirkten besonders auch auf Rembrandt, der mehrere Radierungen und Gemälde von Seghers besaß.
 
Literatur:
 
J. Rowlands: H. Segers (a. d. Engl., 1980);
 W. Fraenger: Die Radierungen des H. S. (Neuausg. Leipzig 1984);
 H. Bonnier: L'univers d'H. S. (Paris 1986).
 
 5) [se'gɛrs], Pierre, französischer Lyriker und Verleger, * Paris 5. 1. 1906, ✝ ebenda 4. 11. 1987; gründete als einer der maßgeblichen Organisatoren der literarischen Résistance 1939 die Zeitschrift »Poètes casqués«, aus der 1940 »Poésie 40« (fortgesetzt unter dem Titel »Poésie 41«, »Poésie 42« usw.) hervorging (erschienen bis 1947), an der u. a. L. Aragon, P. Éluard und R. Char mitarbeiteten und an die die 1984 von ihm begründete Zeitschrift »Poésie 84« anknüpfte. Von der Widerstandsbewegung inspiriert sind auch seine eigenen Gedichte (»Le chien de pique«, 1943; »Le domaine public«, 1945; »Le futur antérieur«, 1947). Als Verleger förderte er junge Autoren, deren Werke er in Sammlungen herausgab (»Poètes prisonniers«, 2 Bände, 1943-44; »Le livre d'or de la poésie française«, 3 Bände, 1961-69).
 
Herausgeber: La résistance et ses poètes (1974).

Universal-Lexikon. 2012.