konkrete Dichtung, Bezeichnung für die nichtmimetische Dichtung, die seit etwa 1950 nach dem Vorbild der konkreten Kunst aus schriftlichem oder akustischem (»konkretem«) Sprachmaterial gestaltet wird. Die konkrete Poesie formuliert aus Buchstaben, Silben und Wörtern von traditionellen Zusammenhängen losgelöste Aussagen. Textelemente werden auf der Fläche nach visuellen und/oder semantischen Gesichtspunkten grafisch angeordnet (Sprache als Dichtung - Dichtung als Sprache). Konkrete Texte sind Mitteilungen von Formen und Strukturen, die erst durch die kreative Mitarbeit des Rezipienten vollendet werden. Theoretisch steht die konkrete Poesie zum Teil in der Tradition des italienischen Futurismus (F. T. Marinetti, »parole in libertà«) und der programmatischen und literarischen Texte des Dadaismus (H. Ball, K. Schwitters, T. Tzara). Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Ö. Fahlströms Schriften (»Manifest för konkret poesie«, 1953) und E. Gomringers »Vom vers zur konstellation« (1955) theoriebildend. Die Wiener Gruppe erhob die konkrete Poesie zum Programm. Wichtigste Vertreter im deutschen-sprachigen Raum sind neben Gomringer v. a. E. Jandl, H. Heissenbüttel und C. Bremer. Nebenformen sind die akustische Dichtung, v. a. repräsentiert durch das »Neue Hörspiel« (u. a. Heissenbüttel, Jandl, Friederike Mayröcker, G. Rühm), und die visuelle Dichtung mit ihren Grenzüberschreitungen zur bildenden Kunst (J. Kolař, F. Mon).
Ausgaben: An anthology of concrete poetry, herausgegeben von E. Williams (New York 1967); Concrete poetry. An international anthology, herausgegeben von S. Bann (London 1967); Theoretische Positionen zur konkreten Poesie. Texte und Bibliographien, herausgegeben von T. Kopfermann (1974).
H. Hartung: Experimentelle Lit. u. k. P. (1975);
T. Kopfermann: K. P. Fundamentalpoetik u. Textpraxis einer Neo-Avantgarde (1981);
Universal-Lexikon. 2012.