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Verlaine
Verlaine
 
[vɛr'lɛn], Paul, französischer Lyriker, * Metz 30. 3. 1844, ✝ Paris 8. 1. 1896; seit 1851 in Paris, arbeitete 1864-71 in der Stadtverwaltung, hatte enge Verbindung zum Boheme-Milieu, 1871-73 durch eine turbulente Liaison mit A. Rimbaud verbunden. Die beiden Dichter vagabundierten durch Nordfrankreich, England und Belgien; in Brüssel verletzte Verlaine den Freund nach einem Streit durch einen Pistolenschuss. Während der dafür verhängten 18-monatigen Gefängnisstrafe kehrte er zum Katholizismus zurück; nach der Entlassung versuchte er vergeblich, sich eine geordnete Existenz aufzubauen.
 
Verlaine ist einer der großen Dichter des Symbolismus, in dessen Werk sich, an der Schwelle zur Moderne, Dekadenz als Literatur- und Lebensform artikuliert. Er selbst sah sich als einer der Poètes maudits, die mit ihrer Dichtung über die bürgerliche Welt hinausweisen (Essay »Les poètes maudits«, 1884, erweitert 1888). Von den bewegten Stationen seines Lebens zeugen die Prosatexte »Mes hôpitaux« (1891; deutsch »Meine Spitäler«) und »Mes prisons« (1893; deutsch »Meine Gefängnisse«) sowie die »Confessions« (1895; deutsch »Beichte«), von den periodischen Versuchen einer Fixierung im bürgerlichen Leben »La bonne chanson« (1870; deutsch »Das gute Lied«) und »Sagesse« (1881; deutsch »Weisheit«). Schon früh, in den »Poèmes saturniens« (1866; deutsch »Saturnische Gedichte«) fand Verlaine zu einem eigenen Ton, der in Abwendung von der unpersönlichen Beschreibungslyrik der Parnassiens nur deren mythologisierenden Dekor übernahm, so wie er in den Gedichten der »Fêtes galantes«, in: »La gazette rimée« (1867; deutsch »Galante Feste«) die Rokokobukolik in der Art A. Watteaus oder J. H. Fragonards als Kulisse für die stimmungsvolle Entfaltung von Seelenlandschaften verwendete, in deren Rahmen das lyrische Ich (noch fern moderner Selbstreflexion) eine Palette vager, elegischer Empfindungen durchlebt. Die Fixierung flüchtiger Impressionen, Nuancen und Schattierungen, die sich den starren Formzwängen konventioneller Lyrik entziehen, steht in engem Zusammenhang mit der Verwendung spezifischer, zum Teil revolutionärer poetischer Ausdrucksmittel, wie Verlaine sie besonders in »Romances sans paroles« (1874; deutsch »Lieder ohne Worte«) exemplarisch illustrierte und in »Jadis et naguère« (1885; deutsch »Einst und jüngst«) postulierte: überraschende Zäsuren, ungeradzahlige Versmaße, Binnenreim, Assonanz und Alliteration, Ellipse, Dialog und Interjektion, die zu einer natürlichen und spontanen Sprache führen und die Musikalität zum obersten Stilprinzip erheben. Verlaines Lyrik wurde von zahlreichen impressionistischen Komponisten vertont (G. Fauré, M. Ravel, C. Debussy). Ins Deutsche wurde er u. a. von S. George, R. Dehmel, K. Krolow und M. Brod übersetzt.
 
Ausgaben: Correspondance, 3 Bände (1922-29, Nachdruck 1983); Œuvres complètes, herausgegeben von H. de Bouillane de Lacoste u. a., 2 Teile (1959-60); Œuvres en prose complètes, herausgegeben von J. Borel (1978); Œuvres poétiques complètes, herausgegeben von demselben (Neuauflage 1981); Poésies (1866-1880), herausgegeben von M. Décaudin (1980); Œuvres poétiques, herausgegeben von E. Richter (Neuausgabe 1981).
 
Ausgewählte Gedichte, übersetzt von Graf W. von Kalckreuth (21912); Gesammelte Werke, herausgegeben von S. Zweig, 2 Bände (1922); Gedichte, übersetzt und herausgegeben von H. Hinderberger (51992, französisch und deutsch); Poetische Werke, bearbeitet von S. Löffler (Neuausgabe 1994, französisch und deutsch).
 
Literatur:
 
S. Zweig: V. (1904);
 A. van Bever u. M. Monda: Bibliographie et iconographie de P. V. (Paris 1926, Nachdr. Genf 1991);
 K. A. Knauth: Die poet. Bedeutung der Farbe in V.s Lyrik (1966);
 J.-H. Bornecque: V. par lui-même (Paris 1967);
 J. Robichez: V. entre Rimbaud et Dieu (ebd. 1982);
 F. Eigeldinger u. a.: Table de concordances rythmique et syntaxique des poésies de P. V. (Genf 1985);
 J. Mourot: V. (Nancy 1988);
 P. Petitfils: V. (Neuausg. Paris 1994).
 
Zeitschrift: Cahiers des Amis de P. V. (Paris 1979 ff.).
 

Universal-Lexikon. 2012.