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Mallarmé
Mallarmé
 
[malar'me], Stéphane, französischer Dichter, * Paris 18. 3. 1842, ✝ Valvins (Département Seine-et-Marne) 10. 9. 1898; war Gymnasiallehrer, zunächst in der Provinz, seit 1871 in Paris, gab die Zeitschrift »La dernière mode« (1874/75) heraus und hielt seit 1880 die berühmten Mardis ab, literarische Zirkel, die von der geistigen Elite seiner Zeit besucht wurden (u. a. von P. Valéry, A. Gide, P. Verlaine, S. George).
 
Mallarmé ist die zentrale Gestalt des französischen Symbolismus. Unter dem Eindruck der Gedichte C. Baudelaires entstanden das poetische Werk und die Ästhetik, die wegweisend für die Moderne wurden. Für Mallarmé war Kunst ein autonom strukturierter, von der Realität in Inhalt und Form losgelöster Bereich. Zentrales Thema der Dichtung wird das Dichten selbst (»L'après-midi d'un faune«, 1876; deutsch »Der Nachmittag eines Fauns«) als Daseinsform jenseits einer zufallsbeherrschten Realität, damit zugleich die Suche nach dem Absoluten, das nur als Idee existiert (»Un coup de dés jamais n'abolira le hasard«, Erstfassung 1897, Zweitfassung herausgegeben 1914; deutsch »Ein Würfelwurf hebt den Zufall nicht auf«), faktisch aber mit dem Nichts, der Leere, dem Tod konvergiert (»Igitur«, herausgegeben 1925; deutsch; »Hérodiade«, herausgegeben 1869, 1913, 1926; deutsch »Herodias«). Annäherungsweise eingelöst werden kann der Absolutheitsanspruch nur von der Sprache, die im Ideal der »absoluten Poesie« (»Variations sur un sujet«, 1895/96) die Wörter von ihrer Abbildfunktion befreit und sie, statt Dinge zu bezeichnen, Symbole suggerieren und Gefühle evozieren lässt. So wird dichterische Sprache bei Mallarmé zum autonomen Erkenntnisinstrument für seelisch-geistige Zustände; Verfahren sprachlicher Verfremdung - freie Syntax, klanggeleitete Wortwahl, Wegfall der Interpunktion - steigern die poetische Mehrdeutigkeit, die in einer Art »simultaner Optik« bis zur Befreiung des Textes aus seiner Linearität und zur Annäherung an eine Partitur führen kann. Auf diese Weise entstehen Konstellationen permutierbarer Teile, die einen aktiven Leser erfordern; erst im Prozess des Nachvollziehens konstituiert sich der »Sinn«.
 
Mallarmés Werk wirkte v. a. auf die moderne Lyrik: unmittelbar u. a. auf Valéry, George, später u. a. auf die konkrete Poesie. Wie er selbst Anregungen aus Malerei und Musik (Gesamtkunstwerk) verarbeitete, wirkte seine Konzeption von Kunst auch nachhaltig auf diese Disziplinen zurück (K. Stockhausen) und trug zu einer simultanen Präsenz grafischer und bildlicher Elemente in Literatur (G. Apollinaire) und Malerei (P. Klee, R. Magritte) bei. Als Übersetzer wurde er besonders durch seine Übertragungen der Gedichte E. A. Poes bekannt (»Les poèmes d'Edgar Poe«, 1888), dessen Dichtungstheorie ihn nachhaltig geprägt hat.
 
Ausgaben: Correspondance, herausgegeben von J. L. Austin und anderen, 11 Bände (in 12 Teilen 1-21959-85); Œuvres complètes, herausgegeben von H. Mondor u. a. (Neuausgabe 1979); Œuvres complètes, herausgegeben von C. P. Barbier und anderen, auf mehrere Bände berechnet (1983 folgende).
 
Sämtliche Gedichte. Französisch und deutsch (41984); Gedichte, übersetzt von G. Goebel-Schilling (1993).
 
Literatur:
 
P. Valéry in: Variété, Bd. 2 (1930, Neuausg. Paris 1978);
 J. Gengoux: Le symbolisme de M. (ebd. 1950);
 H. Mondor: Vie de M. (ebd. 21951);
 K. Wais: M. (21952);
 J.-P. Richard: L'univers imaginaire de M. (Paris 1961);
 E. A. Bird: L'univers poétique de S. M. (ebd. 1962);
 D. Steland: Dialekt. Gedanken in S. M.s Divagations (1965);
 S. Verdin: S. M. Le presque contradictoire (Paris 1975);
 J. Kravis: The prose of M. (Cambridge 1976);
 R. Stabel: Igitur. M.s Erfahrung der Lit. (1976);
 A. Vial: M. (Paris 1976);
 J. Scherer: Grammaire de M. (ebd. 1977);
 G. Inboden: M. u. Gauguin (1978);
 C. Mauron: M. (Neuausg. Paris 1979);
 J.-P. Sartre: M. Engagement (a. d. Frz., 1983);
 R. Lloyd: M., Poésies (London 1984);
 M. L. Assad: La fiction et la mort dans l'œuvre de S. M. (New York 1987);
 R. Dragonetti: Études sur M. (Gent 1992);
 J. Kristeva: Die Revolution der poet. Sprache (a. d. Frz., Neuausg. 1995).
 

Universal-Lexikon. 2012.