Akademik

Pornographie
Pornografie; Vollerotik; unzüchtige Darstellung

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Por|no|gra|fie [pɔrnogra'fi:], die; -, Pornografien [pɔrnogra'fi:ən], Pornographie:
sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs u. unter Ausklammerung der psychischen u. partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität:
dieser Roman ist Pornografie.

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Por|no|gra|phie 〈f. 19; unz.〉 = Pornografie

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Pornographie
 
[zu griechisch pórnē »Hure« oder pórnos »Hurer« und gráphein »schreiben«, »zeichnen«] die, -, ursprünglich die Beschreibung von Leben und Sitten der Prostituierten und ihrer Kunden, im Laufe der Jahrhunderte zum Begriff für die Darstellung sexueller Akte überhaupt verallgemeinert. Obwohl die Fantasien, die in Pornographien erscheinen, überwiegend zeitloser Natur sind, gewann Pornographie als sexuelles Phänomen und soziales Problem erst im Kontext der modernen, westlichen Gesellschaft Bedeutung. Im Unterschied zu explizit sexuellen Darstellungen früherer Epochen und anderer Kulturen steht bei Pornographie die Intention der sexuellen Reizwirkung im Vordergrund. Während sexualbezogene Darstellungen früherer Zeiten individuelle Werke einzelner Künstler und in der Regel nur den jeweiligen Oberschichten zugänglich waren, hat sich Pornographie seit dem 19. Jahrhundert zu einer Massenware entwickelt, die in der modernen Konsumgesellschaft zu einem Bestandteil der allgemeinen Freizeit- und Unterhaltungskultur geworden ist. Die Wirkung von Pornographie, die Methoden ihrer Herstellung und Verbreitung wie die Art ihres Konsums wurden maßgeblich durch die Entwicklung der modernen Informationssysteme und Reproduktionstechniken bestimmt. Durch die zunehmende Verlagerung des Konsums auf visuelle Massenmedien ist medial vermittelte Pornographie in nahezu allen westlichen Industrienationen zu einem signifikanten Phänomen des gesellschaftlichen Austauschs über Sexualität geworden.
 
Die Tatsache, dass Pornographie mit wachsender Verbreitung zum Gegenstand sexualpolitischer Debatten, wissenschaftlicher Kontroversen, öffentlicher Kampagnen und zivil- wie strafrechtlicher Sanktionen wurde, verweist auf das grundlegende Problem, dass Pornographie häufig das Bild einer mit voyeuristischen, exhibitionistischen und aggressiven Elementen durchsetzten »unfriedlichen Sexualität« (G. Schmidt) vermittelt und gegen die geltenden ethischen und ästhetischen Normen verstößt, zugleich aber, wie ihr massenhafter Konsum zeigt, Bedürfnisse breiter Bevölkerungsschichten anspricht und damit etwas über die tatsächlich sexuellen Verhältnisse und Vorstellungsmuster in der Gesellschaft aussagt.
 
 Rechtliches
 
Das Verbreiten, Abbilden oder Darstellen von Pornographie (in Schriften, mittels Bild- und Tonträgern, in Abbildungen und anderen Darstellungen) sowie das öffentliche Ankündigen, die Ein- und Ausfuhr zu verbotenen Zwecken u. Ä. kann in bestimmten Fällen nach § 184 StGB bestraft werden (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe). Das Gesetz schützt generell Jugendliche unter 18 Jahren, zu deren Gunsten außerdem das weiter gehende Gesetz gegen jugendgefährdende Schriften gilt. Erwachsene sollen nicht gegen ihren Willen von Pornographiedarstellungen Kenntnis nehmen müssen (eine Straftat begeht u. a., wer pornographische Werke an einen anderen gelangen lässt, ohne hierzu aufgefordert worden zu sein; strafbar ist auch die Vorführung pornographischer Darstellungen in öffentlichen Filmvorführungen gegen ein Entgelt, das ganz oder überwiegend für die Vorführung verlangt wird). Die Darstellungsträger der Pornographie (Schriften, Tonträger u. Ä.) unterliegen gegebenenfalls der Einziehung und Unbrauchbarmachung.
 
Durch Gesetze vom 23. 7. 1993, 28. 10. 1994 und 26. 1. 1998 sind die Strafvorschriften über die Pornographie verschärft worden. Die Kinderpornographie (pornographische Schriften u. a., die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben) wird nunmehr mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft; wird ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben und liegt gewerbs- oder bandenmäßige Begehung vor, ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorgesehen. Darüber hinaus wird die deutsche Strafgewalt auch für die Taten begründet, die im Ausland begangen wurden und die § 184 Absatz 3 und 4 StGB verletzen (§ 6 Nummer 6 StGB).
 
Das Gesetz definiert den Begriff des Pornographischen selbst nicht; vielmehr ergibt sich die Einordnung bestimmter Erscheinungsformen des Anstößigen als Pornographie aus den Erkenntnissen der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung. Eine verbreitete Definition fasst unter dem Begriff der (»einfachen«) Pornographie »eine grobe Darstellung des Sexuellen, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden Weise den Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtliche Begierde degradiert«, wobei das Kriterium der »aufdringlich vergröbernden, anreißerischen, verzerrenden, unrealistischen Darstellung, die ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen bleibt«, von Bedeutung ist. Als extreme Form der Pornographie erfasst das Strafrecht auch die »harte« Pornographie als sexuelle Darstellung, die Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat.
 
In Österreich ist die Strafbarkeit der Pornographie im Pornographiegesetz vom 31. 3. 1950 in der Fassung von 1988 geregelt. Strafbar ist besonders das Herstellen, Verlegen, Anbieten und Verbreiten von unzüchtigen Schriften, Abbildungen und unzüchtigen Gegenständen in gewinnsüchtiger Absicht oder das wissentliche Zugänglichmachen einer unzüchtigen Darbietung für Personen unter 16 Jahren. Die Bezirksverwaltungsbehörde kann von Amts wegen oder auf Antrag die Verbreitung von jugendgefährdenden Werken beschränken oder überhaupt untersagen. - Das schweizerische StGB (Art. 197) schützt Personen unter 16 Jahren vor jeder Form der Pornographie, Erwachsene vor so genannter harter Pornographie (u. a. sexuelle Handlungen mit Kindern oder Tieren) und vor ungewollter Konfrontation mit weicher Pornographie. Ein schutzwürdiger kultureller oder wissenschaftlicher Wert schließt Pornographie aus.
 
 Kulturhistorische Aspekte
 
Entstehung und Entfaltung des Phänomens Pornographie sind in umfassende gesellschaftliche Prozesse eingebunden, die den Beginn der Moderne bestimmten und zu einem tief greifenden Wandel des Sexualverhaltens in der westlichen Zivilisation führten. Hauptmerkmal dieser Transformation war der ständig wachsende Druck, Sexualität von aller übrigen Erfahrung abzutrennen, durch Isolierung, Distanzierung, Internalisierung und Verdrängung (N. Elias). Der Verschärfung der Anstandsregeln, der Zensierung erotischen Vokabulars und der Heraufsetzung der Schamschwellen entsprach im Gegenzug eine Vervielfachung und Intensivierung der skandalösen Literatur, deren philosophische und gesellschaftskritische Implikationen in den libertinistischen Romanen der französischen Aufklärung entfaltet wurden.
 
Inhaltlicher wie formaler Kristallisationspunkt pornographischer Literatur wurde die in der Renaissance wieder belebte Gattung der antiken Hetärengespräche. Stilbildend für die Herausbildung des neuzeitlichen Pornographiegenres wirkte das Werk P. Aretinos aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sowohl seine »Sonetti lussoriosi« (»wollüstige Sonette«), die er zu zeitgenössischen Stichen von sexuellen Stellungen schrieb, wie seine »Ragionamenti« (1533-36), nach dem Vorbild von Lukians »Hetärengesprächen« auch »Kurtisanengespräche« genannt, wurden in viele europäische Sprachen übertragen und fanden im 17. Jahrhundert zahlreiche Fortsetzungen und Bearbeitungen, v. a. die beliebten »Hurenspiegel«.
 
Zu den etwa 300 Werken der lasziven Literatur Frankreichs zählen auch etwa 50 pornographische »Romans libertins«, die zum größten Teil anonym oder unter Pseudonym erschienen, meist mit erotischen Kupferstichen versehen waren und weit über Frankreichs Grenzen hinaus bis in das 19. Jahrhundert ihr Publikum fanden. Den Anfang dieses Schrifttums markiert der in viele Sprachen übersetzte und in zahllosen Nachdrucken verbreitete Roman »L'Académie des Dames« (1680), der bereits das gesamte Spektrum sexueller Libertinage vereint: Entlarvung der gesellschaftlichen Scheinmoral, Propagierung eines hedonistischen Trieboptimismus, in dessen Namen alle Varianten der Sexualität von Sodomie bis zum Flagellantismus praktiziert werden. Der bekannteste englische libertinistische Roman war John Clelands »Memoirs of a woman of pleasure« (1748-49), der unter dem Titel »Fanny Hill« weltweit übersetzt und imitiert wurde und bis heute aufgelegt wird.
 
Der pornographische »Roman libertin« ist Ausdruck der Aufklärung. Säkularhistorischer Hintergrund ist der von Philosophen wie J. O. de La Mettrie vertretene radikale Sensualismus und der von der Aufklärung erhobene egalitäre Anspruch auf innerweltliches Glück. Als extreme Ausprägung dieser Idee vertrat die erotische Libertinage, in polemischer Frontstellung zu den Kirchen, die Befreiung der Sinne aus den Banden der christlichen Sexualethik und die Emanzipation der Lust von den Regulativen der Moral. Die Umsetzung dieser Theorie in die Praxis zeigte die für die weitere Entwicklung der Pornographie charakteristische Tendenz, Liebe und Lust zu trennen, Erotik zu einer perfekten Sexualtechnik zu versachlichen, das Individuum auf seine Sexualorgane zu reduzieren und den Geschlechtspartner zum bloßen Mittel der eigenen Lust zu machen, im Extremfall (wie bei D. A. F. Marquis de Sade) bis zu dessen physischen Vernichtung.
 
Mit der Ausweitung des Pornographiemarktes im 19. Jahrhundert löste sich die Gattung von ihrem literarischen und ideologischen Bezugsrahmen und konstituierte sich als subliterarische Genre mit spezifischen, extrem konventionalisierten Ausdrucksmustern; bis in die Gegenwart zirkulieren Texte, die literarische Formtraditionen imitieren, sowie pornographische »Klassiker«.
 
Produziert wurden Texte und bildliche Darstellungen für sexuelle Vorlieben aller Art. Im viktorianischen England wurde besonders sadomasochistische Literatur, v. a. über passiven Flagellantismus, massenhaft verbreitet. Ein einzigartiges Dokument sexueller Gegenkultur, die in abweichenden Praktiken und ausschweifenden Fantasien ihren Ausdruck suchte, stellten die um 1890 anonym erschienenen Memoiren »My secret life« eines viktorianischen Gentleman dar. Neben den meist unter fingierten Verfassernamen und Verlagsangaben illegal angebotenen, aber relativ leicht zugängliche Schriften wurde die Fotografie als neues Bildmedium rasch für pornographische Zwecke in Dienst genommen. Die exzessive und zwanghafte Thematisierung des Sexuellen und seiner abweichenden Erscheinungsformen in der pornographischen Subkultur erwies sich als Kehrseite einer offiziellen Sexualmoral, die besonders in den puritanisch geprägten angelsächsischen Ländern darauf angelegt war, Sexualität aus der Sprache und dem öffentlichen Bewusstsein fernzuhalten und sexuelle Triebkräfte durch rationale Steuerung und rigide Reglementierung zu bändigen. Ähnlich wie Alkoholismus und Prostitution galt Pornographie bei den politisch und gesellschaftlich bestimmenden Kreisen als eine die Volksgesundheit und -moral bedrohende Gefahr. Allerdings beschränkten sich die behördlichen Maßnahmen und öffentlichen Initiativen nicht auf die Kontrolle und Unterdrückung von Pornographie; die umstrittensten Obszönitätsprozesse des 19. und dann v. a. des 20. Jahrhunderts betrafen Autoren, deren Veröffentlichungen heute als literarisches Kunstwerke allgemein anerkannt sind, da sie als künstlerischer Ausdruck eines tabuisierten Teils menschlicher Lebenserfahrung gelten (z. B. C. Baudelaire, »Les fleurs du mal«, 1857; D. H. Lawrence, »Lady Chatterley's lover«, 1928; V. Nabokov, »Lolita«, 1955).
 
Eine maßgebliche Rolle bei der Bekämpfung von Pornographie und so genannter unzüchtiger Literatur spielten bis in das 20. Jahrhundert hinein die Sittlichkeitsligen, »Anti-Laster«-Gesellschaften und Wachsamkeitsvereine. Von staatlicher Seite wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts verschärft durch behördliche Maßnahmen, Indizierungen und Strafprozesse gegen Schriften und Darstellungen vorgegangen, die den (rechtlich unklaren) Tatbestand der Obszönität, der Unzüchtigkeit oder des Verstoßes gegen die guten Sitten erfüllten. Die meisten Obszönitätsgesetze aus dem 19. Jahrhundert blieben mit nur unwesentliche Modifizierungen bis in die 1950er-Jahre in Kraft.
 
 Die Entwicklung in Deutschland
 
In Deutschland setzte eine Verschärfung der staatlichen Pornographiekontrolle erst in der wilhelminischen Ära ein. Für umfassendere Verbots- und Kontrollmaßnahmen engagierten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts v. a. die bürgerliche Jugendschutz- und Volksbildungsbewegung wie auch verschiedene Sittlichkeitsvereine, so der 1898 gegründete »Kölner Männerverein zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit« (seit 1926 »Volkswartbund«) und der 1901 gegründete »Volksbund zur Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild«. Ausgeweitet und intensiviert wurden die Kampagnen gegen »Schund und Schmutz«, als sich der Film auszubreiten begann, neben den traditionellen »Unzuchtsromanen« und unsittlichen Bildern illustrierte Zeitschriften und Bildpostkarten in Umlauf kamen und sich als neue Vertriebsform für massenhafte Unterhaltung das Lieferungs- und Romanheft durchsetzte, wodurch Kinder und Jugendliche selbst ihre Lektüre auswählen und kaufen konnten. Daher stand nach 1900 der Jugendschutz im Vordergrund der staatlichen Pornographiekontrolle. Die durch verschiedene Gesetze bezweckte Ausschließung der Jugend vom Pornographiekonsum hatte aber zugleich die Nebenwirkung, den gesamten Markt der als unzüchtig verstandenen Schriften einzuschränken. Darüber hinaus konnten aufgrund dieser Bestimmungen Kunstwerke, die, wie etwa A. Schnitzlers »Reigen« oder Zeichnungen und Gemälde (u. a. von L. Corinth, K. Arnold, O. Dix, G. Grosz, F. Masereel), Sexualität in nicht erwünschter Weise oder Deutlichkeit thematisierten, verboten werden. Diese Gesetze (v. a. § 184 StGB) lieferten zusammen mit der Gewerbeordnung und der Postvertriebsordnung bis Anfang der 70er-Jahre die Rechtsgrundlage für strafrechtliche Verfolgung und Indizierung unzüchtiger Materialien. Spezielle Bestimmungen im Bereich des Jugendmedienschutzes wurden erst 1953 durch das »Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften« (GjS) eingeführt. Wesentliche gesellschaftliche Auseinandersetzungen um die staatliche Reglementierung sexualbezogener Materialien gab es erst ab Mitte der 60er-Jahre im Zusammenhang mit der Frage nach einer Gesamtreform des Sexualstrafrechts, durch welche der allgemeinen Liberalisierung des Sexuallebens und der gewandelten gesellschaftlichen Einstellung zur Sexualität (»sexuelle Revolution«) Rechnung getragen werden sollte. Angesichts der Expansion der Pornographiebranche und der wachsenden Präsenz erotischer und sexueller Darstellungen in den Print- und Bildmedien hatten Dänemark, Schweden, die Niederlande und zum Teil auch die USA bereits Mitte der 60er-Jahre begonnen, die Antipornographiegesetze zu entschärfen. In der Bundesrepublik Deutschland waren die Änderungen der Strafvorschriften zur Pornographie zunächst umstritten und zwischen 1970 und 1973 Gegenstand heftiger politischer Debatten. Durch das 4. Strafreformgesetz 1975 wurden schließlich eine Differenzierung in »einfache« und »harte« Pornographie und die begrenzte Freigabe der einfachen Pornographie für Erwachsene beschlossen.
 
Die von Alice Schwarzer initiierte »PorNo«-Kampagne sowie der von der Redaktion der Zeitschrift »Emma« erarbeitete Gesetzentwurf, Frauen ein individuelles Klagerecht und Frauenverbänden das Recht auf Verbandsklage einzuräumen, haben in der Öffentlichkeit heftige publizistische Debatten und auch innerhalb feministischer Kreise scharfe Kontroversen ausgelöst. Kritiker bezweifeln nicht nur die Praktikabilität eines individuellen Klagerechts gegen Pornographie, sondern die Wirksamkeit weiterer, über § 131 (Gewaltverherrlichung) und § 184 StGB hinausgehender Gesetze, die möglicherweise die Darstellungen, nicht aber die ihnen zugrunde liegenden Fantasien und das allgemeine Gewaltniveau in der Gesellschaft beseitigen können.
 
Nach neueren Schätzungen gibt es in Deutschland zurzeit 150 Produktionsfirmen, die Erotika und Pornographie herstellen. Speziell für den Vertrieb von Pornographie gibt es etwa 850 Pornoshops, ungefähr 5 900 Videotheken, 2 000 andere Videoverleiher (und Hotel-Videos), etwa 50 Versandhäuser, dazu Computerprogramme sowie Mailboxen und das Internet. Pro Jahr werden 5 700 Videofilme pornographischen Inhalts mit etwa 4,6 Mio. legal hergestellten Vervielfältigungsstücken auf dem Markt angeboten. Schätzungen des Gesamtumsatzes der Pornographiebranche schwanken zwischen 750 Mio. und 1,2 Mrd. DM, die Gesamtzahl der Beschäftigten wird mit 20 000 bis 25 000 beziffert.
 
 Deutungsmuster
 
Pornographie hat in verschiedenen Epochen Bedeutungen und Funktionen, die nicht zu trennen sind von der Geschichte der Sexualität und der das Sexualleben regulierenden sozialen Verhaltensnormen, moralische Leitlinien und gesetzliche Regelungen. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Pornographie überwiegend als sittliche Normverletzung definiert und mit Obszönität oder Unzucht gleichgesetzt. Auch heute wird der Begriff häufig in negativer, abwertender Bedeutung verwendet. Im herkömmlichen Sprachgebrauch gilt als pornographisch, was schamverletzend ist und sexuelle Erregung zu stiften beabsichtigt. Allerdings enthält diese Definition keine objektivierbaren Kriterien, da sowohl Schamgrenzen als auch Reizwirkung je nach Individuum, Gesellschaft und Epoche variieren. Von feministischer Seite wird v. a. der sexistische und Frauen entwürdigende Charakter von Pornographie hervorgehoben. Überaus kontrovers wird in der gegenwärtigen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion die Frage nach den möglichen negativen Auswirkungen von Pornographie beurteilt.
 
Obwohl in der pluralistischen Gesellschaft ein Konsens über die Abgrenzung und die Funktionen von Pornographie nicht gegeben ist, lassen sich aus der Inhaltsanalyse pornographischer Medien typische Grundmuster erschließen, die den spezifischen Sexualbezug charakterisieren. Zu den Merkmalen der Pornographie zählen: extreme Kontextreduzierung, d. h. die Einschränkung aller Erfahrung auf sexuelle Erfahrung; hoher Explizitheitsgrad der Darstellung (im Gegensatz zur Indirektheitsnorm der erotisch-sexuellen Signalsprache); Instrumentalisierung der Darstellungsform als Mittel zur Intensivierung und Vervielfachung sexueller Lust; Ausrichtung der Sexualität an der Häufigkeit ihres Vollzugs; Entindividualisierung und Austauschbarkeit der beteiligten Menschen. Die Standardformen von Pornographie werden von charakteristischen sexuellen Mythen und Fiktionen bestimmt wie: sexuelle Grandiosität und Heroisierung (v. a. des Mannes); sexuelle Fiktionen von Macht, Dominanz und Kontrolle sowie von Kontrollverlust (v. a. der Frau); extreme Vereinfachung sexuellen Erlebens durch die Ausgrenzung von Schwierigkeiten und negativen Konsequenzen; Anonymität der sexuellen Kontakte und Fehlen von Gefühlen für den Partner; problemlose gleichzeitige sexuelle Motivation sämtlicher Sexualpartner und garantierter sexueller »Erfolg«.
 
Im Gegensatz zur Standardpornographie stehen bei der »harten« Pornographie folgende Merkmale im Vordergrund: sexuelle Konventionsverletzung, Perversion, Aggression und Gewalt, Sexismus in manifester Form, Missbrauch von Kindern, sexuelle Diskriminierung sozialer, ethnischer, religiöser oder politischer Gruppen.
 
Das Thema Pornographie im Zusammenhang mit der Erniedrigung von Frauen, von Gewalt gegen Frauen und Kindesmissbrauch wurde in den 80er-Jahren v. a. von feministischen Autorinnen (Catharine McKinnon, Andrea Dworkin) und Sprecherinnen der Frauenbewegung zunächst in den USA und seit Ende 1987 in der Bundesrepublik Deutschland in die öffentliche Diskussion eingebracht. Nach feministischer Annahme ist »Pornographie die Theorie, Vergewaltigung die Praxis« (Susan Brownmiller), »Pornographie die Kriegserklärung gegen Frauen« (Alice Schwarzer) oder eine primäre Ursache oder zumindest eine wichtige Voraussetzung sexueller Gewalt, Nötigung und extremer Frauenfeindlichkeit sowie Indiz einer »Pornographisierung der gesamten Geschlechterverhältnisse« (Schwarzer).
 
Im Gegensatz zu dieser These, Pornographie sei ein objektives und reales Abbild der Geschlechterverhältnisse in unserer Gesellschaft, heben psychoanalytisch wie sexual- und sozialwissenschaftlich orientierte Forschungsansätze hervor, dass gerade die Standardpornographie in verschlüsselter Form weit verbreitete sexuelle Fantasien von Männern enthält, die von dem tatsächlich praktizierten Sexualverhalten der Konsumenten weit entfernt sind. Nach repräsentativen Umfragen zum Konsum von Erotika und Pornographie in Deutschland nimmt nur eine Minderheit von Pornographiekonsumenten pornographischer Abbildungen als Realitätsausschnitt wahr und verwendet sie als direkte Handlungsanweisung (H. Ertel).
 
Obwohl der Pornographie von verschiedenster Seite vielfältige negative Auswirkungen wie die Zunahme von sexueller Gewalt und Aggression, Frauenfeindlichkeit oder Anstöße zu perversen und risikoreichen Sexualpraktiken zugeschrieben werden, lässt sich ein direkter Kausalzusammenhang zwischen sexueller und nonsexueller Aggression von Männern und ihrem Pornographiekonsum bisher nicht nachweisen. Wie die These einer Konditionierung zur Gewalt durch Desensibilisierung ist auch die gegenteilige Annahme, derzufolge Pornographie die Umsetzung gefährlicher sexueller Impulse in Handeln vermeiden hilft (Katharsisthese), bis heute weder empirisch zu belegen noch wissenschaftlich zu begründen. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass gewaltdurchsetzte sexuelle Stimuli nur auf jene Männer einen besonderen Reiz ausüben, die bereits ein sexistisches, feindseliges Frauenbild haben und eine generelle Tendenz zur sozialen Aggression aufweisen. Nicht auszuschließen ist, dass ein fortgesetzter Konsum aggressiver Pornographie zur Verfestigung von bereits ausgeprägten frauenfeindlichen Einstellungen oder sexuell aggressiven Dispositionen beitragen kann. Auch innerhalb der Frauenbewegung wird das Phänomen der Pornographie sehr unterschiedlich bewertet. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Publizistinnen attestieren den Vertreterinnen der Bewegung »Frauen gegen Pornographie« eine verengte Sicht weiblicher wie männlicher Sexualität beziehungsweise eine biologistische Deutung der Geschlechtsunterschiede im Sinne eines Täter-Opfer-Schemas. Andere Kritikerinnen sehen in einer von und für Frauen produzierten Pornographie eine Entfaltungschance eigener Art. Nach sexual- wie sozialwissenschaftlichen Deutungen ist Pornographie nicht als Ursache, sondern als Symptom bestehender sexueller Deformationen und geschlechtsspezifischer Rollenmuster sowie als Merkmal der allgemeinen Zunahme von Gewalt und Aggression in der sozialen Realität wie in den Massenmedien zu bewerten.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Erotik · erotische Kunst · erotische Literatur · obszön · Prostitution · Sexismus · Sexualität
 
Literatur:
 
G. Zeising: Die Bekämpfung unzüchtiger Gedankenäußerungen seit der Aufklärung (Diss. 1967);
 S. Sontag: Die pornograph. Phantasie, in: Akzente, Jg. 15 (1968), H. 1-2; K. Heitmann: Der Immoralismus-Prozeß gegen die frz. Lit. im 19. Jh. (1970);
 E. Mertner u. H. Mainusch: Pornotopia. Das Obszöne u. die P. in der literar. Landschaft (1970);
 
Der P.-Report. Unters. der »Kommission für Obszönität u. P.« des amerikan. Kongresses, hg. v. Adolf-E. Meyer (a. d. Amerikan., 1971);
 Hans Mayer: Obszönität u. P. in Film u. Theater, in: Akzente, Jg. 21 (1974), H. 4; S. Brownmiller: Gegen unseren Willen. Vergewaltigung u. Männerherrschaft (a. d. Amerikan., 1978);
 S. Marcus: Umkehrung der Moral. Sexualität u. P. im viktorian. England (a. d. Amerikan., 1979);
 R. Stoller: Perversion (a. d. Amerikan., 1979);
 T. McCormack: Feminism, censorship, and sadomasochistic pornography, in: Studies on Communications, Bd. 1 (Greenwich, Conn., 1980);
 A. M. Rabenalt: Die perforierte Unzucht (1982);
 J. Brückner: Sexualität als Arbeit im Pornofilm, in: Das Argument, Jg. 25 (1983), Nr. 141; Die Politik des Begehrens. Sexualität, P. u. neuer Puritanismus in den USA, hg. v. A. Snitow (a. d. Amerikan., 1985);
 P. Gay: Erziehung der Sinne (a. d. Engl., 1986);
 H. Selg: P. (Bern 1986);
 
Die alltägl. Wut. Gewalt, P., Feminismus, hg. v. H. Bendkowski u. a. (1987);
 E. Donnerstein u. a.: The question of pornography (New York 1987);
 
Frauen & P., hg. v. C. Gehrke (1988);
 S. Kappeler: P. - die Macht der Darst. (a. d. Amerikan., 1988);
 
Pornost, hg. v. B. Classen (1988);
 Gunter Schmidt: Das große Der Die Das. Über das Sexuelle (Neuausg. 1988);
 
Pornography, hg. v. D. Zillmann u. a. (Hillsdale, N. J., 1989);
 A. Dworkin: P. Männer beherrschen Frauen (a. d. Amerikan., Neuausg. 1990);
 H. Ertel: Erotika u. P. Repräsentative Umfrage u. psychophysiolog. Langzeitstudie zu Konsum u. Wirkung (1990);
 
Frauen & Männer u. P., hg. v. E. Dane u. a. (1990);
 M.-F. Hans u. G. Lapouge: Die Frauen - P. u. Erotik (a. d. Frz., 21990);
 R. Lautmann u. M. Schetsche: Das pornograph. Begehren (1990);
 P. Prange: Das Paradies im Boudoir. Glanz u. Elend der erot. Libertinage im Zeitalter der Aufklärung (1990);
 G. Seesslen: Der pornograph. Film (1990);
 A. Stora-Lamarre: L' enfer de la IIIe République. Censeurs et pornographes, 1881-1914 (Paris 1990);
 J. M. Goulemot: Gefährl. Bücher. Erot. Lit., P., Leser u. Zensur im 18. Jh. (a. d. Frz., 1993);
 J. Williams: hard core. Macht, Lust u. die Traditionen des pornograph. Films (a. d. Amerikan., Basel 1995);
 
Die nackte Wahrheit. Zur P. u. zur Rolle des Obszönen in der Gegenwart, hg. v. B. Vincken (1997).

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Por|no|gra|phie, (auch:) Pornografie, die; -, -n [frz. pornographie, zu griech. pornográphos = über Huren schreibend, zu: pórnē = Hure u. ↑-graphie]: 1. <o. Pl.> sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs u. unter Ausklammerung der psychischen u. partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität: dieser Roman ist P.; P. verkaufen, verbreiten; Harte P. (Sex mit Kindern, Tieren und Gewalt) bleibt wie bisher verboten. Aber »weiche Pornografie«, also gewaltfreier Sex zwischen Erwachsenen, sollte im verschlüsselten Fernsehen nach Mitternacht gezeigt werden dürfen (Woche 31. 1. 97, 2). 2. pornographisches Erzeugnis: Ich sammle einigermaßen gut geschriebene P. (Fichte, Wolli 40).

Universal-Lexikon. 2012.