Akademik

etruskische Kultur
etrụskische Kultur,
 
die vom 8. bis 1. Jahrhundert v. Chr. in Mittelitalien westlich des Apennins, in der Poebene und in der Toskana fassbare hoch entwickelte Kultur der Etrusker, die Elemente der in diesem Raum vom 10. bis 8./7. Jahrhundert angesiedelten Eisen verarbeitenden Villanovakultur weiterentwickelte, andererseits ganz andere Züge entfaltete. Die deswegen vielfach angenommenen Einwanderergruppen im 8./7. Jahrhundert sind archäologisch nicht nachweisbar, wohl aber vielschichtige Verflechtungen der Etrusker mit anderen Kulturen; so hängen z. B. die etruskischen Kuppelgräber mit dem seit minoischer Zeit auftretenden Tholosgrab zusammen; die Vorstellung des Totenhauses ist aber auch in der Villanovakultur vorhanden, die neben Helmurnen, aus denen sich die Kanopen aus Clusium (heute Chiusi) entwickelten, auch Hausurnen kannten. Im Ganzen ist die etruskische Kultur weniger durch Schriftzeugnisse der Etrusker sowie die Nachrichten griechischer und römischer Autoren bekannt als vielmehr durch ihre künstlerische Hinterlassenschaft, besonders in Grabbauten und -beigaben.
 
 Kunst
 
Das Interesse an der etruskischen Kunst erwachte in der Renaissance, die Erforschung setzte im späten 18. Jahrhundert ein, wobei v. a. die Aussagekraft der in den Gräbern entdeckten Beigaben und Malereien für die griechische Kunst interessierte. Heute liegt der Schwerpunkt der Forschung bei der etruskischen Kunst und Kultur in ihrer Eigenart; entsprechend wurde auch die Ausgrabungstätigkeit auf andere Bereiche, wie den der Wohnstadt, ausgedehnt. - Die jähe Entwicklung der etruskischen um 700 v. Chr. verdankt die entscheidenden Anstöße dem Austausch mit den orientalischen Kulturen; der Handel brachte zahlreiche Werke der Kleinkunst aus Urartu, Assyrien, Ägypten, Zypern und Phönikien und nach 700 besonders aus Korinth nach Mittelitalien. Dadurch entstand der orientalisierende Stil des 7. Jahrhunderts (wobei nicht immer sicher ist, ob die Gegenstände im Land hergestellt oder importiert wurden). Während die frühe Goldschmiedekunst die orientalischen Techniken der Granulation und des Filigrans übernahm, zeigt die Bronzekunst enge Verbindung zu den Techniken der Villanovakultur. Für einige Gattungen sind überhaupt keine Beziehungen zur Villanovakultur sichtbar, andere jedoch sind gut ableitbar, z. B. die Buccherokeramik, die eine Weiterentwicklung der Impastokeramik ist. Die Reaktion auf die Kunst des Mittelmeerraums, seit der Früharchaik (um 620-550) zunehmend auf die archaische griechische Kunst, blieb für die etruskische Kunst charakteristisch; ihre stilistische Entwicklung war infolgedessen nicht selten sprunghaft und reaktiv statt organisch und kontinuierlich. Jedoch auch im Nachahmen formte sie Vorbilder um und gab besonders Plastik und Wandmalerei einen eigenen Charakter; in ihren besten Werken war sie der griechischen Kunst ebenbürtig, insbesondere zu ihrer Blütezeit in der Hoch- und Spätarchaik (um 550-470). Die etruskische Kunst bewahrte aber bis ins späte 5. und selbst 4. Jahrhundert archaische Züge und zeichnete sich gegenüber der griechischen Klassik weiterhin durch eine große Spontaneität aus (Subarchaik; um 470-300). Seit dem 3. Jahrhundert (Spätzeit) verschmolzen etruskische mit hellenistische Elementen, was besonders in der Porträtkunst in Bronze zu einer neuen Blüte führte (während in Ton und Alabaster Massenware produziert wurde). - Die Hauptquelle der Funde bilden Grabgruben und Grabkammern; die ebenfalls kostbar ausgestatteten Tempel, die über einem Steinfundament aus Holz konstruiert waren, sind restlos zerstört, nur von der Terrakottaverkleidung (v. a. Stirnziegel und Friesplatten) und den Terrakottafiguren (Akroterien) des Daches (Götterstatuen) sind bedeutende Funde gemacht worden (ebenso von Akroterien und Stirnziegeln der Hausdächer).
 
Architektur:
 
Seit 670 v. Chr. wurden sowohl über Erdgruben (»Fossagräber«) mit zum Teil reichen Bestattungen (Fürstengräber von Praeneste, heute Palestrina) wie über auf gewachsenem Boden oder geringfügig eingetieft aufgemauerten Grabkammern Erdhügel aufgeschüttet. Es gibt u. a. »Circoligräber«, benannt nach dem Plattenring, der (den Erdhügel beziehungsweise) eine Anzahl Gruben umgab, »Korridorgräber« mit langen, gangartigen Kammern, geschlossen durch Mauerwerk, das als falsches Gewölbe nach oben spitzbogenartig vorkragte (z. B. das Fürstengrab Regolini-Galassi in Caere, heute Cerveteri), »Kuppelgräber« mit falschem Gewölbe (unter einem Erdhügel) über quadratischem oder rundem Grundriss (Grab von Casal Marittimo, Florenz, Museo Archeologico; Tomba della Pietrera in Vetulonia; Gräber von Populonia, heute Piombino) und »Cassonegräber«, bei denen mehrere Grabkammern von einer großen, dem Totenkult dienenden Vorkammer abzweigen (Vulci). Durch schmale Gänge zu erreichende ein- oder mehrräumige »Kammergräber« mit Sattel-, Flach- oder Tonnendach sind der überwiegende Grabtyp der Oberschicht seit dem 6. Jahrhundert. Sie haben oder hatten flach kegelförmige Erdaufschüttungen über niedrigen Mauersockeln (Caere, Vulci, Vetulonia) oder über der Stelle, wo die Kammern in den Fels geschlagen waren (Tarquinii, heute Tarquinia). »Würfelgräber« entstanden in Südetrurien im ausgehenden 7. Jahrhundert (Blera, San Giuliano); aus dem Tuffgestein wurde eine Kastenform mit einem oberen Abschluss und einem Türsymbol herausgehauen. Die Grabkammer mit einer Vorhalle befindet sich darunter. Sehr bald wurde nur noch die Seite mit dem Türsymbol in die Felswände geschlagen (Savona, Norchia, Castel d'Asso, Volsinii veteres bei Orvieto). Diese Nekropolen oder die von Straßen durchzogene Totenstadt von Caere mit ihren Grabhügeln und einem Cippus für jeden Bestatteten geben den stärksten Eindruck von der etruskischen Architektur. Die Grabkammern mit ihren Sarkophagen und Urnen, aus dem Fels gehauenen Balken und Säulen (Ständern), steinernen Totenbetten, aus Stein oder Stuck nachgebildeten Möbeln und Geräten, den Wandmalereien (Tarquinii) und Beigaben (Schmuck, Waffen, Gefäße) vermitteln ein Bild von Leben, Wohnen, Sitten und Luxus der etruskischen Oberschicht.
 
Für die Anlage der Wohnsiedlungen wurden isolierte Bergrücken oder Tuffplateaus bevorzugt; Befestigungsmauern entstanden seit dem 6. Jahrhundert, meist jedoch erst ab 400 v. Chr. Die jüngeren Stadtgründungen zeigen das hellenistische System rechtwinklig sich schneidender Straßen. Im Mittelpunkt einer etruskischen Stadt wurde ein Schacht angelegt (als Tor zur Unterwelt). Die rechteckigen Wohnhäuser mit Fundamenten aus Stein und Wänden meist aus Fachwerk oder Lehmziegeln hatten Ziegeldächer und Portiken (Acquarossa) und besaßen zum Teil zentrale Höfe (Marzabotto), wobei die Raumanordnung auf das römische Atriumhaus vorausweist. Während die Grundrisse archäologisch gesichert sind, ist der Aufbau als offenes Atrium durch Hausurnen aus Clusium bekannt.
 
Die Anfänge des Tempelbaus sind ungewiss. Der von Vitruv als »tuskanischer Tempel« beschriebene etruskische Tempel hatte drei nebeneinander liegende Cellae und eine gleich tiefe Vorhalle über quadratischem Grundriss (Pyrgi, Veji); daneben gab es v. a. einen schmalrechteckigen Typ mit nur einer Cella und einem Gang an jeder Seite (z. B. in Faesulae, heute Fiesole). Die tuskanischen oder äolischen Säulen der Vorhalle waren auseinander gerückt, das steile Dach ragte über die Seitenwände vor, sodass sich ein Baukörper ergab, der durch seine gedrungenen Proportionen, die Grundrissform, die Dekoration (besonders auf dem Dach) und die rigorose Frontalität ein völlig anderes Aussehen hatte als der griechische Tempel; der etruskische Tempel gab dem römischen Podiumtempel wesentliche Impulse.
 
Malerei:
 
Seit Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. (Veji: Tomba delle Anatre; Caere) entstanden in den südetruskischen Kammergräbern Freskomalereien, deren Blütezeit zwischen 530 und 460 liegt (besonders Tarquinii). Dargestellt wurden Tanzende, Musizierende, Ehepaare beim Gelage, mit den Bestattungsfeiern verbundene Wettkämpfe, Fischfang und Jagd mit bezaubernden Naturschilderungen. Seit dem 3. Jahrhundert verlor sich die Heiterkeit der Jenseitsvorstellungen: Unterweltsdämonen, grausame mythische Themen traten ins Blickfeld. Historische Darstellungen fanden sich im Françoisgrab in Vulci (4. Jahrhundert; Privatbesitz, Kopien in verschiedenen Museen). In der Wandmalerei erweisen sich die etruskischen Künstler als Meister der Darstellung rhythmisierter Bewegung der menschlichen Figur wie der Gesamtkomposition.
 
Die Plastik war im 7. Jahrhundert v. Chr. vorwiegend orientalisierend (Pietrerafiguren aus Vetulonia), führte aber auch Elemente der Villanovakultur weiter (Kanopen). Die Steinskulptur um 600 steht der dädalischen Kunst (dädalisch) nahe (Kentaur von Vulci). Der Höhepunkt der archaischen etruskischen Plastik wurde vom 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. erreicht mit Werken aus Ton (Apoll aus Veji, um 500; Rom, Villa Giulia) und Bronze (Kapitolinische Wölfin). Trotz des sichtbaren Einflusses der griechischen Kunst sind Stilisierung, Oberflächenmodellierung und Betonung von Kopf und Gestik originell und ausdrucksvoll. Die Plastiken der Spätzeit (Porträtstatue des »Redners« [Arringatore], 2. oder 1. Jahrhundert v. Chr., die Aule Meteli darstellt, Florenz, Museo Archeologico; Kapitolinischer Brutus, 1. Jahrhundert v. Chr., Rom, Kapitolinisches Museum) beeinflussten die römische Kunst, zumindest im Bereich des Idealporträts, wesentlich.
 
Kunsthandwerk:
 
Auf dem Gebiet der Goldschmiedekunst (Fürstengräber in Vetulonia, Caere und Praeneste), wie in der Bearbeitung von Metallen (gegossen, getrieben und graviert), in der Elfenbeinschnitzerei und der Glyptik (Skarabäen) haben die Etrusker eine Vielzahl an höchst qualität
 
vollen Arbeiten hervorgebracht. Oft war die Produktion lokal begrenzt, z. B. Silhouettengranulation in Vetulonia, Treppensteine in Tarquinii, gravierte Bronzespiegel (6.-3. Jahrhundert) und Cisten (4.-3. Jahrhundert) in Praeneste. Zentren einer mit der Qualität griechischer Importe wetteifernden Keramik waren im 6. Jahrhundert mit schwarzfiguriger Keramik Caere (Hydrien) und Vulci (»pontische Vasen«), Mitte des 5. Jahrhunderts mit rotfiguriger Keramik Falerii (heute Civita Castellana; »faliskische Vasen«). Der reiche Import ionischer und attischer Keramik (darunter z. B. die Françoisvase), verbreitete die Kenntnis griechischer Mythologie in der etruskischen Kunst und bestimmte vielfach die Thematik der gravierten Bronzespiegel und Cisten sowie der Reliefs südetruskischer Sarkophage, deren weitere Themen auch der Gang ins Jenseits oder Begräbnisrituale waren.
 
 Musik
 
Da direkte Zeugnisse fehlen, lässt sich auf die etruskische Musik nur durch griechische und lateinische Berichte sowie v. a. Gemälde und Reliefs in etruskischen Grabkammern rückschließen. Berühmt waren die Etrusker für ihre Blasmusik. Die Römer übernahmen von ihnen die Trompetenformen Tuba, Lituus und Cornu sowie das Rohrblattinstrument Tibia mit zwei Pfeifen. Zum weiteren Instrumentarium zählten die von Griechen stammenden Leiern Phorminx, Lyra und Barbitos, Handklappern, Panflöten und Bronzeglocken. Die drei Trompetentypen begleiteten in meist doppelter Besetzung Leichen- und Triumphzüge; Ensembles mit Blas- und Saiteninstrumenten spielten zu Tänzen und Hochzeitsfeiern.
 
 Religion und Sitten
 
Vieles lässt darauf schließen, dass Religion für die Etrusker von zentraler Bedeutung war. Allerdings ist die ursprüngliche Schicht der etruskischen Religion kaum erkennbar, da aus der Frühzeit keine Götterbilder und keine Zeugnisse der offenbar reichen religiösen Literatur erhalten sind und der Kult erst greifbar wird, als er bereits griechisch beeinflusst oder sogar überschichtet war. Da aber die überirdischen Wesen nach Geschlecht, Art und Zahl unbestimmt und veränderungsfähig gedacht wurden, scheint es, dass es anfänglich nur den Glauben an eine göttliche Wesenheit gab, die sich in vielfältiger Form bekundete. Die höheren Götter wurden unter griechischem Einfluss personifiziert, die niederen Götter und Dämonen bewahrten deutlicher ihre chthonische Herkunft und ihren unpersönlichen Charakter. Der oberste Gott Voltumna (Veltune; lateinisch Vertumnus) wurde als chthonischer Vegetationsgott, vielleicht sogar als Verderben bringender Dämon und schließlich als Kriegs- und Bundesgott verehrt (Hauptkultstätte in Volsinii). Die Liebesgöttin Turan, deren Name wahrscheinlich einfach »Herrin« bedeutet, wurde ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. mit der griechischen Aphrodite gleichgesetzt. Neben Voltumna standen der als bärtiger, väterlicher Gott oder als nackter Jüngling dargestellte Blitze schleudernde Tin oder Tinia (entspricht Zeus/Jupiter), die meist als seine Gemahlin verstandene Stadtherrin Uni (Hera/Juno), die alte italische Göttin Menrva (Athene/Minerva), der Vegetationsgott Maris und Nethuns (Poseidon/Neptun). Diese genuin etruskischen oder sehr früh von den italischen Nachbarn übernommenen höheren Gottheiten wurden durch Rezeptionen aus dem griechischen Pantheon vermehrt: Hercle (Herakles/Hercules), Artumes oder Aritimi (Artemis/Diana), Aplu oder Apulu (Apoll), Fufluns (Dionysos/Bacchus), Sethlans (Hephaistos/Vulcanus), Laran (Ares/Mars) und Turms (Hermes/Mercurius). Doch mögen auch hier ursprünglich etruskische Gottheiten in den neuen aufgegangen sein. Von den niederen Göttern (aiser, eiser) sind an erster Stelle die männlichen und weiblichen, wahrscheinlich aus der sexualbetonten Vorstellung des »Genius« entstandenen Geister der Lasa zu erwähnen, die das Diesseits und Jenseits bevölkern und zugleich Geschlechtssymbole verkörpern. Göttergruppen sind die 12 Di consentes oder Di complices, die als grausame und namenlose Berater des Tinia galten, dann die in vier Klassen eingeteilten Penaten, die Laren, Manen und Blitze schleudernden Novensiles. Die Beziehungen der Menschen zu den Göttern wurden nach bestimmten Gesetzen geregelt und der Wille der Götter nach bestimmten Regeln erforscht, die zusammen die Bezeichnung »disciplina etrusca« trugen und zum Teil in uralten Büchern (»libri acheruntici«, »fulgurales« und »agrimensores«) niedergelegt waren, die der aus der Erde gepflügte Tages den Etruskern gebracht haben soll. Darin waren Vorschriften über die Beobachtung des Vogelfluges (Auguraldisziplin), des Blitzschlages (Fulguraldisziplin) und der Eingeweideschau von Opfertieren (Haruspizien) enthalten. Ferner gehörte dazu die Lehre von den für Menschen und Völker festgesetzten Zeiten, den »saecula« von etwa 120 Jahren Dauer, von denen nach etruskischer Anschauung den Etruskern selbst 8 oder 10, den Römern aber 12 zugemessen waren. Die gleiche Einteilung in feste Zonen begegnet bei der Festlegung bestimmter Bezirke in der Leber von Opfertieren.
 
Nach den Grabgemälden, die die wichtigsten Quellen für Lebensformen und Sitten der Etrusker sind, waren diese ein weltzugewandtes Volk, das Jagd, Tanz, Musik, Theater und reichen Schmuck aus Gold, Silber, Bronze und Elfenbein liebte, Togen und Tuniken trug, die oft prunkvoll gearbeitet und verziert waren, in gut ausgestatteten Atriumhäusern wohnte, deren Typus die Römer ebenso übernahmen wie die Theateraufführungen und Gladiatorenspiele, die bei den Etruskern ein Teil der Leichenfeier waren, die purpurgesäumte Toga der Magistrate und eine Reihe religiöser, politischer und gesellschaftlicher Einrichtungen. Die Bewaffnung mit Äxten, Speeren, Schwert, Helm, Panzer, Schild und Beinschienen entsprach der anderer Völker des Altertums, wobei sich bei den Etruskern eine besondere Vorliebe für griechische Waffen zeigte (Funde von Vulci). Über das Familienleben ist nur wenig bekannt. Hervorgehoben wird stets, dass die etruskische Frau nicht nur eine bevorzugte Stellung im Haus, sondern auch erhebliche Freiheiten in der Öffentlichkeit genoss. Auch erscheint der Name der Mutter häufig auf Grabinschriften bei verstorbenen Kindern. Die Gesellschaftsordnung, in der neben den freien Bürgern Freigelassene und Sklaven eine wichtige Rolle spielten, war aristokratisch und gentilizisch, was nicht zuletzt durch das Drei-Namen-System (Vorname, Geschlechtername, Zuname) zum Ausdruck kam.
 
 Sprache und Schrift
 
Sprachdenkmäler:
 
Derzeit sind knapp 8 000 Texte in etruskischer Sprache bekannt; jährlich werden etwa 40 weitere aufgefunden. Die meisten sind Grabinschriften, die v. a. Namen, manchmal auch biographische Notizen enthalten. Zahlreich sind auch Weih-, Geschenk- und Besitzinschriften auf Gefäßen und Geräten sowie Beischriften zu mythologischen Szenen auf Bronzespiegeln, Gemmen, Vasen und an Grabwänden. Hinzu kommen Künstlersignaturen, Bauinschriften, Verfluchungen (auf Bleitäfelchen, an die Unterweltgötter gerichtet) und Verstreutes, etwa Zahlwörter auf Würfeln. Der längste Text ist ein Ritualkalender, mit etwa 1 300 Wörtern knapp zur Hälfte erhalten und auf ein Leinwand-Faltbuch (Leporello) geschrieben, das, in Streifen zerrissen, um eine ägyptische Mumie des Zagreber Museums gewickelt war (Agramer Mumienbinden, 3.-1. Jahrhundert v. Chr.). Ein älterer Ritualkalender (5. Jahrhundert v. Chr.) mit etwa 300 erhaltenen Wörtern steht auf der großen Tontafel von Capua. Vollständig erhalten ist ein Grundstücksvertrag mit 130 Wörtern auf dem Cippus von Perugia. Von den Texten auf den drei Goldplättchen von Pyrgi (400 v. Chr.) berichten der längere etruskische und der punische den gleichen Sachverhalt, die Weihung eines Kultraums samt Statue, doch in unterschiedlicher Formulierung, sodass sie keine echte Bilingue (zweisprachige/zweischriftige Inschrift) darstellen.
 
Erschließung der Sprache:
 
Die bei vielen erloschenen Sprachen, etwa beim Hethitischen, bewährte sprachvergleichende (»etymologische«) Methode, die aus äußeren Ähnlichkeiten mit einer bekannten Sprache unter Annahme von Sprachverwandtschaft auf die Bedeutung von Wörtern und Formen der unbekannten Sprache schließt, hat beim Etruskischen versagt; unter den bekannten Sprachen hat sich bisher keine als verwandt erwiesen. Erfolg hatte die Sprachvergleichung nur in der Feststellung von griechischen oder italischen Lehnwörtern. Im Übrigen ist man auf die recht schwierige »kombinatorische« Methode angewiesen. Der erste Schritt ist dabei die strukturelle Analyse der Texte durch sprachinternen Vergleich: Es wird geprüft, in welchen Kontexten ein Wort vorkommt und wie es in Stamm, Suffix und Endung zu gliedern ist. In einem zweiten Schritt wird der Inhalt eines Textes aus seiner Umgebung ermittelt. Es wird festgestellt, worauf der Text geschrieben ist (Wörter statt Augen auf Würfeln müssen die Zahlwörter von 1 bis 6 bezeichnen), wozu der Gegenstand diente und was der Schreiber ausdrücken wollte. Hierbei ist die Einbeziehung archäologischer Erkenntnisse unentbehrlich und der Vergleich mit gleichzeitigen griechischen und italischen Inschriften hilfreich. Der dritte und entscheidende Schritt besteht darin, den Inhalt eines Textes zu zergliedern und die Inhaltselemente den im ersten Schritt ermittelten Ausdruckselementen zuzuordnen. Dabei helfen universelle Erkenntnisse über Sprache und Text ebenso wie der Vergleich mit inhaltsgleichen Texten desselben Kulturkreises: Eine etruskische Weihinschrift dürfte kaum anders strukturiert sein als eine griechische oder lateinische der gleichen Zeit. Unmittelbaren Erfolg verspricht das Verfahren bei kürzeren Texten.
 
Von den etruskischen Texten ist die überwiegende Zahl der kürzeren voll verständlich; die Information, die sie enthalten - »V hat mich dem Westen geschenkt« -, ist jedoch meist banal. Die Verständlichkeit längerer Texte variiert: Teilweise sind sie gar nicht oder nur in der syntaktischen Struktur verständlich. Vom Wortschatz sind die zahlreichen Eigennamen identifizierbar, aber wenig informativ. Doch kennt man auch von knapp 100 anderen Wörtern die genaue und von weiteren 50 die ungefähre Bedeutung. Die Flexion von Nomen und Pronomen lässt nur wenige, die des Verbs noch viele Fragen offen. Die Sprache ist agglutinierend wie etwa Finnisch oder Ungarisch: Numerus und Kasus haben jeweils eigene Suffixe (z. B. clan »Sohn«, Genitiv clen-s, Nominativ Plural clen-ar [aus clen-ara verkürzt], Genitiv Plural clen-ara-s).
 
Schrift:
 
Die etruskische Schrift wurde um 700 v. Chr. aus einem (west)griechischen Alphabet übernommen und ist ihrerseits Quelle des lateinischen Alphabets. Daher ist ein deutlich geschriebener und gut erhaltener etruskischer Text ohne weiteres lesbar, d. h., man kennt annähernd die originalen Lautwerte der Buchstaben. Griechisch b, d und o wurden im Etruskischen mangels entsprechender Laute nicht verwendet; griechisch g bezeichnete [k], zunächst nur im Süden Etruriens und nur vor e und i, dann allgemein, was die Römer als Aussprache für c übernahmen (casa = [kasa]). Für den im Griechischen fehlenden Laut [f] wurde das Zeichen 8 geschaffen. Von 500 v. Chr. an wurde das vorher regional (z. B. nördlich-südlich) differenzierte Alphabet vereinheitlicht und gleichzeitig auf 20 Buchstaben vereinfacht, die zum Teil gegenüber den ursprünglichen veränderte Formen erhielten. Die Schrift läuft meist von rechts nach links; die Wörter wurden zunächst gar nicht, später durch Punkte oder Spatien getrennt. Im 6./5. Jahrhundert v. Chr. wurden oft Silben schließende Konsonanten und Silben anlautende Vokale mit Punkten versehen, wohl durch Einwirkung einer Silbenschrift, vielleicht der punischen Silbenschrift Karthagos. Die Ziffern sind in Form und Prinzip den römischen sehr ähnlich (z. B. I, Λ, X, IX = 1, 5, 10, 9).
 
 Wirtschaft, Handel und Technik
 
Die Fruchtbarkeit des Bodens in Südetrurien, der Reichtum des Landes an Bodenschätzen und die schon früh nachweisbare Schifffahrt der Etrusker (Schiffsrekonstruktionen) begünstigten die Entfaltung der etruskischen Kultur. Im Süden wurde v. a. ein Überschuss an Getreide, Vieh, Olivenöl, Wein und vermutlich Leder erzeugt. Der Landbesitz war in den Händen einer Oberschicht konzentriert, für die Bearbeitung der Felder einschließlich der Entwässerungsanlagen geht man von einer Hörigenschicht aus. Die Zentren der Eisenerzverhüttung lagen auf der Insel Elba und in Populonia. Ein wichtiger Ausfuhrhafen für Eisen war auch Pyrgi, die Hafenstadt von Caere (Cerveteri). Die Etrusker handelten nach archäologischen Feststellungen mit Rohstoffen, Keramik (darunter ein hoher Importanteil griechischer, seit dem 6. Jahrhundert v. a. attischer Keramik), Getreide, Wein (im 7. Jahrhundert Einfuhr griechischen Weins, ab dem 6. Jahrhundert etruskisches Weinbauzentrum in Vulci), Olivenöl, Vieh, Salz und Sklaven. Den Funden nach zu schließen, wurden etruskische Bronzegeräte ab dem 6. Jahrhundert, v. a. Dreifüße, »Kandelaber« (Ständer in Form des Weltenbaums), Trompeten, Statuetten, ab dem 4. Jahrhundert u. a. gravierte Spiegel und Cisten, in den östlichen Mittelmeerraum sowie auch ins südliche Westeuropa exportiert. Die Etrusker entwickelten Entwässerungssysteme für Sumpfgelände, ebenso städtischen Wasserversorgungs- und Kanalisationsanlagen mit hydraulischen Systemen, z. B. den Kanal von Cosa, die Cloaca maxima von Rom, die in der römischen Literatur erwähnte Entwässerung der Poebene und die (freigelegte) Kanalisation von Marzabotto. Der Straßenbau überwand Höhenunterschiede meist durch Durchbrechen des (weichen) Tuffgesteins (z. B. bei Savona) oder durch Brückenbauten.
 
Literatur:
 
Kunst:
 
Die Städte der Etrusker, bearb. v. F. Boitani u. a. (a. d. Ital., 1974);
 R. Bloch: Die Kunst der Etrusker (a. d. Frz., 31977);
 
Die Etrusker, bearb. v. M. Sprenger u. G. Bartoloni (1977);
 M. Cristofani: L'arte degli Etruschi (Turin 1978);
 M. Cristofani: Die Etrusker - Gesch., Glaube u. Kultur (a. d. Ital., Luzern 1983);
 S. Steingräber: Etrurien. Städte, Heiligtümer, Nekropolen (1981);
 T. Dohrn: Die etrusk. Kunst im Zeitalter der griech. Klassik (1982);
 K.-W. Weeber: Funde in Etrurien (1982);
 
Civiltà degli Etruschi, hg. v. M. Cristofani, Ausst.-Kat. (Mailand 1985);
 
Dizionario della civiltà etrusca, hg. v. M. Cristofani,: (Florenz 1985);
 
Etrusk. Wandmalereien, hg. v. S. Steingräber (a. d. Ital., 1985);
 
Das Land der Etrusker, hg. v. S. Settis (a. d. Ital., 1985);
 
Corpus speculorum Etruscorum, hg. vom Dt. Archäolog. Inst., auf 10 Bde. ber. (1987 ff.);
 M. Pallottino: Italien vor der Römerzeit (a. d. Ital., 1987);
 
Etrusker in der Toskana. Etrusk. Gräber der Frühzeit, bearb. v. M. Cygielman, Beitrr. v. S. Bruni u. a., Ausst.-Kat. Museum für Vor- u. Frühgesch. Frankfurt am Main (1988);
 F. Gröteke: Etruskerland. Gesch., Kunst, Kultur (31993).
 
Religion und Sitten:
 
R. Herbig: Zur Religion u. Religiosität der Etrusker, in: Historia, Jg. 6 (1957), 123 ff.; R. Herbig: Götter u. Dämonen der Etrusker (21965);
 
C. O. Thulin: Die etrusk. Disciplin (Neuausg. 1968);
 
A. J. Pfiffig: Religio etrusca (Graz 1975);
 
A. Hus: Les Étrusques et leur destin (Paris 1980);
 
Etruscan life and afterlife. A handbook of Etruscan studies, hg. v. L. Bonfante (Detroit, Mich., 1986).
 
Sprache und Schrift:
 
M. Hammarström: Beiträge zur Gesch. des etrusk., lat. u. griech. Alphabets (Diss. Helsinki 1920);
 
M. Pallottino: Elementi di lingua etrusca (Florenz 1936);
 
M. Pallottino: Testimonia linguae etruscae (Neuausg. Florenz 1968);
 
M. Pallottino: La langue étrusque (a. d. Ital., Paris 1978);
 
F. Slotty: Beitr. zur Etruskologie, Bd. 1 (1952);
 
F. Skutsch: Etrusker, in: Pauly-Wissowa, R. 1, Bd. 6, 1 (Neuausg. 1970);
 
Rassegna bibliografica, hg. v. C. Camporeale u. a., in: Studi etruschi, Serie 3, Bd. 41 ff. (Florenz 1973 ff.);
 
M. Cristofani: L'alfabeto etrusco, in: Popoli e civiltà dell'Italia antica, bearb. v. A. Radmilli u. a., Bd. 6 (Rom 1978);
 
Thesaurus linguae etruscae, hg. v. M. Pallottino u. a., Bd. 1: Indice lessicale (Rom 1978, Suppl. 1984);
 
K. Olzscha: Interpretation der Agramer Mumienbinde (Neuausg. 1979);
 
G. u. L. Bonfante: The Etruscan language (New York 1983);
 
H. Rix: Schrift u. Sprache, in: Die Etrusker, bearb. v. M. Cristofani u. a. (a. d. Ital., 1985);
 
Scrivere etrusco, hg. v. C. Pirovano (Mailand 1985).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Etrusker: Auf der Suche nach dem Willen der Götter
 
Apoll von Veji: Der etruskische Tempel und sein Terrakottaschmuck
 
Etrusker: Granulierter Goldschmuck und archaische Bronzen
 
etruskische Schrift und Sprache
 
Tarquinia: Grabmalerei und Totenspiele
 
Totenstadt und Wohnsiedlung
 
Urnen- und Sarkophagplastik
 

Universal-Lexikon. 2012.