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Wandmalerei
Graffiti; Wandschmiererei; Felskunst; Felsbild; Parietalkunst (fachsprachlich); Höhlenmalerei

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Wand|ma|le|rei 〈f. 18Malerei unmittelbar auf die Wand, Decke od. das Gewölbe, entweder auf den noch feuchten (al fresco) od. auf den trockenen Putz (al secco)

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Wạnd|ma|le|rei, die:
vgl. Deckenmalerei.

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Wandmalerei,
 
meist im Gegensatz zur Tafelmalerei Bezeichnung für die Malerei auf Wänden, an Decken und Gewölben, bei der die Farben auf den noch feuchten Putz (al fresco, Fresko) oder auf die verputzte trockene Wand (al secco) aufgetragen werden. Daneben können die Malereien wie bei der Tafelmalerei auch auf Holz oder Leinwand ausgeführt und dann in die Wand oder Decke eingelassen oder auch auf andere Weise zur Verkleidung angebracht werden. Sonderformen der Wandmalerei sind Felsbilder, Deckenmalerei undGraffiti. Meist ist ihr wegen einer geforderten Fernwirkung ein monumentaler Zug eigen. Überwiegend tritt Wandmalerei als Ausmalung von Innenräumen auf; es wurden und werden aber auch Szenen auf Außenwänden (z. B. bei den Moldauklöstern) und auf ganzen Fassaden dargestellt (z. B. Lüftlmalerei im 18. Jahrhundert; moderne Monumentalmalerei, v. a. in Großstädten).
 
 Altertum
 
Vorderasien:
 
Die ältesten Wandmalereien auf Mauerwerk sind aus Kulträumen in Çatal Hüyük (etwa 6700-5700 v. Chr.) belegt. Um 3000 v. Chr. entstanden die Malereien des Kultraums von Tell Uker. Bedeutende Reste von Wandmalereien aus dem 18. und 17. Jahrhundert v. Chr. stammen aus dem altbabylonischen Palast von Mari; verwendet wurde Tempera auf Gipstünche über einem Putz aus Schlick und Stroh. Im neuassyrischen Statthalterpalast von Til Barsip (8. Jahrhundert v. Chr.) malte man auf Kalktünche über einem Putz aus Ton und Stroh.
 
In Ägypten entfaltete sich, abgesehen von den bemalten Reliefs des Alten Reichs, eine eigenständige Wandmalerei in den Gräbern ab dem Mittleren Reich (z. B. in Beni Hasan), dann in den Palästen des Neuen Reichs. Auf die mit Nilschlamm und einer Gips- oder Kalkschicht vorbereitete trockene Wand wurden zur Festlegung der Proportionen ein Quadratnetz aufgetragen, die Darstellung mit Rötel vorgezeichnet, die Linien mit schwarzer Farbe nachgezogen und mit Mineralfarben in einer Temperatechnik ausgemalt; bisweilen schützte man die Seccomalerei durch einen farblosen Firnisüberzug.
 
Ägäische Kultur:
 
Auf Kreta gehören die frühesten Reste minoischer Wandmalerei (Verbindung von Fresko- und Seccotechnik) in die Ältere Palastzeit; sie kennt ornamentale und erzählende figürliche Motive. Aus der Jüngeren Palastzeit sind v. a. Fresken aus dem Palast von Knossos, dem Palast von Hagia Triada und aus einem Haus von Amnissos erhalten. In der bei Akrotiri auf Thera ausgegrabenen Siedlung waren im 17. Jahrhundert v. Chr. fast alle Häuser mit figürlichen Fresken geschmückt. Die Freskenreste aus den Palästen der mykenischen Kultur des Festlands (Pylos, Mykene, Tiryns, Theben) stehen in der Tradition der jüngeren Palastzeit von Kreta.
 
 Antike
 
Grabmalereien (Freskotechnik) sind besonders charakteristisch für die etruskische Kultur ab dem 7. Jahrhundert v. Chr.; bedeutende Beispiele stammen aus Tarquinia sowie auch aus Gräbern von Paestum. Von der griechischen Wandmalerei sind einige Grabfresken aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. in Verjina (identifiziert mit dem makedonischen Aigai) entdeckt worden. Offenbar waren auch Wohnhäuser mit Wandmalereien geschmückt, was allerdings erst für die hellenistische Zeit nachgewiesen ist (Delos). Zahlreiche römische Wandmalereien greifen auf hellenistische Bilder oder Wandmalereien zurück (, lassen sich aber zugleich in die Entwicklung der pompejanischen Stile (römische Kunst) einordnen. Während ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. das Bodenmosaik oft Vorrang hatte, war die Wandmalerei in der römischen Spätantike offenbar wieder sehr häufig; Beispiele bieten Wohnhäuser von Ostia Antica, die Synagoge von Dura-Europos, der kaiserliche Kultraum Diokletians in Luxor sowie in Ägypten besonders koptische Friedhofs- (El-Bagawat in der Oase Charga) und Klosterkapellen (Isna, Sakkara, Bawit bei Meir nördlich von Assiut), in Nubien die Kathedrale von Pachoras (Faras). Die frühchristliche Kunst in Italien ist v. a. durch die Wandmalerei der Katakomben bezeugt. In Byzanz und in Italien wurde die Wandmalerei vielfach durch das Mosaik ersetzt, eine Ausnahme bildet z. B. Santa Maria Antiqua in Rom mit frühchristlichen Fresken (8. Jahrhundert).
 
 Mittelalter und Neuzeit
 
Von der karolingischen Wandmalerei sind nur geringe Reste erhalten. Eine Blüte erfuhr die Wandmalerei in romanischer Zeit, wovon die vielerorts erhaltenen Reste zeugen. In der Gotik trat die Wandmalerei im Norden hinter der Glasmalerei zurück. In Italien lebte sie jedoch weiter, u. a. durch Cimabue, P. Cavallini und v. a. Giotto (Arenakapelle von Padua). Auch in der italienischen Renaissance behielt die Wandmalerei ihre Bedeutung (Masaccio, Piero della Francesca, A. Mantegna, Michelangelo, Raffael), während im Norden die Tafelmalerei vorherrschte. Einen Aufschwung nahm im Barock v. a. die Deckenmalerei, nun besonders auch in Deutschland. Im 19. Jahrhundert stand die Wandmalerei meist im Dienst der Historienmalerei (u. a. M. von Schwind). Neue Möglichkeiten der Wandmalerei suchten im 19. und 20. Jahrhundert E. Delacroix, H. von Marées, F. Hodler, G. Klimt, E. Munch, O. Schlemmer, H. Matisse, M. Chagall u. a. Politische Themen bilden den Schwerpunkt in der Wandmalerei des sozialistischen Realismus und Lateinamerikas.
 
 Indien
 
Buddhistische Wandmalereien sind ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. in den Tempeln von Ajanta belegt. Dargestellt wurden v. a. Jatakas. Die in Ajanta selbst bis zum 6./7. Jahrhundert fortgeführte Wandmalerei ist auch in buddhistischen Höhlenklöstern wie Bagh (Madhya Pradesh) oder Aurangabad (Maharashtra) erkennbar und wirkte bis Bamian (Afghanistan) im Westen, Nara (Japan) im Osten, Zentralasien im Norden und Sigiriya (Sri Lanka) im S. Die ältesten hinduistischen Wandmalereien aus Badami sind in das Jahr 578 n. Chr. datiert, die ältesten jainistischen Wandmalereien in Sittanavasal (Tamil Nadu) in das 9. Jahrhundert n. Chr. Die Tradition der hinduistischen Wandmalerei setzte sich in hinduistischen Felsentempeln, z. B. in Elura, Kanchipuram, Chidambaram, Madurai und Lepakshi, fort. Die indische Secco-Wandmalerei wurde zunächst auf eine Ton- oder Gipsschicht über ton- und strohhaltigen Putz mit Temperafarben gemalt; ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. verwendete man auch Kalkputz. Die Wandmalerei blühte seit dem 16. Jahrhundert auch in den Zentren der Mogulmalerei wie der Rajputmalerei.
 
 Mittel- und Zentralasien
 
Entlang der Seidenstraße entstand eine Klosterkultur; von den Wandmalereien der Höhlenklöster sind Fragmente überkommen (v. a. 500-900), die indischen und iranischen Einflüsse, im Osten auch chinesische Einflüsse zeigen. In der Sogdiana kamen daneben Palastmalereien zutage (sogdische Kunst, zentralasiatische Kunst).
 
 Ostasien
 
In China wurden etwa ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. Gräber mit Wandmalereien geschmückt. Literarische Quellen der Hanzeit zufolge malte man Porträts loyaler Minister und Beamter zu didaktischen Zwecken an die Wände von Palästen. Mit der Ausbreitung des Buddhismus erreichte die durch indische und zentralasiatische Vorbilder beeinflusste buddhistische Wandmalerei eine hohe Qualität (Dunhuang). Gemalt wurde auf gips- und kaolinhaltigen Gründen über ton- und strohhaltigem Untergrund. Nach schriftlichen Quellen der Tangzeit zeigten Wände und Ummauerungen von Tempeln und Klöstern aller religiösen Schulen Wandmalereien, aber auch Paläste stattete man damit aus. Einen Einblick in die Wandmalerei der Tangzeit geben die profanen Darstellungen in den Prinzengräbern bei Qianxian (Provinz Shaanxi). Weniger geschätzt wurde die Wandmalerei spätestens ab der Songzeit; Beispiele der späten Wandmalerei sind die taoistischen Wandmalereien in Yonglegong (14. Jahrhundert).
 
In Korea sind bedeutende Wandmalereien (Freskotechnik) in den Tumulusgräbern der beiden Hauptstädte des Königreichs Koguryŏ, T'onggu am Mittellauf des Yalu und Pjöngjang, erhalten (4.-7. Jahrhundert). Das Doppelpfeilergrab in Yonggang bei Pjöngjang (5. Jahrhundert) zeigt bemerkenswerte Figurendarstellungen; die Wandmalereien im Korridor verraten starken Einfluss der chinesischen Hanzeit. In den Gräbern des 6. Jahrhunderts sind die Figuren nicht mehr streng frontal und oft auch in Bewegung dargestellt (z. B. Grab der Tänzer, T'onggu). Im Dekor finden sich Lotos u. a. buddhistische Motive. Bei den Grabmalereien des 7. Jahrhunderts (z. B. Grab der vier Symboltiere der vier Himmelsrichtungen in T'onggu, Gräber von Uhyonri in Kangsŏ, Provinz Südpjöngjang, und Grab Nummer 1 von Chinpari in Chunghwa, Provinz Südpjöngjang) stehen die Symboltiere der vier Himmelsrichtungen (roter Phönix, schwarze Schildkröte, blauer Drache und weißer Tiger) im Mittelpunkt.
 
 Altamerika
 
Aus Mesoamerika sind polychrome Wandmalereien (in Höhlen, Palästen, Tempeln und Grabkammern) aus Monte Albán, Teotihuacán und Cacaxtla sowie aus dem Gebiet der Maya (z. B. Bonampak, Chichén Itzá, Tulum) bekannt; nur ein sehr geringer Teil ist erhalten. Inhaltlich widmen sich diese Wandmalereien religiös-symbolischen und rituellen, bei den Maya auch historischen Themen. Dargestellt werden komplexe Szenen. Eine Stuckschicht diente als Malgrund. Die dominierende Farbe ist Rot in vielen Schattierungen, hinzu kommen Gelb, Grün, Blau und Weiß. Es gibt keine Perspektive; Umrisslinien umschließen ausgefüllte Farbfelder. - In Südamerika gibt es nur noch (fragmentarische) Wandmalereien von Moche und aus den Grabkammern von Tierradentro. - In Nordamerika sind farbenprächtige Wandmalereien aus den Kivas der prähistorischen Puebloindianer erhalten.
 
Literatur:
 
A. Eibner: Entwicklung u. Werkstoffe der W. vom Altertum bis zur Neuzeit (1926, Nachdr. Vaduz 1991);
 P. Philippot: Die W. (Wien 1972);
 D. Blume: W. als Ordenspropaganda (1983);
 I. Danilowa: W. der Frührenaissance in Italien (a. d. Russ., Dresden 1983);
 F. W. Deichmann: Einf. in die christl. Archäologie (1983);
 E. Lanc: Die mittelalterl. W. in Wien u. Niederösterreich (Wien 1983);
 A. Barbet: La peinture murale romaine. Les styles décoratifs pompéiens (Paris 1985);
 S. Germer: Historizität u. Autonomie. Studien zu Wandbildern im Frankreich des 19. Jh. (1988);
 
Roman. W., bearb. v. O. Demus (Neuausg. 1992);
 K. Wehlte: Werkstoffe u. Techniken der Malerei (61992);
 K. Herold: Konservierung von archäolog. Bodenfunden (Neuausg. Wien 1994);
 
W., bearb. v. H. Fritsch (21994; Bibliogr.);
 
Verblichene Idyllen. Wandbilder im Berliner Mietshaus der Jahrhundertwende, bearb. v. W. Brunner u. W. Lücking (1996);
 
W. der Frührenaissance, Beitrr. v. S. Roettgen, 2 Bde. (1996-97).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Wandmalerei in der Romantik: Farbe im Kirchenraum
 

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Wạnd|ma|le|rei, die: vgl. ↑Deckenmalerei.

Universal-Lexikon. 2012.