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Assyrien
As|sy|ri|en; -s:
(im Altertum) Reich in Mesopotamien.

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Assyri|en,
 
akkadisch Ạschur, im Altertum das Gebiet am mittleren Tigris um die Stadt Assur, heute der nördliche Teil von Irak. Das Gebiet umfasste im Wesentlichen die östlich des Tigris und nördlich des Kleinen Zab liegende Hochebene.
 
Geschichte:
 
Der Name der Stadt Assur ist seit der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. schriftlich bezeugt. Bis in diese Zeit reicht auch der älteste Tempel der Stadt zurück (Ischtartempel). Seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. ist Assur als Zentrum eines Kleinstaates nachweisbar, der in die großen mesopotamischen Reichsbildungen (Reiche von Akkad und der 3. Dynastie von Ur) einbezogen wurde. Um 1950 v. Chr. wurde Assur unabhängig und entwickelte sich zur Drehscheibe des Handels mit ostiranischem Zinn, babylonischen Textilien und kleinasiatischen Metallen. Assyrische Kaufleute gründeten Handelsniederlassungen in Anatolien (Kanisch) und organisierten dort auch den Binnenhandel. Im 18. Jahrhundert v. Chr. verlor Assur vorübergehend seine Selbstständigkeit und ging in dem kurzlebigen Großreich Schamschi-Adads I. (etwa 1745-1712 v. Chr.) auf. Dessen Nachfolger regierten in Assur, waren aber angesichts der Expansion Babyloniens unter Hammurapi und innerassyrischer Auseinandersetzungen zur Bedeutungslosigkeit verurteilt.
 
Die assyrische Geschichte vom 17. bis 15. Jahrhundert v. Chr. bleibt weitgehend im dunkeln, obwohl die assyrische Königsliste die meisten Herrschernamen bewahrt hat. Um 1600 v. Chr. kam in Assur die Dynastie des Adasi an die Macht, aus der alle folgenden Könige stammen. Im 15. Jahrhundert v. Chr. wurde Assur von dem König Sauschtatar des nordmesopotamischen Reiches Mitanni erobert. Erst mit Assur-uballit I. wurde Assyrien wieder zu einem wichtigen politischen Faktor. Nach dem Zusammenbruch des Mitannireiches dehnte Assyrien seine Macht in Obermesopotamien beträchtlich aus und wurde so zum Nachbarn und Rivalen des in dieser Zeit ebenfalls stark expandierenden Reichs der Hethiter. Gleichzeitig wurden Gebiete südöstlich von Assur erobert, woraus ein Konflikt mit Babylonien erwuchs, der am Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. in der Eroberung Babylons gipfelte.
 
Auf die langen und erfolgreichen Regierungen der drei bedeutendsten mittelassyrischen Könige Adad-nerari I. (1295-1264 v. Chr.), Salmanassar I. (1263-1234 v. Chr.) und Tukulti-Ninurta I. (1233-1197 v. Chr.) folgte ein rascher Niedergang; zeitweise war nun Babylonien in der Lage, in die innerassyrischen Verhältnisse einzugreifen.
 
Den einschneidenden Veränderungen der altorientalischen Welt am Ende der späten Bronzezeit (Ende des 2. Jahrtausends v. Chr., Zusammenbruch des Hethiterreichs, Zerstörungen durch die Seevölker, Vordringen nomadischer Aramäer im ganzen Fruchtbaren Halbmond) konnte Assyrien sich insoweit entziehen, als die Kontinuität des Königtums und der traditionellen Kultur gewahrt blieb. Der Versuch Tiglatpilesers I. (1114-1076 v. Chr.), erneut die militärische Expansion in Richtung Syrien und Ostanatolien voranzutreiben, war nur ein erfolgreiches Zwischenspiel. Erst gegen Ende des 10. Jahrhunderts v. Chr. und insbesondere unter Assurnasirpal II. (883-859 v. Chr.; neue Residenz Kalach) und Salmanassar III. (858-824 v. Chr.) erfolgte der Aufstieg zur wichtigsten Macht Vorderasiens. Hauptgegner Assyriens waren zunächst die aramäischen Staaten Obermesopotamiens und Syriens. Mit dem ostanatolischen Urartu, dem Reich der Urartäer, entstand in dieser Zeit ein gefährlicher Gegner für Assyrien, der den Gipfel seiner Macht gerade in den Jahrzehnten einer vorübergehenden assyrischen Schwäche nach dem Tod Salmanassars III. erreichte. Währenddessen nahm die später als Semiramis in die Legende eingegangene Königin Sammu-ramat einen bestimmenden Einfluss auf die Regierung. Erst Tiglatpileser III. (745-727 v. Chr.) ergriff wieder die Initiative; er besiegte eine Koalition zahlreicher syrischer und kleinasiatischer Staaten unter Einschluss Urartus in Nordsyrien, eroberte mehrere Städte an der phönikischen Küste und Damaskus (732 v. Chr.). Einige Gebiete wurden zu Provinzen gemacht, in anderen ergebene Herrscher eingesetzt. Er eroberte auch das unter der Herrschaft aramäischer Stämme stehende Babylon und nahm die Königswürde der Stadt an. Sein Nachfolger Salmanassar V. (726-722 v. Chr.) nahm 722 Samaria ein und deportierte die Bevölkerung Israels. Durch einen Staatsstreich kam Sargon II. (721-705 v. Chr.) auf den Thron. Er knüpfte in seinem Herrschaftskonzept an den legendenumwobenen Gründer des ersten mesopotamischen Großreichs, Sargon von Akkad, an. Er errichtete eine neue Residenz (Dur-Scharrukin), die nach seinem Tod zugunsten von Ninive aufgegeben wurde. Sanherib (704-681 v. Chr.) zerstörte das immer wieder aufständische Babylon, das aber von seinem Nachfolger Asarhaddon (680-669 v. Chr.) wieder aufgebaut wurde.
 
Während Assyrien im Westen weiterhin die Kontrolle behielt und 671 v. Chr. sogar Ägypten erobern konnte, fand es im Osten in den Medern und Elamern starke Gegner. Unter dem letzten bedeutenden König, Assurbanipal (668-627 v. Chr.), wurde das Reich zunächst durch einen Zwist mit seinem in Babylon regierenden Bruder Schamasch-schum-ukin (✝ 648 v. Chr.) geschwächt. Trotz eines letzten großen militärischen Erfolgs, dem Sieg über das neuelamische Reich (640/639 v. Chr.), vollzog sich nach Assurbanipals Tod ein rascher Machtverfall: Babylonien wurde 625 v. Chr. unter Nabopolassar unabhängig und griff ein Jahrzehnt später seinerseits Assyrien an. Nachdem auch die Meder unter Kyaxares sich dem Angriff angeschlossen hatten, ging der assyrische Staat in wenigen Jahren unter. 614 v. Chr. wurde Assur, 612 v. Chr. Ninive erobert und zerstört. Der Versuch Assur-uballits II., der nach der Eroberung Assyriens durch Meder und Babylonier nur noch in Nordsyrien regierte, dieses zu halten und seine Hauptstadt Assur zurückzuerobern, blieb erfolglos. (assyrische Kultur)
 
Literatur:
 
M. von Niebuhr: Gesch. Assurs u. Babels seit Phul (1857, Nachdr. 1983);
 
Real-Lex. der Assyriologie u. vorderasiat. Archäologie, hg. v. D. O. Edzard, auf mehrer Bde. ber., (1928 ff.);
 
Cambridge ancient history, Bd. 1, Tl. 1 (Cambridge 31970);
 B. Hrouda: Vorderasien, Bd. 1: Mesopotamien, Babylonien, Iran u. Anatolien (1971);
 Assyrien K. Grayson: Assyrian royal inscriptions, 2 Bde. (Wiesbaden 1972-76);
 H. Schmökel: Gesch. des alten Vorderasien, in: Hb. der Orientalistik, 1. Abt., Bd., 2, 3 (Neuaufl. Leiden 1979);
 
Fischer Weltgesch. Bd. 2-4: Die Altoriental. Reiche (Neuaufl. 1980-84);
 K. Kessler: Unters. zur histor. Topographie Nordmesopotamiens (1980);
 G. Roux: Ancient Iraq (London 21980);
 S. Lloyd: Die Archäologie Mesopotamiens. Von der Altsteinzeit bis zur pers. Eroberung (a. d. Engl., 1981; mit Bibliogr.);
 U. Magen: Assyr. Königsdarstellungen. Aspekte der Herrschaft (1986);
 H. Freydank: Beitrr. zur mittelassyr. Chronologie u. Gesch. (1991).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Mesopotamien und Kleinasien: Städte, Staaten, Großreiche
 
Großreiche: Kolosse auf tönernen Füßen?
 

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As|sy|ri|en; -s: (im Altertum) Reich in Mesopotamien.

Universal-Lexikon. 2012.