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Brief
Schrieb (umgangssprachlich); Zuschrift; Schreiben

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Brief [bri:f], der; -[e]s, -e:
schriftliche Mitteilung, die an jmdn. in einem Umschlag geschickt wird:
ein langer, privater, anonymer Brief; einen Brief schreiben, öffnen, erhalten; sie beantwortete seine Briefe nicht.
Syn.: Botschaft, Nachricht, Post, Schreiben, Schriftstück, Zeilen <Plural>.
Zus.: Abschiedsbrief, Bekennerbrief, Bittbrief, Dankesbrief, Drohbrief, Eilbrief, Frachtbrief, Hirtenbrief, Leserbrief, Liebesbrief, Musterbrief.

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Brief 〈m. 1
1. schriftl., bes. durch die Post zugestellte Mitteilung
2. Urkunde (Gesellen\Brief)
3. kleines Päckchen od. Heftchen mit einer Ware, besonders Nadeln
4. 〈Börse〉 Wertpapier, Wechsel
5. 〈Abk.: BKurswert von angebotenen Aktien
● ein \Brief Nähnadeln, Streichhölzer; jmdm. \Brief und Siegel auf etwas geben 〈fig.〉 fest zusichern ● einen \Brief frankieren, freimachen ● einen blauen/Blauen \Brief bekommen Kündigungsschreiben; Schreiben der Schule an die Eltern, in dem schlechte Leistungen eines Schülers u. die Gefährdung der Versetzung angemahnt werden; ein einfacher, doppelter, eingeschriebener \Brief; offener \Brief in der Presse veröffentlichte Mitteilung an einen Einzelnen od. an eine Behörde [<ahd. briaf, brief <lat. brevis „kurz“, verwandt mit Breve, Breviar, Brevier, Brimborium]

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Brief , der; -[e]s, -e [mhd., ahd. brief < spätlat. breve = kurzes Verzeichnis, subst. Neutr. von lat. brevis = kurz]:
schriftliche, in einem [verschlossenen] Umschlag übersandte Mitteilung:
ein persönlicher B.;
der B. ging verloren;
unsere -e haben sich gekreuzt;
einen B. öffnen, als/per Einschreiben schicken;
sie beantwortete seine -e nicht;
mit jmdm. -e wechseln;
blauer B. (ugs.: 1. Kündigungsschreiben. 2. Mitteilung der Schule an die Eltern über die gefährdete Versetzung ihres Kindes; nach dem blauen Umschlag des Briefs, in dem im 19. Jh. Offizieren der Abschied mitgeteilt wurde);
offener B. (in der Presse veröffentlichter Brief an eine prominente Persönlichkeit od. Institution, in dem ein die Allgemeinheit angehendes Problem aufgeworfen, eine Kritik ausgesprochen wird o. Ä.);
jmdm. B. und Siegel [auf etw.] geben (jmdm. etw. fest zusichern; ein Brief in der urspr. Bedeutung der Rechtssprache »offizielle schriftliche Mitteilung, Urkunde« wurde erst durch das Siegel voll rechtsgültig: ich gebe Ihnen [darauf] B. und Siegel, dass es stimmt).

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Brief
 
[zu lateinisch brevis (libellus) »kurzes (Schriftstück)«],
 
 1) schriftliche, meist ausführlichere und verschlossen übersandte Mitteilung an einen abwesenden Adressaten; ersetzt häufig ein Gespräch, kann dieses aber auch vorbereiten oder sich darauf beziehen. (Briefsendungen)
 
Der Brief ist einerseits offizielle Mitteilung, die der dokumentarischen Niederlegung in Schriftform bedarf, andererseits als Selbstzeugnis von Autoren literarischer Kunstform und Zeitdokument.
 
 Geschichte
 
Alter Orient:
 
Aus dem alten Ägypten sind aus allen Geschichtsperioden viele, zumeist auf Papyrus, zuweilen auch auf Krug- und Kalksteinscherben (Ostraka) geschriebene Briefe erhalten. Sie zeigen einen durchgeprägten Briefstil und eine sehr feine Abstufung der Höflichkeitsformeln. Zum Erlernen des Briefstils dienten Musterbriefe, von denen mehrere Sammlungen erhalten sind. Man konnte sich mit Briefen (z. B. mit Bitten) auch an Verstorbene wenden. Persönliche Briefe von Königen an vertraute Beamte sind in Abschriften in den Beamtengräbern abgebildet. Wie die in Echnatons Residenz gefundenen Amarnabriefe und ähnliche Funde beweisen, bedienten sich die Pharaonen um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. im diplomatischen Verkehr mit den vorderasiatischen Fürsten der babylonischen Sprache und der Keilschrift auf Tontafeln.
 
In der babylonischen Überlieferung sind Briefe vor 1850 v. Chr. selten. Aus den assyrischen Handelskolonien in Kleinasien (Kültepe) und den Archiven der Höfe von Babylon und Mari (1750-1650 v. Chr.) dagegen sind Tausende von Briefen erhalten. Umfängliche diplomatischen Korrespondenzen kommen aus den Archiven von Tell el-Amarna (Ägypten, nach 1400 v. Chr.) und von Boğazköy (Hethiterreich, zumeist 13. Jahrhundert v. Chr.) sowie von Ugarit (etwa 1350-1200 v. Chr.). Aus dem 1. Jahrtausend stammt das Briefarchiv der assyrischen Könige aus Ninive. Inhaltlich überwiegen politische, administrative und wirtschaftliche Belange; Privates kommt kaum zur Sprache, aber es wurden Briefe an Götter gerichtet, so an den Reichsgott Assur. Das bedeutendste Zeugnis ist der Brief über den »8. Feldzug Sargons II. von Assyrien« (721-705 v. Chr.).
 
In der Bibel wird die Darstellung durch wirkliche und fingierte Briefe belebt. Die Briefe des Alten Testaments sind darauf abgestimmt, vom Überbringer dem Empfänger vorgelesen zu werden. - Erwähnt wird etwa in 2. Samuel 11, 14 der Brief des David an seinen Feldherrn Joab (»Uriasbrief«); in 2. Könige 10, 1 ein Brief des Jehu an die Ältesten in Samaria; ein Brief des Elia an Joram in 2. Chronik 21, 12; Empfehlungsbrief für Naaman in 2. Könige 5, 5; ein Drohbrief des Sanherib an Hiskia in 2. Könige 19, 14 ff. Aus der Zeit nach dem babylonischen Exil stammen ein Brief des Jeremia an die Verbannten (Jeremia 29), Brief der Juden an ihre Brüder in Jerusalem (Baruch 1, 10) und der Purimbrief (Esther 9, 20) in aramäischer Sprache, aus griechischer Zeit mehrere Briefe in den Makkabäerbüchern.
 
Im Neuen Testament sind die Briefe nach den Evangelien wichtigster Bestandteil der urchristlichen Literatur, wobei die Briefe des Paulus zugleich die frühesten neutestamentlichen Texte sind. Sie sind zum Teil keine einzelnen, abgeschlossenen Briefe, sondern nachträglich zusammengestellte Ausschnitte aus einer umfangreicheren Korrespondenz (so bei den Korintherbriefen). Die apostolische Autorschaft ist bei den späteren neutestamentlichen Briefen fiktiv. - Der wirkliche Brief aus einer einmaligen Situation an eine bestimmte Person oder einen Personenkreis (also ein »halbiertes Zwiegespräch«, das nur mit dem Antwortschreiben völlig zu verstehen ist), ist zu unterscheiden von der Abhandlung, Predigt, Mahnrede, die sich der Briefform bedient und Epistel genannt wird. - Bekannt sind daneben zahlreiche apokryphe Briefe, etwa ein Briefwechsel zwischen Abgar von Edessa und Jesus, ein vom Himmel gefallener Brief Jesu, der auf Einhaltung der Sonntagsruhe dringt, verschiedene Briefe des Pilatus, die von der Passion Christi berichten, und ein Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca.
 
Klassisches Altertum:
 
Die Griechen und Römer schrieben ihre Briefe auf zusammenlegbare Holztäfelchen (lateinisch codicilli, tabellae), deren wachsüberzogene Innenseiten als Beschreibfläche für den Griffel dienten. Später wurden auf diese Art nur noch kurze Mitteilungen befördert. Schon in klassischer Zeit kam der auf Papyrus geschriebene Brief auf, der für Umfang und Aufbewahrung erweiterte Möglichkeiten bot. Der Brief wurde zugebunden und versiegelt. Die Beförderung erfolgte durch eigene Briefboten (lateinisch tabellarii) oder Bekannte. Vom privaten unterscheidet man den öffentlichen Brief (als Mittel politischer Auseinandersetzung), so z. B. den des Isokrates an König Philipp, des Sallust an Caesar, den amtlichen Brief (so die Briefe der hellenistischen und römischen Herrscher) und besonders den Brief als literarische Gattung, bei dem die Briefform als Einkleidung etwa für philosophische Traktate diente: Briefe von Platon, Aristoteles, Epikur; von ihnen sind Senecas der Jüngere »Epistulae morales« beeinflusst. Zu den Kunstbriefen gehören auch die Briefgedichte (Horaz, Ovid; Epistel) sowie die kulturgeschichtlich aufschlussreichen Briefe von Alkiphron, Philostrat und Aristainetos. Fingierte Briefe finden sich als Einlage in Geschichtswerken (Thukydides).
 
Viele Geschäfte des täglichen Lebens, Kaufverträge, Rechtsgutachten u. a. wurden in Briefform abgewickelt. Wegen ihres politischen Inhalts sind die Briefe Ciceros neben denen des jüngeren Plinius wertvoll. Viele Briefe berühmter Persönlichkeiten, besonders des 4.-3. Jahrhunderts v. Chr., sind in Sammlungen überliefert; sie sind jedoch wohl sämtlich Fälschungen.
 
In der islamischen Kultur spielt der Brief, besonders in der Form des Sendschreibens (»risala«), eine große Rolle, seit dem 10. Jahrhundert bereits als literarische Kunstform. Briefsammlungen bedeutender Stilisten (z. B. des Abu Bakr Charismi, ✝ 993) wurden wegen ihrer vorbildlichen Form geschätzt und abgeschrieben. Der gezierte Briefstil drang dann in die Kanzleien ein und verlangte von den Sekretären feine literarische Bildung und geradezu enzyklopädische Kenntnisse (arabische Literatur). Die Sekretäre (arabisch katib, Plural kuttah) blieben Jahrhunderte hindurch die Träger der weltlichen Bildung. Dieses Bildungsideal war bis in die jüngste Zeit in manchen islamischen Ländern lebendig; sein Vertreter war der für alle amtliche Korrespondenz unentbehrlicher Munschi. Schon früh wurde der Brief über seinen eigentlichen Zweck hinaus die literarische Form für die verschiedensten Inhalte: Selbstdarstellung (Ain al-Kudat, ✝ 1131), fantastisch-satirische Erzählung (Maarri, ✝ 1057), religiöse Belehrung (Kuschairi, ✝ 1072), gelehrte Darstellung, dies schon bei dem ersten arabischen Philosophen Al-Kindi (✝ um 870). Auch im Bereich des persischen und türkischen Islams spielen Briefe und Briefsammlungen eine bedeutende Rolle.
 
In der chinesischen Literatur ist die Briefform von jeher als Teil der Kunstprosa gepflegt worden. Das private und das persönliche Moment trat dabei meist hinter dem ethisch-politischen zurück. »Offene Briefe« zu politischen und weltanschaulichen Tagesfragen wie zur öffentlichen Polemik und Verteidigung gab es bereits seit der früheren Hanzeit. Die Blütezeit der chinesischen Briefliteratur war unter den Dynastien Tang und Song (7.-13. Jahrhundert n. Chr.). In Anthologien und gesammelten Werken chinesischer Autoren bilden die Briefe fast immer eine eigene Kategorie, Romane und Novellen enthalten oft Briefe als Einlage; der »Briefroman« als Kunstform kam erst im 20. Jahrhundert auf.
 
In Japan wurden Briefe anfänglich und im offiziellen Verkehr bis weit ins Mittelalter chinesisch geschrieben. Der japanische Brief kam in der Heianzeit (794-1185) mit der Entwicklung der japanischen Schriftsprache und Silbenschrift als Instrument weiblichen Schriftverkehrs auf und setzte sich in dieser Form zur privaten Mitteilung auch in der Männerwelt durch. Neben den Briefformen der sinojapanischen Diplomatik bildeten sich auch im japanischen Brief kunstreiche, chinesisch beeinflusste Ausdrucksweisen speziell honorativer Art, die den typischen Briefstil (japanisch sōrōbun) hervorbrachten, der bis weit ins 20. Jahrhundert vorherrschte und in manchen Floskeln noch bis heute nachwirkt. In der japanischen Literatur spielen Briefe vornehmlich in Mustertextsammlungen (japanisch ōraimono) eine Rolle, die im 11.-12. Jahrhundert aufkamen und Bildungszwecken dienten.
 
Im europäischen Mittelalter war der Brief (lateinisch breve, litterae, epistola, charta) bis ins 12./13. Jahrhundert fast immer undatiert und lateinisch geschrieben; er war meist amtliches Aktenstück (so noch heute »verbriefen«) oder diente dem Meinungsausdruck und -austausch gebildeter Mönche und kirchlicher Persönlichkeiten. Indem sie das Briefschreiben als literarische Kunstform an alten Briefsammlungen studierten und klassischen wie christlichen Vorbildern, v. a. Ambrosius, Augustinus, Hieronymus, Gregor der Große, folgten, ließen sie den Brief zu einer Abhandlung anwachsen und bedienten sich neben gepflegter Prosa auch poetischer Formen; auch fingierte Briefe mit satirischer und humoristischer Tendenz fehlen nicht. In den Schulen wurden Übungen in der Kunst des Briefschreibens gehalten. Wichtige Briefsammlungen des 8.-13. Jahrhunderts von Bonifatius, Alkuin, Hrabanus Maurus, Froumund von Tegernsee, Hildebert von Lavardin, Bernhard von Clairvaux u. a. sind in den »Monumenta Germaniae historica« und in der »Patrologia Latina« des Abbé Migne zu finden. Die private Mitteilung von Nachrichten, Erlebnissen und Empfindungen wurde nur langsam und sporadisch entwickelt; doch tauchen persönliche Momente schon seit dem frühen Mittelalter in der gelehrten und geistlichen, auch fürstlichen Korrespondenz auf; sie häufen sich seit dem 11. Jahrhundert in den Scholarenbriefen und wurden bei Abaelardus eindrucksvoll literarisch geformt. Volkssprachliche Liebesbriefe sind vereinzelt seit dem 12. Jahrhundert erhalten, jedoch zahlreicher die geistlichen Briefe deutscher Mystiker des 13. Jahrhunderts (H. Seuse). Die Formelbücher der karolingischen Zeit wurden vom 11. Jahrhundert an, zuerst in Italien, durch Briefsteller mit Ratschlägen und Mustern für Personen aller Berufe und Stände in öffentlichen und privaten Angelegenheiten überholt. Die Formulierung und Niederschrift übernahmen Notare und Berufsschreiber; später lernten schreibkundige Laien zumal in den Städten, ohne Hilfe Briefe aufzusetzen. Etwa zur gleichen Zeit, als die persönlichen Einzelbriefe bei den Gebildeten häufiger wurden, verschwand die Sitte der Briefsammlungen. Petrus von Blois und Petrus de Vinea gehören zu den letzten Autoren im Hochmittelalter, bis die Renaissance auch die Pflege der literarischen Briefkunst aufs Neue anregte.
 
Europa, Neuzeit:
 
Im Zeitalter des Humanismus wurde der familiäre lateinische Brief auch zum Träger des wissenschaftlichen Gedankenaustausches. Dem Vorbild Ciceros folgend, richteten Petrarca, Enea Silvio Piccolomini und Erasmus von Rotterdam ihre Briefe an einen bestimmten Freund, doch wandten sie sich allgemeiner an die Jünger des neuen Bildungsideals. Vom 16. bis 18. Jahrhundert war der lateinische Brief im Gebrauch der Gelehrten, auch der Diplomaten, eine wichtige Geschichtsquelle. Daneben bildete sich die Korrespondenz in den Nationalsprachen immer stärker aus. Die Kunst des Briefschreibens entwickelte sich besonders in Frankreich (Marquise de Sévigné).
 
Den ersten Höhepunkt in der Geschichte des deutschen-sprachigen Briefs bezeichnet die kraftvolle, in persönlichem Ton gehaltene Korrespondenz M. Luthers; doch daneben dominierte weiterhin der lateinische Brief. Die Kunst des Briefschreibens wurde im rethorischen, sprachlichen und im Rechtschreibunterricht gelehrt, die Theorie am lateinischen Vorbild entwickelt (A. Bohse, 1700). Briefsteller und Titularbüchlein normierten die Gattungen. In Deutschland schrieb man im 17. Jahrhundert im Allgemeinen Französisch, ohne den eleganten Stil der Vorbilder erreichen zu können. Eine Ausnahme bildete der persönliche Stil der deutschen Briefe Liselottes von der Pfalz. Die französische Überfremdung wurde erst durch J. C. Gottsched und C. F. Gellert (»Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmack in Briefen«, 1751) überwunden. Seitdem entspricht die Geschichte des Briefstils derjenigen der allgemeinen literarischen Entwicklung. Nebeneinander bildeten sich eine subjektive, oft künstlich erregte Briefsprache, die von Pietismus (P. J. Spener) und Empfindsamkeit (F. G. Klopstock) - in dieser Zeit entstand auch der Briefroman - über den Sturm und Drang bis zu den Romantikern reicht (C. Brentano, Bettina von Arnim), und ein rationaler, dabei doch von der Persönlichkeit der Autoren individuell geprägter Briefstil aus; ihm sind die Briefe aus dem Umkreis der Aufklärung (G. E. Lessing, J. J. Winckelmann, G. C. Lichtenberg), der deutschen Klassik (Goethe, Schiller, W. von Humboldt, I. Kant, G. W. F. Hegel) und die der Realisten verpflichtet (T. Storm, G. Keller, T. Fontane; ferner im 19. Jahrhundert: H. von Pückler-Muskau, A. von Villers). Auch im 20. Jahrhundert gehört die Veröffentlichung der Briefe zu den Gesamtausgaben politisch, wissenschaftlich oder literarisch bedeutender Autoren; unter ihnen sind viele, deren Korrespondenz einen eigenen Rang beanspruchen kann (R. M. Rilke, H. von Hofmannsthal, R. Musil, T. Mann, F. Kafka, Else Lasker-Schüler). - Die Tradition der französischen Briefkunst bewahrten etwa Voltaire, Rousseau, Diderot, Madame de Stäel, G. Flaubert, M. Proust, A. Gide.
 
In der Neuzeit ist der literarische Brief als Instrument zur Darstellung politischer, moralischer und ästhetischer Probleme besonders im 18. Jahrhundert beliebt. Er findet sich zuerst in Frankreich (B. Pascal, »Lettres à un provincial«, 1656-57; Voltaire, »Lettres philosophiques«, 1734), in England bei O. Goldsmith; dann auch in Deutschland: Lessing, »Brief, die Neueste Literatur betreffend« (24 Teile, 1759-65); J. G. Herder, »Brief zur Beförderung der Humanität« (10 Sammlungen, 1793-97); Schiller, »Über die ästhetische Erziehung des Menschen« (1795).
 
Von den »Dunkelmännerbriefen« (Epistolae obscurorum virorum) und den Juniusbriefen bis zu den »Filserbriefen« (L. Thoma) wurde der Brief auch zur Satire und in der Politik verwendet. In den politischen Parteienkämpfen spielt ein offener Brief eine Rolle. Im 20. Jahrhundert, besonders seit dem Ersten Weltkrieg, ist ein merklicher Verfall der Briefschreibekunst festzustellen, verstärkt seit der Massenverbreitung der Telekommunikation. Neigung zu kürzerem Ausdruck und allgemeiner Versachlichung lassen ein ausführliches Erzählen und Beschreiben in Briefform zurücktreten.
 
Der Verschluss des Briefs wurde seit den ältesten Zeiten durch Bienenwachs oder eine Art Siegelerde hergestellt, in der Siegelringe abgedruckt wurden. Im 15. Jahrhundert wurde Siegellack aus China eingeführt. 1624 kamen in Speyer die Oblaten auf (Siegel). Die Briefumschläge (Kuverts) wurden Anfang des 19. Jahrhunderts in England erfunden.
 
Bei Naturvölkern gab es Nachrichtenträger in Form von Botenstäben oder in Gestalt von Tierhäuten und Rindenstücken, die man mit Piktogrammen (gemalte oder geritzte Bildzeichen und Symbole) versah und durch Boten überbrachte (lokal in Nordamerika und Sibirien). Neuigkeiten konnten aber auch über weite Entfernungen durch Rauch- oder Trommelsignale verbreitet werden. Verschlüsselte Nachrichten wurden durch (nur vom Empfänger deutbare) Anordnung von Samen, Steinen, Knochen u. a. oder durch besonders gefaltete Blätter und Stoffe übermittelt.
 
Literatur:
 
G. Steinhausen: Gesch. des dt. B., 2 Bde. (1889-91, Nachdr. Zürich 1968);
 A. Wellek in: Die Sammlung, Jg. 15 (1960);
 R. Brockmeyer: Gesch. des dt. B. von Gottsched bis zum Sturm u. Drang (1961);
 H. Rogge: Fingierte B. als Mittel polit. Satire (1966);
 
Probleme der B.-Edition, Kolloquium der Dt. Forschungsgemeinschaft. .. 1975, hg. v. W. Frühwald u. a. (1977);
 G. Baumann: Sprache u. Selbstbegegnung (1981);
 
Der B. im Zeitalter der Renaissance, hg. v. F. J. Worstbrock (1983);
 
B.-Theorie des 18. Jh. Texte, Kommentare, Essays, hg. v. A. Ebrecht u. a. (1990).
 
 2) Börsenwesen: Kurszettel.
 

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Brief, der; -[e]s, -e [mhd., ahd. brief < spätlat. breve, ↑Breve]: 1. schriftliche, in einem [verschlossenen] Umschlag übersandte Mitteilung: ein langer, handgeschriebener, persönlicher, privater, dienstlicher, anonymer B.; der B. ging verloren; unsere -e haben sich gekreuzt; einen B. schreiben, frankieren, einwerfen, öffnen, als/per Einschreiben schicken, erhalten, bekommen; sie beantwortete seine -e nicht; mit jmdm. -e wechseln; ein B. an die Eltern, von zu Hause, zum Geburtstag; *blauer B. (ugs.; 1. Kündigungsschreiben. 2. Mitteilung der Schule an die Eltern über die gefährdete Versetzung ihres Kindes; nach dem blauen Umschlag des Briefs, in dem [seit 1870] einem Offizier der Abschied mitgeteilt wurde); offener B. (in der Presse veröffentlichter Brief an eine prominente Persönlichkeit od. Institution, in dem ein die Allgemeinheit angehendes Problem aufgeworfen, eine Kritik ausgesprochen wird o. Ä.); jmdm. B. und Siegel [auf etw.] geben (jmdm. etw. fest zusichern; ein Brief in der urspr. Bedeutung der Rechtssprache „offizielle schriftliche Mitteilung, Urkunde“ wurde erst durch das Siegel voll rechtsgültig): ich gebe Ihnen [darauf] B. und Siegel, dass ...; Und Gorleben, da gebe ich Ihnen B. und Siegel, ist noch lange nicht gebaut (Spiegel 43, 1978, 36). 2. (Börsenw.) kurz für ↑Briefkurs; Abk.: B. ∙ 3. Urkunde: Ich hatte einen alten Patron, der besaß Pergamente und -e, von uralten Stiftungen, Kontrakte und Gerechtigkeiten (Goethe, Egmont II).

Universal-Lexikon. 2012.