Ha|i|ti; -s:
Inselstaat im Karibischen Meer.
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I Haiti,
Fläche: 27 750 km2
Einwohner: (2000) 7,8 Mio.
Hauptstadt: Port-au-Prince
Amtssprachen: Französisch und Kreolisch
Nationalfeiertag: 1. 1.
Währung: 1 Gourde (Gedichte) = 100 Centimes (cts.)
Zeitzone: 600 Port-au-Prince = 1200 MEZ
amtliche Namen: französisch République d'Haïti [repy'blik dai'ti], kreolisch Repíblík Dayti, Staat in Mittelamerika, im Bereich der Westindischen Inseln, im Westen der Insel Hispaniola, 27 750 km2 (etwas kleiner als Belgien), (2000) 7,8 Mio. Einwohner Hauptstadt ist Port-au-Prince, Amtssprachen sind Französisch und Kreolisch. Währung: 1 Gourde (Gedichte) = 100 Centimes (cts). Zeitzone: Eastern Standard Time (600 Port-au-Prince = 1200 MEZ).
Staat und Recht:
Nach der Verfassung vom 29. 3. 1987 ist Haiti eine präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präsident (keine unmittelbare Wiederwahl möglich). Die Verfassung sieht ein System der Gewaltenteilung zwischen dem Präsidenten, der Regierung unter Vorsitz des vom Staatsoberhaupt ernannten Premierminister sowie dem Parlament vor. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus dem Abgeordnetenhaus (83 Abgeordnete, auf vier Jahre gewählt) und dem Senat (27 Mitglieder, auf sechs Jahre gewählt; alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren neu gewählt).
Parteien:
Einflussreichste Kraft im vielschichtigen politischen Spektrum (1995: 27 Parteien) ist das Parteienbündnis Organisation Politique Lavalas (OPL). Zu den größten Oppositionsparteien zählen der Front National pour le Changement et la Démocratie (FNCD; deutsch Nationale Front für Wandel und Demokratie) und die Alliance Nationale pour la Démocratie et le Progrès (ANDP; deutsch Nationale Allianz für Demokratie und Fortschritt).
Wichtigster Dachverband ist mit acht Teilgewerkschaften die Union Nationale des Ouvriers d'Haiti (UNOH).
Das Wappen (1807 angenommen) zeigt eine Zwergpalme, auf ihrer Spitze eine phrygische Mütze. Umgeben ist die Palme von militärischen Trophäen (Gewehre, Fahnen, Geschütze, Trommel) sowie Ankern und Mastspitzen versenkter Schiffe, Symbole für den Freiheitskampf gegen die Franzosen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Wahlspruch auf dem Spruchband lautet »L'union fait la force« (»Einigkeit macht stark«).
Nationalfeiertage:
Der 1. Januar erinnert an die Proklamation der Unabhängigkeit 1804.
Haiti ist gegliedert in neun Départements, die sich weiter in Arrondissements und Gemeinden unterteilen.
Das formale Rechtssystem folgt französischem Vorbild; die napoleonischen Gesetzbücher wurden zwischen 1825 und 1835 als haitianische Gesetzbücher mit entsprechenden Änderungen übernommen und seitdem mehrfach weiter geändert; völlig erneuert wurde 1964 die Zivilprozessordnung. Das Gerichtssystem gemäß Gerichtsverfassungsgesetz von 1985 besteht auf unterster Ebene aus Friedensgerichten (Tribunal de Paix oder Juge de Paix), darüber Gerichten erster Instanz als Zivil- oder Strafgericht (Tribunal de Première Instance, Tribunal Civil, Tribunal Criminel oder Correctionel), daneben Arbeits-, Jugend- und Agrargerichte (Tribunal du Travail, Tribunal pour Enfants, Tribunal Terrien). Berufungen - unzulässig in Strafsachen gegen schwurgerichtliche Urteile - gehen an die fünf Berufungsgerichte (Cour d'Appel), Revisionen an den Kassationshof (Cour de Cassation) in Port-au-Prince. Für bestimmte Verwaltungssachen besteht ein Oberer Rechnungs- und Verwaltungsgerichtshof (Cour Supérieure des Comptes et du Contentieux Administratif). - Wie weit dieses System in der Rechtswirklichkeit über die kleine, des Französischen mächtige Bevölkerung hinausreicht, ist schwer feststellbar; insbesondere auf dem Lande steht daneben ein differenziertes und institutionalisiertes Gewohnheitsrecht der nur Kreolisch sprechenden und mehrheitlich analphabetischen Bevölkerung.
Nach dem Putsch von 1994 wurde die ursprünglich 7 500 Mann starke Freiwilligenarmee auf 1 500 Mann (vorwiegend Heerestruppen) reduziert. Die Polizeitruppe, die einst der Armee angehörte, wurde 1994 aufgelöst und wird gegenwärtig mit einer Sollstärke von 7 000 Mann mithilfe der USA neu aufgebaut. Die Ausrüstung umfasst im Wesentlichen neben leichten Waffen einige leichte Panzer, einige Erdkampfflugzeuge sowie Patrouillenboote.
Landesnatur und Bevölkerung:
Das den Westteil der Insel Hispaniola einnehmende Staatsgebiet umfasst 1/3 der Inselfläche und ist durch vier Nordwest-Südost oder West-Osten verlaufende Gebirgszüge gegliedert, die zum Bruchfaltengebirge des amerikanischen Kordillerensystem gehören, und aus Vulkangesteinen und kreidezeitlichen Sedimenten bestehen. Dem Massif du Nord (bis 1 090 m über dem Meeresspiegel), das sich in der nordwestlichen Halbinsel fortsetzt, ist im Norden eine Küstenebene (Plaine du Nord), im Süden ein Hochbecken (Plateau Central) vorgelagert. Nach Süden folgt jenseits der Montagnes Noires (bis 1 572 m über dem Meeresspiegel) die vom Artibonite durchflossene Ebene. Südlich der Gebirgszüge Chaîne des Matheux und Montagnes du Trou d'Eau liegt die Cul-de-Sac-Ebene mit dem Étang Saumâtre (Salzsee). Zum Karibischen Meer schließt sich das Massif de la Selle (bis 2 680 m über dem Meeresspiegel) und auf der südwestlichen Halbinsel das Massif de la Hotte (bis 2 414 m über dem Meeresspiegel) an.
Klima und Vegetation:
Das randtropische Klima mit sommerlicher Regenzeit und winterlicher Trockenzeit wird durch die Reliefgestaltung differenziert. Im Luv des Nordostpassats steigen die Niederschläge bis auf über 5 000 mm im Jahr an und fallen im Lee, v. a. in den Senkenzonen, bis auf 600 mm (Cul-de-Sac-Ebene) ab. Die Temperaturen schwanken zwischen 22 ºC und 28 ºC im Jahresmittel. Durch Hurrikane entstehen oft große Schäden. - Bis auf die Trockengebiete (Sukkulenten und Dornsträucher) ist das ursprüngliche Pflanzenkleid durch die landwirtschaftliche Nutzung stark dezimiert. Den Niederschlägen und Höhenlagen entsprechend zeigt es den Wandel von immergrünem Regen- und Bergwald zu regengrünem Feucht- und Trockenwald, Feucht- und Trockensavanne.
Die heutigen Bewohner sind überwiegend Nachkommen der im 18. Jahrhundert von den Franzosen aus Westafrika für die Arbeit auf den Plantagen eingeführten Sklaven. In den Städten leben Mulatten (etwa 10 % der Bevölkerung), die die Ober- und Mittelschicht bilden. Die etwa 5 000 Weißen sind vorwiegend Ausländer. Haiti ist mit 281 Einwohner/km2 einer der dichtest bevölkerten Staaten Lateinamerikas. 69 % der Einwohner (1994) leben in Landgemeinden (1950: 88 %). Das durch die hohe Geburtenrate bedingte Bevölkerungswachstum wird durch die ebenfalls hohe Sterberate, besonders die Säuglingssterblichkeitsquote (1985-90: 117 ‰), sowie durch starke Auswanderung (jährlich etwa 50 000 Einwohner) gebremst. 1988 lebten 500 000 Haitianer in Nordamerika, je 250 000 in Kuba und der Dominikanischen Republik, 30 000 auf den Bahamas und je 15 000 in Frankreich und auf den Turks- und Caicosinseln. Auch in Haiti vollziehen sich erhebliche Wanderbewegungen, v. a. nach Port-au-Prince, wo 1950 erst 144 000 Einwohner, 1992 aber bereits 1,26 Mio. Einwohner (städtische Agglomeration) lebten, d. h. rd. 19 % der Gesamtbevölkerung beziehungsweise rd. 65 % der Stadtbevölkerung.
Die Religionsfreiheit ist gesetzlich geschützt; alle Religionsgemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt. Mit 98 % gehört fast die gesamte Bevölkerung nominell einer christlichen Kirche an. Traditionell hat die katholische Konfession (als ehemalige Staatsreligion), der rd. 75 % der Bevölkerung angehören, eine besondere Stellung. Es bestehen zwei Erzbistümer (Port-au-Prince und Cap-Haïtien) und sieben Suffraganbistümer. Rd. 23 % gehören verschiedenen protestantischen Kirchen und Gemeinschaften (Adventisten, Baptisten, Methodisten, Pfingstkirchen u. a.) und der anglikanischen Kirche (rd. 1,3 %) an, die eine Diözese (Port-au-Prince) der Protestant Episcopal Church bildet. Bei gleichzeitiger (zum Teil formaler) Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche, bekennen sich mindestens 75 % der Bevölkerung zur Religion des Wodu, der damit die eigentliche Volksreligion Haitis ist. Eine religiöse Minderheit bilden die Bahais.
Das Schulwesen ist nach französischem Vorbild organisiert, Französisch ist Schulsprache. Offizielle Schulpflicht (schulgeldfrei) besteht zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr; ihr kommen nur rd. 25 % der Kinder nach. Das Sekundarschulwesen umfasst sechs Jahre und wird von 13 % der Altersstufe in Anspruch genommen. Die Analphabetenquote beträgt 54,2 %. Eine Universität besteht in Port-au-Prince (Université d'Haïti).
Presse: In der Hauptstadt erscheinen »Le Matin« und das Abendblatt »Le Nouvelliste«; Wochenblätter sind u. a. »Le Journal de Commerce« und »Le Septendrion« (Cap-Haïtien). - Rundfunk: Der staatliche Conseil National des Télécommunications (CONATEL) überwacht das gesamte Rundfunkwesen, betreibt selbst das »Radio Nationale« und die Fernsehgesellschaft »Télévision Nationale d'Haïti« mit 4 Kanälen und Programmen in Kreol, französischer und spanischer Sprache. Die Abonnement-Kabelfernsehgesellschaft »Télé Haïti« (gegründet 1954) verbreitet auf 13 Kanälen Kulturprogramme in Kreol, französischer und spanischer Sprache; darüber hinaus existieren weitere private Fernsehstationen. Rd. 30 private Hörfunkgesellschaften senden lokale Programme in Französisch, manche auch in Kreol, englischer und spanischer Sprache.
Wirtschaft und Verkehr:
Mit einem Bruttosozialprodukt je Einwohner von (1994) 220 US-$ ist Haiti das ärmste Land Lateinamerikas. Die Folgen des Wirtschaftsembargos von 1991-94 gegen die Militärregierung wirken noch heute nach. In diesem Zeitraum ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) real um 30 % zurück, während die Inflation auf über 50 % anstieg. Die Arbeitslosigkeit wird (1995) auf etwa 70 % geschätzt. Seit 1995 unterstützen Weltbank und IWF mit Krediten und Finanzhilfen ein Wirtschaftsförderungsprogramm der Regierung.
Der Anteil der Landwirtschaft am BIP betrug (1994) 44 %; in diesem Sektor sind etwa 60 % der Erwerbspersonen beschäftigt. Ungünstige klimatische Bedingungen (Wirbelstürme, Trockenperioden), Bodenerosion, eine extreme Landzersplitterung und unzureichende technische Möglichkeiten verhindern eine ausreichende Produktion. Zum Eigenbedarf und für den Lokalmarkt werden Reis, Mais, Bataten, Maniok, Bohnen und Bananen in Kleinbetrieben angebaut, etwa 40 % der Lebensmittel werden jedoch importiert. Exportprodukte wie Kaffee (Anbau in Gebirgsregionen) sowie Sisal, Baumwolle und Zucker (Anbau in Ebenen, zum Teil durch ausländische Großbetriebe) machen nur einen geringen Anteil der Ausfuhr aus (1992/93: Kaffee 9,6 %).
Trotz umfangreicher Rohstoffvorkommen (Mangan, Eisenerz, Gold, Silber, Platin, Zink, Nickel, Braunkohle) werden im Bergbau nur Kalksteine und verschiedene Erden abgebaut. Die Kupfererzproduktion wurde 1972, die Bauxitproduktion 1983 eingestellt.
In diesem Wirtschaftszweig sind etwa 7 % der Erwerbstätigen beschäftigt, der Anteil am BIP betrug 1993/94 12 %. 58 % aller Exportprodukte sind Industriewaren (1992/93), darunter v. a. Lohnveredlungsprodukte (Kleidung, Sportartikel, Elektrogeräte), die in die USA reexportiert werden. Seit dem Putsch sind 1994-96 etwa 5 000 neue Arbeitsplätze in diesem Sektor entstanden. In Kleinbetrieben werden, meist für den Lokalmarkt, Konsumgüter (Nahrung, Kleidung) und Baustoffe hergestellt.
Die Handelsbilanz Haitis ist seit 1965 negativ. 1991 standen den Exporten von 103 Mio. US-$ (vornehmlich Industrieprodukte) Importe von 374 Mio. US-$ gegenüber. Etwa die Hälfte aller Ausfuhrgüter geht in die USA, andere Handelspartner sind Italien, Frankreich und Belgien. Mit 46 % (1991/92) waren die USA auch größter Einfuhrhandelspartner. Eine beträchliche Devisenquelle sind Rücküberweisungen emigrierter Haitianer. Die Auslandsschulden Haitis beliefen sich 1993 auf 773 Mio. US-$.
Verkehr:
Port-au-Prince ist mit Cap-Haïtien im Norden, Les Cayes im Westen und Jacmel im Süden durch gut ausgebaute Allwetterstraßen verbunden. Insgesamt ist das Straßennetz rd. 4 000 km lang, davon sind 600 km asphaltiert. Die letzte Eisenbahnlinie wurde 1990 stillgelegt. Wichtigste Seehäfen sind Port-au-Prince und Cap-Haïtien. Der Luftverkehr hat in den letzten Jahren einen raschen Aufschwung genommen. Port-au-Prince verfügt über einen modernen internationalen Flughafen.
Hispaniola wurde um 400 n. Chr. von Ciboney-Indianern aus dem Amazonasgebiet besiedelt. 400 Jahre später folgten von dort Arawaken und um 1500 die Kariben. 1492 landete Kolumbus an der Nordküste und brachte die ersten spanischen Siedler und schwarzen Sklaven mit, die auf Zuckerpflanzungen und in der Rinderhaltung arbeiteten. Die Indianer wurden ausgerottet. Im Frieden von Rijswijk (1697) trat Spanien das westliche Drittel der Insel Hispaniola an Frankreich ab (Dominikanische Republik, Geschichte). Das Gebiet (»Saint-Domingue«) entwickelte sich im 18. Jahrhundert durch die Produktion von Zucker, Kaffee, Kakao und Baumwolle zur reichsten französischen Kolonie. Die Französische Revolution brachte die Sklavenbefreiung; die Folge waren Aufstände der Schwarzen und der Mulatten gegen die dünne weiße Oberschicht. 1791 erhielten die Schwarzen in F. D. Toussaint Louverture einen Anführer, dem es - im Dienst der französischen Revolutionsregierung - gelang, britische und spanische Invasionen abzuwehren und seine Landsleute unter seinem Kommando zu einen. Seine Verhaftung durch den napoleonischen General Leclerc führte 1804 zur Vertreibung der Franzosen durch J. J. Dessalines.
Das unabhängige Haiti wurde zunächst von Dessalines beherrscht, der sich selbst zum Kaiser Jacques I. ernannt hatte. 1806 spaltete sich das Land in eine Mulattenrepublik im Süden (Präsident A. S. Pétion bis 1818, dann J. P. Boyer) und einen Negerstaat im Norden (Präsident H. Christophe, seit 1811 als König Henri I.); beide Staaten vereinigten sich 1820 unter dem Präsidenten und Diktator Boyer wieder und gewannen 1822 auch den östlichen, seit 1808 (bis zur Unabhängigkeitserklärung am 1. 12. 1821) wieder spanischen Teil der Insel. Nach Boyers Vertreibung (1844) machte sich die Dominikanische Republik selbstständig. Haiti blieb seitdem auf den Westen der Insel beschränkt. 1849-59 hatte es nochmals einen Kaiser (Faustin I., eigentlich F. Soulouque), danach herrschte weitgehend Anarchie. Die fortgesetzten Bürgerkriege waren 1915 für die USA Anlass, Haiti zu besetzen und sich die »Schutzherrschaft« übertragen zu lassen (Vertrag vom 16. 9. 1915). Auch nach Abzug der amerikanischen Truppen (1934) blieb Haiti bis 1947 unter amerikanischer Finanzkontrolle. 1946 löste ein schwarzer Politiker, D. Estiné (1946-50), die vorangegangenen mulattischen Präsidenten ab. 1957 wurde F. Duvalier (»Papa Doc«) zum Präsidenten gewählt, der in der schwarzen Landbevölkerung großen Rückhalt hatte, u. a. indem er den Wodukult förderte. Sein diktatorisches Herrschaftssystem (1964 Selbsternennung zum Präsidenten auf Lebenszeit) setzte er mithilfe paramilitärischer Spezialtruppen, den »Tontons Macoutes«, durch. Durch eine Verfassungsänderung bestimmte er seinen Sohn J.-C. Duvalier (»Baby Doc«) zum neuen Präsidenten (1971-86). Mit der Reintegration der ehemaligen mulattischen Führungselite ging ein leichter Aufschwung in Teilen der Wirtschaft (verarbeitendes Gewerbe, Bauwesen) einher. Seit Beginn der 80er-Jahre wurde zunehmend jegliche politische Aktivität oppositioneller Kräfte (zu denen inzwischen auch die katholische Kirche zählte) verboten. Ab 1984 kam es wiederholt zu Unruhen; 1986 verhängte J.-C. Duvalier das Kriegsrecht, was zur Einstellung der Finanzhilfe durch die USA führte. Er übergab die Macht an eine Übergangsregierung unter General H. Namphy und ging ins französische Exil. Die 1987 verabschiedete liberale Verfassung wurde bereits 1988 wieder außer Kraft gesetzt und der gewählte Präsident L. Manigat nach 6 Monaten Amtszeit vertrieben. Die folgenden Militärregierungen (unter Namphy, später P. Avril) wurden 1990 durch Präsidentenwahlen beendet, die der schwarze Salesianerpriester J.-B. Aristide als Führer eines linksorientierten Bündnisses (»Lavalas«) gewann. Am 30. 9. 1991 zwang ihn ein Putsch von General Raoul Cédras (* 1949) ins Exil. Der Putsch und nachfolgende Repressionen verursachten einen Flüchtlingsstrom, besonders in die USA; das von der OAS verhängte Handelsembargo verschärfte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Nach langwierigen Verhandlungen und auf massiven internationalen Druck konnte Aristide unter dem Schutz einer multinationalen Eingreiftruppe (vorwiegend US-Soldaten) im Oktober 1994 zurückkehren, nachdem Cédras das Land verlassen hatte. Die drückenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes wurden damit nicht gelöst. Auch Aristides gewählter Nachfolger R. Préval (Organisation Politique Lavalas, OPL), der am 7. 2. 1996 das Präsidentenamt übernahm, konnte das Land nicht aus der Dauerkrise führen. Das 1995 erstmals frei gewählte Parlament vermochte es gleichfalls nicht, grundsätzliche Reformen einzuleiten, um den effektiven Einsatz der Entwicklungshilfe zu gewährleisten. Regierungs-Krisen, häufig wechselnde Ministerpräsidenten und Parteienspaltungen trugen dazu bei, dass Haiti das ärmste Land der westlichen Hemisphäre blieb. Der Ablauf der (mehrmals verschobenen) Parlamentswahlen 2000 wurde von der internationalen Öffentlichkeit stark kritisiert. Bei den Präsidentschaftswahlen 2000 kandidierte erneut Aristide; ohne nennenswerte Opposition und bei geringer Wahlbeteiligung wurde er wieder gewählt und übernahm das Amt am 7. 2. 2001.
U. Fleischmann: Aspekte der sozialen u. polit. Entwicklung H.s (1971);
W. Donner: H. Naturraumpotential u. Entwicklung (1980);
R. Nonnenmann: H. Probleme der Wirtschaftsentwicklung in einem Land der Dritten Welt (1981);
D. Nicholls: H. in Caribbean context (Basingstoke 1985);
A. d'Ans: H. Paysage et société (Paris 1987);
U. Fleischmann: H., in: Hb. der Dritten Welt, hg. v. D. Nohlen u. F. Nuscheler (31992, Nachdr. 1995);
M. Nérestant: Religions et politique en Haiti (Paris 1994);
W. L. Bernecker: Kleine Gesch. H.s (1996).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Vereinigte Staaten von Amerika (1815 bis 1854): Expansion von Meer zu Meer
Haiti,
früherer Name der Insel Hispaniola.
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Ha|iti; -s: Staat in Mittelamerika im Bereich der Westindischen Inseln.
Universal-Lexikon. 2012.