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Kon|junk|tur [kɔnjʊnk'tu:ɐ̯], die; -, -en:gesamte wirtschaftliche Lage mit bestimmter Entwicklungstendenz:
eine steigende, rückläufige Konjunktur.
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Kon|junk|tur 〈f. 20; Wirtsch.〉
1. Wirtschaftslage mit bestimmter Entwicklungstendenz (\Konjunkturhoch)
2. Hochkonjunktur, Prosperität
● steigende, fallende \Konjunktur; die traditionelle Reisereportage hat wieder \Konjunktur [zu lat. coniungere „verbinden“; urspr. Ausdruck der Astrologie: „Verbindung von Gestirnen in einem Tierkreiszeichen u. die sich daraus ergebenden Einflüsse“]
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Kon|junk|tur , die; -, -en [urspr. = sich aus der Verbindung verschiedener Erscheinungen ergebende Lage < mlat. coniunctura = Verbindung, zu lat. coniungere = verbinden] (Wirtsch.):
a) gesamtwirtschaftliche Lage (mit bestimmter Entwicklungstendenz):
eine steigende, rückläufige K.;
die K. beleben, fördern, dämpfen;
b) Hochkonjunktur:
die K. ausnutzen;
Ü solche Artikel haben im Augenblick K. (werden viel gekauft);
diese Handwerker haben jetzt wieder K. (sind wieder sehr beschäftigt).
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Konjunktur
[mittellateinisch coniunctura »Verbindung«, ursprünglich »sich aus der Verbindung verschiedener Erscheinungen ergebende Lage«] die, -/-en, allgemeine Bezeichnung für die Geschäftslage; in der Volkswirtschaftslehre spricht man von Konjunktur, wenn Nachfrage- und Produktionsschwankungen zu Veränderungen des Auslastungsgrades der Produktionskapazitäten führen (in Abgrenzung von der Entwicklung der Kapazitäten selbst), wenn sie eine gewisse Periodizität aufweisen (in Abgrenzung von Impulsen durch einmalige Sondereinflüsse) und wenn sie gesamtwirtschaftlich wirken (in Abgrenzung von Saison- und Branchenentwicklungen). Diese Definition macht die Entwicklung von Kriterien notwendig, mit deren Hilfe man den Konjunkturzyklus systematisieren kann. Am bekanntesten ist das Vier-Phasen-Schema von J. A. Schumpeter: 1) Erholung (heute Aufschwung, Wiederbelebung, Expansion): In dieser Phase steigt nach einem Tiefpunkt die Produktion wieder an; der Auslastungsgrad der Kapazitäten (des Produktionspotenzials) erhöht sich. 2) Prosperität (heute Boom, Hochkonjunktur): Der Grad der Normalauslastung ist erreicht; der weitere Produktionsanstieg führt zunehmend zu einer Überbeanspruchung der Kapazitäten mit Inflationsrisiken. 3) Rezession (heute Abschwung, Entspannung): Die Produktion hat den Höhepunkt überschritten und geht wieder zurück; der Auslastungsgrad der Kapazitäten sinkt. 4) Depression (heute Kontraktion, Rezession): Ist die Normalauslastung der Kapazitäten wieder erreicht, führt ein weiterer Produktionsrückgang zu Unterauslastung der Kapazitäten (Arbeitslosigkeit). Steigt die Produktion wieder an, setzt ein neuer Konjunkturzyklus ein.
Die Interpretation dieser Phasen verliert ihre Eindeutigkeit - was auch in der zwischenzeitlichen Veränderung der Begriffe zum Ausdruck kommt -, wenn im Zeitablauf kein konstantes Produktionspotenzial (Stagnationspfad), sondern ein steigendes Produktionspotenzial (Wachstumspfad) vorliegt. Der Konjunkturzyklus ist dann (formal) mit den gleichen Kriterien fassbar, kann aber (materiell) alternativ interpretiert werden. So kann dem Zyklusphänomen die größere Bedeutung zugewiesen werden, mit dem Argument, dass die Vermeidung von Auslastungsschwankungen (Inflation, Arbeitslosigkeit) nicht nur einen Eigenwert hat, sondern auch eine wichtige Voraussetzung für ein weiteres Potenzialwachstum darstellt. Denkbar ist auch, dass dem Wachstumsphänomen ein größeres Gewicht zugemessen wird, in der Erwartung, dass gerade die Sicherstellung des Potenzialwachstums (Kapitalbildung im Strukturwandel) einer inflationär wirkenden Überbeanspruchung der Kapazitäten entgegenwirkt beziehungsweise einer Unterauslastung die depressive Schärfe nimmt.
Die empirische Konjunkturforschung hat die Aufgabe, die aktuelle Konjunkturlage zu identifizieren (Diagnose) und ihre weitere Entwicklung darzustellen (Prognose). Beides wird sowohl von den Trägern der Konjunkturpolitik (Regierung, Notenbank) als auch von wissenschaftlichen Einrichtungen (Forschungsinstitute, Beratungsgremien) durchgeführt und bezieht sich auf weltwirtschaftliche und binnenwirtschaftliche Einflussgrößen (Binnenkonjunktur).
Zur Konjunkturdiagnose werden zunächst aussagefähige Konjunkturindikatoren benötigt. Zwar stellt die amtliche Statistik eine Fülle von Einzelinformationen zur Verfügung (z. B. Preise, Löhne, Produktion, Auftragseingänge, Zinsen, Umsätze); doch bedarf es einer Vorstellung von »der« Konjunktur, weil solche Einzelindikatoren der Konjunktur vorauseilen, mit ihr gleichgerichtet verlaufen oder ihr verspätet folgen können. Neben den methodischen Problemen, die die Konstruktion eines Konjunkturindikators aufwirft, ergibt sich ein sachliches Interpretationsproblem, da die empirische Konjunkturforschung schon früh die Existenz von Konjunkturzyklen mit unterschiedlicher Wellenlänge beobachtet hat. J. A. Schumpeter hat drei Zyklusarten unterschieden und sie nach ihren jeweiligen »Entdeckern« benannt: 1) Die Kitchin-Wellen sind relativ kurze Zyklen (rd. 40 Monate), die v. a. den Charakter von Lagerzyklen haben (Lageraufbau, Lagerabbau). 2) Die Juglar-Wellen haben einen mittelfristigen Charakter (8-10 Jahre) und sind dadurch gekennzeichnet, dass die Lagerschwankungen über Produktionsschwankungen auf Investitionsschwankungen durchwirken. 3) Die Kondratieff-Wellen sind lange Wellen (50-60 Jahre) und werden durch ein schubweises Auftreten (beziehungsweise Auslaufen) technologischer Entwicklungen (z. B. Eisenbahnbau, Elektrotechnik, Chemie, Elektronik) ausgelöst. Das Interpretationsproblem entsteht, weil diese unterschiedlichen Wellen in einem realen Zyklusbild zusammenwirken und dann die Frage aufwerfen, ob z. B. ein registrierbarer Abschwung Kitchin-, Juglar- oder Kondratieff-Charakter hat. In Deutschland zeigen sich - gemessen an den jährlichen Veränderungsraten des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) - Zyklen, die einem sinkenden Trend folgen und die sich - bis auf die Jahre 1967, 1975, 1982 und 1993 - nicht in absoluten Rückgängen des BIP, sondern in zyklischen Bewegungen seiner Wachstumsraten äußern.
Die Konjunkturprognose versucht, die wirtschaftliche Entwicklung im jeweiligen Prognosezeitraum abzuschätzen. Sie kann aber nur jene Fakten (theoretisches Verlaufsmuster, unterstellbare Verhaltensweisen, bestehende Gesetze, beschlossene Maßnahmen) berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung bekannt sind. Treten neue Ereignisse ein (z. B. plötzliche Erhöhung von Rohstoffpreisen, Spekulationskrisen, politische Veränderungen), so ist die Konjunkturprognose zwar »falsch«, wird aber zu Unrecht diskreditiert. Übliche Prognoseverfahren sind Trendextrapolationen, d. h. Fortschreibungen der bestehenden Verlaufsmuster nach Zeitreihenanalysen, wobei unterstellt wird, dass sich bei langfristig angelegten Entwicklungslinien keine abrupten Änderungen ergeben, Verhaltensumfragen bei Unternehmen (Preis-, Produktions-, Investitions-, Beschäftigungsplanung) in der Erwartung, dass diese Planungen auch umgesetzt werden, sowie ökonometrische Modellsimulationen, in die bestimmte (vermutete) Zusammenhänge und Verhaltensannahmen einfließen, deren Stabilität unterstellt wird.
Die theoretische Konjunkturforschung (Konjunkturtheorie) untersucht, warum ein marktwirtschaftliches System in Schwingungen gerät und wie es diese Schwingungen verarbeitet. Geht man davon aus, dass ein marktwirtschaftliches System im Gleichgewicht »ruht«, muss man daraus folgern, dass es aus sich heraus keine Schwingungen auslösen kann; kommt es dann dennoch zu Schwingungen, müssen diese von Faktoren ausgelöst worden sein, die »von außen« an das System herangetragen wurden (exogene Konjunkturerklärung). Geht man nicht von dieser Prämisse aus, so unterstellt man, dass ein marktwirtschaftliches System auch aus sich heraus in Schwingungen geraten kann (endogene Konjunkturerklärung). Unter der Annahme, dass in einem marktwirtschaftlichen System Ungleichgewichtslagen Mechanismen auslösen, die zu neuen Gleichgewichtslagen führen, impliziert dies, dass ein solches System zur Stabilität tendiert (endogene Konjunkturverarbeitung), konjunkturpolitische Eingriffe diesen Prozess somit nur stören könnten. Unterstellt man, dass ein marktwirtschaftliches System in einem Ungleichgewicht verharrt, dann kann es nur durch konjunkturpolitische Eingriffe korrigiert werden (exogene Konjunkturverarbeitung).
Die Geschichte der Konjunkturtheorie ist geprägt durch eine Auseinandersetzung um diese alternativen Sichtweisen. 1) Die englische Klassik (J. B. Say, D. Ricardo), deren Hypothesen in modifizierter Form noch heute vertreten werden (Neoklassik), stützte sich ganz auf die Kombination von exogener Erklärung und endogener Verarbeitung (»inhärente Stabilität«). Danach gibt es nur eine exogene Verursachung von Konjunkturschwankungen (z. B. technischer Fortschritt, Bevölkerungsentwicklung, Änderung der Stimmungslage) bis hin zu kosmischen Einflüssen (z. B. die Sonnenfleckentheorie von W. S. Jevons), die indessen endogen verarbeitet werden (Preis-, Lohn-, Zinsmechanismus). Komme es nicht zu einer Verarbeitung, sei dies allenfalls ein Indiz für eine exogene Störung dieser Mechanismen (Wettbewerbsbeschränkungen, Mindestlöhne, staatliche Interventionen). 2) Die traditionelle Konjunkturtheorie gab den Gedanken der (nur) exogenen Erklärung auf und versuchte zu zeigen, dass ein marktwirtschaftliches System auch aus sich heraus Schwingungen verursachen kann: Sei es, dass die Investitionen vorpreschen (Überinvestitionstheorie u. a. von G. Cassel, A. Spiethoff), sei es, dass es zu einer einseitigen Gewinnbegünstigung kommt (Unterkonsumtionstheorie u. a. von Emil Lederer [* 1882, ✝ 1939], E. Preiser), sei es, dass das Geld- und Kreditsystem zur Destabilisierung beiträgt (monetäre Konjunkturtheorie u. a. von K. Wicksell, Ralph George Hawtrey [* 1879, ✝ 1975]). Alle diese Konjunkturtheorien halten noch am Gedanken der endogenen Verarbeitung fest, im Unterschied zur Klassik jedoch nicht im Sinne eines Einmündens in eine stabile Gleichgewichtslage, sondern im Sinne einer systemimmanenten Herbeiführung von Wendepunkten. 3) Sieht man von sozialistischen Krisenlehren (K. Marx, F. Engels) und älteren Krisentheorien (T. R. Malthus, J. C. L. Simonde de Sismondi) ab, war es v. a. die Weltwirtschaftskrise, die den Glauben an die endogene Verarbeitung suspekt erscheinen ließ. J. M. Keynes versuchte zu zeigen, dass ein marktwirtschaftliches System in einem »Unterbeschäftigungsgleichgewicht« (mit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit) verharren kann. Er sah die Notwendigkeit einer exogenen Konjunkturverarbeitung durch den Staat (Nachfragebelebung durch zeitweilige Hinnahme von Defiziten in den öffentlichen Haushalten, Defizitfinanzierung). 4) In nachfolgenden konjunkturtheoretischen Überlegungen wurde die Analyse der Schwingungsprozesse - v. a. unter Verwendung von Akzelerator- und Multiplikatoreffekten (P. A. Samuelson, J. R. Hicks) - theoretisch verfeinert und versucht, den mikroökonomischen Ansatz mit dem makroökonomischen (keynesianisch orientierten) Ansatz zu verbinden. Kontroversen entstanden hinsichtlich der Frage, ob die Konjunktur in einen Stagnationspfad einmündet (A. H. Hansen) oder von einem Prozess der »schöpferischen Zerstörung« (J. A. Schumpeter) in Gang gehalten wird, also eher als »unstetiges Wachstum« aufgrund von Innovationen begriffen werden sollte. Die Grenze zur modernen Wachstumstheorie (E. D. Domar, R. F. Harrod) wird fließend.
Ziele:
Die konjunkturpolitische Zielsetzung ist in Deutschland formal als gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zur verfassungsrechtlichen Norm (Art. 109, 115 GG) erhoben und in § 1 Stabilitätsgesetz konkretisiert. Bund und Länder sind gehalten, bei ihren Maßnahmen »Stabilität des Preisniveaus«, einen »hohen Beschäftigungsstand« und »außenwirtschaftliches Gleichgewicht« zu beachten. Damit kommt der Verstetigung des Wirtschaftsprozesses (im Sinne einer Verminderung von Über- beziehungsweise Unterauslastung des Produktionspotenzials) ein hoher Stellenwert zu. Gleichwohl entstehen drei Probleme. Zum Ersten müssen die Zielinhalte konkretisiert werden, da in der Realität eine vollständige Zielverwirklichung (Verhinderung von Preissteigerungen, Arbeitslosigkeit und Handelsbilanzungleichgewichten) nicht erreichbar ist; d. h., es stellt sich die Frage nach der Operationalisierung. Nicht gemeint sein kann, dass Inflationsrate, Arbeitslosenquote und Handelsbilanzsaldo gleichzeitig einen Wert von null annehmen sollen. Konstruktionsbedingt muss davon augegangen werden, dass der Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte, mit dem die Inflationsrate gemessen wird, den wahren Wert des Preisanstiegs um 1 - 2 % übertreibt; ferner kann es zu »unvermeidbaren« Preissteigerungen (z. B. aufgrund massiver Importverteuerungen) kommen. Infolge nicht verhinderbarer Arbeitsmarktfriktionen und saisonaler Faktoren ist eine Arbeitslosenquote von null weder erreichbar noch wünschenswert. Auch eine jederzeit ausgeglichene Handelsbilanz kann nicht Ziel der Wirtschaftspolitik sein, zumal wenn Handelsbilanzüberschüsse benötigt werden, um unentgeltliche Übertragungen (z. B. Überweisungen von ausländischen Arbeitnehmern in ihre Heimatländer, Beiträge an internationale Organisationen) zu finanzieren. Darüber hinaus ist das Streben nach außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei einem System flexibler Wechselkurse anders zu deuten, als wenn feste Wechselkurse mit Interventionspflicht der Zentralbank bestehen. Aus den genannten Gründen ergibt sich im Hinblick auf die Operationalisierung der Ziele des Stabilitätsgesetzes eine erhebliche Unschärfe, die nicht zuletzt Raum für politischen Opportunismus lässt.
Zum Zweiten hat der Gesetzgeber die Ziele zwei restriktiven Nebenbedingungen (Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung, stetiges und angemessenes Wachstum) unterworfen. Er gibt damit zu erkennen, dass der Staat nicht beliebig Instrumente einsetzen kann, um die Ziele zu erreichen, und dass die Zielerreichung nicht den Wachstumsprozess selbst gefährden darf. Zum Dritten fordert der Gesetzgeber, dass die genannten Ziele »gleichzeitig« erreicht werden sollen. Damit stellt sich das Problem der Zielbeziehungen. Die Forderung ist nicht erfüllbar, wenn zwischen den Zielen Konfliktbeziehungen bestehen (magisches Dreieck). So hat die Diskussion um die Phillips-Kurve deutlich gemacht, dass zwischen den Zielen »Preisstabilität« und »hoher Beschäftigungsstand« Konflikte bestehen können; Ähnliches gilt für die Beziehung zwischen »Wachstum« und »Preisstabilität«.
Instrumente:
Das konjunkturpolitische Instrumentarium umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen, die zur Verfügung stehen, um die konjunkturpolitischen Ziele zu erreichen. Zunächst kann der Staat seine eigene Nachfrage (Personal- und laufende Sachausgaben sowie Investitionsausgaben) antizyklisch gestalten: Erhöhen beziehungsweise Vorziehen bei unterausgelasteten Kapazitäten, Senken beziehungsweise Strecken bei überausgelasteten Kapazitäten. Dieses Instrument ist wegen seiner begrenzten Flexibilität nur bedingt einsatzfähig. Deshalb braucht die Konjunkturpolitik auch Instrumente, die das private Nachfrageverhalten steuern. Da die Wahrung der marktwirtschaftlichen Ordnung direkte Ge- und Verbote (z. B. Preis- oder Investitionsstopp) ausschließt, bleibt nur die indirekte Steuerung. Diese ist darauf ausgerichtet, jene »Daten«, die für wirtschaftliche Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte relevant sind, zu variieren, um die Wirtschaftssubjekte zu einem gewünschten Nachfrageverhalten zu veranlassen. Zwei Daten kommen infrage. Das Datum »Liquidität« betrifft den finanziellen Spielraum der Wirtschaftssubjekte für Ausgaben; eine Ausweitung des Spielraums ermöglicht Zusatzausgaben, eine Begrenzung reduziert die Ausgabenneigung. Das Datum »Rentabilität« betrifft die Kosten-Gewinn-Relation beziehungsweise Preis-Nutzen-Relation; wird diese Relation verbessert, so werden Zusatzausgaben angeregt, eine Verschlechterung hat geringere Ausgaben zur Folge. Das Instrumentarium selbst ist sowohl im Bereich der Finanzpolitik angesiedelt, die auf das Ausgabenverhalten der Wirtschaftssubjekte direkt Einfluss nimmt (Variation von Steuern und Transfers); es ist aber auch im Bereich der Geldpolitik verfügbar, wo indirekt über das Bankensystem finanzieller Spielraum (Refinanzierungsvolumen) und Zinsen (Refinanzierungskosten) variiert werden.
Der Einsatz des konjunkturpolitischen Instrumentariums ist nicht frei von Problemen. Der marktwirtschaftliche Charakter bedeutet, dass die Wirtschaftssubjekte durch Datenvariation zu einem bestimmten Verhalten nur veranlasst, nicht aber gezwungen werden können. Sie können, trotz restriktiver oder expansiver Maßnahmen, nicht nur an ihren Ausgabenplanungen festhalten, sondern sogar die Intention dieser Maßnahmen ins Gegenteil verkehren. Lösen restriktiv angelegte Maßnahmen, die auf eine Ausgabendrosselung zielen, in Erwartung einer Verschärfung Vorzieheffekte aus, so wirkt die Maßnahme nicht antizyklisch, sondern prozyklisch; Gleiches gilt für expansiv angelegte Maßnahmen, wenn sie in Erwartung weiterer Erleichterungen eine Zurückhaltung begründen (Attentismus). Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass sich das Instrumentarium nicht in einer Hand befindet, was erheblichen Kooperations- und Koordinationsbedarf schafft. Bei föderativem Staatsaufbau werden wachstums- und konjunkturrelevante Entscheidungen nicht nur vom Bund, sondern auch von Ländern und Gemeinden getroffen. In Deutschland sind Bund und Länder in ihrer Hauswirtschaft zwar selbstständig und unabhängig, aber insofern eingeschränkt, als auch Länder und Gemeinden verpflichtet sind, den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen (Art. 109 GG). Das Stabilitätsgesetz (§§ 9, 10) sieht Koordinationsgremien vor (Finanzplanungs- und Konjunkturrat).
Weiterhin besteht gemäß Art. 88 GG eine Notenbank, die Deutsche Bundesbank, die von Weisungen der Bundesregierung unabhängig ist (§ 12 Bundesbankgesetz). Damit entsteht ein zusätzlicher Koordinationsbedarf, zumal die Regierung auf den skizzierten Zielkatalog festgelegt ist, während für die Bundesbank die Sicherung der Währung im Vordergrund steht. Besteht überdies Tarifautonomie, kann eine Regierung nicht in Tarifauseinandersetzungen eingreifen, obwohl diese ein hohes konjunkturrelevantes Gewicht haben können. § 3 Stabilitätsgesetz sieht zwar eine bestimmte kooperative Verhaltensabstimmung (konzertierte Aktion) vor, die Tarifvertragsparteien sind jedoch nicht gebunden (Einkommenspolitik). Schließlich kann bei freiem internationalem Leistungs- und Faktorverkehr (offene Volkswirtschaften) das Instrumentarium unterlaufen werden, wenn die Datenvariation ein Preis- oder Zinsgefälle gegenüber dem Ausland begründet; ein solches Gefälle ist nur zu vermeiden, wenn ein internationaler Gleichschritt in der Festlegung der Zielprioritäten erreicht wird. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass beim Instrumenteneinsatz Wirkungsverzögerungen (Lag) möglich sind, die die Gefahr begründen, dass ein Instrument seine Wirkung erst entfaltet, wenn sich die Konjunkturlage längst verändert hat. Diese Gefahr hat eine Diskussion darüber ausgelöst, den Einsatz des Instrumentariums Regelbindungen zu unterwerfen, um den diskretionären Einsatz (Ad-hoc-Maßnahmen, diskretionäre Wirtschaftspolitik) zu vermeiden (Formula-Flexibility).
Die konjunkturpolitische Strategie stellt den Versuch dar, das Instrumentarium so einzusetzen, dass in die konjunkturpolitische Praxis widerspruchsfrei die Vorstellungen darüber einfließen, wie die Konjunkturlage empirisch zu interpretieren ist, wie der Konjunkturprozess theoretisch zu erklären ist und welche Ziele Priorität haben. Die Strategiediskussion verlief immer kontrovers, die tatsächlich eingesetzten Strategien wechselten im Zeitablauf. Vereinfacht kann man in Deutschland und ähnlich in anderen westlichen Industrieländern drei Phasen unterscheiden.
Die Wiederaufbauphase in der Nachkriegszeit war geprägt von der Vorstellung, den Marktkräften einen möglichst großen Freiraum zu schaffen, gestützt auf die Erwartung, dass die darin angelegte Flexibilität und Leistungsinitiative nicht nur ein hohes Maß an ökonomischer Effizienz bewirke, die den Konjunkturabschwüngen ihre depressive Schärfe nehme, sondern v. a. geeignet sei, die Abschwünge rasch zu überwinden. Die Lehre der klassischen Nationalökonomie dominierte; Wachstumsorientierung ging vor Zyklusorientierung; eine konjunkturpolitische Steuerung wurde als überflüssig angesehen.
Als die Wiederaufbauphase ihren Abschluss fand und die realen Wachstumsraten niedriger ausfielen, setzte Kritik an dieser Strategie ein. Nicht allein der Markt, sondern auch der Staat sollte Verantwortung für die Erreichung der konjunkturpolitischen Ziele übernehmen. Gestützt auf die Erwartung, dass der Markt aus sich heraus Ungleichgewichte nicht korrigiert, entstand das Konzept der Globalsteuerung, das sich an keynesianischen Vorstellungen orientierte; ohne die freie Mikroentscheidung aufzuheben, sollte der Makroprozess über die gesamtwirtschaftliche Nachfrage (nachfrageorientierte Strategie) gesteuert werden. Die Zyklusorientierung gewann Vorrang vor der Wachstumsorientierung. Nachdem mit dem modernen Wohlfahrtsstaat das Spektrum staatlicher wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Tätigkeiten erweitert wurde (Erhöhung der Staatsquote), verfügte der Staat in den meisten Industrieländern qualitativ wie quantitativ über umfassende Ansatzpunkte zur Beeinflussung der Konjunktur.
Mitte der 70er-Jahre, als in den meisten westlichen Industrieländern ein Wachstumsrückgang in Verbindung mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen war, schien auch diese Strategie widerlegt. Die kurzfristig angelegte keynesianische Konzeption antizyklischer Konjunktur stieß zunehmend auf Kritik. Vertreter des Monetarismus betonten im Hinblick auf die konjunkturpolitische Effizienz von Geld- und Fiskalpolitik die Überlegenheit der Geldpolitik. Eine kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben wird u. a. für fragwürdig gehalten, weil eine mit der erhöhten staatlichen Kreditnachfrage verbundene Zinsauftriebstendenz die privaten Investitionen zurückdrängen könnte (Crowding-out). Weiter wurde auf die vielfältigen, zeitlich variablen Wirkungsverzögerungen hingewiesen, die nicht nur bei der Fiskal-, sondern auch bei der Geldpolitik auftreten können. Solche nicht quantifizierbaren Wirkungsverzögerungen bergen die Gefahr, dass die Konjunkturpolitik entgegen ihrer strategischen Zielsetzung zyklusverstärkend, statt antizyklisch beziehungsweise konjunkturglättend wirkt. Aus monetaristischer Sicht ist eine aktive Konjunkturpolitik als Fiskalpolitik überhaupt nicht, als Geldpolitik nur schwer möglich. Überhaupt wird Konjunkturpolitik als überflüssig angesehen, da das marktwirtschaftliche System auch ohne Eingreifen des Staates hinreichend schnell zum Gleichgewicht zurückfinde. Von einigen neoklassischen Kritikern werden Konjunkturschwankungen als Reflex des direkt oder indirekt destabilisierenden Interventionismus des Staates angesehen, wobei zum Teil sogar davon ausgegangen wird, dass die Regierung die Konjunkturpolitik wahltaktisch einsetzt (expansive Beschäftigungspolitik vor, kontraktive Stabilisierungspolitik nach den Wahlen) und so die Konjunkturzyklen, die sie zu bekämpfen vorgibt, zumindest teilweise selbst erzeugt (»politische Konjunkturzyklen«). Konsequenz dieser Sichtweise: Der Staat sollte auf jede Form diskretionärer Fiskalpolitik verzichten; der regelgebundenen stetigen Geldpolitik kommt lediglich die Aufgabe zu, für ein stabiles Preisniveau zu sorgen.
Mehr angebotsseitig beziehungsweise wachstumstheoretisch argumentierende Autoren betonen die Notwendigkeit der Differenzierung von Konjunkturschwankungen: Waren auf Strukturwandel drängende Änderungen der Angebotsbedingungen (z. B. relative Preisschocks, Innovationsschübe) Auslöser hierfür, so kann mit einer Konjunkturpolitik der Nachfragestützung der notwendige Strukturwandel nicht erreicht werden; es sei denn, dass in die Konjunkturpolitik eine angebotsseitige Flankierung über geeignete Instrumente im Rahmen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik eingeht. Insgesamt gelte es, neue Freiräume für das Produktionsangebot zu schaffen (angebotsorientierte Strategie) und die Verstetigungsaufgaben wieder den Marktkräften (Lohn-, Preis-, Zinsmechanismen) anzuvertrauen. Die Wachstumsorientierung gewann so um die Wende zu den 80er-Jahren die Führungsrolle zurück. Vor dem Hintergrund des empirischen Befundes kann der angebotsorientierten Politik jedoch kein großer Erfolg bescheinigt werden; sie weist ebenso wie die nachfrageorientierte Strategie Defizite auf. Zwar ist Mitte der 90er-Jahre das Preisstabilitätsziel in den meisten westlichen Industriestaaten erreicht, die Wachstumsraten zeigen aber nach wie vor einen abnehmenden Trend und das Problem der Massenarbeitslosigkeit ist - vielleicht mit Ausnahme der USA - in keinem Land gelöst.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Arbeitslosigkeit · Finanzpolitik · Fiskalpolitik · Geld · Inflation · Keynesianismus · Monetarismus · Stabilitätspolitik · Strukturpolitik · Wachstum · Wirtschaftspolitik
J. A. Schumpeter: Theorie der wirtschaftl. Entwicklung (41935, Nachdr. 1993);
J. A. Schumpeter: K.-Zyklen, 2 Bde. (a. d. Amerikan., 1961);
J. M. Keynes: Allg. Theorie der Beschäftigung, des Zinses u. des Geldes (a. d. Engl., 1936, Nachdr. 1994);
G. Haberler: Prosperität u. Depression. Eine theoret. Untersuchung der K.-Bewegungen (a. d. Engl., 21955);
Schumpeter oder Keynes?, hg. v. D. Bös u. a. (1984);
U. Teichmann: Grundriß der K.-Politik (41988);
W. Glastetter: K.- u. Wachstumspolitik (1993);
J. Kromphardt: Wachstum u. K. (31993);
Richard Müller u. W. Röck: K.-, Stabilisierungs- u. Wachstumspolitik. Theoret. Grundlagen u. wirtschaftspolit. Konzepte (41993);
G. Tichy: K. Stilisierte Fakten, Theorie, Prognose (21994);
G. Tichy: K.-Politik (31995);
W. Assenmacher: K.-Theorie (71995);
K.-G. Zinn: K. u. Wachstum (21995);
K.-Indikatoren, hg. v. K. H. Oppenländer (21996).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Konjunktur: Konjunkturpolitische Instrumente
Konjunktur: Konjunktur und Konjunkturverlauf
Konjunkturpolitik: Konjunkturtheorien
Konjunktur: Theorie realer Konjunkturzyklen
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Kon|junk|tur, die; -, -en [urspr. = sich aus der Verbindung verschiedener Erscheinungen ergebende Lage < mlat. coniunctura = Verbindung, zu lat. coniungere = verbinden] (Wirtsch.): a) gesamtwirtschaftliche Lage (mit bestimmter Entwicklungstendenz): eine steigende, rückläufige K.; die K. beleben, fördern, dämpfen; Bankpaläste, Kinopaläste, Hotelpaläste, sie sehen wie Erzeugnisse einer überhitzten K. aus, die es nicht gibt, oft wie Kartenhäuser (Koeppen, Rußland 31); b) Hochkonjunktur: die K. ausnutzen; Ü solche Artikel haben im Augenblick K. (werden viel gekauft); diese Handwerker haben jetzt wieder K. (sind wieder sehr beschäftigt); Seitdem hatte die Linke bei uns zu Lande keine günstige K. (keinen großen Zulauf) mehr (Spiegel 52, 1965, 4); in Zeiten ..., in denen das Wörtchen »Öko« K. hat (sehr im Schwange ist; natur 5, 1994, 21).
Universal-Lexikon. 2012.