tẹchnischer Fortschritt,
tẹchnischer Wandel, Veränderungen und Neuerungen in der Technik, die sich in der Anwendung neuen technischen Wissens, in verbesserten oder neuartigen Methoden, Arbeitsabläufen, Fertigungsverfahren, Produkten u. Ä. niederschlagen. In der Geschichte zeigte sich der technische Fortschritt über gewisse Zeiträume jeweils innerhalb bestimmter Technikgebiete besonders ausgeprägt, die dann zu ihrer Zeit Vorreiter für die weitere technische und ökonomische Entwicklung waren, z. B. Schiffbau, Dampfmaschine, Stahlbau, Verbrennungsmotoren, Elektrotechnik, Mikroelektronik, Biotechnologie (Schlüsseltechnologien).
In den Wirtschaftswissenschaften stehen die Schaffung neuer, bisher unbekannter Produkte (Produktinnovation), die Schaffung verbesserter Eigenschaften bei bereits bekannten Produkten (Verbesserungsinnovation) sowie der Übergang zu neuen Produktionsverfahren (Prozessinnovation) im Vordergrund. Nach der lange Zeit vorherrschenden neoklassischen Lehrmeinung führen neue Produktionsverfahren zu Produktivitätssteigerungen und zu einer Änderung der bisher als effizient erkannten Beziehungen zwischen den eingesetzten Produktionsfaktoren (Produktionsfunktion). Nunmehr ist die gleiche Produktionsmenge mit geringeren Faktormengen beziehungsweise mit gleichen Faktormengen eine größere Produktmenge erzielbar. Wirkt der technische Fortschritt dabei wie eine gleichgewichtige Vermehrung zweier Produktionsfaktoren (z. B. Arbeit und Kapital), wird er als »neutral« bezeichnet. Produktionstheoretisch bedeutet neutraler technischer Fortschritt, dass das Einsatzverhältnis der Produktionsfaktoren (Kapital- beziehungsweise Arbeitsintensität) und die Aufteilung der Faktoreinkommen (Einkommensverteilung) konstant bleiben. Technischer Fortschritt wird als arbeitssparend bezeichnet, wenn sich die Grenzproduktivität der Arbeit weniger stark erhöht als die des Kapitals und es damit ökonomisch sinnvoll ist, Arbeit durch Kapital zu ersetzen. Im umgekehrten Fall ist der technische Fortschritt kapitalsparend. Die Produktinnovation wird auch als ungebundener technische Fortschritt bezeichnet, wenn sie ohne zusätzliche Investitionen wirksam wird. Für den gebundenen technischen Fortschritt sind vorausgehende Investitionen (in Produktionsanlagen, also Prozessinnovation) unentbehrlich.
Die in den letzten Jahrzehnten entstandene neue oder endogene Wachstumstheorie geht von der neoklassischen Annahmen, dass der technische Fortschritt »wie Manna vom Himmel fällt«, ab und berücksichtigt die Innovationskosten - sei es für Forschung und Entwicklung (FuE) oder die Ausbildung des Personals (Humankapital).
Die Bedeutung des technischen Fortschritts für Wirtschaftswachstum und Strukturwandel zeigt sich nach empirischen Untersuchungen darin, dass in der Vergangenheit die verfügbaren Mengen an Arbeit und Kapital weit hinter der Steigerung des Sozialprodukts zurückgeblieben waren, womit ein beträchtlicher Teil (etwa die Hälfte) des Wachstums unerklärt blieb und der Wirkung des technischen Fortschritts zugeschrieben wurde. Die Wachstumsbuchhaltung auf der Grundlage der neuen Wachstumstheorie kann explizit bestätigen, dass Lernvorgänge bei den Arbeitskräften oder FuE-Leistungen in modernen Industrieländern 50 % des Wirtschaftswachstums erklären.
Den unzweifelhaft positiven Auswirkungen des technischen Fortschritts in den industrialisierten Gesellschaften wie Arbeitserleichterung, Arbeitszeitverkürzung, höheres Lebensalter, größere Mobilität, Wachstum von Wohlstand und materieller Lebensqualität stehen jedoch zunehmend negative Begleiterscheinungen gegenüber, die sich in Umweltverschmutzung, nuklearen Risiken, Arbeitsplatzverlusten durch zunehmende Rationalisierung (Freisetzungstheorie, Kompensationstheorie), sozialen Defiziten wie Entfremdung von der Arbeit u. Ä. äußern. Im Rahmen der Diskussion um Grenzen des Wachstums, Technikbewertung und Umweltpolitik ist die Forderung nach kritischer Beobachtung, Bewertung, Kontrolle und Steuerung des technischen Fortschritts in das öffentliche Bewusstsein gerückt (Technikfolgenabschätzung). Die grundlegende Problematik bei der Beurteilung des technischen Wandels (der Begriff Wandel lässt neben Fortschritt auch Rückschritt zu) liegt dabei v. a. in der Ambivalenz seiner Auswirkungen sowie in seinem irreversiblen Charakter und zeigt sich auch in den unterschiedlichen, neben sachlichen Analysen stehenden Extrempositionen (»Technikgläubigkeit - Technikfeindlichkeit«).
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Forschung · Fortschritt · Innovation · Produktivität · Technik · Technikfolgenabschätzung · Technologiepolitik · Wachstum
M. Badke: Eine Theorie des t. F. (1990);
Soziale Grenzen des t. F. Vergleiche quer durch Europa, hg. v. J. Hochgerner (Wien 1990);
Einstellungen zum t. F., hg. v. D. Jaufmann u. a. (1991);
U. Hilpert: Neue Weltmärkte u. der Staat. Staatl. Politik, t. F. u. internat. Arbeitsteilung (1991);
F. Dorison: Produktbezogener t. F. (1992);
C. Baden u. a.: Arbeitsmarktsegmentation im technolog. Wandel (1996);
B. Sebbel-Leschke: T. F. (1996);
E. Tenner: Die Tücken der Technik: wenn Fortschritt sich rächt (1999);
J. P. Annecke: T. F. u. institutioneller Wandel (2001);
Politik u. Technik. Analysen zum Verältnis von technolog., polit. u. staatl. Wandel am Anfang des 21. Jh. (2001).
Universal-Lexikon. 2012.