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Ricardo
Ricardo
 
[ri'kɑːdəʊ], David, britischer Volkswirtschaftler, * London 18. (19.?) 4. 1772, ✝ Gatcombe Park (County Gloucestershire) 11. 9. 1823; erwarb als Bankier und Börsenmakler ein großes Vermögen, zog sich 1814 vom Geschäftsleben zurück, um sich ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen. Sein Hauptwerk »On the principles of political economy and taxation« erschien 1817 (deutsch »Die Grundsätze der politischen Oekonomie, oder die Staatswirthschaft und die Besteuerung«). Ricardo war einer der bedeutendsten Theoretiker der klassischen Nationalökonomie und schuf, aufbauend auf A. Smith, ein in sich geschlossenes System der Volkswirtschaftslehre, dessen originäre Grundlagen eine Werttheorie, eine Arbeitswertlehre, eine Theorie der Bodenrente, das Entwicklungsgesetz der Einkommensverteilung, das Theorem der komparativen Kosten sowie eine Preis- und Geldtheorie sind.
 
Im Unterschied zu Smith, in dessen Arbeiten die Frage nach den Ursachen der Reichtumsbildung im Mittelpunkt stand, war für Ricardo das Problem der Einkommensverteilung zentrales Anliegen. Aufbauend auf dem Ertragsgesetz, das in Verbindung mit der Konstanz des Bodens das Wachstum der Produktion begrenzt, entwickelt sich nach Ricardo die Einkommensverteilung so, dass der Anteil des Lohns am Volkseinkommen konstant bleibt, die Grundrente ständig zunimmt und die Profite als Residualeinkommen ständig abnehmen. Grundlage der Verteilungstheorie Ricardos bildet seine Werttheorie. Wie Smith unterscheidet er Seltenheitsgüter, deren Wert allein von der Nachfrage abhängt, und beliebig reproduzierbare Güter, deren Wert mit ihrem natürlichen Preis identisch ist. Im Gegensatz zum Marktpreis, der sich bei freier Konkurrenz durch Angebot und Nachfrage bildet, hängt der natürliche Preis eines Gutes allein von der zu seiner Erstellung benötigten relativen Arbeitsmenge, nicht von deren Vergütung ab (Arbeitswerttheorie). Zur Güterproduktion benötigte Kapitalgüter wie Maschinen lassen sich als Ergebnis »vorgetaner Arbeit« ebenfalls mit der zu ihrer Erzeugung benötigten Arbeitsmenge bewerten. Der Marktpreis schwankt um den natürlichen Preis und hat langfristig die Tendenz, sich jenem anzugleichen. Nach Ricardo gilt die Aussage, dass Arbeit der einzige wertbildende Faktor sei, auch für die Landwirtschaft (Grundrente). Analog zur Preistheorie unterscheidet Ricardo Marktpreis und natürlichen Preis der Arbeit. Ersterer hängt ab vom Arbeitsangebot und der Nachfrage nach Arbeit, die durch die Größe des Kapitals, das der Beschäftigung von Arbeitern dient, bestimmt wird (Lohnfondstheorie). Der natürliche Lohn entspricht den Reproduktionskosten der Arbeit, ist also genau so hoch, dass er es dem Arbeiter ermöglicht, sich zu erhalten. Der natürliche Lohn orientiert sich damit am Existenzminimum, das bei Ricardo allerdings keine feste Größe darstellt (ehernes Lohngesetz).
 
Da nach Ricardo der Außenhandel imstande ist, den Wohlstand zu steigern, galt sein politisches Engagement der Aufhebung der protektionistischen Zollpolitik. Die Vorteilhaftigkeit des Freihandels belegt Ricardo nicht nur für den Fall der absoluten Kostenunterschiede, sondern auch für den Fall komparativer Vorteile (komparative Kosten). In seiner ersten Arbeit (»The high price of bullion«, 1810) hatte Ricardo die zeitgenössische Inflation auf die zu großzügige Notenemissionspolitik der Bank von England zurückgeführt. Auf ihn stützte sich später die Currencytheorie.
 
Ausgabe: The works and correspondence, herausgegeben von P. Sraffa, 11 Bände (1966-76).
 
Literatur:
 
S. Hollander: The economics of D. R. (Toronto 1979);
 
The legacy of R., hg. v. G. A. Caravale (Oxford 1985);
 W. Eltis: R., in: Klassiker des ökonom. Denkens, hg. v. J. Starbatty, Bd. 1 (1989).
 

Universal-Lexikon. 2012.