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Vọlks|wirt|schafts|leh|re 〈f. 19; unz.〉 Lehre von der Volkswirtschaft; Sy Nationalökonomie, politische Ökonomie, Politökonomie, Sozialökonomie
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Vọlks|wirt|schafts|leh|re, die:
Wissenschaft, Lehre von der Volkswirtschaft (Abk.: VWL).
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Volkswirtschaftslehre,
Abkürzung VWL, National|ökonomie, Politische Ökonomie, Sozial|ökonomie, Sozial|ökonomik, Staatswirtschaftslehre, Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft (neben der Betriebswirtschaftslehre) und Bestandteil der Sozialwissenschaften. Üblicherweise wird die Volkswirtschaftslehre im deutschen Sprachraum seit K. H. Rau (1826) unterteilt in Wirtschaftstheorie, Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft. Die Wirtschaftstheorie (allgemeine Volkswirtschaftslehre) erklärt die wirtschaftlichen Zustände, Abläufe und Abhängigkeiten aus den Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Unternehmen, öffentlicher Sektor, Ausland) und aus dem Rahmen, in dem diese handeln (Wirtschaftsordnung, -system und -verfassung). Da die Kenntnisse, Erwartungen, Zielsetzungen usw. der Wirtschaftssubjekte nicht direkt zu beobachten und zu messen sind, werden in wirtschaftstheoretischen Analysen Hypothesen über die Verhaltensweisen zugrunde gelegt, heute meist mathematisch formuliert als Gleichungen beziehungsweise Ungleichungen (z. B. Gewinnmaximierung bei Unternehmen oder Nutzenmaximierung bei privaten Haushalten). Die Gesamtheit der jeweiligen Verhaltenshypothesen und der Annahmen über den Rahmen der Handlungen bildet ein wirtschaftstheoretisches Modell (z. B. Modell des vollkommenen Marktes oder der vollständigen Konkurrenz). Ein Modell als System von Hypothesen und Definitionen besteht dementsprechend aus Verhaltensgleichungen (z. B. Konsum-, Investitionsfunktion), aus technischen und institutionellen Relationen (z. B. Produktionsfunktion) und aus Definitionsgleichungen (z. B. Zusammensetzung des Volkseinkommens). Die wirtschaftliche Realität ist durch eine Vielfalt von Erscheinungsformen und Einzelheiten gekennzeichnet. Um allgemein gültige Aussagen zu erhalten, muss von zufälligen und für die Fragestellung unwesentlichen Einzelheiten abstrahiert und das jeweilig zu untersuchende Problem auf die wesentlichen Zusammenhänge reduziert werden (Ceteris-paribus-Klausel). Der Grad der wirtschaftstheoretischen Abstraktion hängt somit entscheidend von der Fragestellung und dem Untersuchungsziel der Analyse ab.
Die Mikroökonomik (Mikroökonomie, Mikrotheorie) befasst sich mit dem wirtschaftlichen Verhalten einzelner Entscheidungseinheiten. Kennzeichen der Makroökonomik (Makroökonomie, Makrotheorie) ist die Analyse von (gesamtwirtschaftlichen) Aggregatgrößen (z. B. Gesamtnachfrage nach Konsumgütern, Nachfrage des Unternehmenssektors). Eine Partialanalyse untersucht im Unterschied zur Totalanalyse nur einen Ausschnitt aller maßgeblichen Zusammenhänge, alle übrigen Einflussgrößen werden als gleich bleibend angenommen. Diese Unterscheidung fällt nicht zusammen mit der Einteilung in Mikro- und Makrotheorie, es gibt auch mikroökonomische Totalanalysen (z. B. allgemeine Gleichgewichtsmodelle) und makroökonomische Partialanalysen (z. B. Modelle des Arbeitsmarkts). Die statische Theorie lässt zur Vereinfachung der Analyse den Zeitaspekt außer Acht (Annahme unendlich schneller Anpassungsreaktionen), während in einem dynamischem Modell auch die Zeit eine Rolle spielt, z. B. Verzögerungen (Lag) zwischen Änderungen bestimmter Größen und den Reaktionen der Wirtschaftssubjekte. Bei komparativ-statischer Analyse werden zwei zeitlich auseinander fallende wirtschaftliche Zustände mit unterschiedlichen Gegebenheiten (z. B. Marktgleichgewichte vor und nach einer Steuererhöhung) verglichen, die Dauer und die Art des Übergangs vom Ausgangszustand zum Endzustand bleiben offen. Wichtige Teilgebiete der Mikrotheorie sind Haushalts- und Konsum-, Produktions- und Kosten-, Markt- und Preis-, Wettbewerbs-, Wohlfahrts-, Standort-, Entscheidungs- und Spieltheorie. Zur Makrotheorie gehören u. a. Einkommens- und Beschäftigungs-, Arbeitsmarkt-, Konjunktur-, Wachstums- und Entwicklungs-, Geld- und Währungs-, Inflations-, Verteilungs- (Einkommens- und Vermögensverteilungs-) und Außenwirtschaftstheorie.
Die (theoretische) Wirtschaftspolitik (Volkswirtschaftspolitik) analysiert, wie (mit welchen Instrumenten) sich bestimmte vorgegebene Ziele erreichen lassen und was die Folgen bestimmter staatlicher Maßnahmen (des Einsatzes wirtschaftspolitischer Instrumente) sind. Die Wirtschaftspolitik hängt damit eng mit der Wirtschaftstheorie zusammen.
Die Geschichte der Analyse ökonomischer Zusammenhänge (Dogmengeschichte) nimmt nach Ansätzen in der Antike (Aristoteles) und im Mittelalter (Thomas von Aquino, Nikolaus von Oresme) ihren eigentlichen Beginn in den wirtschaftspolitischen Erörterungen des Merkantilismus beziehungsweise (in Deutschland) des Kameralismus sowie v. a. in den Lehren der Physiokraten (besonders F. Quesnay). Durch sein Hauptwerk »An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations« (1776) erlangte A. Smith den Ruf eines »Vaters der Volkswirtschaftslehre« und steht am Anfang der klassischen Nationalökonomie, die v. a. in England durch D. Ricardo, T. R. Malthus, J. S. Mill u. a. und in Frankreich durch J. B. Say fortentwickelt wurde. In Deutschland entstand eine Gegenbewegung zu den individualistisch-liberalen Ideen der klassischen Schule in den universalistisch-organologischen Vorstellungen der romantischen Schule (Adam Heinrich Müller), in den Lehren von F. List und von K. Marx sowie später in der relativierenden Betrachtungsweise der älteren (W. Roscher, K. G. Knies, B. Hildebrand) und jüngeren historischen Schule (G. Schmoller, L. Brentano, K. Bücher u. a.). Frühe Ansätze einer mathematisch formulierenden Marginalanalyse bei J. H. von Thünen, H. H. Gossen und A. A. Cournot um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten zunächst nur geringe Wirkung. Die im Gegensatz zur induktiven Methode der historischen Schule deduktiv arbeitende »reine« Theorie (mathematische Wirtschaftstheorie, Grenznutzenschule) entwickelte sich seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit den Arbeiten der österreichischen Schule (C. Menger, E. von Böhm-Bawerk, F. von Wieser), des Schweden K. Wicksell, der Lausanner Schule (L. Walras, V. Pareto, E. Barone, M. Pantaleoni, L. Amoroso) und der angloamerikanischen Schule (W. S. Jevons, A. Marshall, F. Y. Edgeworth, J. B. Clark). In Deutschland kam es 1883/84 zwischen Menger und Schmoller zu einem »Methodenstreit« und 1904 folgende zum »Werturteilsstreit«, ausgelöst durch M. Webers und W. Sombarts gegen die »ethische Ausrichtung« der historischen Schule gerichtete Forderung nach Verzicht auf normative Aussagen.
Die Entwicklung im 20. Jahrhundert ist durch die stärkere Verwendung mathematischer Analysenmethoden (Neoklassik) sowie eine fortschreitende Differenzierung der Fragestellungen und Arbeitsgebiete gekennzeichnet. Beispiele sind: Wohlfahrtsökonomik (u. a. A. C. Pigou; J. R. Hicks; N. Kaldor; Tibor Scitovsky, * 1910; P. A. Samuelson) und ökonomische Theorie der Politik (K. J. Arrow, A. Downs, M. Olson, J. M. Buchanan), Einkommens- und Beschäftigungstheorie (u. a. J. M. Keynes, A. H. Hansen, S. S. Kuznets, L. R. Klein, F. Modigliani, J. Tobin), Konjunktur- und Wachtstumstheorie (J. A. Schumpeter, F. A. von Hayek, H. R. F. Harrod, E. D. Domar, R. M. Solow, J. E. Meade), Ökonometrie und Theorie der gesamtwirtschaftlichen Planung (R. Frisch, J. Tinbergen, W. Leontief, T. C. Koopmans, T. G. Haavelmo, J. R. N. Stone), Spiel- und Entscheidungstheorie (J. von Neumann, O. Morgenstern, J. C. Harsanyi, J. F. Nash, R. Selten), allgemeine Gleichgewichtstheorie (u. a. Hicks, Samuelson, Arrow, M. Allais, G. Debreu), Außenwirtschafts- und Entwicklungstheorie (u. a. Meade, B. Ohlin, G. von Haberler, E. Heckscher, T. W. Schultz, W. A. Lewis), Wettbewerbstheorie (u. a. J. M. Clark; G. J. Stigler; William Jack Baumol, * 1922; von Hayek). Die neuere Wirtschaftstheorie widmet sich v. a. Ungleichgewichtsproblemen und Fragen unvollkommener und asymmetrischer Informationen (Ungleichgewichtstheorie). Zunehmend Beachtung fanden ferner die Neue Institutionenökonomik (R. H. Coase; Oliver Eaton Williamson, * 1932; Arment A. Alchian, * 1914; Harold Demsetz, * 1930), die Weiterführung der Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung in der Evolutionsökonomik (u. a. K. E. Boulding; Richard R. Nelson, * 1930; Sydney G. Winter, * 1935) sowie die Anwendung wirtschaftstheoretischer Analysetechniken auf nichtökonomische Gebiete (G. S. Becker u. a., Wirtschaftswissenschaft). Besondere Aufmerksamkeit erlangten in den vergangenen Jahrzehnten Neuinterpretationen der keynesschen Theorie und die Auseinandersetzung zwischen Keynesianismus (Hicks, Hansen, Samuelson, J. Tobin, Klein), Postkeynesianismus (J. K. Galbraith, J. V. Robinson, Kaldor), Neokeynesianismus (Alex Stig Bengt Leijonhufvud, * 1933; Robert Joseph Barro, * 1944; Edmond Malinvaud, * 1923), Monetarismus (K. Brunner, M. Friedman, A. H. Meltzer) und den Vertretern der Hypothese rationaler Erwartungen (Barro, R. E. Lucas, Thomas J. Sargent) über die Wirksamkeit einer finanz- und geldpolitischen Stabilitätspolitik (Neuer Keynesianismus, neue klassische Makroökonomik).
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M. Neumann: Theoret. V., 3 Bde. (2-51994-96);
A. Wagner: Volkswirtschaftl. Strukturen, 2 Bde. (2-41997-98);
H. Winkel: Die V. der neueren Zeit (41994);
U. Baßeler u. a.: Grundlagen u. Probleme der V. (141995);
H. R. Varian: Grundzüge der Mikroökonomik (a. d. Amerikan., 31995);
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H. Bartling u. F. Luzius: Grundzüge der V. Einf. in die Wirtschaftstheorie u. Wirtschaftspolitik (132000);
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Geschichte: A. Kruse: Gesch. der volkswirtschaftl. Theorien (41959, Nachdr. 1997);
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Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Volkswirtschaft: Homo oeconomicus, ein Modell
Volkswirtschaft: Ökonomische Ideengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
Volkswirtschaft: Ökonomische Ideengeschichte von der Antike bis ins 18. Jahrhundert
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Universal-Lexikon. 2012.