kontrollieren; regieren; lenken; dirigieren; manövrieren; führen; reglementieren; regeln; regulieren; schalten (technisch); verdrehen; manipulieren; beeinflussen; beherrschen; verändern; navigieren; schiffen; pilotieren; (Fahrzeug/Flugzeug) lenken
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steu|ern ['ʃtɔy̮ɐn] <tr.; hat:(bei einem Fahrzeug) das Steuer, die Lenkung bedienen:
das Schiff, Auto steuern.
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steu|ern 〈V.; hat〉
I 〈V. tr.〉
2. jmdn. od. etwas \steuern leiten, beeinflussen
● einen Ablauf \steuern; den Ton \steuern Tonhöhe u. Lautstärke ausgleichen
II 〈V. intr.〉
1. das Steuer handhaben
2. steuernd fahren
● nach einer Insel im Mittelmeer \steuern; in einen Hafen \steuern; wohin steuert er? 〈fig.〉 wo will er hinaus?; was beabsichtigt er (damit)?
[<mhd. stiuren <ahd. stiur(r)en, mnddt. stüren „stützen, lenken, abwehren“ <got. stiurjan „(Behauptungen) aufstellen“]
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1steu|ern <sw. V.> [mhd. stiuren, ahd. stiur(r)en]:
1. <hat>
a) das ↑ 1Steuer (a) eines Fahrzeugs bedienen u. dadurch die Richtung des Fahrzeugs bestimmen; durch Bedienen des ↑ 2Steuers (a) in eine bestimmte Richtung bewegen:
ein Boot s.;
das Schiff [sicher] in den Hafen s.;
einen Ferrari s. ([im Rennen] fahren);
<auch ohne Akk.-Obj.:> nach rechts, zur Seite s.;
b) (Seew., Flugw.) 1steuernd (1 a) einhalten:
Westkurs s.
2. <ist>
a) irgendwohin Kurs nehmen; eine bestimmte Richtung einschlagen:
das Schiff, das Flugzeug steuert nach Norden;
Ü wohin steuert unsere Politik?;
b) (ugs.) sich zielstrebig in eine bestimmte Richtung bewegen:
an die Theke s.;
er steuert in sein Unglück.
3. <hat>
a) (Technik) (bei Geräten, Anlagen, Maschinen) den beabsichtigten Gang, Ablauf, das beabsichtigte ↑ Programm (4) o. Ä. auslösen:
einen Rechenautomaten, die Geschwindigkeit eines Fließbands s.;
b) für einen bestimmten Ablauf, Vorgang sorgen; so beeinflussen, dass sich jmd. in beabsichtigter Weise verhält, dass etw. in beabsichtigter Weise abläuft, vor sich geht; lenken:
den Produktionsprozess s.;
ein Gespräch geschickt [in die gewünschte Richtung] s.
4. <hat> (geh.) einer Sache, Entwicklung, einem bestimmten Verhalten von jmdm. entgegenwirken:
dem Unheil, der Not s.
Steuern zahlen.
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Steuern,
im Sinne des Steuerrechts gemäß § 3 AO Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen (»fiskalische Funktion der Steuern«) kann nur Nebenzweck sein. Zu den Steuern gehören nach § 3 AO auch Zölle und die Abschöpfungen im Rahmen der EU-Agrarpolitik. Die Definition der AO stellt auf den Zwangscharakter, das Fehlen einer speziellen Gegenleistung des öffentlichen Verbandes und auf die Tatbestandsmäßigkeit der Steuern ab. Der Zwangscharakter ist das entscheidende Merkmal der hoheitlichen Einnahmeerzielung, das die Steuern gemeinsam haben mit den übrigen Arten der Abgaben, den Gebühren, Beiträgen (einschließlich Sozialversicherungsbeiträge) und Sonderabgaben (Quasisteuern). Die fehlende Entgeltlichkeit grenzt die Steuern von den Erwerbseinkünften, den Gebühren und den Beiträgen ab, bei denen eine spezielle Entgeltlichkeit beziehungsweise die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen vorliegt. Die Tatbestandsmäßigkeit der Steuerpflicht ergibt sich aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit: Eine Steuerpflicht entsteht nicht, wenn der Tatbestand im Sinne des Gesetzes nicht vorliegt.
In der Finanzwissenschaft geht der Begriff Steuern weiter als im Steuerrecht. Er umfasst einerseits auch Naturalleistungen (Naturalsteuern), oft einschließlich persönliche Dienstleistungspflichten (z. B. Wehr- und Feuerwehrdienstpflicht), andererseits auch reine Lenkungssteuern (Wirkungszwecksteuern), die überhaupt nicht der Einnahmeerzielung, sondern ausschließlich nichtfiskalischen Funktionen im Sinne der Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens dienen. Beispiele hierfür sind der Stabilitätszuschlag zur Abschöpfung und Stilllegung von Kaufkraft in der Hochkonjunktur, die Prohibitivsteuer, deren Sätze bewusst so hoch sind, dass der besteuerte Tatbestand (Einfuhr oder Verbrauch bestimmter Güter) ganz unterbleibt, sowie die Internalisierung negativer externer Effekte durch Umweltabgaben. Der Zweck der Abgabe ist damit für die Steuerdefinition ebenso irrelevant wie eine etwaige in Abweichung vom Haushaltsgrundsatz der Nonaffektation vorgenommene Festlegung der Einnahmen (Verwendungszwecksteuern). Der finanzwissenschaftliche Steuerbegriff umfasst mithin jeden zwangsweise zugunsten des öffentlichen Sektors bewirkten Transfer ökonomischer Werte beziehungsweise Ressourcen, dem kein Anspruch auf eine bestimmte öffentliche Gegenleistung gegenübersteht. Ferner wird häufig auch die Kürzung von öffentlichen Transferzahlungen bei einer Zunahme des (Erwerbs-)Einkommens des Transferempfängers beziehungsweise bei Überschreiten von bestimmten Einkommensgrenzen als (»implizite«) Besteuerung bezeichnet. Die (»kumulative«) Grenzbelastung eines Einkommenszuwachses durch die explizite und diese implizite Besteuerung kann 100 % und mehr erreichen (negative Einkommensteuer).
Sehr unterschiedlich ist die Stellung der Besteuerung im Rahmen verschiedener Wirtschaftssysteme. Die Steuern in Planwirtschaften und in Marktwirtschaften lassen sich nur formal vergleichen. Bei Gemeineigentum an den Produktionsmitteln und staatlicher Preisfixierung ist die Besteuerung nicht primär Instrument zur Erzielung von öffentlichen Einkünften, sondern ein begleitendes Kontrollinstrument der unmittelbaren Lenkung des Faktoreinsatzes und der Verteilung des Produktionsergebnisses. Im Übrigen lassen sich die durch staatliche Regulierung der Volkswirtschaft entstehenden Wohlfahrtsverluste auch als eine Art von Besteuerung auffassen (»taxation by regulation«).
In der jahrhundertelangen Diskussion der Reichweite des staatlichen Besteuerungsrechts und der Eigenschaften »gerechter« Besteuerung entwickelten sich zwei eng mit der Staatsauffassung verbundene Sichtweisen (Steuergerechtigkeit): Der rationalistischen Staatsauffassung und der Vertragsstaatstheorie entsprach die Forderung, die Steuerbelastung des Einzelnen an der Höhe seiner Inanspruchnahme von öffentlichen Leistungen auszurichten (Äquivalenzprinzip), der idealistischen Staatsauffassung und der universalistisch-organologischen Staatsauffassung die Forderung nach Besteuerung entsprechend der Leistungsfähigkeit des Einzelnen (Leistungsfähigkeitsprinzip).
Steuern sind im modernen Staat die wichtigste öffentliche Einnahmequelle. In Deutschland werden mehr als 30 Einzelsteuern erhoben, die insgesamt rd. 87 % der öffentlichen Einnahmen ohne Kreditaufnahme bestreiten. Dieser Anteil beträgt beim Bund 90 %, bei den Ländern 71 % und bei den Gemeinden 31 %. Die aufkommenstärksten Steuern sind die Einkommensteuer (Anteil am Steueraufkommen: 39,5 %) und die Umsatzsteuer (27,9 %). Auf die vier ergiebigsten Steuern (neben Einkommensteuer und Umsatzsteuer noch Mineralölsteuer mit 8,0 % und Gewerbesteuer mit 5,4 %) entfallen 80,9 % des gesamten Steueraufkommens. Die Zahl der Bagatellsteuern, die jeweils weniger als 0,1 % des Steueraufkommens erbringen, ist seit Anfang der 1990er-Jahre durch die Abschaffung der Salzsteuer, Zuckersteuer, Leuchtmittelsteuer, Börsenumsatzsteuer, Gesellschaftssteuer und Wechselsteuer merklich gesunken.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Steuern wird im Allgemeinen anhand des Verhältnisses der Steuereinnahmen zur Höhe des Sozialproduktes gemessen (Steuerquote). Bei internationalen Vergleichen ist wegen der Abgrenzungsprobleme zu den Sozialabgaben die volkswirtschaftliche Abgabenquote (Abgaben) vorzuziehen. In der Struktur des Steueraufkommens kommt es, sofern nicht von Zeit zu Zeit entsprechende steuerpolitische Korrekturen vorgenommen werden, zu einer Verschiebung der Anteile am Steueraufkommen: Infolge des progressiven Steuertarifs und der hohen Steueraufkommenselastizität der Einkommensteuer steigt bei wachsenden Nominaleinkommen der Anteil der Steuern auf Einkommen.
Klassifikationen und Steuersysteme
Steuern lassen sich nach den verschiedensten Gesichtspunkten klassifizieren. Unproblematisch ist 1) die Einteilung nach der Ertragshoheit in Steuern des Bundes, der Länder (Landessteuern), der Gemeinden (Gemeindesteuern) und der EU sowie in Gemeinschaftsteuern. Die übrigen zahlreichen in Wissenschaft und Praxis entwickelten Einteilungen der Steuern in Steuerarten sind infolge unterschiedlicher Kriterien nicht immer überschneidungsfrei (so besonders die Unterscheidung in Verbrauchsteuern und Verkehrsteuern), und sie sind angesichts der Vielfalt der tatsächlichen und der denkbaren Erscheinungsformen der Steuern meist unvollkommen und erlauben nicht immer eine eindeutige Zurechnung. Auch werden demselben Begriff in Steuerrecht, Steuerstatistik, betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Finanzwissenschaft zuweilen unterschiedliche Inhalte (z. B. Ertragssteuern) zugeordnet.
Besondere Verbreitung (z. B. in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) erlangte 2) die Einteilung nach der (vermeintlichen) Steuerüberwälzung u. a. Kriterien in direkte Steuern und indirekte Steuern. Man unterscheidet ferner z. B.: 3) nach der Steuerquelle zwischen Steuern auf die Einkommensentstehung und die Einkommensverwendung und echten Substanzsteuern auf den Vermögensbestand; 4) nach dem Steuergegenstand zwischen Steuern auf Einkommen und Vermögen (zuweilen auch Besitzsteuern genannt; z. B. Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer, Vermögenssteuer, Grundsteuer, Feuerschutzsteuer, Gewerbesteuer), Steuern auf den Vermögensverkehr (Erbschaftssteuer und Grunderwerbssteuer) und Steuern auf die Einkommensverwendung (Umsatzsteuer, Versicherungssteuer, Kraftfahrzeugssteuer, Verbrauchssteuer und Zölle); 5) nach der Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Steuerpflichtigen zwischen Personensteuer (Subjektsteuer) und Objektsteuer (Ertragssteuer); 6) nach der Dimension der Steuerbemessungsgrundlage zwischen Mengensteuer (Stücksteuer, spezifische Steuer) und Wertsteuer; 7) nach der Dauer der Erhebung zwischen laufenden Steuern und einmaligen beziehungsweise zeitlich befristeten Steuern (z. B. Notopfer Berlin, Lastenausgleichsabgaben, Solidaritätszuschlag); 8) nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zwischen gewinnabhängigen Steuern und Kostensteuern.
Die tatsächlich existierenden Steuern bilden das Ergebnis historischer Entwicklungen und politischer Kompromisse. Sie sind damit kein widerspruchsfreies Steuersystem mit aufeinander abgestimmten Einzelsteuern. Ein Beispiel für derartige Unstimmigkeiten in historisch gewachsenen Steuersystemen stellt in Deutschland das auf die miquelsche Steuerreform von 1891-93 zurückgehende Nebeneinander von Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer und (bis 1996) Vermögenssteuer einerseits und von (historisch älteren) Ertragssteuer (Gewerbesteuer und Grundsteuer) andererseits dar.
Der Versuch, auf der Basis von bestimmten Grundsätzen der Besteuerung ein »rationales« Steuersystem zu entwerfen (und zu verwirklichen), hat die Steuerwissenschaft (und zuweilen auch die Steuerpolitik) früherer Jahrhunderte intensiv beschäftigt und führte im Extrem zur Idee der Alleinsteuer. Die mit einer derartigen Steuer verbundene hohe Transparenz der Steuerbelastung kann unter dem Gesichtspunkt der »richtigen« finanzpolitischen Willensbildung als vorteilhaft gelten (Vermeidung »finanzpolitischer Illusionen«), wird aber andererseits zu entsprechend höherem Steuerwiderstand der Belasteten als bei einer Verteilung der Steuerlast auf zahlreiche (v. a. indirekte) Einzelsteuern führen, weshalb die Steuerpolitik meist eher ein Interesse an einem mehrgliedrigen Steuersystem hat. So hat jede Besteuerung neben ihrer maximalen (ökonomischen) eine Grenze in der psychologischen Zumutbarkeit, jenseits deren Steuerausweichung, Steuerumgehung und Steuerflucht bis hin zur Steuerhinterziehung (Steuerstrafrecht) überhand zu nehmen beginnen; diese Grenze ist von Land zu Land verschieden und hängt u. a. ab von der herrschenden Steuermoral und der Steuermentalität. Auch die Tatsache, dass die Besteuerung im modernen Staat einer Vielzahl von Funktionen und Interessen genügen muss, macht das System der Alleinsteuern unpraktikabel. Zudem sind aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht bei der Frage, was eine »gute« oder »schlechte« Steuer sei, eine Vielzahl von Allokations-, Verteilungs- und Stabilitätsgesichtspunkten und entsprechende Steuerwirkungen zu berücksichtigen, sodass keine einzelne Steuer eindeutig als die in jeder Hinsicht beste Steuer gelten kann. Die neuere Finanzwissenschaft befasst sich daher mit der Analyse von Steuersystemen, in denen sich verschiedene Steuern mit ihren spezifischen Vor- und Nachteilen bestmöglich ergänzen. Im Vordergrund stehen dabei im Unterschied zur praktischen Steuerpolitik weniger distributive Gedanken im Sinne der Steuergerechtigkeit als vielmehr allokative Überlegungen im Sinne einer Minimierung der steuerlich verursachten Verzerrungen der Ressourcenallokation (Entscheidungsneutralität als Eigenschaft optimaler Steuer). Derartige Verzerrungen verursachen Wohlfahrtsverluste und müssen daher neben dem Kaufkraftentzug, der sich im Steueraufkommen beim Fiskus niederschlägt, als weitere Last der Steuer in Rechnung gestellt werden (Excess Burden). Berechnungen beziffern den Umfang dieser steuerlich bedingten Wohlfahrtsverluste des Steuersystems insgesamt zum Teil auf 8-10 % des Sozialproduktes beziehungsweise bis zu 30 % des Steueraufkommens. Eine vollständige Allokationsneutralität wäre allerdings nur um den Preis verteilungspolitisch wenig wünschenswerter Resultate durch Pauschalsteuern erreichbar, deren Höhe für die Steuerpflichtigen unabhängig von deren Verhaltensweise ist.
Die Vielzahl der Interessen, die in der Demokratie auf die Steuerpolitik einwirken, und die Tatsache, dass die Steuern in steigendem Maße mit nichtfiskalischen Funktionen »befrachtet« werden, haben bei zunehmender Höhe der Steuerbelastung zu einer außerordentlichen Verkomplizierung des Steuerrechts und zu sehr häufigen Änderungen der Steuergesetze geführt. Zugleich wurde durch zahlreiche Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungen) und »Individualisierungen« der Steuerbemessungsgrundlage die Steuerbasis »ausgehöhlt« (Steuererosion). Die Verwirklichung der heute vielfach erhobenen Forderung nach Steuervereinfachung steht im Konflikt mit den Ansprüchen der verschiedenen Gruppen und Individuen auf Berücksichtigung ihrer spezifischen Gegebenheiten und würde eine Beschränkung des Einsatzes der Steuer als Instrument der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik erforderlich machen. Häufige Änderungen der Steuergesetze und die Kompliziertheit des Steuerrechts erhöhen die Kosten der Besteuerung sowohl beim Fiskus (Verwaltungskosten) als auch bei den Steuerpflichtigen (Befolgungskosten), die vermehrt Zeit aufwenden oder Steuerberatung in Anspruch nehmen müssen.
Schon in Ägypten, Babylonien, Griechenland und Rom bestand ein entwickeltes Steuersystem. Im germanischen Gebiet wurden die hoheitlich-staatlichen Bedürfnisse der Herrscher zunächst aus den Erträgen des Domänenbesitzes der Krone und der Territorialherren sowie durch Dienstleistungen der Vasallen und durch unregelmäßige Abgaben (Bede) gedeckt. Am frühesten bauten die Städte ihre Einnahmewirtschaft auf regelmäßig erhobenen Steuern auf. Doch im Reich und in den Territorien kamen neben den (Passier-)Zöllen und Wegegeldern eigentliche Steuern bis ins späte Mittelalter nur als subsidiäres Instrument der Einnahmebeschaffung vor: Sie wurden nur bei außerordentlichem Mittelbedarf (besonders im Kriegsfall) erhoben, wobei die Bewilligung durch die Reichs- beziehungsweise Landstände erforderlich war (Gemeiner Pfennig, Römermonat, Matrikularbeiträge). Zur besseren Kontrolle bestanden die Stände oft auf strikter Zweckbindung der Steuereinnahmen. Zunächst waren aus Gründen der einfachen Erhebung und (zumindest in den Städten) wegen der äquivalenztheoretischen Rechtfertigung der Steuerpflicht mit dem öffentlichen Schutz des Besitzes und des Lebens Steuern auf das Grundvermögen und pauschale Kopfsteuern üblich, seit dem 14. Jahrhundert nahmen Verbrauchssteuern (Ungelder, Akzisen) in Form von Markt- und Torabgaben und Produktionssteuern (z. B. Mahlsteuer, Schlachtsteuer) an Bedeutung zu.
Der durch Steuern zu deckende Mittelbedarf stieg sprunghaft an durch das Aufkommen des Söldnertums und durch die Einführung stehender Heere nach dem Dreißigjährigen Krieg. Der absolutistische Staat verlagerte die Besteuerung in starkem Maße auf zahlreiche spezielle Verbrauchssteuern, nicht zuletzt um über die Preiswirkungen dieser Akzisen (Steuerüberwälzung) die hergebrachten Steuerfreiheiten des Adels (bei Grund- beziehungsweise Vermögenssteuern) wirkungslos zu machen und durch ein umfassendes System von Einzelsteuern (Generalakzise) mit nach Güterarten und Erhebungsorten differenzierten Steuersätzen die Steuer als Instrument der wirtschaftspolitischen Lenkung einzusetzen.
Im Anschluss an die Reformideen der Französischen Revolution (Verwirklichung der Prinzipien der Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Ersetzung der bisherigen Steuern durch vier Ertragsteuern: Grundsteuer, Gewerbesteuer, Tür- und Fenstersteuer, Kapitalrentensteuer) entwickelte sich in Deutschland v. a. in den süddeutschen Staaten ein umfassendes System von objektiven Ertragssteuern, während erste in der napoleonischen Zeit in Preußen nach englischem Vorbild unternommene Versuche mit einer persönlichen Einkommensteuer (1808 ff.) an der Abneigung der frühliberalen Epoche gegenüber einem staatlichen »Eindringen« in die persönlichen Verhältnisse der Bürger scheiterten. Erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es (zunächst in Sachsen und den norddeutschen Staaten) zur Herausbildung eines Personalsteuersystems auf der Grundlage einer Einkommensteuer (später ergänzt durch eine persönliche Vermögenssteuer), zu dem dann im 20. Jahrhundert die allgemeine Umsatzsteuer (zuerst in Deutschland 1916/18) und die separate Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften traten.
Grundlegende Veränderungen des Steuersystems in der Bundesrepublik Deutschland brachten die Einführung der Mehrwertsteuer (1968), die Reform der Körperschaftsteuern (1977) und Ende der 80er-Jahre die Steuersenkungen bei Einkommenssteuer und Körperschaftsteuer (Steuerreform). In jüngster Zeit wird die steuerpolitische Entwicklung verstärkt durch die Bemühungen um Steuerharmonisierung im Rahmen der EU, um eine Reform der Unternehmensbesteuerung sowie um die Finanzierung der Folgen der deutschen Einheit geprägt.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Einkommensverteilung · Finanzausgleich · Finanzpolitik · Fiskalpolitik · Haushaltsplan · Konjunktur · öffentliche Einnahmen · Wachstum · Wirtschaftspolitik
F. Neumark: Grundsätze gerechter u. ökonomisch rationaler Steuerpolitik (1970);
F. Neumark: S., Grundlagen, in: Hwb. der Wirtschaftswiss., hg. v. W. Albers u. a., Bd. 7 (Neuausg. 1988);
Kurt Schmidt: Grundprobleme der Besteuerung, in: Hb. der Finanzwiss., hg. v. F. Neumark, Bd. 2 (31980);
G. Schmölders: Allg. Steuerlehre (51980);
H. Haller: Die S. (31981);
J. Pausch: Kleine Weltgesch. der Steuerobrigkeit (1989);
J. Pausch: Kleine Weltgesch. der Steuerberatung (1990);
Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgesch. der Steuer, hg. v. Uwe Schultz (31992);
W. Schomburg: Lex. der dt. Steuer- u. Zollgesch. (1992);
H. Becker: Fiskalstaat Dtl. (1995);
Unsere S. von A-Z, hg. vom Bundesministerium der Finanzen (181997);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Steuer: Steuerwirkungen und Inzidenz
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1steu|ern <sw. V.> [mhd. stiuren, ahd. stiur(r)en]: 1. <hat> a) das 1↑Steuer (a) eines Fahrzeugs bedienen u. dadurch die Richtung des Fahrzeugs bestimmen; durch Bedienen des 1Steuers (a) in eine bestimmte Richtung bewegen: ein Boot s.; das Schiff [sicher] durch die Klippen, in den Hafen s.; sie steuerte das Motorrad nur mit einer Hand; Kelley steuerte seinen Jeep über deutsche Landstraßen (Lentz, Muckefuck 296); einen Ferrari s. ([im Rennen] fahren); wenn er Leuten begegnete, die an Walzstraßen standen oder an Gießöfen, die Dieselloks steuerten und Fernlaster (Loest, Pistole 249); wer hat den Wagen gesteuert (ist der Fahrer des Wagens)?; <auch ohne Akk.-Obj.:> nach rechts, seitwärts s.; der Rudergänger steuerte nach dem Kompass; Ü ein Tief bei Island steuert Warmluft nach Frankreich; denn er (= der Kanzler) glaubt ja, dass nur er in der Lage sei, die Bundesrepublik sicher durch die Wirren der Zeit zu s. (Dönhoff, Ära 56); Die Internet-Gemeinde umfasst mindestens 40 Mill. Menschen. Wie viele es wirklich sind, weiß niemand. Denn es gibt keine Kontrollbehörde, niemand besitzt das Netz, keiner steuert es (natur 10, 1995, 68); b) (Seew., Flugw.) steuernd (1 a) einhalten; Westkurs s.; c) <s. + sich> sich in bestimmter Weise steuern (1 a) lassen: dieser Flugzeugtyp steuert sich gut. 2. <ist> a) irgendwohin Kurs nehmen; eine bestimmte Richtung einschlagen: das Schiff steuert in den Hafen, zur Insel; das Flugzeug steuert nach Norden; Ü wohin steuert unsere Politik?; b) (ugs.) sich zielstrebig in eine bestimmte Richtung bewegen: sie steuerte durch die Tischreihen, nach vorn, an die Theke; als er vorsichtig heimwärts steuerte (Springer, Was 49); Wir sehen ... Jugendliche, die nicht herumlungern, sondern eilig irgendwohin steuern (Berger, Augenblick 5); Ü er steuert in sein Unglück. 3. <hat> a) (Technik) (bei Geräten, Anlagen, Maschinen) den beabsichtigten Gang, Ablauf, das beabsichtigte ↑Programm (4) o. Ä. auslösen: einen Rechenautomaten, die Geschwindigkeit eines Fließbands s.; das gesamte Nachrichtennetz fällt ebenso aus wie die automatisch gesteuerte Heizung und die Wasserzufuhr (Gruhl, Planet 264); b) für einen bestimmten Ablauf, Vorgang sorgen; so beeinflussen, dass sich jmd. in beabsichtigter Weise verhält, dass etw. in beabsichtigter Weise abläuft, vor sich geht; lenken: den Produktionsprozess s.; Der Mensch soll nicht nur fangen, sondern auch die Reproduktion der Fische s. (NNN 23. 3. 87, 5); diese Hormone steuern die Tätigkeit der Keimdrüsen; ein Gespräch geschickt [in die gewünschte Richtung] s.; die öffentliche Meinung s.; er glaube aber nicht, dass die UdSSR den Terrorismus steuere (SZ 22. 10. 85, 9); ob der ... KGB von der Operation wusste und inwieweit er das Attentat steuerte (Hamburger Abendblatt 24. 5. 85, 2); Unruhen ..., die von Kairo aus gesteuert worden waren (Konzelmann, Allah 353); sie wird von Gefühlen gesteuert; Er ... wusste aber, wie er seine Schwäche zu s. hatte (Loest, Pistole 133); Wir müssen Spannungen aushalten, Aggressionen s. (Vaterland 27. 3. 85, 25). 4. (geh.) einer Sache, Entwicklung, einem bestimmten Verhalten von jmdm. entgegenwirken <hat>: dem Unheil, der Not s.; In der Schule versuchte man, dem Hunger mithilfe der Amerikaner zu s. (Heym, Nachruf 15).
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Universal-Lexikon. 2012.