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Babylonien
Ba|by|lo|ni|en; -s:
antikes Reich zwischen Euphrat u. Tigris.

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Babyloni|en,
 
geschichtliche Landschaft in Irak, am Unterlauf der Flüsse Euphrat und Tigris, nach der alten Hauptstadt Babylon benannt. Gemeinhin wird unter dem Namen Babylonien die kulturelle Tradition des südlichen Zweistromlandes zusammengefasst, in der sich eine südliche sumerische und eine nördliche semitische Kultur verbinden. Die Verflechtung beider Kulturen ist sehr alt, eine Trennung oft nicht möglich.)
 
 Geschichte
 
Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung sind im südlichen Mesopotamien erst im späten 5. Jahrtausend v. Chr. feststellbar (Alter Orient, Vorgeschichte). Am Ende des 4. Jahrtausends entstand eine Hochkultur mit dem Zentrum Uruk, deren Einfluss bis nach Nordsyrien reichte. Träger dieser Kultur waren sicherlich bereits die Sumerer. Im Lauf des 3. Jahrtausends bildeten sich entlang den Flussläufen Stadtstaaten (u. a. Uruk, Ur, Lagasch, Kisch). Über die politische Geschichte der älteren Phasen der »frühdynastischen Zeit« geben nur episch-mythische Überlieferungen (Gilgamesch) und die Angaben der sumerischen Königsliste Auskunft. Seit etwa 2500 sind zahlreiche Herrscher auch durch eigene Inschriften bezeugt. Aus einem jahrhundertelangen Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft in Sumer und um die Kontrolle der in dem sehr regenarmen Land entscheidenden Bewässerungssysteme gingen schließlich überregionale Staaten hervor.
 
Nachdem König Lugalzaggesi von Umma kurze Zeit ein sumerisches Großreich regiert hatte, ging die Herrschaft an die semitische Dynastie von Akkad (um 2235-2094) über, deren mächtige Fürsten Sargon I. und Naramsin auf Kriegszügen bis nach Kleinasien und ans Mittelmeer vordrangen. Eine Fremdherrschaft wilder Bergstämme, der Gutäer, löste die Akkadzeit ab (um 2093-2048); um 2047 begründete Urnammu die 3. Dynastie von Ur, die abermals eine Zeit sumerischer Herrschaft und kultureller Renaissance bedeutete. Das semitische Element wurde aber immer stärker fühlbar, und die Einwanderung neuer, kanaanäischer Nomadenstämme führte zu einem Zerfall des Staatswesens (seit etwa 1950). Mehrere Städte, darunter Isin und Larsa im Süden, Mari am mittleren Euphrat und Eschnunna östlich des Tigris, kämpften um die Vorherrschaft, bis Babylon unter Hammurapi um 1700 das gesamte Gebiet bis nach Assyrien unter einer Hand vereinigte. Schon unter seinem Sohn und Nachfolger Samsuiluna machte sich im Süden das »Meerland« unter einer eigenen Dynastie wieder selbstständig. Die »klassische Zeit« der 1. Dynastie endete mit der Eroberung durch den Hethiterkönig Mursili I. um 1531. Die aus dem östlichen Bergland eingedrungenen Kassiten übernahmen Herrschaft und Kultur (um 1530-1155). Neben den neuentstandenen Reichen von Assyrien, Mitanni und Hatti (Hethiterreich) blieb ihnen wenig politischer Spielraum. Mit den Pharaonen der 18. Dynastie in Ägypten standen die kassitischen Herrscher Burnaburiasch II. und Kadaschman-Enlil in wirtschaftlichem und diplomatischem Verkehr. Tukulti-Ninurta I. von Assyrien unternahm um 1220 einen Vorstoß nach Babylonien, wurde aber bald vertrieben. Durch einen Einfall von Elamiern (Elamitern) fand um 1155 die Kassitenherrschaft ein Ende. Es folgten die einheimischen Herrscher der 2. Dynastie von Isin, deren bedeutendster König, Nebukadnezar I., wieder gegen Elam zu kämpfen hatte.
 
Im 1. Jahrtausend v. Chr. wurde Babylonien zunächst politisch bedeutungslos. Aramäische Stämme, darunter die Kaldu (Chaldäer), drangen ein und setzten sich besonders im Süden des Landes fest. Seit dem Wiederaufstieg Assyriens im späten 10. Jahrhundert v. Chr. war Babylonien meist von Assyrien abhängig, mehrere assyrische Könige nahmen unter einem zweiten Namen auch die Königswürde von Babylon an, hatten aber stets mit dem Widerstand der Aramäer zu rechnen, deren Scheichs ebenfalls öfter den Titel »König von Babylon« trugen. Der Chaldäerfürst Nabopolassar nutzte die assyrische Schwäche beim Tod Assurbanipals (um 627), vernichtete mithilfe der Meder Assyrien völlig und gewann dieses Reich für sich. Unter Nebukadnezar II. (605-562) wurde Babylonien noch einmal Großmacht (neubabylonisches Reich). Sein Gebiet erstreckte sich bis nach Kilikien und vor die Tore Ägyptens (Eroberung Jerusalems am 16. 3. 597 v. Chr., prachtvoller Ausbau der Hauptstadt Babylon). Noch Nabonid (555-539) vermochte das gesamte Gebiet zu halten und Teile von Arabien zu erobern; doch fiel das Reich schließlich nahezu kampflos dem Perser Kyros II., dem Großen, in die Hand und verlor damit für immer seine Selbstständigkeit.
 
Literatur:
 
M. von Niebuhr: Gesch. Assur's u. Babel's seit Phul (1857, Nachdr. 1983);
 A. Scharff u. A. Moortgat: Ägypten u. Vorderasien im Altertum (31962);
 H. Schmökel: Das Land Sumer (41974);
 H. Schmökel: Gesch. des alten Vorderasien, in: Hb. der Orientalistik, 1. Abt., Bd. 2, 3 (Neuausg. Leiden 1979);
 
Spätbabylon. Texte aus Uruk, Tl. 1, bearb. v. H. Hunger (1976);
 
Die altoriental. Reiche, hg. v. E. Cassin u. a., 3 Bde. (6-71980-84);
 A. Moortgat: Einf. in die vorderasiat. Archäologie (21981);
 A. Parrot: Sumer u. Akkad, in: Universum der Kunst, Bd. 1 (41983);
 P. P. Vèrtesalji: B. zur Kupfersteinzeit (1984);
 J. Oates: Babylon. Stadt u. Reich im Brennpunkt des Alten Orients (a. d. Engl., Neuausg. 1990).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Mesopotamien und Kleinasien: Städte, Staaten, Großreiche
 

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Ba|by|lo|ni|en; -s: antikes Reich zwischen Euphrat u. Tigris.

Universal-Lexikon. 2012.