chinesische Kunst
[ç-]. Die frühesten Zeugnisse der chinesischen Kunst sind die in Gräbern und Siedlungen des Spätneolithikums (um 5000-2000 v. Chr.) gefundenen Keramiken der nach den ersten Fundorten Yangshao (Henan) und Longshan (Shandong) benannten Kulturen. Eine Vorstellung von der Kunst der Shangdynastie (etwa 16. Jahrhundert bis etwa 1050 v. Chr.) geben v. a. die in der Umgebung des heutigen Zhengzhou ausgegrabenen Fundamente der zweiten Shanghauptstadt Ao (heute Zhengzhou) mit Resten von Bronzegießereien, Keramikwerkstätten und einer Stadtumwallung aus gestampfter Erde sowie die Orakelknochenfunde und die kreuzförmig angelegten, reich mit Sakralbronzen, Bronzewaffen, Keramik, Jade- beziehungsweise Nephrit- und Knochenschnitzereien ausgestatteten Schachtgräber der letzten Shangherrscher bei Anyang. Der Dekor der Sakralbronzen umfasst in Frontalansicht wiedergegebene apotropäische Masken (Tao tie) und zoomorphe und geometrische Motive. Auf den Stücken der frühen Shangzeit ist der Reliefdekor in sparsamen Bändern angebracht; erst in der späten Shang- und frühen Zhouzeit überzieht er das gesamte Gefäß und wird stärker plastisch herausgearbeitet.
Ab Mitte der Westlichen Zhoudynastie (etwa 1050-771 v. Chr.) wurden die Motive zunehmend abstrahiert und in verschlungene Bandornamente aufgelöst. Das Vordringen nomadisierender Randvölker aus dem Ordosgebiet führte zur Verlegung der Hauptstadt der Zhou nach Osten in die Stadt Luoyi (heute Luoyang; Östliche Zhoudynastie, 771-249 v. Chr.). Der von Anfang des 8. bis Anfang des 5. Jahrhunderts durch die Berührung mit den Steppenvölkern einsetzende Kulturaustausch manifestiert sich in der Bronzekunst in einem den südsibirischen Grabfunden ähnelnden Tierstildekor und zunehmend realistische Darstellungen (u. a. Szenen von Bogenschützen, Tänzen, Jagd), aber auch in den von der nomadischen Reitertracht übernommenen Gürtelschnallen und Gewandagraffen. Die Übernahme der Technik der Gold- und Silbertauschierung sowie der Türkis- und Malachiteinlage führte zu einem ersten Höhepunkt chinesischer Gold- und Silberschmiedekunst.
In der Zeit der Streitenden Reiche (481-221 v. Chr.) führten der Machtzerfall der Zhou und die zunehmende Unabhängigkeit der Lehensfürsten zu einer Luxusentfaltung in den Fürstengräbern, die sich v. a. in sorgfältig und detailliert gearbeiteten Gegenständen des persönlichen Bedarfs äußert. In der Provinz Hubei, in der Region des ehemaligen Südstaates Chu, wurden bronzene Spiegel, Glockenspiele, mit Kopfmasken (zur Dämonenabwehr) bestattete Pferde, als Grabwächter fungierende lackierte Holzfiguren, Jadeschnitzereien, bemalte und beschriebene Seidentücher (bei Changsha) sowie Tongefäße mit Feldspatglasur ausgegraben. Die farbig lackierten Holzschnitzereien und mit Lackmalereien versehenen Speisegeräte sind stilistisch abhängig von den figürlichen Motiven und abstrakten Ornamentdekors der Bronzekunst.
Einblick in die lange unterschätzte Kunst der Qinzeit (221-206 v. Chr.) bietet die monumentale Grabplastik, die seit 1974 im Bereich um den Grabhügel des sich selbst als Ersten Göttlich Erhabenen betitelnden Qin Shi Huangdi (Ch'in Shih Huang-ti) bei Lintong (Shaanxi) ausgegraben wurde. Vorher waren nur die historischen Leistungen dieses ersten chinesischen Kaisers bekannt, wie die Zentralisierung der Verwaltung und die Errichtung der »Großen Mauer« (Chinesische Mauer). Sichtbarer Ausdruck seines Herrschaftsanspruches und seines taoistisch geprägten, dem Diesseits verhafteten Jenseitsglaubens ist seine innerhalb eines Jahrzehnts errichtete Grabanlage. Um den als kosmisches Universum und Palaststadt konzipierten Grabhügel wurde in unterirdische Korridoren eine mehr als 7 000 Einzelfiguren umfassende Armee von lebensgroßen bewaffneten Infanteristen, Kavalleristen, Schlachtrossen, Quadrigen und hölzernen Streitwagen in Stellung gebracht. Die aus hartem grauem Ton bei relativ hohen Temperaturen gebrannten Plastiken dürften in industriell organisierten Werkstätten hergestellt worden sein. Die einzelnen aus Modeln gepressten Teilstücke wurden vor dem Brennen zusammengefügt und zuletzt mit kalter Bemalung lebensnah farbig gefasst. Hände und über einer Rohform unterschiedlich modellierte Köpfe brannte man separat.
Westliche Handynastie (202 v. Chr. bis 9 n. Chr.) und Östliche Handynastie (25-220 n. Chr.):
Die Ausdehnung des Imperiums der Handynastie bis nach Indochina, Ostturkestan und Nordkorea hatte einen regen Waren- und Kulturaustausch zur Folge. Die Vormachtstellung Chinas und den Einfluss seiner Zivilisation auf die Nachbargebiete bezeugen die archäologischen Funde aus den Gräbern in Noin Ula (Mongolei) und Lolang (Nord-Korea). Zu den bedeutendsten Grabfunden der früheren Westlichen Hanzeit zählen die Felsengräber in Mancheng (Hebei) mit zwei Totengewändern aus Jade, welche jeweils aus mehr als 2 000 mittels Golddraht aneinander befestigten Jadeplättchen bestehen und den Leichnam vor dem Zerfall schützen sollten. Das Grab der Markgräfin von Dai in Mawangdui brachte ein T-förmiges, mit opaken Mineralfarben bemaltes seidenes Totenbanner (Fei-yi, Fei-i) zutage, das vermuten lässt, dass die seit der Zeit der Fünf Dynastien (907-960) in der profanen Malerei an Beliebtheit gewinnende hochformatige Bildform der Hängerolle ihren Ursprung im Totenbanner der Hanzeit und nicht, wie früher angenommen, in den später mit dem Buddhismus nach China gelangten Tempelbannern hat. Typ. Beispiele für die Lackkunst der Hanzeit sind die drei ineinander gestellten Särge der Markgräfin von Dai. Charakteristisch sind Dekorborten mit Wolkenspiralmustern und Darstellungen von geflügelten Pferden, Kranichen, Einhörnern u. a. Fantasiewesen. Neuerungen im Grabgut sind häufig feuervergoldete bronzene Öllampen in Form einer die flache Schale haltenden rundplastische Figur sowie mit Einlagen und Inkrustationen geschmückte Weihrauchbrenner. Von einem zunehmend erzählerisch-realistischen Stil sind auch die Gürtelschnallen, Gewandagraffen und Bronzespiegel geprägt. Die in Mawangdui ausgegrabenen Seidengewänder vermitteln eine Vorstellung von der hoch entwickelten chinesischen Textilkunst.
Im 1. Jahrhundert n. Chr. fanden mit echten Tonnengewölben oder Scheinkuppeln aus vorkragenden Ziegelschichten überwölbte Ziegelkammergräber weite Verbreitung. Für die Wandverkleidungen, Türstürze und Giebelzonen verwendete man Steinreliefs oder Reliefziegel, durchbrochen gearbeitet oder mit eingepressten Mustern geschmückt, später auch mit Wandmalereien. Die Darstellungen zeigen kosmologisch-symbolische oder historisch-belehrende Themen. Eine Mörtelauflage diente als Malgrund für die parallel gereihten, oft sehr lebendig gestikulierend dargestellten Figuren, die mit schwarzer Tusche konturiert und farbig ausgemalt wurden. Sie geben eine Anschauung von dem hohen Niveau der sonst nur aus literarischen Quellen bekannten Malerei in den Palästen der Hanzeit. Die im Grabgut sehr zahlreichen kalt bemalten oder mit Bleisilikatglasuren versehenen Tonfiguren von Kriegern, Pferden und Musikanten zusammen mit Tonmodellen von Hausrat, Ställen, Wohnhäusern und mehrstöckigen Wachttürmen in Ständerbauweise vermitteln ein Abbild von Kultur und Architektur der Hanzeit.
Die Zeit der Drei Reiche (220-265) und der Sechs Dynastien (265-589):
In der durch Kleinstaaterei gekennzeichneten Periode nach dem Zusammenbruch des Hanreiches breitete sich der seit Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. über die Seidenstraße nach China gelangte Buddhismus rasch aus. Im 3. Jahrhundert tauchten der Buddha und Bodhisattvas im Dekor von Spiegeln und als vergoldete Kleinplastiken in einer noch an die Gandharakunst erinnernden Prägung auf. Während von der frühen buddhistischen Architektur kaum Beispiele erhalten sind (Vier-Tor-Pagode in Jinan), bezeugen die zwischen dem späten 4. und dem 6. Jahrhundert entstandenen Höhlentempel von Dunhuang (Gansu), Maiji Shan (Gansu), Yungang (Shanxi), Longmen (Henan) und Tianlong Shan (Henan) sowie Votivstelen die Ausbreitung der buddhistischen Kunst. Ist der archaische Stil bei Plastik und Skulptur der Nördlichen Weidynastie (386-534) durch »nasse Faltenwürfe« und eine flächig-lineare Auffassung geprägt, kamen in der Plastik der Nördlichen Qidynastie (550-577) Einflüsse der Guptakunst zur Geltung, welche zu einem geschmeidigeren, stärker plastisch ausgeformten Stil führten. Das harte, porzellanartige, bräunlich oder graugrün glasierte Steinzeug Yue Yao (Yüeh Yao), das als Vorform des späteren Seladon gilt, fand weite Verbreitung. Beliebt waren sassanidisch und zentralasiatisch beeinflusste Gefäßtypen und solche mit einem Reliefdekor von Löwen und Hühnerköpfen. Von der Malerei ist, abgesehen von den Wandmalereien in Gräbern und in den buddhistischen Höhlentempeln, eine nur durch spätere Kopien vermittelte Anschauung möglich (Gu Kaizhi [Ku K'ai-chih], * um 345, ✝ um 406). Mit dem Fassbarwerden erster Künstlerpersönlichkeiten trat sie aus dem Schattendasein eines anonymen Handwerks und wurde neben Dichtung, Kalligraphie und Musik in den Rang einer der hohen Künste der Elite erhoben. Die Kalligraphie erfuhr mit der Ausprägung des expressiven Stils des Wang Xizhi (Wang Hsi-chih, * um 321, ✝ 379) einen Höhepunkt.
Tangdynastie (618-907):
Unter den Tangherrschern wuchs das durch die Suidynastie (581/589-618) geeinte China zu einem kosmopolitischen Reich, das in der damals weltgrößten Metropole Chang'an (heute Xi'an) ausländischer Händler und Kaufleute, darunter Muslime, Juden, Christen, Parsen und Manichäer, aufnahm. Die Einflüsse fremder Kulturen, v. a. sassanidische, zeigen die technisch und künstlerisch hoch entwickelte Gold- und Silberschmiedekunst. Die Präsenz der Ausländer spiegelt sich auch in den unter keramischen Grabfiguren zahlreicher bärtigen, langnasigen Kameltreibern, Musikanten und Tänzerinnen, aber auch in den karikaturartig überzeichneten Physiognomien der Barbarenfürsten in den Wandmalereien im Grab des Kronprinzen Zhang Huai (Chang Huai). Die Grabanlagen der Kronprinzen Zhang Huai und Yi De (I-te) sowie der Prinzessin Yong Tai (Yung T'ai, frühes 8. Jahrhundert) in Qianxian zeigen das Schema eines mit Erde aufgeschütteten, einer gekappten Pyramide ähnelnden Grabhügels. Grabwege und -kammern sind reich mit Wandmalereien ausgestattet (u. a. Darstellungen der Jagd, buddhistischer und taoistischer Tempelprozessionen, Tänzer und Musikanten), wobei Raumtiefe durch Überschneidungen von Figuren und Landschafts- oder Architekturmotiven angedeutet wird. Die Wandmalereien vermitteln eine Anschauung von den größtenteils nur aus literarischen Quellen oder späteren Kopien bekannten Werken der Tangmeister (Wu Daozi [Wu Tao-tzu], * etwa 680, ✝ etwa 760; Yan Liben [Yen Li-pen], * um 600, ✝ 673; Han Gan [Han Kan], * etwa 720, ✝ nach 780; Li Sixun [Li Ssu-hsün], * 651, ✝ 716; Wang Wei, * 699, ✝ 759).
Von dem hohen Niveau buddhistischer Wandmalerei, Skulptur und Plastik zeugen heute die in der Tangzeit fortgeführten Höhlentempelanlagen in Longmen und Dunhuang. Außer der Großen und der Kleinen Wildganspagode in Xi'an sind nur wenige Beispiele buddhistischer Architektur erhalten (z. B. buddhistischer Tempel des 9. Jahrhunderts im Berg Wutai Shan), denn im Zuge der Buddhistenverfolgungen (zwischen 841 und 846) wurden zahlreiche Tempel und Schreine zerstört und bronzene Kultplastiken konfisziert und eingeschmolzen. Eine Anschauung von der Plastik der Tangzeit vermitteln jedoch die frühen, noch stark unter dem Einfluss chinesischer Vorbilder stehenden japanischen Werke.
Songdynastie (960-1279):
Nach einer Zeit der Teilstaatlichkeit (Fünf Dynastien, 907-960), in deren Verlauf Teile Nordchinas in die Hand der Kitandynastie (Liaodynastie) übergingen, kam es unter der Nördlichen Songdynastie (960-1127) zur Reichseinigung. Die erstarkende Jindynastie der Dschurdschen im Gebiet der heutigen Mandschurei vertrieb die Song 1126 aus ihrer Hauptstadt Kaifeng in den Süden. Hauptstadt der Südlichen Songdynastie (1127-1279) wurde Lin'an (heute Hangzhou). Kennzeichnend für die Malerei der Nord-Songzeit ist die Entwicklung und Reifung einer selbstständigen, der spezifisch chinesischen Natur- und Weltauffassung entsprechenden Landschaftsmalerei, die fortan das vornehmste Thema chinesischer Malerei bilden sollte. In Nordchina werden die Maler Li Cheng (Li Ch'eng, * 916, ✝ 967?), Fan Kuan (Fan K'uan, tätig 990-1030), Yan Wengui (Yen Wen-kuei, * 967, ✝ 1044), Xu Daoning (Hsü Tao-ning, tätig erste Hälfte des 11. Jahrhunderts) und Guo Xi (Kuo Hsi, * um 1020, ✝ um 1090) in heroischen, vertikal komponierten Landschaften als Persönlichkeiten fassbar, während den beiden aus dem Süden stammenden Patriarchen der Landschaftskunst Dong Yuan (Tung Yüan, ✝ 962) und Ju Ran (Chü Jan, ✝ um 980) weite Horizontalkompositionen zugeschrieben werden. Als bedeutendster Figuren- und Pferdemaler dieser Zeit galt Li Longmian (Li Lung-mien, * 1049, ✝ 1106). In dem Malerkaiser Hui Zong (Hui-tsung, * 1082, ✝ 1135) fand die von auf Themen spezialisierten Künstlern betriebene Akademiemalerei mit naturnahen, polychromen Pflanzen- und Tierdarstellungen und lyrische Landschaften (Zhao Lingrang [Chao Ling-jang], tätig in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts) einen besonderen Förderer. Im Gegensatz dazu formulierten die Vertreter der Literatenmalerei um den Gelehrten und Staatsmann Su Dongpo (Su Tung-p'o, * 1036, ✝ 1101) und um Mi Fu (* 1051, ✝ 1107) ihren persönlichen Ausdruck im monochromen Tuschespiel. Charakteristisch für die Vertreter der nach den Malern Ma Yuan (Ma Yüan, * um 1150, ✝ 1225) und Xia Gui (Hsia Kuei, ✝ 1230) benannten Ma-Xia-Schule (Ma-Hsia-Schule) an der Akademie in Hangzhou sind Kompositionen, bei welchen das Gegenständliche der Landschaft in einer unteren Bildecke konzentriert wird (»Eineckstil«), sodass die unbemalte Leere einen breiten Raum einnimmt. Dem lyrischen Gehalt dieses Landschaftsstils entspricht das intime Format des Album- oder Fächerblatts. Im Bereich der Frauen- und Kinderdarstellung gelangte Su Hanchen (Su Han-ch'en, tätig in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts) zu hohem Ansehen. Die großen unkonventionellen Meister der Chanmalerei, Liang Kai (Liang K'ai, * um 1140, ✝ 1250) und Muxi (Mu-hsi, tätig etwa 1220-90), die sich in den Klöstern am Westsee bei Hangzhou niederließen, reduzierten radikal die Anwendung künstlerischer Mittel und erzielten damit in ihren monochromen Tuschebildern eine konzentrierte Expressivität. Die Keramik erlebte einen künstlerischen Höhepunkt (Seladon, Temmoku). Buddhistische Kultbilder wurden aus weniger kostspieligen Materialien in Holz, Ton oder Trockenlack hergestellt und polychrom gefasst. Zu den bedeutendsten Werken zählen die unter der Kitandynastie (Liaodynastie) entstandenen Lohanfiguren.
Yuandynastie (1271-1368):
Die Mongolenherrscher waren nicht Kunstmäzene wie ihre Vorgänger der Songzeit; sie installierten keine Malakademie an ihrem Hof in Peking. Dies begünstigte die Entfaltung einer unabhängigen Literatenmalerei. Enge Bindung an die realistischen Traditionen der Tang- und Songzeit lassen die Werke des vielseitigen Meisters Zhao Mengfu (Chao Meng-fu, * 1254, ✝ 1322) erkennen. Die »Vier Großen Meister der Yuanzeit«, Huang Gongwang (Huang Kung-wang, * 1269, ✝ 1354), Wu Zhen (Wu Chen, * 1280, ✝ 1354), Ni Zan (Ni Tsan, * 1301, ✝ 1374) und Wang Meng (* 1309, ✝ 1385), waren nicht zur Zusammenarbeit mit den Mongolen bereit; sie begaben sich als Literatenmaler in eine geistige Emigration. Kennzeichen ihres neuen, unkonventionellen Stils ist eine kalligraphische Auffassung, die die individuelle Pinselhandschrift und Tuschetechnik betont und das Interesse an getreuer Naturschilderung in den Hintergrund treten lässt. Zugleich gewann die Kalligraphie in Form von Bildaufschriften, die inhaltlich und formal mit dem Bild eine Einheit bilden, zunehmend an Bedeutung. Die starke Verbreitung der symbolträchtigen Bambusmalerei ist als eine Form des geistigen Widerstandes gegen die Fremdherrschaft zu verstehen. Gegen Ende der Yuanzeit entstand das erste Blauweißporzellan.
Mingdynastie (1368-1644):
Die Mingzeit war im Allgemeinen eine Epoche des Friedens und Wohlstands, in der vielfach erhaltene Bauten wie Pagoden, Tempel, Grabanlagen (Changping), Paläste und Gartenanlagen (Suzhou) entstanden. Auch der Buchdruck und der Druck von Farbholzschnitten erlebten eine Blüte; Kunstkennerschaft und Sammlerwesen nahmen großen Aufschwung. In der Malerei formierten sich verschiedene Lokalschulen, am bedeutendsten die auf der Tradition der Süd-Songakademie fußende »Zheschule« (Cheschule), benannt nach der Provinz Zhejiang, mit Dai Jin (Tai Chin, * 1388, ✝ 1462) als Hauptmeister sowie die »Wuschule«, die die Literatenmalerei fortsetzte und in der alten Kunststadt Suzhou ihr Zentrum hatte. Ihre Hauptvertreter Shen Zhou (Shen Chou, * 1427, ✝ 1509), Wen Zhengming (Wen Cheng-ming, * 1470, ✝ 1559), Tang Yin (T'ang Yin, * 1470, ✝ 1524) und Qiu Ying (Ch'iu Ying, * um 1500, ✝ nach 1552) beriefen sich auf die Landschaftsmalerei der Nördlichen Songperiode und die Vier Großen Meister der Yuanzeit. Sie entwickelten die Tendenz zur Vereinfachung der Naturformen weiter. Am Ende der Mingzeit trat Dong Qichang (Tung Ch'i-ch'ang, * 1555, ✝ 1636) als Theoretiker hervor; er klassifizierte die Malerei vorangegangener Epochen nach dem bis ins 20. Jahrhundert verbreiteten Schema einer dem akademischen Stil der Zheschule entsprechenden »Nordschule« und einer dem Stil der Wuschule entsprechenden »Südschule«.- Die Mingzeit, besonders das 15. Jahrhundert, gilt als goldenes Zeitalter des Blauweißporzellans und der Porzellane mit Kupferrot- oder Eisenrot-Unterglasurmalerei.
Qingdynastie (1644-1911/12):
Nach ihrer Machtübernahme war die mandschurische Qingdynastie bemüht, sich durch die Kontinuität chinesischer Kultur- und Kunsttraditionen zu legitimieren. Entsprechend wurde an der kaiserlichen Akademie ein verharrender Eklektizismus gepflegt. Der am Hof Kaiser Qianlongs (Ch'ien-lungs) tätige Jesuitenmissionar Giuseppe Castiglione (* 1688, ✝ 1766, chinesisch Lang Shining [Lang Shih-ning]) beeindruckte mit seinen realistisch, in europäisch-chinesischem Mischstil porträtierten Pferden und Hunden; jedoch hatten diese westlichen Impulse keinen nennenswerten Einfluss auf den höfischen Stil. Auch unter den unabhängigen Malern wie den »Vier Wang«, Wang Shimin (Wang Shih-min, * 1592, ✝ 1680), Wang Jian (Wang Chien, * 1598, ✝ 1677), Wang Hui (* 1632, ✝ 1717) und Wang Yuanqi (Wang Yüan-ch'i, * 1642, ✝ 1715), sowie Wu Li (* 1632, ✝ 1718) und Yun Shouping (Yün Shou-p'ing, * 1633, ✝ 1690), die als die »Sechs Großen Orthodoxen« der frühen Qingzeit gelten und sich auf die Vier Großen Meister der Yuanzeit und die Tradition der Wuschule der Mingzeit beriefen, herrschte ein ausgeprägter Traditionalismus vor. Von einer unkonventionellen Malweise und zugleich einer intensiven Auseinandersetzung mit der Natur zeugen die expressiven Werke der als »Individualisten« bekannten Mönchsmaler Shiqi (Shih-ch'i, * um 1610, ✝ 1693), Bada Shanren (Pa-ta shan-jen, * um 1626, ✝ um 1705) und Shi Tao (Shih T'ao, * 1641, ✝ 1717), die als Gegner der mandschurischen Fremdherrscher ein weltabgewandtes Wanderleben führten. Im 18. Jahrhundert wurde das wirtschaftlich aufblühende Yangzhou zu einem neuen Zentrum der Malerei. Zu den bekanntesten der »Acht Exzentriker von Yangzhou« zählen Huang Shen (* 1687, ✝ 1768), Luo Ping (Lo P'ing, * 1733, ✝ um 1799) und Zheng Xie (Cheng Hsieh, * 1693, ✝ um 1775). Kennzeichnend für ihren Stil ist bewusste Unkonventionalität und das Experimentieren mit künstlerischen Effekten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Schanghai zum Zentrum der Malerei. Das Eindringen des Westens in China im Zeitalter des europäischen Kolonialismus und die Auseinandersetzung mit dem militärisch und wirtschaftlich überlegenen Westen im 19. und 20. Jahrhundert hatten eine kulturelle Krise zur Folge, die auf allen Gebieten der Kunst zu einer Verunsicherung führte.
Auf dem Gebiet der Porzellanherstellung ist besonders für die Kangxizeit (1662-1722) große Qualität zu verzeichnen. Neben Blauweißporzellan gab es die opake Biskuitware (Famille jaune). In der Yongzhengära (1723-35) war der vorherrschend in Rot- und Rosatönen gehaltene Emailfarbendekor der Famille rose beliebt. Im 18. Jahrhundert erreichten die monochromen Porzellane ein sehr hohes Niveau (Sang-de-bœuf, Blanc de Chine, Seladon). Chinesisches Porzellan wurde seit dem 17. Jahrhundert in Europa Sammelobjekt und fand in den europäischen Manufakturen Nachahmung (Chinoiserie). In China (hauptsächlich in Jingdezhen) wurde im Auftrag der Ostindischen Kompanien seit dem 18. Jahrhundert Exportware produziert, die an Qualität jedoch hinter der für den kaiserlichen Bedarf hergestellten Ware zurückstand. Es entstanden Porzellane mit europäischen Formen und Motiven (antike Mythen, christliche Motive, Genrestoffe, historische Szenen, Porträts, Wappenporzellan).
Moderne (seit 1911/12):
In der Zeit der Republik öffnete sich China westlichen Kunstströmungen. Der wichtigste Impuls ging vom Naturstudium (Aktzeichnen, Pleinairmalerei) der europäischen Malerei aus, das in der traditionellen chinesischen Malerei, in der das Studium alter Meister im Vordergrund gestanden hatte, niemals gepflegt worden war. Zum erklärten Ziel wurde die Verbindung traditioneller Malweisen und -techniken mit einer wirklichkeitsnahen Darstellung des Menschen und seiner Lebenswelt sowie das Studium von lebenden Tieren und Pflanzen und realen Landschaften. In den 30er- und 40er-Jahren standen Huang Binhong (Huang Pin-hung, * 1865, ✝ 1955), Qi Baishi (Ch'i Pai-shih, * 1863, ✝ 1957), Xu Beihong (Hsü Pei-hung, * 1895, ✝ 1953) und Zhang Daqian (Chang Ta-ch'ien, * 1899, ✝ 1983) an der Spitze dieser Bewegung. In den 50er- und 60er-Jahren prägten v. a. Fu Baoshi (Fu Pao-shih, * 1904, ✝ 1965) und Li Keran (Li K'o-jan, * 1907, ✝ 1989) einen neuen Realismus aus, ohne dabei die Errungenschaften der Literatenmalerei aufzugeben. Auch die populäre Holzschnittkunst, deren Anfänge bis in die Songzeit zurückreichen, gelangte im Zeichen des Realismus zu einer neuen Blüte. Die seit 1949 in der Volksrepublik China einsetzende Bautätigkeit schloss sich dem internationalen Stil an und versuchte selten, traditionelle Vorbilder zu verwenden. Nach dem Ende der Kulturrevolution (1969), in der zahlreiche Kunstwerke und Bauten zerstört wurden, setzten umfangreiche Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten ein; die Archäologie erfuhr einen bedeutenden Aufschwung.
Seit Beginn der 70er-Jahre entwickelte sich neben der offiziellen Kunst eine Kunstszene, die relativ frei von der Kunstdoktrin der kommunistischen Partei arbeitet. 1989 veranstaltete die Nationalgalerie Peking zum ersten Mal eine große Ausstellung von Arbeiten der Avantgarde, die vorher nicht einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurden und seit 1991/92 erneut nur in privatem Rahmen gezeigt werden können. 1993 wurde in Europa (Berlin, Rotterdam, Oxford und Odense) eine Ausstellung gleichen Titels, »China Avantgarde«, gezeigt. Bilder, Performances, Objekte und Rauminstallationen widerspiegeln die Auseinandersetzung der Künstler, von denen viele im Ausland leben, mit der Kunstentwicklung in den westlichen Ländern (v. a. USA und Frankreich). Abstrakter Formensprache im Sinne einer meditativen und ornamentalen Reduktion bedienen sich Künstler wie Ding Yi (Ting I, * 1962), Wang Keping (Wang K'e-p'ing, * 1949), Tan Ping (T'an P'ing, * 1960) und Ma Kelu (Ma K'o-lu, * 1954). Im Bereich der Aktionskunst führen Künstler wie Qiu Ping (Ch'iu P'ing, * 1961), Wu Shanzuan (Wu Shan-tsuan, * 1960), Zhang Huan (Chang Huan, * 1965), Zhu Jinshi (Chu Chin-shih, * 1954) und seine Frau Qin Yufen (Ch'in Yü-fen, * 1954), die beide auch mit Installationen hervortreten (besonders bekannt Qins »Wäsche-Zen«, 1991 ff.), die Tradition einer vom Zen-Buddhismus und Fluxus geprägten Avantgarde fort. Mit Rauminstallationen traten hervor Gu Dexin (Ku Te-hsin, * 1962), Lin Yilin, * 1964), Chen Zhen (Ch'en Chen, * 1955, ✝ 2000), Gu Wenda (Ku Wen-ta, * 1955), Tang Song (T'ang Sung, * 1960) sowie Xu Bing (Hsü Ping, * 1955). In sehr unterschiedlicher Weise setzen sich die Künstler verschiedener Generationen mit den Kunsttraditionen des alten China wie mit der chinesischen Kunst des 20. Jahrhunderts auseinander, einschließlich des sozialistischen Realismus und der heroisch-idealistischen, sozialistischen Propagandakunst, wie sie in China durch Jahrzehnte bis heute offizielle Anerkennung genießt (Wang Guangyi [Wang Kuang-i], * 1956; Liu Wei [Liou Wei], * 1963; Yan Pei Ming [Yen P'ei Ming], * 1960; Yu Hong [Yü Hung], * 1966; Yu Youhan [Yü Yu-han], * 1943; Zhao Bandi [Chao Pan-ti], * 1963; Chen Haiyan [Ch'en Hai-yen], * 1955; Zhao Jianren [Chao Chien-jen], * 1960 und Fang Lijun [Fang Li-chün], * 1964, der außer in der Avantgardeausstellung 1993 auch auf der Biennale von Venedig vertreten war).
J. Fontein: Die Kunst der Chinesen, in: Propyläen-Kunstgesch., Bd. 17 (1968);
W. Willetts: Das Buch der c. K. (a. d. Engl., 1968);
Y. Chiang: Chinese calligraphy. An introduction to its aesthetic and technique (ebd. 31973);
Chin. Malerei seit der Kulturrevolution, hg. v. F. R. Scheck (1975);
J. Cahill: Hills beyond a river (New York 1976);
C. A. S. Williams: Outlines of Chinese symbolism and art motives (Nachdr. New York 31976);
S. C. Y. Fu u. a.: Traces of the brush. Studies in Chinese calligraphy (1977);
J. Cahill: Parting at a shore (New York 1978);
H. M. Garner: Chinese lacquer (London 1979);
C.-T. Li: Trends in modern Chinese painting (Ascona 1979);
Neuere archäolog. Funde aus der VR China, Ausst.-Kat. (Zürich 1980);
Chin. Bronzen, bearb. v. C. Deydier (a. d. Frz., 1981);
J. Cahill: The compelling image. Nature and style in seventeenth century Chinese painting (Cambridge, Mass., 1982);
J. Cahill: The distant mountains (New York 1982);
H.-S. Péng: Die Höhlentempel von Dunhuang: Ein Jt. c. K. (a. d. Engl., 1982);
D. u. V. Elisseeff: Neue Funde in China (a. d. Frz., 1983);
T. Fu: Die unterird. Tonarmee des Kaisers Qin Shi Huang (1985);
R. Violet: Einf. in die Kunst Chinas (21986);
J. L. Cohen: The new Chinese painting. 1949-1986 (New York 1987);
Alte chin. Gartenkunst, hg. v. Qiao Yun (21988);
Schätze Chinas in Museen der DDR, hg. v. H. Bräutigam, Ausst.-Kat. (1989);
M. Keswick: Chin. Gärten. Gesch., Kunst u. Architektur (a. d. Engl., 1989);
E. von Erdberg: Ancient Chinese bronzes. Terminology and iconology (1993);
R. Kaltenbrunner: Minhang, Shanghai: Die Satellitenstadt als intermediäre Planung. Chinas Architekten zw. kompetitivem Anspruch u. parteipolit. Realität (1993);
China-Avantgarde, hg. v. W. Pöhlmann (1993; Ausst.-Kat. Haus der Kulturen der Welt, Berlin);
W. Eberhard: Lex. chin. Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (41994).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
chinesische Architektur: Blöcke und Balken, Hallen und Höfe
chinesische Kunst aus der Fabrik: Seide, Lack und Porzellan
chinesische Malerei: Eine der »hohen Künste«
chinesische Plastik: Grabfiguren, Gottheiten und Dämonen
chinesische Ritualbronzen: Speise- und Trinkgefäße für die Ahnen
Universal-Lexikon. 2012.