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Kulturrevolution
Kul|tur|re|vo|lu|ti|on 〈[-vo-] f. 20
1. 〈i. w. S.; Marxismussozialistische Revolution auf kulturellem Gebiet
2. 〈i. e. S.; China1966 von einer Führungsgruppe der Kommunistischen Partei Chinas eingeleitete Bewegung, die sich gegen Funktionäre, Intellektuelle u. Künstler richtete

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Kul|tur|re|vo|lu|ti|on, die:
1. [ von russ. (socialističeskaja) kul'turnaja revoljucija] (marx.) Revolution im kulturellen Bereich mit dem Ziel der Herausbildung einer sozialistischen Kultur.
2. <o. Pl.> (zwischen 1966 u. 1976) politisch-ideologische Kampagne in China, die gegen Denk- u. Lebensweisen traditioneller Prägung u. deren Vertreter gerichtet war.

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Kulturrevolution,
 
1) in der marxistisch-leninistischen Terminologie sowjetischer Prägung die schrittweise Verallgemeinerung des überlieferten zivilisatorischen Standards (technisches Wissen, Bildung) und Einübung neuer gesellschaftlicher Verhaltensnormen zur Formung eines neuen sozialistischen Menschentyps.
 
 2) Große Proletarische Kulturrevolution, Bezeichnung für die innenpolitischen Macht- und Richtungskämpfe in der Volksrepublik China 1965/66-69; eingeleitet von Mao Zedong, um seine seit 1958/59 geschwächte Position (Scheitern der Politik des »Großen Sprungs nach vorn« und der »Volkskommunen«) wieder zu festigen und die mehr pragmatisch orientierte Gruppe um Liu Shaoqi (Staatsoberhaupt) und Deng Xiaoping (Generalsekretär der KPCh) auszuschalten; ging einher mit einer breiten politisch-ideologischen Kampagne (Maoismus), die sich offiziell (Beschluss des 11. Plenums des ZK der KPCh über die Kulturrevolution vom August 1966) gegen Vertreter des »kapitalistischen Weges« sowie gegen Denk- und Lebensweisen traditionell chinesischer Prägung richtete.
 
Vorbereitet durch Aktionen gegen kritische Intellektuelle (seit Herbst 1965), insbesondere gegen Literaten und Publizisten, wurde die Kulturrevolution offiziell 1966 von der linken Fraktion um Mao Zedong, seiner Frau Jiang Qing und Lin Biao (Verteidigungsminister) ausgelöst. Zur Durchsetzung ihrer Ziele mobilisierte sie Millionen von Studenten und Schülern, die sich in Roten Garden organisierten; diese terrorisierten v. a. seit Mitte 1966 in den Großstädten die Kritiker Mao Zedongs (Durchführung von »Kampfversammlungen«, Demütigung, Misshandlung oder Tötung von Funktionären, Wissenschaftlern und Lehrern) und zerstörten zahlreiche Kulturgüter (Tempel, Kirchen). Universitäten und Schulen blieben jahrelang geschlossen. »Sonderuntersuchungsgruppen«, die im Auftrag der maoistischen Führung während der Kulturrevolution den politischen Terror bürokratisch organisierten und zu lenken versuchten, schufen sich ein weit verzweigtes Informations- und Spitzelnetz in ganz China, verhafteten zur Vorbereitung politischer Säuberungen Zehntausende hochrangiger Kader und lieferten die in Ungnade Gefallenen häufig gezielt den »kulturrevolutionären« Massen aus.
 
Die Kulturrevolution führte zur weitgehenden Zerschlagung des chinesischen Partei- und Staatsapparates (u. a. Sturz Liu Shaoqis und Deng Xiaopings). Sie war von einer kulturellen Verehrung Mao Zedongs (»Großer Vorsitzender«, »Großer Steuermann«) begleitet; es kam zu einer massenhaften Verbreitung seines »Roten Buches« (auch als »Mao-Bibel« bekannt). Die zunehmend außer Kontrolle geratenen und seit Anfang 1967 von militanten »Roten Rebellen« (Gelegenheitsarbeiter, Lehrlinge) unterstützten Roten Garden, die v. a. in den Provinzstädten auf harten Widerstand stießen (bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen), wurden 1967/68 in blutigen Aktionen von der Armee diszipliniert, die als Ordnungsmacht, u. a. durch ihre führende Beteiligung bei der Schaffung von »Revolutionskomitees«, stark an Einfluss gewann. Millionen von Jugendlichen wurden anschließend zur Arbeit aufs Land umgesiedelt.
 
Die Kulturrevolution wurde de facto mit dem IX. Parteitag der KPCh im April 1969 beendet (Wahl einer kulturrevolutionär orientierten Führungsgruppe, Ernennung Lin Biaos zum Nachfolger Mao Zedongs). Da sich in den folgenden Jahren wesentliche Züge der Kulturrevolution erhielten (v. a. maoistische Ausrichtung von Wissenschaft und Kultur, erneute machtpolitische Kämpfe, Wechsel ultralinker mit pragmatischer Politik), wird ihre Dauer heute meist bis 1976 angegeben. Diese »zehn Jahre Chaos« waren in ihrer zweiten Hälfte u. a. durch einen Putschversuch des an Einfluss verlierenden Lin Biao (1971), die Machtergreifung durch die »Gemäßigten« unter Zhou Enlai (ab 1972/73) und das Wirken der Viererbande (1976) geprägt. Die meisten verfolgten Politiker und Intellektuellen wurden später rehabilitiert. Die Kulturrevolution beeinflusste nicht zuletzt das Denken der intellektuellen Linken in Westeuropa v. a. in den 60er-Jahren.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
China: Die Ära Mao
 

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Kul|tur|re|vo|lu|ti|on, die [LÜ von russ. (socialističeskaja) kul'turnaja revoljucija] (marx.): Revolution im kulturellen Bereich mit dem Ziel der Herausbildung einer sozialistischen Kultur: Ob wir nicht wüssten, dass Kulturbarbarei sei, was unter Maos Verantwortung als K. propagiert werde (W. Brandt, Begegnungen 119).

Universal-Lexikon. 2012.