Rạffa|el,
Rạpha|el, eigentlich Raffaello Sạnti (Sạnzio), italienischer Maler und Baumeister, * Urbino vermutlich 6. 4. 1483, ✝ Rom 6. 4. 1520; war zunächst Gehilfe seines Vaters Giovanni Santi (✝ 1494), dann Schüler Peruginos in Perugia; um 1499 wieder in Urbino, war 1504 und erneut 1506 in Florenz, seit Ende 1508 in Rom, seit 1514 Bauleiter der Peterskirche (sein Langhausentwurf wurde nicht ausgeführt) und Konservator der antiken Denkmäler Roms. Er ist im Pantheon beigesetzt. Raffael zählt neben Leonardo da Vinci und Michelangelo zu den bedeutendsten Künstlern der Hochrenaissance. Seine ausgewogenen Kompositionen gelten in ihren subtilen Beziehungsgefügen als Inbegriff klassischer Vollkommenheit; sein künstlerisches Ideal von Anmut und Schönheit ist bis ins 20. Jahrhundert hinein als vorbildlich rezipiert worden.
Sein frühes Hauptwerk, »Die Vermählung Mariä« (1504; Mailand, Brera), zeigt in der feierlichen Symmetrie und den empfindsam bewegten Figuren bei aller Eigenständigkeit noch den prägenden Einfluss von Perugino. Dessen zarte, abgeklärte Stimmung erfuhr in den Florentiner Jahren - die Raffael, obwohl er bereits selbstständig tätig war, als Lehrzeit auffasste - entscheidende Vertiefung und Bereicherung. Geschult v. a. an der Kunst Leonardos und in Rom Michelangelos, entwickeln seine Figuren freie Körperentfaltung und Beweglichkeit und fügen sich durch vielfältige Wechselbeziehungen organisch in ein meist pyramidales Ordnungsgefüge ein. Außer für Bildnisse erhielt er in Florenz v. a. Aufträge für Madonnendarstellungen, die er, halb- oder ganzfigurig, auch, z. B. in der »Heiligen Familie Canigiani« (um 1505/06; München, Alte Pinakothek), zur kunstvoll organisierten Gruppe erweitert, in idyllische Landschaften einbettete.
Die monumentalen Aufgaben in Rom führten zum Höhepunkt seiner künstlerischen Gestaltung. In den päpstlichen Prachträumen, den Stanzen des Vatikans, entfaltete er in seinen Fresken in weiten, perspektivischen Schauplätzen eine souveräne Regie vielfiguriger Kompositionen. In der als Bibliothek gedachten Stanza della Segnatura (1508-11) sind die weltanschaulichen Vorstellungen seiner Zeit in der Verbindung von christlichem und antikem Gedankengut v. a. mit der »Schule von Athen« und der »Disputa« umfassend formuliert. Während sie und auch die Fresken der Stanza d'Eliodoro (1512-14) weitgehend eigenhändig ausgeführt sind, waren an der Stanza dell'Incendio di Borgo (1514-17) Gehilfen, u. a. Giulio Romano und Gianfrancesco Penni (* um 1488, ✝ um 1528), wesentlich beteiligt; in der Darstellung des Borgobrands ist die harmonisch rhythmisierte Gestaltung bereits empfindlich gestört und im Sinne des Manierismus dynamisiert. Gleichzeitig war Raffael mit einem weiteren päpstlichen Großauftrag, den Kartons für Wandteppiche der Sixtinischen Kapelle, beschäftigt (1515-16); die den Raum füllenden Gestalten (in Szenen aus der Geschichte der Apostel Petrus und Paulus) setzen Michelangelos plastisch angelegte Figuren in Raffaels Sprache um (sieben der zehn großen Entwurfskartons befinden sich in London im Victoria and Albert Museum, die Teppiche in den Vatikanischen Sammlungen). Neben dem Vatikan war ein weiterer wichtiger Auftraggeber in Rom A. Chigi: Um 1512 schuf Raffael in der Villa Farnesina das mythologische Wandbild »Triumph der Galatea« (Bild Galatea), und 1517 entwarf er die Dekoration für die Loggia der Villa mit den Deckenbildern »Hochzeit von Amor und Psyche« und »Rat der Götter«. Infolge seiner Überlastung mit Aufträgen überließ Raffael die Ausführung wie bei den Loggien des Vatikans weitgehend seiner Werkstatt. Auch die Tafelbilder der römischen Zeit sind von dem an den Fresken entwickelten Monumentalstil geprägt. Raffaels Mariendarstellungen wie die »Sixtinische Madonna« (um 1513/14, 1516 fertig gestellt; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen) haben in der Verbindung inniger Mütterlichkeit mit entrückter Idealität klassisch-vorbildhafte Bedeutung erlangt. Auch seine späteren Porträts sind durch das Streben nach einer geschlossenen Großform bestimmt (»Baldassare Castiglione«, um 1515, Paris, Louvre; »Donna Velata«, um 1516, Florenz, Palazzo Pitti), und trotz der humanistisch geprägten Distanz des Künstlers zum Bildgegenstand gelingt es Raffael, vom Individuellen zum Typischen, Gültigen vorstoßend, dem Porträt gleichzeitig durch feine psychologische Beobachtung und stoffliche Charakterisierung unmittelbare Präsenz zu geben. Für das Gruppenbild wurde »Leo X. mit den Kardinälen Giulio de' Medici und Luigi de' Rossi« (um 1518; Florenz, Uffizien) wegweisend. Sein letztes großes Altarbild, die »Verklärung Christi« (1517 begonnen; Vatikanische Sammlungen), von Dramatik erfüllt, wurde von Giulio Romano vollendet.
Als Baumeister folgte Raffael dem Stil Bramantes und arbeitete eng mit A. da Sangallo dem Jüngeren, und dessen Bruder Battista (* 1496, ✝ 1552) zusammen; die Villa Madama (um 1516 folgende) ist vom Palastbau der antiken römischen Baukunst abgeleitet, die Gewölbehallen greifen auf die hohe römische Apsis zurück, die Stuckdekorationen (von Giulio Romano und Giovanni da Udine) auf die antike Ornamentik (Grotesken). Am reichen Bestand von Handzeichnungen lässt sich die Entstehung seiner Werke - auch der Architektur - verfolgen. Verlorene Originale sind in Stichen von M. Raimondi u. a. überliefert.
Während für J. J. Winckelmann und die Klassik v. a. der Künstler Raffael interessant war, entdeckten die Romantiker auch den Menschen Raffael (W. H. Wackenroder, »Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders«, 1797; L. Tieck, »Franz Sternbalds Wanderungen«, 4 Teile, 1798). Die von G. Vasari überlieferten Liebesabenteuer Raffaels fanden Eingang in zahlreiche Dichtungen, u. a. in Novellen wie A. von Arnims »Raphael und seine Nachbarinnen« (1824), in P. Heyses Versnovelle (»Rafael«, 1863) und R. Voss' Drama (»Rafael«, 1883).
Weitere Werke:
Tafelbilder (Datierungen umstritten): Madonna Solly, 1500/01 (Berlin, Gemäldegalerie); Madonna Diotalevi, um 1502 (Berlin, Gemäldegalerie); Die drei Grazien, 1502/03 (Chantilly, Musée Condé); Madonna Conestabile, 1502/03 (Sankt Petersburg, Eremitage); Sposalizio, 1504 (Mailand, Brera); Madonna Terranuova, um 1505 (Berlin, Gemäldegalerie); Madonna del Granduca, um 1505 (Florenz, Palazzo Pitti); Madonna im Grünen, um 1505 (Wien, Kunsthistorisches Museum); Angelo und Maddalena Doni, um 1505 (Florenz, Palazzo Pitti); Madonna del Cardellino, um 1506 (mit dem Stieglitz; Florenz, Uffizien); Madonna mit Kind und Johannes, 1507 (»La belle Jardinière«, Paris, Louvre); Grablegung Christi, 1507 (Rom, Galleria Borghese); Madonna Colonna, 1507 (Berlin, Gemäldegalerie); Madonna Tempi, 1507 (München, Alte Pinakothek); Madonna del Baldacchino, 1507 (Florenz, Palazzo Pitti); Kardinal, 1510/11 (Madrid, Prado); Madonna Alba, 1510/11 (Washington, District of Columbia, National Gallery of Art); Papst Julius II., 1510/11 (Florenz, Uffizien, vermutlich Kopie); Madonna di Foligno, 1510/11 (Vatikanische Sammlungen); Madonna mit dem Fisch, um 1513 (Madrid, Prado); Madonna della Tenda, um 1514 (München, Alte Pinakothek); Madonna della Seggiola, um 1514 (Florenz, Palazzo Pitti); Jüngling, um 1514 (Krakau, Nationalmuseum; Verbleib nicht bekannt); Heilige Cäcilie, um 1514 (Bologna, Pinakothek).
Bauwerke: Sant'Eligio degli Orefici, Rom (Entwurf um 1511/12, begonnen 1514); Palazzo Branconio dell'Aquila und Palast Raffaels, ebenda (zerstört); Chigi-Kapelle in Santa Maria del Popolo, ebenda (begonnen 1513-16); Palazzo Pandolfini(?), Florenz (begonnen um 1516).
L. Dussler: R., Krit. Verz. der Gemälde, Wandbilder u. Bildteppiche (1966);
R. Quednau: Die Sala de Costantino im Vatikan. Palast (1979);
K. Oberhuber: Raphaels »Transfiguration«. Stil u. Bedeutung (1982);
J.-P. Cuzin: Raphaël. Vie et œuvre (Paris 1983);
H. Falck-Ytter: Raphaels Christologie (1983);
Raphael - die Zeichnungen, bearb. v. E. Knab u. a. (1983);
Raffaello e i Suoi. Disegni di Raffaello e della sua cerchia, bearb. v. D. Cordellier u. a., Ausst.-Kat. Villa Medici, Rom (Rom 1992);
H. Locher: R. u. das Altarbild der Renaissance. Die »Pala Baglioni« als Kunstwerk im sakralen Kontext (1994);
E. Ullmann: R. (31997).
Universal-Lexikon. 2012.