De|los; Delos':
Insel im Ägäischen Meer.
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Delos,
neugriechisch Dilos ['ȓilɔs], auch Mikrạ Dilos [-'ȓilɔs], kahle, zu Mykonos gehörende Insel der Kykladen, Griechenland, 3,4 km2, kaum bewohnt; liegt zwischen den Inseln Mykonos im Nordosten und Rinia, auch Megali Dilos (13,7 km2) im Westen; aufgebaut aus Gneis und Granit. Delos ist von Mykonos aus regelmäßig zu erreichen.
Geschichte, Kult:
Älteste Siedlungsspuren (auf dem Kynthos, 113 m über dem Meeresspiegel) reichen bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurück (frühe Kykladenkultur); eine größere Siedlung, nun in der Ebene, ist für das 2. Jahrtausend nachgewiesen (kretisch-mykenische Kultur). Eine erste Blüte erlebte Delos in archaischer Zeit. Der Kult des Apoll setzte um 1000 v. Chr. ein; im 8./7. Jahrhundert v. Chr. wurde Delos das ionische Zentrum der Apollonverehrung, da nach dem Mythos Leto auf Delos (nach der Überlieferung zum Teil mit einem mythischen Ortygia identifiziert) die Zwillinge Apoll und Artemis zur Welt gebracht hatte. Ältere Kulte lebten daneben weiter oder wandelten sich: der Kult der großen Vegetations- und Fruchtbarkeitsgöttin (später mit Artemis gleichgesetzt) und der hyperboreischen Jungfrauen, ferner der Hera, des Zeus Kynthios und der Athena Kynthia (Kultstätten auf dem Gipfel des Kynthos, von dem auch Apoll und Artemis ihre Beinamen Kynthios beziehungsweise Kynthia hatten). Auch Leto genoss große Verehrung; der Felsen und die Palme (der Ort, wo sie geboren haben soll) gehörten zu den größten Heiligtümern der Insel; sodann der würfelförmige Altar des Apoll, der dem mathematischen delischen Problem den Namen gegeben hat. Als Orakelstätte war Delos nur in archaischer Zeit bedeutend. Alljährlich vereinte das Hauptfest, die Delien, die Ionier zu Feiern und Spielen. Mit der Begründung, die Heiligkeit der Insel dulde weder die Geburt noch den Tod eines Menschen auf ihr, wurden unter Peisistratos um 535 alle Gräber in dem vom Tempel aus überschaubaren Bereich entfernt. 426 v. Chr. wurde die Reinigung für die ganze Insel wiederholt.
Als Zentrum der von Naxos, später von Athen geleiteten ionischen Amphiktionie wurde Delos 477 v. Chr. zum Mittelpunkt des 1. Attischen Seebundes und Sitz der Bundeskasse (bis 454). Delos blieb dann unter athenischer Verwaltung, bis es 314 die Unabhängigkeit erlangte und zum Zentrum des »Bundes der Inselgriechen« wurde. 166 wurde es durch die Römer zum Freihafen erklärt und an Athen zurückgegeben, das dort eine Kolonie anlegte. Als wichtiger, auch von den Italikern stark besuchter Handelsplatz und größter Sklavenmarkt des Altertums erreichte Delos damals seine höchste Blüte. Nach zweimaliger Verwüstung durch Mithridates VI. von Pontos (88) und die mit ihm verbündeten Seeräuber (69) verlor Delos alle Bedeutung. Seitdem verödete die Insel (letztes Opfer für Apoll durch Kaiser Julian 362 n. Chr.), war aber noch bis ins 14. Jahrhundert besiedelt.
Französische Ausgrabungen seit 1873 erbrachten ein reiches Bild der vorchristlichen Kultstätte: Das Zentrum des heiligen Bezirks bildeten drei kleinere, Apoll geweihte Tempel (von Westen nach Osten): der Porostempel (nach der Mitte des 6. Jahrhunderts über kleinerem Vorgängerbau), der »Tempel der Athener« (nach 435 v. Chr. errichtet, vielleicht von Kallikrates) und als größter ein Peripteros, der im frühen 5. Jahrhundert begonnen, aber erst um 300 v. Chr. fertig gestellt wurde. Sie waren umgeben von vier Schatzhäusern, dem Haus der Naxier (um 600; unter dem Mamorboden fanden sich Reste der Holzstützen eines protogeometrischen Baus; vor der Ostseite wurde ein kleiner Kultbau des späten 2. Jahrtausends freigelegt, vor der Nordseite befand sich eine 9 m hohe Votivstatue »Apoll der Naxier«, 7. Jahrhundert), der »Schiffshalle« (Stierhalle; Pythion?) mit Granitsockel für ein Schiff (3. Jahrhundert) u. a. Hallenbauten. - Westlich, in Hafennähe, lag der Bezirk der Artemis mit einem kleinen Tempel des 2. Jahrhunderts über einem Tempel des 7. Jahrhunderts, dem ein weiterer Vorgängerbau vorangeht, nördlich der Tempel der Leto; von ihm führte eine mit monumentalen Löwenskulpturen (7. Jahrhundert) gesäumte Prozessionsstraße zum heiligen See (1926 zugeschüttet); im 2. Jahrhundert kam hier die »Agora der Italiker« hinzu mit Häusern der auswärtigen Kaufleute. Der Apollonbezirk wurde um 250 v. Chr. durch eine 120 m lange Säulenhalle des Antigonos II. Gonatas im Norden zum Geschäftsbezirk abgegrenzt. - Die hellenistische Stadt entwickelte sich südlich des Apollonbezirks und zog sich bis zum Kynthos hinauf. Freigelegt wurden u. a. die Agora (der Delier), mosaik- und freskengeschmückte Peristylhäuser (Haus der Masken, Haus der Delphine) und das Theater (3. Jahrhundert); am Hang des Kynthos lagen Heiligtümer syrischer und ägyptischer Götter, auf der Höhe u. a. Reste eines Heratempels (6. Jahrhundert, über einem Tempel des 7. Jahrhunderts) und eines Zeusheiligtums (3. Jahrhundert, Spuren des 7. Jahrhunderts). - Nordöstlich des heiligen Bezirks entstanden die alte (3. Jahrhundert) und die neue Palästra und zur Ostküste hin Gymnasion und Stadion. Die Befestigungslinie entstand nach 69 durch den römischen Statthalter Triarius. Der Hafenbezirk wurde von den Römern 126/125 ausgebaut. Auch aus nachchristlicher Zeit gibt es römische Überreste, u. a. die einer frühchristlichen Basilika (5. Jahrhundert). - Die Insel Delos wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
P. Roussel: D., colonie athénienne (Paris 1916);
H. Gallet de Santerre: D. primitive et archaique (Paris 1958);
P. Bruneau: Recherches sur les cultes de D. à l'époque hellénistique et à l'époque impériale (Paris 1970);
Delo e l'Italia, hg. v. F. Coarelli (Rom 1982);
C. Vial: D. indépendante, 314-167 avant J.-C. (Paris 1984).
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De|los; Delos': Insel im Ägäischen Meer.
Universal-Lexikon. 2012.