Theben,
1) griechisch Thebai, neugriechisch Thiva ['θɪva], Stadt im Verwaltungsbezirk (Nomos) Böotien, Griechenland, im fruchtbaren Becken von Theben, 19 500 Einwohner; orthodoxer Bischofssitz; Textil-, chemische Industrie, Porzellanfabrik, Nahrungsmittelindustrie. — Ausgrabungen haben einige Räume zweier übereinander liegender, allerdings unterschiedlich ausgerichteter mykenischer Paläste (im 13. Jahrhundert zerstört) freigelegt. Die Funde umfassen Freskenreste, Werkstätten (mit Rohmaterial), Elfenbeinschnitzereien, Tontäfelchen (Linear B) aus der Zeit des älteren Palastes (gegen 1300 v. Chr.) und zum Teil ebenfalls mit Linear B beschriftete Tongefäße, ferner 42 orientalische Siegel, die kassitische Keilinschriften tragen. Mykenische Gräber wurden in der nächsten Umgebung gefunden. Aus der Zeit des Böotischen Bundes sind fast keine Überreste erhalten; festgestellt wurde u. a. ein Demeterheiligtum klassischer Zeit (das Pausanias als das Haus des Kadmos ansah). - Das archäologische Museum (Funde aus Böotien) liegt in den Umfassungsmauern des fränkischen Kastells von 1322. — Theben wurde im Altertum von der im Südteil der Stadt gelegenen Burg, der Kadmeia (die schon bei Homer »siebentorig« genannt wird), beherrscht, deren Name auf den sagenhaften Stadtgründer Kadmos hinweist. Theben galt auch als Geburtsstätte von Dionysos und Herakles sowie als Schauplatz der Sage von Ödipus, den »Sieben gegen Theben« und Antigone. In mykenischer Zeit war Theben Sitz eines Königtums. Schon seit früher Zeit erstrebte die Stadt eine beherrschende Stellung in Böotien. Innerhalb des im 6. Jahrhundert v. Chr. gegründeten böotischen Städtebundes stieg Theben bald zum Vorort auf. Während der Perserkriege stand es auf persischer Seite. Nach Wiederherstellung des Böotischen Bundes (447 v. Chr.) wurde es Sitz der Bundesregierung. Auseinandersetzungen mit Sparta, das Theben im Peloponnesischen Krieg gegen Athen unterstützt hatte, führten im Korinthischen Krieg (395-386 v. Chr.) zum Zusammengehen Thebens mit Athen, Argos und Korinth. 382-379 hielten die Spartaner die Kadmeia besetzt. Mit dem Sieg bei Leuktra 371 v. Chr. durch Epameinondas brach Theben die Vorherrschaft Spartas und errichtete selbst die Hegemonie über Griechenland, scheiterte aber schließlich am Eingreifen Philipps II. von Makedonien (338 v. Chr. Niederlage bei Chaironeia). Nach einem Aufstand gegen Alexander den Großen wurde Theben 335 v. Chr. zerstört, 316 dann von Kassander wieder errichtet. Erst in byzantinischer Zeit erreichte es als Zentrum der Seidenherstellung vorübergehend wieder Bedeutung. Nach 1204 gehörte es zum Herzogtum Athen.
H. Beister: Unterss. zu der Zeit der theban. Hegemonie (1970);
2) altägyptisch Weset oder Nut, in der Bibel No, griechisch-lateinisch Diọspolis magna [»große Stadt des Zeus«, nach dem Tempel des mit Zeus gleichgesetzten Gottes Amun; nach dessen Lage auch nur für den Stadtteil Theben-Ost gebraucht], Stadt des Altertums in Oberägypten, auf beiden Seiten des Nils; heute liegt an der Stelle von Theben die Stadt Luxor. Der griechische Name Thebai ist die gräzisierte Form der ägyptischen Bezeichnung eines Urhügels, der auf dem Gelände des Totentempels Ramses' III. lag. Theben gewann erst seit der 11. Dynastie (2040-1991 v. Chr.) an Bedeutung. Unter der 18. Dynastie (1552-1306 v. Chr.) war es Hauptstadt des ägyptischen Reiches und entwickelte sich zu einer weithin ausstrahlenden Weltstadt (bei Homer später »das hunderttorige Theben« genannt). Thebens politische Bedeutung ging zurück, als die 19. Dynastie (Ramessiden) um 1300 v. Chr. die Residenz ins Nildelta verlegte, behielt aber seine Stellung als religiöser Mittelpunkt Ägyptens (Verehrung des Reichsgottes Amun). Von der Zerstörung durch den Assyrerkönig Assurbanipal (664 v. Chr.) erholte sich Theben nicht mehr; unter römischer Herrschaft wurde es 30/29 v. Chr. endgültig zerstört.
Die Pharaonen errichteten gewaltige Palastanlagen und riesige Tempelbezirke in Theben-Ost (auch beim heutigen Karnak). In Theben-West auf dem Westufer des Nils lag die Totenstadt der Metropole mit den großen Totentempeln des Mentuhotep und der Hatschepsut (Deir el-Bahari), von Amenophis III. (Memnonskolosse), von Sethos I. (der durch Unwetter besonders 1994 stark beschädigte Totentempel wurde saniert) und den Ramessiden (Ramesseum, Medinet Habu), ferner zahlreiche Felsengräber in den Tälern, v. a. im Tal der Könige sowie im Tal der Königinnen, neben dynastischen auch Gräber von vielen hohen Priestern und Beamten, z. B. Grab des Amenemope, genannt Ipi (frühe 19. Dynastie), an dessen Malereien die im Grab eines jüngeren Ipi der 26. Dynastie bei Deir el-Bahari anknüpfen. Nahe vor Medinet Habu wurde auch eine Palastanlage (von Amenophis III.) freigelegt (arabisch Malkata), und zwar Grundmauern, Wälle eines ehemaligen künstlichen Sees und Spuren eines Verbindungskanals zum Nil, außerdem Wandmalereireste und Keramik. - Stadt und Nekropole wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. - 1988 fand man im Tal der Könige den Eingang zu einem unterirdischen Begräbnissystem, in dem vermutlich Söhne des Pharaos Ramses II. bestattet sind. Die Ausgrabungen sind noch nicht abgeschlossen.
Universal-Lexikon. 2012.