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mykenische Kultur
I
mykenische Kultur
 
Bei der Suche nach Mykene, der Stadt des homerischen Helden Agamemnon, orientierte sich der deutsche Ausgräber Heinrich Schliemann (1822-90) an den Schriften des Pausanias, der um 170 n. Chr. ein Reisehandbuch über Griechenland verfasst hatte. Bereits 1876 entdeckte Schliemann bei seinen Grabungen Schachtgräber mit reichen Grabbeigaben innerhalb der Burg von Mykene, unter denen er auch das »Grab des Agamemnon« vermutete. Die mächtige Burg gab dem ganzen Zeitalter den Namen; die mykenische Periode umspannte etwa die Jahre von 1600-1200 v. Chr.
 
Nach der Einwanderung von Indogermanen nach Hellas um 1900 entstand in der mittleren Bronzezeit (bis ca. 1600) allmählich eine Mischkultur aus traditionell ägäischen und aus indogermanischen Elementen. Diese Mischkultur kam ab 1600 mit zwei unterschiedlichen Hochkulturen in engeren Kontakt: mit dem minoischen Kreta und dem Vorderen Orient. Aus der Verschmelzung der bisherigen Traditionen mit diesen neuen Anregungen entstand die mykenische Kultur.
 
In der frühmykenischen Zeit (ca. 1600-1500) wurden neben den traditionellen Schachtgräbern zunehmend auch Kuppelgräber errichtet, die ebenfalls reichlich mit Grabbeigaben versehen waren. Zentren der aufblühenden mykenischen Kultur waren die Argolis (mit Mykene) und der Westpeloponnes. Während der mittelmykenischen Zeit (ca. 1500-1400) griffen die Mykener verstärkt nach Kreta aus und besetzten Knossos, das zum mykenischen Machtzentrum der Insel wurde. Zeichen dieser Dominanz sind mykenische Kammergräber sowie die einen frühgriechischen Dialekt wiedergebende Linearschrift B, die in Knossos ebenso wie in Mykene oder Pylos gefunden worden ist.
 
Die großen Paläste von Mykene, Tiryns, Pylos, Theben und andere entstanden erst in der spätmykenischen Periode (1400-1200). An besonders hervorragenden Monumentalbauten sind das »Schatzhaus des Atreus« (ein Kuppelgrab mit einem Gewölbedurchmesser von 14,5 m) und das Löwentor von Mykene zu nennen. Nach minoischem Vorbild waren die Paläste mit Fresken geschmückt, wobei jedoch Kampf- und Jagdszenen dominierten. Die mykenische Kultur hatte einen kriegerischen Charakter, wie ihn auch die wehrhaften, stark befestigten Burgen bezeugen.
 
Rückschlüsse auf staatliche und gesellschaftliche Aspekte der mykenischen Zeit können aus den erhaltenen Monumenten und den homerischen Epen, die die mykenische Kultur zum Teil widerspiegeln, nur vorsichtig gezogen werden. Man geht von der Existenz eines starken Königtums aus; vom einfachen Volk hob sich die Kriegerklasse ab, die mit Streitwagen in den Kampf fuhr. Die prächtig ausgestatteten Kuppelgräber belegen einen Totenkult um die verstorbenen Könige, der wohl auch von ägyptischen Jenseitsvorstellungen beeinflusst war.
 
Wie die Kreter bauten die Mykener weit reichende Handelsbeziehungen auf; mykenische Siedlungen konnten auf den Kykladen, auf Rhodos und im Westen Kleinasiens nachgewiesen werden. Im 12. Jahrhundert führte die »Ägäische Wanderung« zum Zusammenbruch der mykenischen Kultur.
II
mykenische Kultur,
 
ägäische Kultur der späten Bronzezeit, deren Blüte im 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. lag; sie formierte sich im 16. Jahrhundert v. Chr.; ihre Wurzeln liegen einerseits in der helladischen Kultur des griechischen Festlands, andererseits in der minoischen Kultur Kretas. Die mykenische Kultur verbreitete sich in ganz Griechenland und auf den ägäischen Inseln, auf Zypern, zum Teil auch an der von den Hethitern kontrollierten Westküste Kleinasiens. Von der vorausgegangenen mittelhellad. Kultur setzte sich die mykenische Kultur durch den dominierenden minoischen Einfluss seit 1550 v. Chr. deutlich ab, obwohl auch Elemente der mittelhellad. Periode tradiert wurden. Die minoischen Einflüsse gelangten wohl über die Kykladen und die Insel Kythera auf das Festland, zuerst auf die Südpeloponnes (Messenien und Lakonien). Zu den wichtigsten befestigten und unbefestigten Palästen und Herrensitzen mit zugehörigen Siedlungen gehörten Mykene, Tiryns, Argos, Asine, Dendra, Pylos auf der Peloponnes, Athen, Theben, Orchomenos, Iolkos im nördlichen Griechenland. Träger der mykenischen Kultur waren Griechen (Achaier).
 
In der Chronologie werden die einzelnen Abschnitte der mykenischen Kultur anhand der keramischen Stilentwicklung mit SH I-III (Späthelladisch I-III) angegeben, was früh-, mittel- und spätmykenisch entspricht, zusätzlich unterteilt in SH I (circa 1600/1550-1500 v. Chr.), SH II A (1500-1450 v. Chr.), SH II B (1450-1420/1410 v. Chr.), SH III A 1 (1420/1410-1380/1370 v. Chr.), SH III A 2 (1380/1370-1300 v. Chr.), SH III B 1 (1300-1250 v. Chr.), SH III B 2 (1250-1200 v. Chr.), SH III C (1200-1100 v. Chr.), Submykenisch (1100/1060-1000 v. Chr.).
 
Im 13. Jahrhundert v. Chr. erfolgte der nochmalige Ausbau der Burgen in Mykene und Tiryns. Gegen 1200 v. Chr. endeten die meisten Paläste und Burgen in Brandkatastrophen. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit einer der Zerstörungen Trojas, deren Ursache die Forschung in dem von Homer in der »Ilias« berichteten Krieg der Achaier unter Führung Mykenes gegen Troja vermutete (mehrfach auch grundsätzlich wieder infrage gestellt). Die meisten Paläste wurden geplündert. Die Gründe für das Ende des Systems der mykenischen Palastkultur (Erdbeben, innere Unruhen, ein Zusammenhang mit den Seevölkerwanderungen) werden noch kontrovers diskutiert. Infolge der Katastrophen wurden eine Reihe von Orten ganz verlassen, andere, so Mykene, Tiryns und Asine in der Argolis, Theben in Böotien und Nikoria in Messenien, blieben bewohnt; von Zerstörungen verschont blieben Athen und Iolkos. Während des 12. Jahrhunderts v. Chr. verließen weitere große Bevölkerungsteile das Landesinnere und siedelten an der Küste, auf den Ägäischen Inseln und Zypern, es hielten sich Palaiokastro in Arkadien sowie Iellena und das Heiligtum von Amyklai in Lakonien. Mitte des Jahrhunderts gab es noch einmal eine Blütezeit. Im 11. Jahrhundert v. Chr. wurden die letzten mykenischen Küstensiedlungen aufgegeben (Levkandi auf Euböa, Perati in Attika, Asine und Epidauros Limera auf der Peloponnes), man spricht von der submyken. Epoche. Es folgte das »dunkle Zeitalter«, das mit dem Zusammenbruch der mykenischen Kultur beginnt, die ionische und die (neuerdings angezweifelte) dorische Wanderung einschließt, in dem das Eisen allmählich Verwendung findet und die Bronzezeit aufhört, und das mit der Konsolidierung des historischen Griechentums abschließt.
 
 Gesellschaft
 
Der Beginn der mykenischen Kultur im 16. Jahrhundert v. Chr. steht in engem Zusammenhang mit dem Auftreten fürstlicher Bestattungen, von Palästen und Verwaltungszentren. Diese Fürsten, die ihre Position besonders im 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. ausbauen konnten, waren Krieger, erfüllten sakrale Funktionen (im Megaron standen Thronsitz und Herdaltar) und kontrollierten die Wirtschaft. Sie organisierten die landwirtschaftliche und handwerklich-kunsthandwerkliche Produktion, Abgaben, Vorratshaltung, Wiederverteilung sowie den Handel. Diese redistributive Palastwirtschaft ähnelte der der minoischen Kultur. In den bei den Palästen liegenden mehr oder weniger städtischen Siedlungen fallen einige reiche Häuser, offenbar Handelshäuser, auf; im 13. Jahrhundert v. Chr. wurden diese in die Paläste integriert (SH III B). In der Kopais wurden schon in mittelhellad. Zeit Dämme gebaut, der größte Kanal entstand im 15./14. Jahrhundert v. Chr., von Orchomenos ausgehend, am Nordrand des Beckens (SH III A), durch den sowohl große Anbauflächen als auch Siedlungsland erschlossen wurden, Letzteres besonders bei dem Burgberg Gla. Noch die griechische Mythologie berichtet Jahrhunderte später von König Minyas. Wasserbauten sind auch in der Argolis nachzuweisen. Außerdem gibt es hier Reste von Straßentrassen und besonders von Brücken. Eine dieser Fahrstraßen verlief von Mykene zum argivischen Heraheiligtum, eine andere wohl von Nauplion nach Epidauros. Auf diesen Straßen rollten die zweirädrigen Wagen (meist als »Streitwagen« bezeichnet). Nach den Bestattungen zu urteilen, liebten die mykenischen Fürsten von Beginn an den Prunk, besonders Gold. Anscheinend war es Sitte, kostbare Gastgeschenke auszutauschen, wodurch mykenische Metallgefäße bis nach Deutschland und England gelangten. Auch mykenische Schwerter sind vielfach gefunden worden. Ihren Rohstoffbedarf deckten die Mykener v. a. im Nahen Osten und in Osteuropa, Kupfer bezogen sie aus Zypern und Kleinasien, auch aus Laurion in Attika, Zinn ebenfalls aus Kleinasien sowie aus Osteuropa (Rumänien, Slowakei). Aus dem Baltikum kam in der Frühzeit Bernstein; Elfenbein wurde aus Syrien bezogen. Andererseits importierten die Mykener auch Fertigprodukte oder erhielten sie als Geschenke: kretische Goldschmiedearbeiten, ägyptische Stein- und Fayencegefäße und Skarabäen, Amphoren aus Kanaan und orientalische Rollsiegel (Funde in Theben). Die mykenischen Handelswege reichten nicht nur weit über Land, sondern auch über das Mittelmeer; im Westen erreichten sie Unteritalien und Sizilien. Sie selbst belieferten die ganze Ägäis, Zypern, Syrien und Ägypten mit ihrer offenbar sehr begehrten Keramik, mit parfümierten Salben und vermutlich mit Wein und Olivenöl. Eine Reihe von Orten wurde im 13./12. Jahrhundert v. Chr. ganz verlassen, darunter Pylos, Gla und Orchomenos sowie Zyguris in der Phokis, andere blieben bewohnt. Frei stehende Vorratshäuser wurden nicht mehr errichtet, die zentrale Vorratswirtschaft war mit den Palästen untergegangen. Als Haustyp löste in spätmyken. Zeit das eingeschossige Viereckhaus das zweigeschossige Korridorhaus ab, das fast quadratische Räume entlang dem Korridor und im Obergeschoss einen Megaronraum besaß; Breiträume nahmen zu, der Herd lag jetzt in Eingangsnähe.
 
 Kunst
 
In frühmyken. Zeit stellen die Schachtgräber von Mykene (Gräberrund A und etwas älter Gräberrund B) mit ihren reichen Beigaben die bedeutendste Fundgruppe dar, jedoch stehen ihnen die Funde aus den Kuppelgräbern aus Messenien (Peristeria) kaum nach. Diese messen. Grabbauten repräsentieren als Erste den Typus des mykenischen Kuppelgrabes, das in Mykene erst etwas später auftrat (SH II) und im 14. Jahrhundert v. Chr. im »Schatzhaus des Atreus« gipfelte, Kuppelgrab).
 
Trotz der grundsätzlich anderen Gesamtanlage mit einem zentralen Megaron waren die mykenischen Paläste in den architektonischen Details (Säulen, Proportionen, Farben, Ornamente) den minoischen vielfach ähnlich. Nach lakonischen und messen. Vorläuferanlagen (Megara in Meneleion und Nikoria) entstanden die großen Megaronpaläste im 14. Jahrhundert v. Chr. (SH III A 2); die größten waren die von Mykene, Tiryns, Pylos und Theben, wo der Palast vielleicht unbefestigt blieb wie mit Sicherheit in Pylos, Orchomenos und Iolkos. Die kyklopischen Mauern wurden nach der Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr. verstärkt und erweitert, wobei neben Sicherheitsgründen offenbar auch die Darstellung der Macht (Monumentalität) und ein kultureller Anspruch (ästhetische Wirkung) eine Rolle spielten. An der Landenge von Korinth wurde ein Schutzwall errichtet.
 
Die engen Beziehungen zum minoischen Kreta drücken sich am deutlichsten im Kunsthandwerk aus; oft sind mykenische Nachahmungen von minoischen Vorbildern nicht zu unterscheiden, weil kretische Arbeiten nicht nur importiert, sondern auch von kretischen oder kretisch beeinflussten Künstlern auf dem Festland hergestellt worden sind.
 
Aus der frühmyken. Periode ist Keramik in mittelhellad. Tradition (Mattmalerei) überliefert, die zum Teil schon in SH I durch Senken der Brandtemperaturen Glanz gewinnen (typisch für das Alabastron), sowie Importe und Imitationen minoischer Vasen und einheimischer Gefäßtypen mit Dekorationen in kretischem Geschmack. Als charakteristische mykenische Gefäßform kann der Typ »Vaphiobecher« mit Profilring (und häufig Spiraldekor) gelten, ein wohl schon älterer helladischer Typ (reiche Importfunde auf Thera). Während der Periode SH II dominierten zunächst die mehr oder weniger selbstständig verarbeiteten minoischen Einflüsse, mit SH II B beginnt sich aber um 1450 v. Chr. ein neuer, rein mykenischer Stil auszuprägen: Der »ephyräische Becher« (aus Ephyra bei Korinth) hat nur einzelne, auf freien Grund gesetzte Motive. In den drei Phasen von SH III finden sich die Ornamente in strenger, klarer Anordnung auf dreiteiligen Amphoren, Krateren, Kannen (auch Bügelkannen), Bechern, Kylikes, Skyphoi usw. Bei großen Gefäßen dieser Zeit (v. a. Krateren) spielen figürliche Darstellungen von Tieren und Menschen eine Rolle in eigenwilligen, oft abstrakten Stilisierungen (reiche Funde auf Zypern); hergestellt wurden sie ursprünglich in der Argolis, wo die Wandmalerei dafür Anregungen bot. Die mykenischen Keramikstile setzten sich seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts v. Chr. auch auf Kreta durch, beginnend mit dem so genannten Palaststil von Knossos, der auch (frühere?) Beispiele auf dem Festland hat.
 
Arbeiten kretischer und einheimischer Goldschmiede lassen sich aufgrund der Formen und Dekore recht gut unterscheiden. Zum Schmuck der Männer sind die mit Edelmetalleinlagen nach kretischem Geschmack verzierten Schwert- und Dolchklingen und die kostbaren Schwert- und Dolchgriffe zu zählen (Zeremonialwaffen); Prunkdolche fanden sich auch in Frauengräbern, ebenso Goldringe (Siegelringe). Einheimische Künstler fertigten die Zackendiademe u. a. Schmuckteile aus dünnem Goldblech mit Reliefverzierung. Sie gehörten anscheinend v. a. zum Frauenschmuck, goldene Besatzplättchen wurden aber auch bei Männerbestattungen gefunden. Die goldenen Gesichtsmasken aus Mykene haben ebenfalls keine minoischen Parallelen. Die Metallgefäße, darunter goldene Becher und Tassen, sind von edler Schlichtheit, die klaren Formen stehen in helladischer Tradition; der mit figürlichen Reliefs verzierte goldene Vaphiobecher ist von einem Künstler der minoischen Kultur gearbeitet. Die Blütezeit der Toreutik lag im 14. Jahrhundert v. Chr. (SH III A), allerdings sind Importwaren aus Kreta von festländischen Treibarbeiten nicht zu unterscheiden (Bronzekessel u. a.). Bedeutende Leistungen erbrachten die mykenischen Waffenschmiede (v. a. Schwerter in verschiedenen Typen). In der spätmyken. Zeit wurden auch Rüstungen oder Teile davon aus Bronze gefertigt.
 
Siegel aus Gold (Goldblech) und Schmucksteinen (Gemmen) sind seit frühmyken. Zeit in Fülle nachzuweisen, die figürlichen Motive (vierfüßige Tiere, auch kultische Szenen u. a.) und der Stil der Darstellung sind vielfach dem minoischen Kulturkreis zuzuordnen. Sie wurden wohl v. a. als Schmuck getragen. Auf dem Festland werden seit dem späteren 14. Jahrhundert v. Chr. nicht mehr importierte Schmucksteine und Glas mittels »Zeiger« mit figürlichen Szenen verziert, sondern lokale weichere schwarze Steatitarten mittels Stichel und Messer mit Rosetten, Kreuz- und Spinnwebmotiven. Im 13. Jahrhundert v. Chr. waren Gemmen weit verbreitet, um 1200 v. Chr. versiegte deren Herstellung.
 
Auf dem Gebiet der Plastik liegen neben Reliefs (Grabstelen mit Steinreliefs vom Gräberrund A in Mykene, Elfenbeingerät) einige Elfenbeinplastiken (Sitzgruppe zweier Göttinnen mit Kind; Köpfchen) und zahlreiche kleine anthropomorphe Idole aus Ton vor. Die überwiegend weiblichen Tonidole kommen v. a. mit verschränkten Armen (Phi-Typ, wegen der Ähnlichkeit mit einem Φ) und mit erhobenen Armen (Psi-Typ; Ψ) vor; im 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. sind sie stark stilisiert; aus dem 12. Jahrhundert stammen sehr differenzierte Beispiele. Eine Sonderstellung nehmen die 60 cm hohen Idole aus Keos ein.
 
Nur in Fragmenten ist die Wandmalerei (zum Teil auch auf Stuckböden) belegt, aber offenbar wurden Palasträume, Kultbauten, Gräber sowie vornehme Privathäuser spätestens seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts v. Chr. mit Fresken geschmückt, oft mit rein dekorativen Motiven. Besonders für die figürliche Friese waren minoische Vorbilder ausschlaggebend (oder wandernde kretische Künstler führten sie aus). Ein rein mykenisches Motiv ist wohl die Eberjagd (Eberzähne wurden für die Helme benötigt). Besonders kostbare Freskofragmente stammen aus dem Kultzentrum von Mykene und von der Fassade des »Schatzhauses des Atreus«. Auch Gegenstände wurden mit Stuck überzogen und bemalt, ein fast lebensgroßer bemalter weiblicher Kopf aus Stuck wurde in Mykene gefunden.
 
 Religion
 
Im Zusammenhang mit der Auflistung der Opfergaben tauchen in Linear-B-Texten neben unbekannten eine Reihe von Götternamen auf, die auch in das antike Pantheon gehören; gesichert sind Hera, Zeus und Poseidon, beide auch in weiblicher Form, Artemis, Hermes und Dionysos. In Abbildungen begegnet mehrfach eine Schildgöttin, und kleine, elfenbeinerne Schilde in der Form einer Acht dienten als Ornament, u. a. für Möbelbeschläge. An wohl jahreszeitlich begründeten Festen wurden Honig, Wein, Getreide, Gewürze, Öl, Wolle, Tuch, Käse und weniger häufig auch Tiere geopfert. Es gab eine differenzierte Priesterschaft beiderlei Geschlechts. In der Wandmalerei der Paläste sind Prozessionszüge viermal belegt. Ahnenkult bezeugen die großen Kuppelgräber; dem Gräberrund A in Mykene galten offenbar Kulthandlungen, wie dem Verbindungsgang zwischen der Grabanlage und den Kultbauten zu entnehmen ist. Außerdem gab es eine Prozessionsstraße zwischen Palast und Kultbauten. In spätmyken. Zeit (SH III) wurden anthropomorphe Tonidole aufgestellt. Kleine Vogelfiguren symbolisieren wohl die Epiphanie der Gottheit, die im Zentrum der minoischen Religion stand.
 
 Sprache
 
Das mykenische Griechisch ist der älteste, in der mykenischen Silbenschrift Linear B (kretische Schriften) überlieferte Dialekt der griechischen Sprache; er steht dem arkadisch-kyprischen Zweig der griechischen Sprache nahe und ist für das 13. Jahrhundert v. Chr. (und früher) in Texten der Palastverwaltungen von Pylos, Mykene, Tiryns und Theben sowie auf Kreta bezeugt.
 
Literatur:
 
Allgemeines:
 
G. Karo: Die Schachtgräber von Mykenai, 2 Bde. (1930-33);
 G. E. Mylonas: Mycenae and the Mycenaean age (Princeton, N. J., 1966);
 G. E. Mylonas: Mycenae, rich in gold (Athen 1983);
 J. T. Hooker: Mycenaean Greece (London 1976);
 F. Schachermeyr: Die ägäische Frühzeit, Bd. 2, 4, 5 (Wien 1976-82);
 F. Schachermeyr: Mykene u. das Hethiterreich (ebd. 1986);
 O. T. Dickinson: The origins of Mycenaean civilisation (Göteborg 1977);
 J. Chadwick: Die myken. Welt (a. d. Engl., 1979);
 
Sanctuaries and cults in the Aegean Bronze Age, hg. v. R. Hägg u. a. (Athen 1981);
 S. Iakovidis: Late helladic citadels on mainland Greece (Leiden 1983);
 W. O. Taylour: The Mycenaeans (Neuausg. London 1983);
 
Das myken. Hellas. Heimat der Helden Homers, hg. v. K. Demakopoulou u. a., Ausst.-Kat. (1988);
 
Die Kunst des alten Griechenland, bearb. v. B. Holtzmann (a. d. Frz., 1989);
 I. Ozanne: Les Mycéniens (Paris, 1990).
 
Sprache:
 
A. Thumb: Hb. der griech. Dialekte, Tl. 2, bearb. v. A. Scherer (21959);
 
E. Vilborg: A tentative grammar of Mycenaean Greek (Göteborg 1960);
 
A. Morpurgo Davies: Mycenaeae Graecitatis lexicon (Rom 1963);
 
M. Ventris u. J. Chadwick: Documents in Mycenaean Greek (Cambridge 21973);
 
Diccionario Micénico, hg. v. F. A. Jorro, Bd. 1 (Madrid 1985);
 
Linear B, a 1984 survey, hg. v. A. Morpurgo Davies (Ottignies-Louvain-la-Neuve 1985);
 
S. Hiller u. O. Panagl: Die frühgriech. Texte aus myken. Zeit. Zur Erforschung der Linear B-Tafeln (21986);
 
I. Ozanne: Les Mycéniens (Paris 1990);
 
Dokumente im myken. Griechisch, bearb. v. M. Ventris u. J. Chadwick (a. d. Engl., 1993).

Universal-Lexikon. 2012.