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Spencer
I
Spencer
 
['spensə], englische Familie, erhielt 1603 die Würde eines Lord Spencer, 1643 die eines Earl of Sunderland; 1733 erbte sie von der Familie Churchill auch die Würde eines Herzogs von Marlborough. Der herzogliche Zweig nahm 1807 den Familiennamen Spencer Churchill an. Ein anderer Zweig führt die Titel eines Viscount Althorp und Earl Spencer (seit 1765); aus ihm stammte die Princess of Wales Diana.
 
II
Spencer
 
['spensə],
 
 1) Herbert, englischer Philosoph, * Derby 27. 4. 1820, ✝ Brighton 8. 12. 1903; arbeitete als Hilfslehrer, Eisenbahningenieur, Mitherausgeber des »Economist« und freier Schriftsteller; in der Chartistenbewegung engagierte er sich für das allgemeine Wahlrecht. Spencer insistierte in seinen Schriften auf der Anwendung (natur)wissenschaftlicher Methodik und Erkenntnis für philosophische Untersuchungen. Neun Jahre vor C. Darwin entwickelte er unter dem Einfluss J.-B. Lamarcks eine organizistische Evolutionstheorie (»Social statics«, 1851). Als begeisterter Anhänger des Darwinismus glaubte er, das Evolutionsprinzip in allen Wissenschaften anwenden und diese dadurch zu einem »System synthetischer Philosophie« vereinigen zu können. Wie J. S. Mill bekannte sich Spencer zum strikten Empirismus; mit I. Kant trennte er zwar kategorisch zwischen Phänomenen und Wirklichkeit, jedoch schrieb er den Gegenständen der Erfahrung eine inhärente Kraft zu, die er als Manifestation des »Unergründlichen« sah. Wissenschaftliche Erkenntnis unterscheidet sich daher von alltäglicher nur durch besonders präzise Beschreibung der Erfahrungswelt und durch die Entdeckung universaler Gesetze innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen. Erst die Evolutionsgesetze erlauben nach Spencer die Strukturierung und Eingliederung der empirischen Daten aus allen physikalischen, sozialen und psychologischen Wissenschaftsbereichen unter ein Prinzip; deshalb stellt der Evolutionismus die erste wissenschaftlich fundierte Weltsicht dar. In allen Bereichen lassen sich - wenngleich, wie Spencer immer betonte, nicht zielgerichtete - zeitlich fixierbare Entwicklungen und Transformationen verfolgen: Einfachen Elementarstufen folgen differenzierte Mittelphasen (Equilibrium) und hochkomplexe Endphasen, im biologischen wie im sozialen Bereich. Nach Spencers Auffassung folgt dabei die Entwicklung dem Grundsatz »von unzusammenhängender Gleichartigkeit zu zusammenhängender Verschiedenartigkeit«; er entwickelte damit eine Betrachtungsweise, die Aspekte des sozialen Wandels mit Modernisierungs- und Differenzierungserscheinungen verbindet und so versucht, die Komplexität und die erhöhte Funktionalität moderner Gesellschaften zu erfassen. Wie Organismen wachsen, erstarken und vergehen Gesellschaften in einem langen Prozess von Anpassung (Kindheit), Integration und Differenzierung (Reife) und Auflösung (Tod), wobei Spencer in sozialen Systemen den Fortschritt in Anpassung an funktionale Veränderung und Eliminierung des nicht Angepassten sah. Diese natürliche Entwicklung sollte der Staat nicht stören. Spencers organizistische Gesellschaftstheorie hatte großen Einfluss auf die Entwicklung des Sozialdarwinismus und wirkte nicht zuletzt auf eine Reihe unterschiedlicher Theoriemodelle (L. F. Ward, F. H. Giddings, besonders T. Parsons).
 
 
Weitere Werke: Essays, scientific, political, and speculatives, 3 Bände (1858-74); The study of sociology (1873; deutsch Einleitung in das Studium der Soziologie); From freedom to bondage (1891; deutsch Von der Freiheit zur Gebundenheit).
 
Ausgabe: Works, 21 Bände (1880-1907, Nachdruck 1966-67).
 
Literatur:
 
J. Rumney: H. S.'s sociology (London 1934, Nachdr. New York 1966);
 G. Gurvitch: Une source oubliée des concepts de »structure sociale«, »fonction sociale« et »institution«: H. S., in: Cahiers Internationaux de Sociologie, Jg. 23 (Paris 1957); L. von Wiese: H. S.s Einf. in die Soziologie (1960);
 J. D. Y. Peel: H. S. (London 1971);
 K.-D. Curth: Zum Verhältnis von Soziologie u. Ökonomie in der Evolutionstheorie H. S.s (1972);
 Michael Schmid u. M. Weihrich: Bibliogr. der Werke von H. S. (1991);
 M. Weihrich: H. S.: Der Klassiker ohne Gemeinde (1996);
 D. Weinstein: H. S.'s liberal utilitarianism (Cambridge 1998).
 
 2) Sir (seit 1959) Stanley, britische Maler, * Cookham (County Berkshire) 30. 6. 1891, ✝ Taplow (County Buckinghamshire) 14. 12. 1959; malte v. a. realistische Landschaften und (Wand-)Bilder mit religiösen Themen, deren Handlung auf die Gegenwart bezogen ist, zum Teil mit surrealistischen Anklängen (»Auferstehung«, 1923-27; London, Tate Gallery), daneben Porträts und humorvoll-satirische Genrebilder sowie erotische Szenen (und a. die Serie »Beatitudes of Love«, 1937-38).
 
Literatur:
 
S. S. RA, hg. v. der Royal Academy of Arts u. a., Ausst.-Kat. (London 1980);
 D. Robinson: S. S. (Neuausg. ebd. 1990);
 K. Pople: S. S. (ebd. 1991).

Universal-Lexikon. 2012.