SBZ; Sowjetische Besatzungszone; DDR; Ostzone (derb); Zone (derb); Sowjetzone; Ostdeutschland (umgangssprachlich)
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Deutsche Demokratische Republịk,
Abkürzung DDR, von 1949 bis 1990 Staat in Mitteleuropa, am 3. 10. 1990 nach Art. 23 GG (alter Fassung) der Bundesrepublik Deutschland beigetreten. (deutsche Geschichte, Deutschland)
Die DDR war von ihrer Gründung an ein Staat, der sich als Diktatur des Proletariats verstand und nach sowjetischem Modell eine sozialistische Gesellschaft unter Führung der Staatspartei SED zu verwirklichen suchte. Diese Politik führte zum Ausbau eines bürokratisch-administrativen Systems, das alle gesellschaftliche Bereiche durchdrang. In der Verfassung vom 6. 4. 1968 (1974 revidiert) verankerte die SED auch verfassungsrechtlich ihre führende Rolle in Staat und Gesellschaft, die mit einer engen (auch personellen) Verquickung von Staat und Partei verbunden war und sich in zunehmendem Maße gegen die Interessen aller demokratischen Kräfte richtete. Ökonomische Basis war die weitgehend verstaatlichte Wirtschaft mit einem zentralistisch gelenkten Mechanismus der Planung und Leitung, die oft ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Erfordernisse staatspolitischer Machtinteressen diente. Auf dem Gebiet von Kultur und Wissenschaft wurde der Marxismus-Leninismus herrschende Ideologie, verbunden mit Unterdrückung und Verfolgung Andersdenkender. Außenpolitisch war die DDR eng mit der Sowjetunion verbunden und durch Mitgliedschaft im RGW (seit 1950) und im Warschauer Pakt (seit 1955) in die »sozialistische Staatengemeinschaft« integriert. Seit 1973 war die DDR Mitglied der UNO. Gegenüber der Bundesrepublik Deutschland betrieb sie v. a. ab 1971 eine Politik der Abgrenzung. Kollektives Staatsoberhaupt war seit 1960 (1949-60 hatte ein Präsident mit Repräsentativfunktion an der Spitze des Staates gestanden) der von der Volkskammer gewählte, bis 1974 mit umfangreichen staatlichen Befugnissen ausgestattete Staatsrat. Es bestand in der Regel Personalunion zwischen dem Generalsekretär des ZK der SED und dem Vorsitzenden des Staatsrates. Der Ministerrat, die Regierung der DDR, war oberstes Organ der Exekutive. Ihm oblag die Durchführung der von der Volkskammer beschlossenen Gesetze sowie der Beschlüsse des Nationalen Verteidigungsrates (1960 gebildet); er war durch die Verfassung und das Gesetz über den Ministerrat direkt an die Parteibeschlüsse gebunden. Der Vorsitzende des Ministerrats wurde von der stärksten Fraktion der Volkskammer (SED-Fraktion) vorgeschlagen, seine Wahl sowie die des gesamten Kabinetts erfolgte durch das Parlament. De facto galt jedoch das Politbüro des ZK der SED als entscheidende politische und staatliche Machtinstanz und der Generalsekretär als oberster Repräsentant des Staates. Nach der Verfassung war die Volkskammer (1949-63 und 1990 400, zwischenzeitlich 500 Abgeordnete; bis 1974 auf 4, danach auf 5 Jahre gewählt) das oberste staatliche Machtorgan der DDR; bei ihr lag die Legislative. Die Volkskammer, in der alle 5 Parteien und einige Massenorganisationen mit Fraktionen vertreten waren, wählte auf die Dauer von 5 Jahren (bis 1974 auf 4 Jahre) alle übrigen Verfassungsorgane, den Vorsitzenden und die Mitglieder des Staatsrats und des Ministerrats, den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrats, den Präsidenten und die Richter des Obersten Gerichts sowie den Generalstaatsanwalt. Die Volkskammer traf bis 1989 ihre Entscheidungen stets einstimmig.
Parteien und Massenorganisationen:
Bis 1989 gab es 5 Parteien: die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU), die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) und die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD). Alle Parteien bekannten sich in ihren Programmen zur sozialistischen Gesellschaftsordnung. Die Aufgabe der unter der Führung der SED wirkenden (Block-)Parteien bestand darin, die durch sie repräsentierten Bevölkerungsschichten in die politische Entwicklung der Gesellschaft einzubeziehen. Der Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen (u. a. Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [FDGB], Freie Deutsche Jugend [FDJ], Demokratischer Frauenbund Deutschlands [DFD], Kulturbund der DDR) in der Nationalen Front der DDR war eine Konsequenz des Führungsanspruchs der SED. In der Zeit der politischen Umwälzungen im Herbst 1989 bildete sich eine Vielzahl neuer politischen Parteien und demokratischen Organisationen heraus, die zum Teil aus den Bürgerbewegungen hervorgingen, u. a. Neues Forum, Demokratischer Aufbruch, Sozialdemokratische Partei, Deutsche Soziale Union. Diese schlossen für die Volkskammerwahlen am 18. 3. 1990 zum Teil Wahlbündnisse.
Das Staatsgebiet war zunächst in 5 Länder, seit Juli 1952 in 14 Bezirke und die Hauptstadt der DDR Berlin (Ost) gegliedert. Mit der Neugliederung wurden die Kreise neu festgelegt und die Reste der kommunalen Selbstverwaltung beseitigt. Seither stand an der Spitze der Verwaltung der Ministerrat. Die Bezirke waren in Kreise, Stadtkreise (zum Teil mit Stadtbezirken), Städte und Gemeinden unterteilt, Berlin (Ost) in Stadtbezirke. In den Gebietseinheiten existierten auf 5 Jahre (bis 1974 auf 4 Jahre) gewählte Volksvertretungen. Diese wählten kollektive Räte (vollziehende/verfügende Organe) und bildeten Fachorgane. Die Räte und ihre Fachorgane waren vom Ministerrat bis zum Rat der Gemeinde nach einem einheitlichen Schema zentralistisch organisiert (doppelte Unterstellung gegenüber Volksvertretung und übergeordnetem Rat beziehungsweise Rat und übergeordnetem Fachorgan). Aufgrund ihrer Verpflichtung zur Durchführung der Beschlüsse der SED, der Weisungsgebundenheit, geringer Haushalts- und Planungsbefugnisse sowie oft unklarer Kompetenzen hatten die örtlichen Organe der Staatsmacht nur wenig eigenen Handlungsspielraum. Städte und Gemeinden bildeten eine große Anzahl von Gemeinde- und Zweckverbänden. Die hoheitlichen Aufgaben wurden von Staatsfunktionären wahrgenommen, ein Berufsbeamtentum bestand nicht. Durch Gesetze vom Mai und Juli 1990 wurden die kommunale Selbstverwaltung und die Länder wiederhergestellt.
Mit Gründung der DDR am 7. 10. 1949 wurde von der Volkskammer eine Verfassung in Kraft gesetzt, die, ursprünglich gesamtdeutsch konzipiert, noch starke Anklänge an die Weimarer Reichsverfassung besaß (föderalistische und rechtstaatliche Züge, parlamentarisches System usw.), jedoch bereits deutliche Unterschiede hinsichtlich der Stellung des Parlaments, des Präsidenten, der Wirtschaftsordnung u. a. aufwies. Von Anfang an bestand ein grundlegender Widerspruch zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, der sich mit fortschreitender Ausprägung der einheitlichen sozialistischen Staatsmacht weiter vertiefte. Unliebsame Verfassungsnormen und weiter geltendes altes Recht wurden der politischen Opportunität entsprechend umgedeutet oder nicht angewendet. Eine Reihe von neuen Gesetzen, deren Übereinstimmung mit der Verfassung mangels eines Verfassungsgerichts nie geprüft wurde, entfernte die Rechtsordnung auch juristisch immer weiter von der Verfassung und degradierte diese letztlich zur Bedeutungslosigkeit. Rechtsetzung und Rechtsanwendung waren insbesondere auf die Festigung der führenden Rolle der SED, die Ausweitung und Sicherung des sozialistischen Eigentums an den Produktionsmitteln, die Durchsetzung des Prinzips des demokratischen Zentralismus im Staats- und Wirtschaftsaufbau, die Beseitigung der föderalen Strukturen und der kommunalen Selbstverwaltung, die Ausschaltung politischer Gegner und den strafrechtlichen Schutz der neuen Herrschaftsordnung gerichtet (u. a. Gesetze über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR vom 23. 7. 1952, Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. 1. 1957). Mit einer Verfassungsänderung vom 6. 10. 1955 wurde die Verteidigung der DDR zur nationalen Bürgerpflicht erklärt; später weiter ausgestaltet durch das Verteidigungsgesetz vom 20. 9. 1961 und die Einführung der Wehrpflicht durch Gesetz vom 24. 1. 1962 (Nationale Volksarmee). Mit Änderungen der Verfassung vom 8. 12. 1958 und vom 12. 9. 1960 wurden die Länderkammer abgeschafft und anstelle des Präsidenten der Republik ein kollektiver Staatsrat gebildet.
Die zunächst noch geltenden besatzungsrechtlichen Vorschriften verloren zunehmend an Bedeutung (Souveränitätserklärung der UdSSR vom 20. 9. 1955), Vorbehaltsrechte aus dem Viermächtestatus Deutschlands wirkten 1990 fort. Neben der Verfassung der DDR existierten bis zur Beseitigung der Länder (1952) die Landesverfassung aus dem Jahre 1947, ab Gründung der DDR machten die Länder von ihrem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch mehr.
Bis Ende der 70er-Jahre wurde nach marxistisch-leninistischen Rechtsverständnis und im Ergebnis der Festigung der Gesellschafts- und Staatsordnung, der gewachsenen internationalen Stellung der DDR, der engeren Verflechtung mit der UdSSR und der Abgrenzung zur Bundesrepublik Deutschland die sozialistische Rechtsordnung der DDR durch Verfassunggebung und (zum Teil wiederholte) Kodifikationen sowie bedeutsame Einzelgesetze voll ausgeprägt (u. a. Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965, Staatsbürgerschaftsgesetz vom 20. 2. 1967, StGB und StPO vom 12. 1. 1968, Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. 8. 1974, ZGB und ZPO vom 19. 6. 1975, Arbeitsgesetzbuch vom 16. 6. 1977, Vertragsgesetz vom 25. 3. 1982, LPG-Gesetz vom 2. 7. 1982). Damit wurden auch bis dahin geltende Rechtsvorschriften aus den Anfangsjahren der DDR sowie die Reste alten Rechts (u. a. BGB, ZPO, Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz) weitgehend ersetzt.
Am 6. 4. 1968 wurde durch Volksabstimmung eine Verfassung beschlossen (in Kraft ab 9. 4. 1968), die mit Datum vom 7. 10. 1974 in wesentlichen Punkten revidiert wurde; sie enthielt einen umfangreichen Katalog an politischen, sozialökonomischen und kulturellen Grundrechten und Freiheiten (u. a. allgemeines Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsrecht, Recht auf Arbeit, Recht auf Bildung) sowie einige Grundpflichten (Wehrdienstpflicht, Schul- und Berufsausbildungspflicht, Erziehungspflicht der Eltern usw.). Die Grundrechte und Freiheiten hatten jedoch nicht den Zweck, gegen staatliche Eingriffe zu schützen, sondern dienten der Integration des Einzelnen in das bestehende politische System. Es gab keine Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch Gesetze und Verordnungen wurden den Verwaltungsorganen und den Gerichten umfangreiche Möglichkeiten zur Aufhebung und Beschränkung von Rechten und Freiheiten eingeräumt, einige Rechte fehlten völlig (z. B. Streikrecht, Ausreise- und Auswanderungsfreiheit). Ab Mitte der 80er-Jahre wurde unter internationalem und innerem Druck versucht, rechtlich einige Zugeständnisse zu machen. So wurde durch Beschluss des Staatsrates vom 17. 7. 1987 die Todesstrafe abgeschafft, ein Gesetz vom 14. 12. 1988 ermöglichte die gerichtliche Nachprüfung bestimmter Verwaltungsentscheidungen, eine Wahlgesetznovelle vom 3. 3. 1989 führte das kommunale Ausländerwahlrecht ein.
Mit der politischen Wende im Herbst 1989 begann auch eine grundsätzliche Veränderung der Verfassungs- und Rechtsordnung. Verfassungsänderungen (u. a. Streichung der führenden Rolle der SED, Aufhebung des Verbots von Privateigentum an ausgewählten Produktionsmitteln, Beseitigung der Nationalen Front) und ein Bündel von Gesetzen in Richtung Demokratisierung und freie Wahlen mündeten 1990 durch die neu gewählte Volkskammer in die juristische Vorbereitung eines raschen Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland und damit zur Ordnung des GG (Verfassungsgrundsätzegesetz, Verfassungsgesetz über den Vertrag zur Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, Wiedererrichtung der Länder, Einführung der kommunalen Selbstverwaltung, Wahlgesetz, Versammlungsgesetz, Arbeitsförderungsgesetz usw.). Die weitere Rechtsangleichung mit und nach Vollzug der staatlichen Einheit wurde im Einigungsvertrag geregelt, darunter auch die begrenzte Fortgeltung bestimmter Rechtsvorschriften der DDR. (Gerichtsaufbau der DDR und Zuständigkeit Gericht)
Zwar garantierten die Verfassungen von 1949 (Art. 41—48) und 1968 (Art. 39) formell das Recht der freien Religionsausübung, doch war dieses in der tatsächlichen Politik ebenso eingeschränkt wie die öffentlichen Wirkungsmöglichkeiten der Kirchen. Trotz des praktizierenden Grundsatzes einer strikten Trennung von Staat und Kirche versuchte die SED-Führung auf mannigfaltige Weise, u. a. durch den Staatssicherheitsdienst, immer wieder Einfluss auf das kirchliche Leben zu nehmen, um somit die einzige große, nicht von der offiziellen (atheistischen) Ideologie geprägte Institution zu neutralisieren und zu beherrschen (Kirchen in der DDR).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Deutschland: Das geteilte Deutschland 1955 bis 1985
Universal-Lexikon. 2012.