Euthanasie
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Stẹr|be|hil|fe 〈f. 19; unz.〉 = Euthanasie
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Stẹr|be|hil|fe, die:
2. Sterbegeld.
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Sterbehilfe,
begriffliche Zusammenfassung für Handlungen, die von der Hilfe und Unterstützung im Sterben bis hin zur aktiven Tötung Sterbender oder Schwerstkranker reichen. Die international für diesen Begriff gebräuchliche Bezeichnung Euthanasie wird in Deutschland mit Rücksicht auf ihren Missbrauch während der nationalsozialistischen Zeit weitgehend vermieden. Sterbehilfe im engeren Sinn betrifft Situationen, in denen ein Sterbeprozess bereits unumkehrbar begonnen hat und/oder der Tod nahe bevorsteht. In der Regel liegt bei Gewährung von Sterbehilfe ein ausdrücklicher Wunsch des Betroffenen nach (möglicherweise) lebensverkürzenden Maßnahmen vor, zumindest seine Einwilligung. Es werden allerdings auch nichtsterbende und einwilligungsunfähige (z. B. bewusstlose) Patienten als Empfänger von Sterbehilfe in Betracht gezogen. Generell geht es bei Sterbehilfe insbesondere um die Bestimmung der Grenzen ärztlicher Behandlungspflicht. Diese endet jedenfalls mit dem Eintritt des Hirntodes, d. h. dem irreversiblen und totalen Funktionsausfall des Gesamthirns.
Sterbehilfe in Recht und Medizin
Die Frage der rechtlichen Grenzen von Sterbehilfe wird in Deutschland dadurch erschwert, dass eine gesetzliche Spezialregelung, abgesehen vom Tatbestand der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), bislang fehlt. Daher muss auf allgemeine strafrechtliche Normen, besonders die Tötungsdelikte, zurückgegriffen werden. Auch im ärztlichen Standesrecht finden sich nur ansatzweise Regelungen zur Sterbehilfe (§ 16 Musterberufsordnung in der Fassung vom 1997). Allerdings wurden bereits 1979 vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer »Richtlinien zur Sterbehilfe« veröffentlicht, die weitgehend von denjenigen der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften übernommen wurden. Diese wurden 1993 durch »Richtlinien für die ärztliche Sterbebegleitung« ersetzt, welche wiederum im September 1998 durch »Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung« abgelöst wurden. Ebenso wie einschlägige Stellungnahmen berufsständischen Charakters sind diese zwar nicht unmittelbar rechtlich verbindlich, bringen jedoch auch von der Rechtsprechung anerkannte Standards zum Ausdruck und können damit als Beschreibung sorgfältigen ärztlichen Handelns verstanden sowie als wichtige Entscheidungshilfe angesehen werden. - In der Diskussion haben sich begriffliche Unterscheidungen anhand typischer Fallgruppen herausgebildet, die jeweils eine einheitliche rechtliche Beurteilung erfahren:
Sterbebegleitung (Sterbebeistand) umfasst die nötige lindernde ärztliche wie pflegerische Versorgung und mitmenschliche Betreuung Sterbender. Welche Maßnahmen geboten sind (z. B. Sicherung der hygienischen Erfordernisse, Vorkehrungen gegen Wundliegen, Bekämpfung von Schmerz- und Angstzuständen), hängt von den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls ab. Bei Vorenthalten dieser »Basispflege« kommt Strafbarkeit wegen Körperverletzung oder (bei dadurch verursachter Lebensverkürzung) sogar wegen Tötung in Betracht.
In der Praxis setzt sich seit den 1980er-Jahren die Hospizbewegung für Verbesserungen bei der Betreuung Sterbender ein. Von der britischen Ärztin Cicely Saunders (* 1918) 1967 gegründet, später in den USA wesentlich von der schweizerischen Ärztin Elisabeth Kübler-Ross (* 1926) gefördert, lehnt die Hospizbewegung die aktive Sterbehilfe ab, tritt jedoch dafür ein, dass Patienten in ihrer letzten Lebensphase so bewusst und zufrieden wie möglich leben können. Oberste Ziele bilden Pflege und Schmerzlinderung, die Wahrung der freien Selbstbestimmung des Sterbenden und die mitmenschliche Begegnung, wobei die Angehörigen wesentlich einbezogen werden und die Betreuung im Haus des Patienten, stationär in einem Hospiz oder unterstützend in einer anderen Einrichtung erfolgen kann. Weltweit gibt es mehrere Tausend Hospize; in Deutschland bestehen 95 Hospize (Ende 2001). Auch verschiedene kirchliche Stellungnahmen zur Sterbehilfe heben die Bedeutung mitmenschlicher Zuwendung für ein menschenwürdiges Sterben hervor.
Unter passiver Sterbehilfe wird das Unterlassen spezifischer lebensverlängernder Maßnahmen (z. B. Beendigung von Arzneimittelgaben, Verzicht auf Ultima-Ratio-Operationen, die allenfalls eine kurzfristige Lebensverlängerung erwarten lassen) beim dem Tode nahen Patienten unter gleichzeitigem Aufrechterhalten der Basisversorgung verstanden. Dabei besteht für die Zulässigkeit aus rechtlicher Sicht kein Unterschied, ob eine Behandlung gar nicht erst begonnen wird oder ob es um die spätere Beendigung zunächst angefangener lebenserhaltender Behandlungsmaßnahmen unter Einbeziehung des Abstellens intensivmedizinischer Lebenserhaltungssysteme (technischer Behandlungsabbruch) geht. Schon aus dem Erfordernis der Einwilligung des Patienten in ärztlichem Handeln ergibt sich, dass der Abbruch einer lebensverlängernden Behandlung, die lediglich den natürlichen Ablauf des Sterbens verzögert, zulässig ist. Einen entsprechenden Wunsch des einsichts- und urteilsfähigen Patienten muss der Arzt sogar befolgen, da er andernfalls gegen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verstoßen würde. Ein einverständlicher Behandlungsabbruch liegt auch vor, wenn der Wunsch des Patienten, die Behandlung abzubrechen, von diesem zwar nicht aktuell geäußert werden kann, sich aber aus hinreichend verlässlichen Anhaltspunkten ergibt (»mutmaßlicher Einwilligung«). In der Literatur werden auch Zweifel daran angemeldet, ob beim dauerhaft einwilligungsunfähigen Patienten noch von mutmaßl. Einwilligung gesprochen werden kann und nicht vielmehr Gesichtspunkte des rechtfertigenden Notstands in solchen Fällen das weitgehend unumstrittene Ergebnis tragen. Zur vorsorglichen Artikulierung des Patientenwunsches finden Patiententestamente (Patientenbriefe, Patientenverfügungen) zunehmende Verbreitung. Entsprechende Formulare werden von verschiedenen privaten Institutionen (z. B. Humanist. Union, Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben, Humanist. Verband) zur Verfügung gestellt. Im Unterschied zu den USA, wo in vielen Staaten gesetzliche Bestimmungen die Wirksamkeitserfordernisse solcher Verfügungen regeln und ihre Verwendung den Patienten teilweise sogar von Krankenhäusern angeboten wird, ist die Situation in Deutschland von unterschiedlichen Auffassungen über die rechtliche Tragweite (verbindliche Willensäußerung oder nur mehr oder weniger gewichtiges Indiz) und immer noch verbreiteten Vorbehalten seitens der medizinischen Praxis gekennzeichnet. Allerdings verspricht auch die informative Einschaltung von nahen Angehörigen nicht immer wirkliche Klarheit: Es besteht z. B. die Gefahr, dass diese in ihrer emotionalen Betroffenheit nicht hinreichend zwischen der Artikulierung ihres eigenen Standpunkts und ihrer eigentlichen Funktion als Indikator des mutmaßlichen Willens des Patienten zu trennen vermögen. Hinzu kommt das unverkennbare, aber vom Arzt im konkreten Fall kaum einschätzbare Risiko, dass Angehörige ihre eigenen Interessen bewusst zu den angeblichen des Patienten machen. Einen anderen Ausweg aus dem Problem stellt die rechtzeitige Einsetzung einer Vertrauensperson durch den Patienten mittels einer Vorsorgevollmacht dar. Dem so Bevollmächtigten soll die Aufgabe zukommen, im Falle der Unfähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung stellvertretend mit bindender Wirkung gegenüber dem behandelnden Arzt die Entscheidung über Weiterbehandlung oder Behandlungsabbruch zu treffen. Die Entscheidungsbefugnis kann mit bestimmten Direktiven verbunden sein. Die Möglichkeit, auf diese Weise im Fall der eigenen Unfähigkeit für entsprechende Rechtshandlungen vorzusorgen, ist grundsätzlich auch im deutschen Betreuungsrecht vorgesehen (§§ 1896 ff., 1904 BGB). Nach der neueren, allerdings nicht unumstrittenen Rechtsprechung ist für eine rechtlich relevante Einwilligung des Betreuers in eine Behandlungsbegrenzung die Zustimmung durch das Vormundschaftsgericht erforderlich. Ebenso wie beim Patiententestament werden bei unklarer Prognose oder zweifelhafter Willenslage des Betroffenen die Beteiligten dem Grundsatz in dubio pro vita (im Zweifel Lebenserhaltung) verpflichtet sein.
Ein Abbruch ärztlicher Behandlung bei einem nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten ist ausnahmsweise auch dann zulässig, wenn der unmittelbare Sterbevorgang noch nicht begonnen hat. Aber auch dann muss eine unheilbare Krankheit, z. B. apallisches Syndrom (Wachkoma), vorliegen. An die Voraussetzungen für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung sind in diesem Fall besonders strenge Anforderungen zu stellen. Die Grundlage dafür bilden frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Patienten, seine religiöse Überzeugung, seine sonstigen persönlichen Wertvorstellungen, seine altersbedingte Lebenserwartung und das mögliche Ausmaß des Erleidens von Schmerzen.
Besonders problematisch ist die Zulässigkeit eines Behandlungsabbruchs ohne die auch nur zu mutmaßende Willensäußerung des Patienten oder sogar gegen dessen zuvor erklärten Willen. Wenn sich bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des mutmaßlichen Willens des Kranken nicht finden lassen, so zielt die Rechtsprechung auf Kriterien ab, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen, räumt aber im Zweifel wieder dem Erhalt des menschlichen Lebens Vorrang ein. Auch in der juristischen Literatur werden in diesem Zusammenhang objektive Kriterien diskutiert, bei deren Vorliegen das Beenden lebenserhaltender Maßnahmen beziehungsweise das Unterlassen weiterer Lebenserhaltungsbemühungen zulässig sein soll. Genannt werden der Eintritt des irreversiblen Bewusstseinsverlusts oder eines unwiderruflichen Sterbensprozesses, die Aussichtslosigkeit einer weiteren Behandlung oder deren Verstoß gegen die Menschenwürde sowie die Unverhältnismäßigkeit des Behandlungsaufwands in Relation zum medizinisch erreichbaren Ergebnis. Mit Ausnahme des erstgenannten, dem freilich oft Prognoseunsicherheiten anhaften werden, lastet jedoch auf diesen Kriterien eine nicht unbedenkliche Unschärfe; zudem ist die Gefahr einer Unterordnung des Lebensschutzes unter wirtschaftliches Nutzendenken nicht von der Hand zu weisen. Andererseits bleibt zu bedenken, dass der seinem natürlichen Tod nahe Patient durch die technischen Möglichkeiten der Medizin zum bloßen Demonstrationsobjekt angeblicher Unverbrüchlichkeit des (nur im Sinne zeitlicher Quantität, nicht auch inhaltlicher Qualität verstandenen) Lebensschutzes werden kann. Auch aus ethischer Sicht ist die Aufrechterhaltung verlöschenden Lebens nicht um jeden Preis geboten.
Die indirekte aktive Sterbehilfe, d. h. die Gabe schmerzlindernder Mittel unter Inkaufnahme einer möglichen Lebensverkürzung, wird weitgehend als zulässig angesehen, wobei die praktische Bedeutung solcher indirekter Sterbehilfe mit Fortschritten in der Schmerztherapie abnehmen dürfte. Die rechtsdogmatische Begründung ist im Einzelnen umstritten. Die Linderung erheblicher Leiden und Schmerzen Sterbender gehört unstreitig auch dann zur ärztlichen Behandlungspflicht, wenn beim Einsatz hierzu geeigneter Mittel eine gewisse Lebensverkürzung als Nebenwirkung zu befürchten oder zu erwarten ist (z. B. Gabe atmungsdämpfender Opiate). Sofern nicht eindeutige gegenteilige Indizien vorliegen, wird im Allgemeinen ein entsprechender mutmaßl. Wille des Patienten, eine notstandsähnliche Situation oder ein erlaubtes Risiko angenommen.
Die direkte aktive Sterbehilfe, d. h. das gezielte und tätige Herbeiführen des Todes, ist dagegen unzulässig und als Tötungsdelikt strafbar. Hat der Täter auf ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen des Betroffenen gehandelt, so berücksichtigt das deutsche StGB dies lediglich strafmildernd (Tötung auf Verlangen, § 216 StGB); eine menschlich vielleicht verständliche Mitleidsmotivation des Handelnden ist demgegenüber vom Gesetz nicht als entlastendes Moment zugunsten des Täters genannt. Die zur durchgängigen Strafbarkeit aktiver Sterbehilfe führende Strenge des Gesetzes ist rechtspolitisch umstritten (N. Hoerster), sie lässt sich nur durch besondere Bewertung der indirekten Sterbehilfe (was praktisch auf eine Monopolisierung aktiver Sterbehilfe in ärztlicher Hand durch zur Schmerzbekämpfung geeignete Mittel hinausläuft) sowie durch die Bewertung des technischen Behandlungsabbruchs als Unterlassungstat halten. Allerdings bleibt auch dann noch im konkreten Einzelfall eine kaum als angemessen zu bewertende Strafbarkeit, es sei denn, die Handlung ließe sich als straflose Beihilfe zur Selbsttötung (Suizidbeihilfe) qualifizieren. Die gesetzlich vorgegebene Straflosigkeit der Suizidteilnahme wird jedoch von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig von der Sterbehilfeproblematik sehr einschränkend interpretiert, indem sie zugunsten des bewusstlos gewordenen Suizidenten weit reichende Rettungspflichten bestimmt.
Als Sonderproblem im Bereich der Sterbehilfe gilt das Sterbenlassen schwerstgeschädigter Neugeborener. Zu diesem lange tabuisierten Komplex hat die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht 1986 Empfehlungen über Grenzen ärztlicher Behandlungspflicht bei schwerstgeschädigten Neugeborenen veröffentlicht, die 1992 eine Überarbeitung erfahren haben. Sie konkretisieren die allgemeinen Sterbehilfegrundsätze im Hinblick auf die besondere Situation zur Zeit der Entbindung. In besonders gravierenden Fällen, in denen nach medizinischer Erfahrung und menschlichem Ermessen das Leben des Neugeborenen nicht erhalten werden kann, sondern ein in Kürze zu erwartender Tod nur hinausgezögert würde, wird eine über die Basisversorgung hinausgehende ärztliche Behandlungspflicht verneint, während für den Fall, dass eine Behandlung dem Neugeborenen nur ein Leben mit äußerst schweren und nicht besserungsfähigen Schädigungen ermöglichen würde, dem Arzt ein Beurteilungsrahmen zugesprochen wird. Soweit danach eine Lebenserhaltungspflicht nicht besteht, wird man auch eine Ablehnung weiterer Behandlungsmaßnahmen durch die Eltern als für den Arzt bindend anzusehen haben, da diese nicht mehr als Heilbehandlung zu verstehen wären. Umgekehrt macht sich ein Arzt nicht strafbar, wenn er eine lebenserhaltende Behandlung, zu der er nach den genannten Kriterien nicht verpflichtet wäre, gegen den Wunsch der Eltern unterlässt. Rechtspolitisch wird v. a. mit dem Ziel einer legislativen Klarstellung die gesetzliche Fixierung der in der Rechtslehre herrschenden Auffassungen durch entsprechende Ergänzungen des StGB vorgeschlagen (Alternativentwurf eines Gesetzes über Sterbehilfe von 1986). Weitergehende Forderungen sind auf eine deutlichere Rücknahme der Strafdrohung für Tötung auf Verlangen in Sterbehilfefällen gerichtet. Gegner einer gesetzlichen Festlegung verweisen auf den möglichen Verlust ärztlicher Entscheidungsspielräume, sehen das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, besonders im Krankenhaus, gefährdet und befürchten langfristig die Gefahr eines sozialdarwinistischen Denkens als Folge einer Aufweichung des strafrechtlichen Lebensschutzes.
In Österreich besteht eine ähnliche Rechtslage wie in Deutschland. Allerdings ist dort die Teilnahme an der Selbsttötung ausdrücklich unter Strafe gestellt (§ 78 StGB). Auf die rechtliche Beurteilung der Sterbehilfe strahlt auch aus, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten durch den Tatbestand der eigenmächtigen Heilbehandlung ausdrücklich geschützt wird (§ 110 StGB), während hierfür nach deutschem Recht der Tatbestand der Körperverletzung herangezogen werden muss.
Auch in der Schweiz fehlt bislang eine besondere gesetzliche Regelung der Sterbehilfe. Die Teilnahme an fremder Selbsttötung ist ausdrücklich mit Strafe bedroht, allerdings nur, wenn aus selbstsüchtigen Beweggründen gehandelt wird (Art. 115 StGB). Für die Strafmilderung bei Tötung auf Verlangen (Art. 114 StGB) muss der Täter aus achtenswerten Beweggründen, namentlich aus Mitleid, gehandelt haben. Die medizinische Praxis orientiert sich weitgehend an den 1976 veröffentlichten Richtlinien zur Sterbehilfe der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften, die 1981 und 1995 überarbeitet wurden. In einigen Kantonen ist ihre Beachtung gesundheitsrechtlich vorgeschrieben.
In einigen Staaten, z. B. den Niederlanden, hat sich die Diskussion um die Sterbehilfe in gesetzlichen Regelungen niedergeschlagen: Im Rahmen einer Novellierung des Bestattungsgesetzes hat das niederländische Parlament 1993 eine Regelung der Sterbehilfe gebilligt, die die bis dahin geübte und tolerierte Praxis der Sterbehilfe auf eine gesetzliche Grundlage stellt. Im Mittelpunkt der Festlegung steht das vom Patienten gestellte Ersuchen auf Hilfe zur Selbsttötung. Das Gesetz etabliert hierbei ein Meldeverfahren. Der Arzt muss den beabsichtigten Eingriff dem Leichenbeschauer melden, der seinerseits die Staatsanwaltschaft informiert. Nach einer VO von 1997 sollen spezielle Prüfungskommissionen, bestehend aus einem Arzt, einem Juristen und einem Ethiker, eine erste Entscheidung treffen, die in eine Empfehlung an die staatlichen Behörden mündet. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Strafverfolgung ab, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die eine Sterbehilfe zulassen: Der Patient muss sich in der Schlussphase seines Lebens oder in einer ausweglosen Notlage befinden, ein zweiter Arzt muss konsultiert werden, und der Patient muss wiederholt und ausdrücklich den Wunsch nach Sterbehilfe geäußert haben. Besonders geregelt ist das Verfahren, wenn der Patient seinen Willen nicht äußern kann, v. a. bei Komapatienten.
Auch Fragen des Behandlungsabbruchs und der indirekten Sterbehilfe sind in einer Reihe von Ländern Gegenstand von Reformvorschlägen (z. B. Belgien, Finnland, Italien, Kanada). - In den USA gibt es, nachdem die meisten Bundesstaaten eine eigene Gesetzgebung zu Fragen der Patientenverfügung geschaffen haben, seit Ende 1991 ein Bundesgesetz (»Patient Self-determination Act«), das der behandelnden Einrichtung die Pflicht auferlegt, den Patienten über Patientenverfügungen zu informieren und diese zu dokumentieren. Auch in einigen europäischen Ländern wurde in unterschiedlichem Umfang die Handhabung der Patientenverfügung gesetzlich geregelt, z. B. in Österreich, den Niederlanden und Dänemark.
Moralphilosophische Aspekte
In der moralphilosophischen Diskussion, die sich seit einigen Jahren im englischen und deutschen Sprachraum vollzieht, steht im Blick auf die unterschiedlichen Formen von indirekter, passiver und aktiver Sterbehilfe v. a. das Recht des Patienten auf seinen eigenen Tod sowie die Unterscheidung von Töten und Sterbenlassen als Grenze des ärztlichen Handelns im Mittelpunkt. Der Anspruch jedes Menschen, den ihm verfügten eigenen Tod sterben zu dürfen, umfasst aufseiten der Angehörigen, der Ärzte und des Pflegepersonals v. a. eine ausreichende medizinische Grundpflege, eine wirksame Schmerzbekämpfung und den menschlichen Sterbebeistand. Wenn die heilenden Möglichkeiten der Medizin erschöpft sind, ist der ärztliche Behandlungsauftrag noch nicht erloschen. Er besteht nun darin, einem schwerstkranken Patienten die letzte Wegstrecke seines Lebens zu erleichtern und ihm, solange dies möglich ist, die äußeren Voraussetzungen dafür zu schaffen und zu erhalten, dass er sich mit seinem Sterben auseinander setzen und in die Haltung einer Annahme des eigenen Todes hineinwachsen kann. Dagegen stellen »Mitleidstötungen« oder eine Freigabe der aktiven Sterbehilfe in ethischer Hinsicht keine zulässige Lösung der für alle Beteiligten häufig sehr belastenden Konfliktsituationen im Grenzbereich zwischen Leben und Tod dar. Neben den Missbrauchsgefahren, die mit einer partiellen Lockerung des Tötungsverbotes verbunden sind und dazu führen, dass es auf lange Sicht seine gesellschaftliche Friedensfunktion nicht mehr wirksam ausüben kann, wird v. a. auf die innere Widersprüchlichkeit der Idee aktiver Sterbehilfe hingewiesen. Ob ihre moralische und rechtliche Zulassung die Freiheit der Sterbenden stärken und ihre moralische Selbstbestimmung im Tod garantieren könnte, wird bezweifelt; wenn die Sterbehilfe als normaler Bestandteil unseres sozialen Lebens allgemein akzeptiert ist, unterwirft sie den Sterbenden auch neuen Zwangslagen (Rücksichtnahme auf die Angehörigen, vermeintliche Pflicht, sich beizeiten zu verabschieden, um nicht zur Last zu fallen), die seine Selbstbestimmung von neuem bedrohen. Zudem ist in dieser Sicht das Urteil über den Lebenswert der eigenen Existenz, das nach dem Willen der Befürworter der Sterbehilfe nur aus der individuellen Perspektive des Sterbenden ohne Berücksichtigung von Fremdinteressen getroffen werden kann, gerade in der letzten Lebensphase immer auch ein Reflex der Wertschätzung und Hilfestellung, die ein Sterbender von seiner Umgebung noch erfährt.
In diesem Zusammenhang wird auch die Umdeutung des Mitleidsmotivs einer ethisch-kritischen Analyse unterzogen: Danach meint Mitleid im ursprünglichen Sinn nicht nur ein reaktives Gefühl aufseiten der Gesunden, die das Leiden eines sterbenden Menschen nicht mehr mit ansehen können, sondern die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme an seiner Lebenssituation, die ihm die Annahme seines Leidens und das Bestehen der Krankheit erleichtert. Wenn sich die Forderung nach aktiver Sterbehilfe als Protest gegen die therapeutischen Auswüchse der modernen Intensivmedizin versteht, so bleibt sie in dieser Ablehnung doch noch immer dem gleichen Denkmodell einer technischen Bewerkstelligung des Todes verhaftet. Die künstliche Verlängerung des Lebens um jeden Preis und die bewusste Herbeiführung des Todes entspringen demzufolge in vielfacher Hinsicht - sowohl aus der Perspektive des Patienten und seiner Angehörigen als auch aus der Sicht des Arztes - gegensätzlichen Absichten, sie stimmen aber darin überein, dass sie der Begegnung mit dem eigenen Tod ausweichen. Dagegen soll die notwendige Unterscheidung von Töten und Sterbenlassen den ärztlichen Handlungsspielraum begrenzen, indem sie die direkte Lebensvernichtung von vornherein von medizinischen Maßnahmen ausnimmt und diese auf die Erleichterung des Sterbens beschränkt, wenn eine Besserung nicht mehr möglich ist. Die ethischen Argumente gegen eine Freigabe der aktiven Sterbehilfe im Umgang mit dem Sterben sollen auch handlungsleitend für die Bewältigung von schweren Schädigungen und nicht unmittelbar tödlichen Leiden durch die Betroffenen, die Angehörigen und die Gesellschaft sein.
Die philosophisch-ethische Diskussion des Gedankens der Sterbehilfe weist zudem die Abhängigkeit der menschlichen Haltung zu den Fragen des Sterbens, des Todes und der Sterbehilfe von dem zugrunde gelegten Menschenbild auf. Wird ein Anspruch auf Leben und Lebensschutz nicht grundsätzlich jedem Menschen zuerkannt, sondern nur unter bestimmten Bedingungen, etwa insofern dieser »Person« sei, d. h. über Eigenschaften wie Ichbewusstsein und Rationalität verfüge (so der australische Philosoph Peter Singer, * 1946), würden nicht nur Embryonen, kleine Kinder, geistig Behinderte, sondern auch Sterbende nicht unter das Gebot und die Pflicht menschlichen Lebensschutzes fallen. Kritisch wird demgegenüber auf die Gefahr menschlicher Willkür und Eigenmächtigkeit im Umgang mit Leben und Tod hingewiesen und v. a. die nicht reduzierbare Personalität eines jeden Menschen hervorgehoben, wie sie in dem spezifischen Charakter einer bestimmten menschlichen Entwicklung zum Ausdruck komme (R. Spaemann).
Neben den medizinethischen Gesichtspunkten, die v. a. das Dreiecksverhältnis von Arzt, Patient und dessen Angehörigen im Blick haben, wird aus sozialethischer Sicht auf die begrenzt-individualistische Perspektive hingewiesen, die den Gedanken eines selbst bestimmten Todes belaste und den Anspruch der Sterbenden auf die verlässliche Solidarität ihrer menschlichen Umgebung in den Hintergrund dränge. Weil die Annahme und ein würdiges Bestehen des eigenen Todes von der jeweiligen Einstellung des Einzelnen abhängen, kann keine Gesellschaft ihren Mitgliedern ein menschenwürdiges Sterben garantieren. Sie kann in der Ausrichtung ihrer medizinischen Institutionen und in dem öffentlichen Leitbild, das sie vom Lebenssinn alter, kranker und sterbender Menschen zeichnet, jedoch die notwendigen Voraussetzungen bereitstellen, die dem Einzelnen die Annahme seines Todesschicksals erleichtern. Die fortschreitende Ausgrenzung von Tod und schwerem Leiden aus dem öffentlichen Leben stellt aus sozialethischer Sicht einen Appell an die Solidarpotenziale der Gesellschaft dar, die den Einzelnen in der Phase seines Lebens, in der er auf mitmenschliche Nähe besonders angewiesen ist, nicht allein lassen darf. In diesem Sinn wird Sterbehilfe v. a. als eine individuelle Aufgabe der Angehörigen, aber auch als gesellschaftlichen Auftrag einer humanen Medizin verstanden.
E. Schockenhoff: S. u. Menschenwürde. Begleitung zu einem eigenen Tod (1991);
Ethik u. Recht an der Grenze zw. Leben u. Tod, hg. v. E. Bernat (Graz 1993);
D. Birnbacher: Tun u. Unterlassen (1995);
Hospiz u. Begleitung im Schmerz, hg. v. C. Saunders (a. d. Engl., Neuausg. 1995);
Töten oder sterben lassen?, bearb. v. R. Spaemann u. a. (1997);
E. Beleites: Sterbebegleitung. Wegweiser für ärztl. Handeln, in: Dt. Ärzteblatt, Jg. 95 (1998); N. Hoerster: S. im säkularen Staat (1998).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Altern und Tod
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Stẹr|be|hil|fe, die: 1. ↑Euthanasie (1 b): Humane und christliche S. sei „bei uns eine wenig gelernte und geübte Tätigkeit“ (Rheinpfalz 10.2.89, 14); Mithilfe menschlicher Ärzte habe ich meiner Frau S. geleistet (Spiegel 9, 1975, 10); Hackethal, gegen den die Staatsanwaltschaft Traunstein wegen unerlaubter S. ermittelt (Badische Zeitung 12.5.84, 16). 2. Sterbegeld.
Universal-Lexikon. 2012.