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Weltwirtschaft
Wirtschaft der Welt

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Wẹlt|wirt|schaft 〈f. 20; unz.〉 die wirtschaftl. Beziehungen u. Vorgänge zw. allen od. vielen Ländern

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Wẹlt|wirt|schaft, die:
<o. Pl.> Wirtschaft der Welt.

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Weltwirtschaft,
 
die Gesamtheit der wirtschaftlichen Beziehungen und Verflechtungen der Staaten untereinander, die durch Außenhandel sowie die Bewegungen von Arbeitskräften und Kapital zwischen Volkswirtschaften entstanden sind. Die Entwicklung der Weltwirtschaft ist in zunehmendem Maße mit der Entwicklung des Welthandels verknüpft, wobei hierunter die Gesamtheit der zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen verstanden wird.
 
Das Weltsozialprodukt beträgt nach Angaben der UNCTAD (2001) rd. 32 000 Mrd. US-$, woraus sich bei einer Weltbevölkerung von rd. 6 Mrd. Menschen ein Bruttosozialprodukt (BSP; neuerdings als Bruttonationaleinkommen, Abkürzung BNE, bezeichnet) je Einwohner von rd. 5 000 US-$ errechnet. Allerdings sind Weltbevölkerung und Welteinkommen sehr ungleichmäßig verteilt: In den westlichen Industrieländern (OECD-Staaten) leben zwar nur rd. 15 % der Weltbevölkerung (1999: rd. 896 Mio. Menschen), auf diese Länder entfallen jedoch rd. 80 % des Weltsozialprodukts. In der übrigen Welt - v. a. in den Entwicklungsländern und den osteuropäischen Reformstaaten, die noch nicht in die OECD integriert sind - leben etwa 85 % der Weltbevölkerung (1999: rd. 5,1 Mrd. Menschen), ihr Anteil am Weltsozialprodukt beträgt jedoch nur etwa 20 %.
 
 Entwicklung des Welthandels
 
Der Welthandel konnte seit dem Zweiten Weltkrieg sehr hohe Wachstumsraten verzeichnen; seit 1950 hat sich das Welthandelsvolumen etwa verhundertfacht. Allein die Weltexporte stiegen von (1950) 61 Mrd. US-$ über (1970) 290 Mrd. US-$ beziehungsweise (1980) 1 911 Mrd. US-$ auf (2001) 6 162 Mrd. US-$. Allerdings schwankten die Wachstumsraten seit 1970 sehr stark, was v. a. mit der konjunkturellen Entwicklung der Weltwirtschaft und besonderen Ereignissen (z. B. starken Erhöhungen des Erdölpreises 1973/74 und 1979/80) zusammenhängt. In Zeiten von Weltrezessionen wuchs z. B. der Wert der Weltexporte stark unterdurchschnittlich (1975-77, 1991-93) oder ging sogar zurück (z. B. 1981-83 und 2001). Besonders dynamisch war die Entwicklung des Welthandels in den Jahren 1970-74, 1978-80, 1987-90 und 1997-2000.
 
Die Betrachtung der Welthandelsströme zeigt, dass die westlichen Industrieländer den Welthandel dominieren: Ihr Anteil an den weltweiten Exporten beträgt (2001) 63 %, bei den Importen liegt ihr Anteil bei 66,6 %. Etwa drei Viertel des Anteils der Industrieländer am Welthandel entfallen auf den Handel zwischen den Ländern der so genannten Triade (Nordamerika, Westeuropa, Japan). Der Anteil der Entwicklungsländer am Welthandel beträgt (2001) bei Exporten 32,3 % und bei den Importen 28,7 %. Die bis 1991 im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammengeschlossenen mittel- und osteuropäischen Staaten (auch als Transformationsstaaten bezeichnet) waren schon in der Zeit der Planwirtschaft aufgrund des staatlichen Außenhandelsmonopols nur wenig in den Welthandel integriert. Ein weiterer Rückgang ihrer Handelsaktivitäten wurde durch den politischen und wirtschaftlichen Umbruch seit Beginn der 90er-Jahre ausgelöst. Ihr Anteil am Welthandelsvolumen ist mit (2001) 4,6 % bei Exporten (1980: 7,2 %) und 4,2 % bei den Importen (1980: 7,8 %) äußerst gering, wenn auch seit 1994 positive Wachstumsraten bei Im- und Exporten festzustellen sind, die auf eine zunehmende (Re-)Integration dieser Staaten in den Welthandel hindeuten.
 
 Historische Entwicklung
 
Die moderne Weltwirtschaft hat sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet. Zwar wurde bereits in der Antike und im Mittelalter zwischen verschiedenen, weit voneinander entfernten Wirtschaftsräumen Handel getrieben, die Schaffung eines weltweiten Systems von Außenhandelsbeziehungen wurde aber erst durch die Industrialisierung und die damit verbundene Überschussproduktion bei gleichzeitig erheblich gestiegenem Rohstoffbedarf sowie die Einführung moderner Verkehrsmittel möglich. Mittelpunkt einer anfangs unizentrisch ausgerichteten Weltwirtschaft war Großbritannien, weil hier bereits im 18. Jahrhundert die Industrialisierung eingesetzt hatte. Die von Großbritannien betriebene systematische Erschließung der Auslandsmärkte für die im Inland erzeugte Überschussproduktion erwies sich als richtungweisend für andere industrialisierte Länder, die mit einiger zeitlichen Verzögerung ebenfalls begannen, untereinander und mit den Rohstofflieferanten und Abnehmerländern außerhalb der industrialisierten Welt intensive Handelsbeziehungen einzugehen.
 
Die Anfangsphase der weltwirtschaftlichen Entwicklung im 19. und frühen 20. Jahrhundert lässt sich in zwei Perioden einteilen: In der ersten Periode (1848-80) wurden durch die Industrialisierung zunächst die Voraussetzungen für eine zunehmende internationale Arbeitsteilung geschaffen. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch das starke Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung in Europa: Während die europäische Bevölkerung bis zum 18. Jahrhundert relativ konstant geblieben war, wuchs sie danach von (1800) 187 Mio. auf (1910) 447 Mio. Dies führte zu einer umfangreichen Auswanderung in die überseeischen Kolonialgebiete und bewirkte gleichzeitig eine erhebliche Expansion der Weltwirtschaft. Als wichtigste Akteure auf dem Weltmarkt traten v. a. Großbritannien mit seinen Kolonien und Einflussgebieten, West- und Mitteleuropa sowie später auch die USA auf, sodass am Ende dieser ersten Expansionsperiode eine bizentrische Weltwirtschaft mit industriellen Kernen in Europa und Nordamerika entstanden war. Charakteristisch für die erste Phase war der Übergang zum Freihandel, bei dem das liberal geprägte Großbritannien eine zentrale Rolle spielte. Ein weiteres wichtiges Element der liberalen Weltwirtschaftsordnung war der allgemeine Übergang zum Goldstandard (Goldwährung). Die Bank von England nahm zu dieser Zeit faktisch die Rolle einer Weltzentralbank ein, das britische Pfund diente als internationale Leitwährung.
 
Die zweite Periode der weltwirtschaftlichen Entwicklung (1880-1914) war durch den zunehmenden weltweiten Einsatz neuer Verkehrsmittel geprägt, die erst eine nachhaltige Expansion des Welthandels ermöglichten. Neben dem raschen Ausbau des Eisenbahnnetzes v. a. in Nord- und Südamerika sowie in Asien (Indien, China) und Russland, der zur zunehmenden wirtschaftlichen Erschließung des kontinentalen Hinterlandes beitrug, wurden auch zahlreiche internationale Wasserstraßen gebaut (Suezkanal, 1869; Nord-Ostsee-Kanal, 1895; Panamakanal, 1914), die zu einer deutlichen Verkürzung der Seewege führten. In dieser Periode nahmen auch die internationalen Kapitalbewegungen sowie die Zahl der zwischenstaatlichen Handelsverträge deutlich zu. Zwar wurden noch keine supranationale Institutionen geschaffen, es kam aber zu zahlreichen vertraglichen Vereinbarungen, die international anerkannt wurden (z. B. Weltpostverein).
 
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bedeutete einen tief greifenden Einschnitt für die Weltwirtschaft: Die Goldeinlöseverpflichtung auf Banknoten wurde in den meisten europäischen Ländern im Sommer 1914 aufgehoben, was zu einem Zusammenbruch des internationalen Währungssystems führte. Das zweite wichtige Element der Weltwirtschaftsordnung, der freie Handel, zerbrach bei Kriegsbeginn (Blockadepolitik). Die Weltwirtschaft nach 1918 war v. a. durch die direkten Folgen des Krieges bestimmt: Die erheblichen Bevölkerungsverluste und die Zerstörung der industriellen Anlagen hatten die Wirtschaftskraft Europas geschwächt. Damit nahm auch der europäische Einfluss auf die Weltwirtschaft deutlich ab, bei gleichzeitigem Aufstieg der USA und Japans.
 
Im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise gingen in den 30er-Jahren immer mehr Länder zu restriktiven Praktiken im internationalen Handels- und Zahlungsverkehr über (Importbeschränkungen, Devisenbewirtschaftung) und unternahmen außerdem den Versuch einer autonomen einzelstaatlichen Konjunkturpolitik zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Gleichzeitig gab es zahlreiche neomerkantilistische Versuche, durch Exportüberschüsse die binnenwirtschaftliche Konjunktur zu beleben (Beggar-my-Neighbour-Policy). Ergebnis dieser unabgestimmten und häufig entgegengesetzten einzelstaatlichen Maßnahmen war eine erhebliche Beeinträchtigung der Weltwirtschaft und ein deutliches Schrumpfen des Welthandels.
 
 Weltwirtschaftsordnung nach 1945
 
Bereits während des Zweiten Weltkrieges wurde von den Alliierten auf Initiative der USA und Großbritanniens über eine Neustrukturierung des Weltwirtschaftssystems diskutiert, da der Weltwirtschaftskrise eine erhebliche Mitschuld am Kriegsausbruch gegeben wurde. Nach Kriegsende verstärkten sich diese Bemühungen um eine globale Integration. Ziel war ein Kompromiss zwischen intensiven weltweiten außenwirtschaftlichen Beziehungen und möglichst großen nationalen Handlungsspielräumen sowie dem Schutz vor weltwirtschaftlichen Störungen (z. B. Konjunktur- und Wachstumskrisen). Die Konzeption sah eine Rückkehr zu einer liberalen, marktwirtschaftlich orientierten Weltwirtschaftsordnung vor, die erstmals international vertraglich abgesichert und durch neu geschaffene internationale Institutionen überwacht und gesteuert werden sollte.
 
Die Weltwirtschaftsordnung griff für den Welthandel das Prinzip des Freihandels auf und schuf mit dem Abkommen von Bretton Woods am 23. 7. 1944 ein neues Weltwährungssystem, das die verloren gegangenen Vorzüge des Goldstandards wiederherstellen sollte, allerdings ohne Einschränkungen der Nationalstaaten auf dem Gebiet der Konjunktur-, Wachstums- und Beschäftigungspolitik hinnehmen zu müssen. 1945 entstanden als neue Institutionen der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank).
 
Das zweite wichtige Element der Weltwirtschaftsordnung war die Schaffung einer neuen internationalen Handelsordnung. Am 1. 1. 1948 trat das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) in Kraft. Die Sowjetunion war zwar zeitweilig an den Verhandlungen über die Welthandelsordnung beteiligt, trat ihr aber nicht bei, was v. a. auf den sich verschärfenden Ost-West-Konflikt zurückgeführt wird. Stattdessen schlossen sich die kommunistischen Staaten 1949 zu einem eigenen Handelsblock, dem RGW, zusammen. Die Weltwirtschaftsordnung auf der Grundlage von IWF, Weltbank und GATT erhielt somit eine eindeutig westliche Prägung, in der der amerikanische Einfluss eine ähnliche Bedeutung hatte wie die britische Hegemonialstellung für die Handelsordnung des 19. Jahrhunderts. Der US-Dollar übernahm die Funktion einer internationalen Leitwährung.
 
Die weltwirtschaftliche Entwicklung verlief zunächst auf der Grundlage der geschaffenen Weltwirtschaftsordnung äußerst erfolgreich: Bis 1973 konnte ein sehr hohes reales Wachstum des Welthandels (durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Weltexporte 1965-73: 9,1 %) erzielt werden. Der Welthandel entwickelte sich damit deutlich schneller als die Weltproduktion (durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts 1965-73: 4,9 %). Die höchsten Wachstumsraten verzeichnete dabei der Handel zwischen den industriellen Zentren (»Triade«) Nordamerika, Westeuropa und Japan (1965-73: 9,5 %), während die Entwicklungsländer in erheblich geringerem Umfang von der Intensivierung des Welthandels profitierten (1965-73: 5,2 %).
 
 Desintegration der Weltwirtschaft
 
Das anhaltende Wirtschaftswachstum und die Integrationsbemühungen in Europa sowie der Aufschwung Japans ließen innerhalb der westlichen Welt neben den USA zwei weitere wirtschaftliche Großmächte entstehen, zwischen denen die Abstimmung in zunehmendem Maße schwieriger wurde, zumal im Zeichen der Ost-West-Entspannungspolitik das gemeinsame Sicherheitsbedürfnis nicht mehr stark genug war, um die wirtschaftlichen Gegensätze zu überbrücken. Die gegenseitige Loyalität bei der Einhaltung von internationalen wirtschaftspolitischen Vereinbarungen nahm ab und mündete schließlich in einer Wiederbelebung merkantilistischer Strömungen. Von wesentlicher Bedeutung für die Schwächung des Weltwirtschaftssystems waren auch der Prozess der Entkolonialisierung und der aufkommende Nord-Süd-Konflikt. Der rasche Anstieg des Rohstoffverbrauchs aufgrund des schnellen wirtschaftlichen Wachstums in den Industrieländern einerseits und ein wachsendes politisches Selbstbewusstsein der ehemaligen Kolonialstaaten andererseits verstärkten deren Anspruch auf eine Neugestaltung der weltwirtschaftlichen Beziehungen: 1960 schlossen sich zunächst Erdöl exportierende Entwicklungsländer zur OPEC zusammen, 1964 wurde die Welthandelskonferenz (UNCTAD) als ständiges Organ der UN-Vollversammlung eingerichtet. Ihre Gründung geht besonders auf Forderungen der Entwicklungsländer zurück, die ihre wirtschaftlichen Belange in den bestehenden Organisationen nicht hinreichend berücksichtigt fanden (Gruppe der 77). Nachdem Anfang der 70er-Jahre krisenhafte Entwicklungen die Weltwirtschaft erschütterten, verstärkten sich die Forderungen nach einer Reform des Weltwirtschaftssystems (Neue Weltwirtschaftsordnung).
 
Die Weltwährungsordnung zeigte sich seit Mitte der 60er-Jahre zunehmend störanfällig. Ursachen waren eine mangelnde Bereitschaft seitens der Länder mit dauerhaften Leistungsbilanzüberschüssen, ihre Währungen häufig und hoch genug aufzuwerten, eine Neigung der Defizitländer, die erforderliche Abwertung ihrer Währungen so lange wie möglich hinauszuzögern (geringe Bereitschaft zu Paritätsanpassungen), und die Weigerung der USA, eine streng zahlungsbilanzorientierte Wirtschaftspolitik zu betreiben, wie dies ihre Rolle als Leitwährungsland erfordert hätte. Die Währungsordnung von Bretton Woods scheiterte 1972, im März 1973 gingen die EG-Länder zum gemeinsamen Floating gegenüber dem US-Dollar über. Das System fester Wechselkurse wurde schließlich durch ein System flexibler Wechselkurse abgelöst.
 
Die erste starke Erhöhung der Erdölpreise 1973 führte zu einer weltweiten Rezession und machte die gegenseitige konjunkturelle Abhängigkeit der nationalen Volkswirtschaften untereinander deutlich. Anders als bei der Weltwirtschaftskrise 1929 gelang es aber, durch eine internationale abgestimmte Politik der Industrieländer die Krise zu überwinden. So finden seit 1975 u. a. Konferenzen der Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrieländer statt, deren Ziel v. a. die Erörterung und gegenseitige Abstimmung der weltweiten Wirtschafts- und Währungsfragen ist (Weltwirtschaftsgipfel).
 
Die weltweiten Anpassungsprozesse an die Folgen der zweiten starken Erhöhung der Erdölpreise 1979/80 verliefen in den einzelnen Ländergruppen sehr unterschiedlich. Den Industrieländern gelang es relativ rasch, Voraussetzungen für eine neue Wachstumsdynamik zu schaffen. Sie konnten ihren Erdölverbrauch erheblich reduzieren, neue Erdölvorkommen erschließen (Alaska, Nordsee) und auch verstärkt auf andere Energieträger umstellen (Kohle, Erdgas, Kernenergie). Die Entwicklungsländer mussten dagegen erhebliche Wohlfahrtseinbußen hinnehmen. V. a. jene Länder, die in den 60er-Jahren erfolgreich in die Phase der Industrialisierung eingetreten waren (z. B. Brasilien, Mexiko, Argentinien), konnten ihre Erfolge angesichts weltweiter Rezession, drastisch verteuerten Erdöls und hoher Realzinsen nicht mehr fortsetzen. Der Zufluss von Petrodollars, der zu einer hohen Liquidität der internationalen Finanzmärkte geführt hatte, erlaubte zwar diesen Ländern zunächst, ihre Leistungsbilanzdefizite über Kapitalimporte zu finanzieren. Bald bewirkte diese Entwicklung aber die faktische Zahlungsunfähigkeit und löste damit die seit 1982 anhaltende internationale Schuldenkrise aus.
 
Oberflächlich betrachtet zeigte der weltwirtschaftliche Verlauf der 70er- und der 80er-Jahre, dass das Weltwirtschaftssystem der Nachkriegszeit in der Lage war, auch schwere Krisen zu überwinden. Die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von Weltexporten und -produktion waren weiterhin positiv, aber verglichen mit dem Zeitraum 1965-73 auf niedrigerem Niveau (reales Wachstum der Weltexporte 1973-80: 4,7 %; 1980-91: 4,1 %; reales Wachstum der Weltproduktion: 3,4 % beziehungsweise 3,0 %). Ein Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems konnte verhindert werden. Schon früh hatte allerdings eine innere Aushöhlung der Welthandelsordnung eingesetzt: Es zeigte sich, dass die bestehende Welthandelsordnung auf der Grundlage des GATT keinen zuverlässigen Schutz gegen einen Rückfall in den Protektionismus bot, weil das GATT als Organisation zu schwach war und ihm gegenüber den Mitgliedländern Weisungsbefugnis und Sanktionsgewalt fehlten. Zwar ließen sich insofern Teilerfolge bei der Liberalisierung des Welthandels erzielen, als prohibitiv wirkende Zölle und restriktiv wirkende Kontingente im Außenhandel mit Industrieprodukten zur Ausnahme wurden. An ihre Stelle trat aber ein »neuer Protektionismus«, der sich v. a. des Instrumentariums der nichttarifären Handelshemmnisse bedient. Ursachen hierfür waren in den Industrieländern seit den 70er-Jahren ein deutlich schwächeres Wirtschaftswachstum und sinkende Profitraten der Unternehmen, die strukturelle Anpassungen in veralteten Industriebereichen (Bergbau, Werften, Stahlindustrie) erschwerten, sowie Sättigungstendenzen in einigen Konsumgüterbranchen und steigende Importquoten, die für eine zunehmende Gefährdung inländischer Arbeitsplätze verantwortlich gemacht wurden. Die zunehmende Verletzung beziehungsweise Umgehung der GATT-Bestimmungen durch zahlreiche protektionistische Maßnahmen (z. B. freiwillige Exportselbstbeschränkungsabkommen im Textil-, Stahl- und Automobilsektor) führten dazu, dass bereits 1984 rd. die Hälfte des Welthandelsvolumens durch nichttarifäre Handelshemmnisse beeinträchtigt war. Nationale wirtschaftliche Interessen der Industrieländer spiegeln sich außerdem in einem ausgeprägten Agrarprotektionismus wider, der sich v. a. auf die Exportchancen der Entwicklungsländer negativ auswirkt. Die zunehmende Konkurrenz zwischen den führenden Industrieländern drückt sich darüber hinaus in zahlreichen Maßnahmen der Exportförderung v. a. im Bereich der Hochtechnologie aus (Industriepolitik, Technologiepolitik). Diese neuen Formen des Protektionismus bewirken häufig Gegenmaßnahmen der betroffenen Länder, beschränken den internationalen Wettbewerb und schaden damit dem freien Welthandel.
 
 Entwicklungstendenzen in den 90er-Jahren
 
Die Entwicklung der 90er-Jahre ist v. a. geprägt durch eine fortschreitende Liberalisierung des Welthandels (Abschluss der Uruguay-Runde des GATT und Gründung der WTO) und eine zunehmende wirtschaftliche Globalisierung bei gleichzeitiger regionaler Blockbildung. So wurde 1993 der Europäische Binnenmarkt vollendet, 1994 trat das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum in Kraft und zum 1. 1. 1999 erfolgte der Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einführung des Euro in 11 (seit 2001 12) EU-Staaten, 1994 trat die Asiatische Freihandelszone (AFTA) der sieben ASEAN-Staaten in Kraft; in Lateinamerika formierten sich seit Anfang der 90er-Jahre fünf Staaten zum Mercosur, der zu einer Zollunion entwickelt werden soll; die Staats- und Regierungschefs aller amerikanischen Länder beschlossen 1994 die Schaffung einer weit über die bisherige NAFTA (Nordamerikanische Freihandelszone) hinausgehenden Freihandelszone (Free Trade Area of the Americas; FTAA) bis zum Jahr 2005; ebenso beschlossen 1994 die Mitgliedstaaten der APEC, langfristig eine Freihandelszone einzurichten. Für die kommenden Jahre (2004-2010) wird v. a. die Osterweiterung der EU eine Rolle spielen (europäische Integration).
 
Gründe für die Schaffung regionaler Freihandelszonen sind neben wirtschaftlichen häufig auch politische Erwägungen (wie etwa die Einbindung Deutschlands im Rahmen der europäischen Integration). Kritiker dieser Entwicklung verweisen auf die Gefahr, dass es durch eine Diskriminierung von Drittländern (Freihandel nach innen - Protektionismus nach außen) zu einer ineffizienten, komparative Kostenvorteile vernachlässigenden Konzentration der Welthandelsströme auf den Regionalhandel innerhalb der Blöcke und gleichzeitig zu einer Abkopplung einzelner Ländergruppen kommen kann. Befürworter der regionalen Integration verneinen diese Gefahren zwar mit dem Hinweis darauf, dass die Unternehmen eine Gefährdung ihrer Exportmärkte durch Abschottung gegenüber Drittländern nicht hinnehmen und auf Kosteneinsparungspotenziale durch weltweite Beschaffung (Globalsourcing) nicht verzichten würden, dennoch lässt sich feststellen, dass der Anteil des westeuropäischen Handels, der innerhalb des EU- beziehungsweise EFTA-Raums stattfindet, von (1985) 65,4 % auf (2000) 67,8 % gestiegen ist; im gleichen Zeitraum nahmen die Anteile des intraregionalen Handels in Asien von 40,4 % auf 48,9 % und in Nordamerika von 39,3 auf 39,8 % zu. Eine gleichzeitige Abkoppelung einzelner Ländergruppen drückt sich darin aus, dass der Anteil der afrikanischer Staaten (v. a. Länder südlich der Sahara) an den Weltexporten von (1990) 3,1 auf (2000) 2,3 % gesunken ist. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass der Zusammenschluss der Industriestaaten zu regionalen Handelsblöcken mit einer Vertiefung des Wohlstandsgefälles zu den Entwicklungsländern einhergeht.
 
Insgesamt hat sich der Welthandel seit Beginn der 90er-Jahre uneinheitlich entwickelt, wobei langfristig ein steigender Trend zu beobachten ist. Während die weltweiten Exporte (ohne Dienstleistungsverkehr) zwischen 1982 und 1990 im Durchschnitt jährlich um rd. 9,5 % zunahmen, war zwischen 1990 und 2000 nur noch eine jahresdurchschnittliche Wachstumsrate von 6,1 % zu verzeichnen. Impulse erhält der Welthandel v. a. von der zunehmenden wirtschaftlichen Globalisierung und der weiteren Liberalisierung des Güteraustauschs sowie des internationalen Zahlungsverkehrs nach Abschluss der Uruguay-Runde des GATT und der Gründung der WTO. Dämpfend auf die Entwicklung des Welthandels hat sich dagegen die internationale Schuldenkrise ausgewirkt, in deren Verlauf die Auslandschulden der Entwicklungsländer von (1980) 586,7 Mrd. US-$ auf (2000) 2 527,5 Mrd. US-$ anstiegen. Verschärft wurde diese Entwicklung durch den Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme in Mittel- und Osteuropa, deren Anteil am Welthandel sich zwischen 1980 und 2001 fast halbierte. Auch könnte der durch den gegenwärtigen Transformationsprozess (Transformationsgesellschaften) verursachte Kapitalbedarf zu einer weiteren Verschlechterung der Kreditkonditionen für Entwicklungsländer und damit zu einer Vertiefung der internationalen Schuldenkrise führen.
 
Im Rahmen der wirtschaftlichen Globalisierung lässt sich für die 90er-Jahre beobachten, dass die durch intersektorale Handelsbeziehungen zwischen Volkswirtschaften (z. B. Rohstoffe gegen Kapitalgüter) gekennzeichnete Weltwirtschaft alten Stils durch eine neue Weltwirtschaft mit zunehmend vernetzten globalen Produktionsstrukturen abgelöst wird. Dies hat zur Folge, dass sich nationalstaatlichen Systeme und Institutionen immer stärker an den Maßstäben des Weltmarktes messen lassen müssen. Eine zentrale Rolle hierbei spielen die multinationalen Unternehmen. Durch ihre globalen Produktions- und Beschaffungsstrategien bewirken sie eine zunehmende Internationalisierung der Wertschöpfungsketten. So entfällt gegenwärtig bereits etwa ein Drittel der Weltexporte auf den konzerninternen Handel.
 
 Perspektiven
 
Für das 21. Jahrhundert wird eine weitere Verstärkung der regionalen Blockbildung erwartet. Die fortschreitende wirtschaftliche Integration Europas durch die Einführung des Euro (1999) und die avisierte Erweiterung der EU (Estland, Polen, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern sowie Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien und Slowakische Republik) sowie die Realisierung der geplanten Freihandelszonen im außereuropäischen beziehungsweise transatlantischer Raum werden zu einer Weltwirtschafts- und Handelsordnung führen, die nahezu vollständig durch drei große regionale Kooperations- beziehungsweise Integrationsprojekte (EU, erweiterte NAFTA, asiatischer Wirtschaftsraum) dominiert wird. Parallel hierzu werden weitere Liberalisierungen im Welthandel erwartet. Neben dem geplanten Beitritt weiterer Staaten zur WTO (u. a. Russland) und der Ratifizierung zahlreicher multilateraler Liberalisierungsabkommen wird zwischen den OECD-Staaten der Abschluss eines internationalen Übereinkommens zum Schutz und zur Erleichterung grenzüberschreitender Investitionen (Multilateral Agreement on Investment: MAI) diskutiert.
 
Die fortschreitende Liberalisierung von Handels- und Kapitalströmen ebenso wie die immer schwierigere Kontrolle der internationalen Finanzmärkte und der multinationalen Unternehmen durch nationalstaatliche Institutionen lassen die Schaffung einer internationalen Wettbewerbsordnung sowie die Neuordnung multinationaler Institutionen zu einer der zentralen weltwirtschaftlichen Herausforderungen der nächsten Dekade werden. Ein weiteres drängendes Problem der Weltwirtschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellt die Überwindung von Armut, Krankheiten (z. B. Aids) und Umweltzerstörung dar. Die Möglichkeiten der Entwicklungsländer, eine Verbesserung ihrer heutigen Lebenssituation ohne die Gefährdung der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu erreichen, hängen wesentlich von der Wirtschaftspolitik in den Industrieländern ab. Die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Juni 1992 in Rio de Janeiro markiert den Ausgangspunkt für eine neue Weltwirtschaftspolitik. Auf diesem Erdgipfel wurden erste politische Grundlagen für eine weltweite nachhaltige Entwicklung geschaffen. Trotz der auf der Nachfolgekonferenz in Kyōto 1997 erzielten Fortschritte (Kyōto-Protokoll zur internationalen Klimapolitik) bleibt in Anbetracht der bislang häufig nur an ökonomischen Kriterien ausgerichteten nationalen Wirtschaftspolitik offen, ob eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige und sozial ausgewogene Weltwirtschaft verwirklicht werden kann. Einen Schritt in diese Richtung verspricht die 2001 begonnene neue Handelsrunde der WTO, die nach dem Ort des Beginns der Verhandlungen als Doha-Runde bezeichnet wird.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Außenwirtschaft · Entwicklungspolitik · Finanzmärkte · Freihandel · multinationale Unternehmen · Protektionismus · Umweltpolitik · Währung · Wettbewerbsfähigkeit · Wohlstand
 
Literatur:
 
Weltentwicklungsbericht, hg. v. der Weltbank (Washington, D. C., 1978 ff.); W.-Lehre, Beitrr. v. H. H. Glismann u. a., 2 Bde. (3-41987-92);
 P. J. J. Welfens: Internationalisierung von Wirtschaft u. Wirtschaftspolitik (1990);
 R. Cameron: Gesch. der W., 2 Bde. (a. d. Amerikan., 1991-92);
 
Globale Trends. Fakten, Analysen, Prognosen, hg. v. der Stiftung Entwicklung u. Frieden (1991 ff.);
 L. R. Brown u. a.: Zur Rettung des Planeten Erde. Strategien für eine ökologisch nachhaltige W. (a. d. Amerikan., 21992);
 G. Gandolfo: International economics, 2 Bde. (21994-95);
 H. Wagner: Einf. in die W.-Politik (31995);
 H.-J. Stadermann: Monetäre Theorie der W. (21996);
 
Lex. der internat. Wirtschaftsbeziehungen, hg. v. T. Plümper (1996);
 
Die Entwicklungsländer im Zeitalter der Globalisierung, hg. v. H.-B. Schäfer (1996);
 T. Plümper: Der Wandel weltwirtschaftl. Institutionen (1996);
 R. B. Reich: Die neue W. Das Ende der nat. Ökonomien (a. d. Engl., 4.-5. Tsd. 1997);
 H. Siebert: W. (1997);
 M. Ludwig: Globalisierung der Märkte. Motor oder Bremse für den Wohlstand hochentwickelter Volkswirtschaften? (1998);
 W. Glastetter: Außenwirtschaftspolitik (31998);
 K. Rose und K. Sauernheimer: Theorie der Außenwirtschaft (131999);
 G. Volz: Die Organisationen der W. (2000);
 P. R. Krugman und M. Ostfeld: International Economics. Theory and Policy (52000);
 J. Kleinert u. a.: Globalisierung, Strukturwandel und Beschäftigung (2000);
 H. Siebert: Außenwirtschaft (72000);
 M. Borchert: Außenwirtschaftslehre (72001);
 E. Becker-Boost und E. Fiala: Wachstum ohne Grenzen. Globaler Wohlstand durch nachhaltiges Wirtschaften (Wien 2001);
 R. Roloff: Europa, Amerika und Asien zwischen Globalisierung und Regionalisierung (2001);
 G. Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen (52001).

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Wẹlt|wirt|schaft, die <o. Pl.>: internationale Wirtschaft: Schmilzt nun auch noch Japans Finanzkraft dahin, dann wird das Folgen für die W. haben (Woche 14. 11. 97, 25).

Universal-Lexikon. 2012.