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multinationale Unternehmen
mụltinationale Unternehmen,
 
Abkürzung MU, internationale Unternehmen, trạnsnationale Unternehmen, umgangssprachlich Mụltis, Unternehmen, die - abgesehen vom Land mit dem ursprünglichen Firmensitz (in der Regel Sitz der Konzernzentrale) - über Produktionsstätten in mehreren Staaten verfügen, einen großen Teil ihrer Umsätze im Ausland tätigen und ihre (strategische) Unternehmensplanung weltweit ausrichten. Diese Definition ist enger als die der UNO, wonach als MU jedes Unternehmen gilt, das in zwei oder mehr Ländern einen Betrieb kontrolliert. Sie grenzt Unternehmen aus, die lediglich ein globales Vertriebsnetz zum Absatz ihrer in einem Lande konzentrierten Produktion unterhalten, macht die Kennzeichnung als MU jedoch nicht von einer Mindestbetriebsgröße (wichtigste Kriterien sind Umsatz, Beschäftigte, Marktanteile, marktbeherrschende Stellung) abhängig. Auch mittlere Unternehmen erfüllen vielfach die Kriterien eines MU. Dennoch wird bei der Bezeichnung »Multi« in der Regel an Großunternehmen mit einem gewissen Bekanntheitsgrad gedacht. MU entstehen durch internationale Kapitaltransaktionen zum Zwecke der Errichtung oder des Erwerbs ausländischer Produktionsstätten, die in der Regel rechtlich selbstständig sind beziehungsweise bleiben (d. h. ein MU ist fast immer ein Konzern).
 
Statistisch ist es schwierig, internationale Kapitaltransaktionen mit dieser Zielsetzung abzugrenzen von solchen, die nur der Anlage von Geldvermögen (z. B. in ausländischen Aktien) dienen. Die Deutsche Bundesbank erfasst daher als Direktinvestitionen nur solchen Erwerb von Kapitalanteilen, der zu einer Beteiligung von mindestens 20 % führt, während die UNCTAD in ihrem jährlich erscheinenden »World Investment Report« bereits ab 10 % von Direktinvestitionen spricht. Hieraus resultieren erhebliche Abweichungen zwischen den verschiedenen Statistiken. - Das Fehlen einer einheitlichen Definition erschwert Aussagen über die wirtschaftliche Bedeutung von MU. Die UNCTAD geht davon aus, dass der Kapitalstock von Unternehmen im Ausland zwischen 1990 und 2000 um das Dreieinhlbfache auf rd. 21 000 Mrd. US-$ gestiegen ist.
 
 Bedeutung und Entwicklung
 
Bis ins 19. Jahrhundert beschränkten Unternehmen ihre Auslandsaktivitäten auf direkte Importe beziehungsweise Exporte; gelegentlich unterhielt ein Unternehmen Handelsniederlassungen im Ausland (Handelskompanien). Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Unternehmen mit der Errichtung beziehungsweise dem Erwerb von Betrieben im Ausland. Zu den ersten MU gehörten die Mineralölkonzerne - z. B. Rockefellers Standard Oil (heute Exxon Mobil Corp.). Aber auch andere amerikanische und europäische Unternehmen unterhielten bald bedeutende Produktionsstätten im Ausland (z. B. ITT, General Electric, United Fruit Company, Siemens). Die Internationalisierung der Produktion setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg fort (z. B. 1929 Übernahme von Opel durch General Motors). Ihre heutige Bedeutung gewannen die MU jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis zum Ende der 60er-Jahre stammten die meisten MU aus den USA. Technologischer Vorsprung, Überbewertung des US-Dollar und kapitalmäßige Überlegenheit waren die wichtigsten Ursachen für die weltweite Expansion der amerikanischen Konzerne. Das rasche Wirtschaftswachstum in Europa und die wirtschaftliche Integration in den EG lockten zahlreiche Unternehmen aus den USA an. Die Expansion in die Entwicklungsländer und umfangreiche Aufkäufe europäischer Unternehmen durch Konzerne der USA lösten in der Öffentlichkeit eine kritische Diskussion um die »Multis« aus. Seit Mitte der 70er-Jahre geht das Wachstum der MU nicht mehr allein von den USA aus. Besonders europäische und japanische MU expandieren, nicht zuletzt auch auf den amerikanischen Markt (z. B. Produktion japanischer Autos und Fernsehgeräte in den USA). Neben die MU aus den Industrieländern treten - wenn auch noch mit geringerer Bedeutung - solche aus Schwellenländern. Von den 50 umsatzstärksten Unternehmen der Welt haben (2000) 18 ihren Sitz in Japan, 16 in den USA, 5 in Deutschland, je 3 in Frankreich und in Großbritannien sowie 2 in Italien.
 
Im Vergleich zu vorherigen Phasen führt die wachsende Diversifikation vieler MU zur Entstehung von Mischkonzernen. Auch sind MU nicht mehr auf die Urproduktion und das verarbeitende Gewerbe beschränkt, sondern finden sich zunehmend im Dienstleistungssektor. So zählen zu den MU zunehmend auch Handelsunternehmen, Medienkonzerne, Banken und Versicherungsgesellschaften. In dem Maße, wie sich Firmenzusammenschlüsse und -übernahmen (Mergers & Acquisitions) zu wesentlichen Elementen der internationalen Konzernstrategie an den Börsen entwickeln, entsteht mit internationalen Broker-Häusern ein neuer Typ von MU.
 
Bedeutung und Zunahme der MU können durch Umfang und Wachstum der internationalen Kapitalverflechtungen verdeutlicht werden. So betrug 1990 der Bestand an Direktinvestitionen nach Schätzungen der UNCTAD 1 700 Mrd. US-$, 2000 dagegen rd. 6 000 Mrd. US-$. Weltweit größte Investoren sind die EU-Staaten (773 Mrd. US-$), die USA (139 Mrd. US-$) und Japan (33 Mrd. US-$). Auf der anderen Seite sind in den EU-Bereich insgesamt 617 Mrd. US-$ geflossen, in die USA 281 Mrd. US-$, nach Japan dagegen nur 8 Mrd. US-$. In die Entwicklungsländer flossen insgesamt rd. 240 Mrd. US-$, in die Reformstaaten in Mittel- und Osteuropas 25 Mrd. US-$.
 
Die Dominanz der westlichen Industrieländer und die weltwirtschaftlichen Verflechtungen werden auch daran deutlich, dass 2000 rd. 80 % aller Auslandsinvestitionen in Industrieländern getätigt wurden und nur etwa 18 % in Entwicklungsländern sowie 2 % in den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas. Für die beiden letztgenannten Staatengruppen ist jedoch ein im Zeitverlauf steigender Anteil zu verzeichnen.
 
Auch wenn nicht alle Direktinvestitionen MU zuzurechnen sind, dokumentieren diese Zahlen dennoch die im Vergleich zu nationalen Wachstumsraten überproportionale Expansion der MU. Die UNCTAD geht bei ihrer Bewertung der Unternehmen (»Globalisierungsindex«) nicht von absoluten Größen, sondern v. a. vom jeweiligen Auslandsanteil bei Vermögen, Umsatz und Beschäftigung aus.
 
Dass die MU die mit Abstand wichtigste Gruppe nichtstaatlicher Akteure in Weltwirtschaft und -politik sind, wird u. a. dadurch unterstrichen, dass ihr Anteil am Welthandel auf bis zu 50 % geschätzt wird, dass multinationale Banken den größten Teil der internationalen Kapitalbewegungen abwickeln, dass 80-90 % des Außenhandels westlicher Industrieländer auf MU entfallen und 40-50 % dieses Handels konzerninterner Handel sind. Entscheidungen in den Führungsspitzen von MU (z. B. über Finanzmittel, Marktstrategien, Innovationen, Arbeitskräfte, Produktionsstätten) spielen eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche, soziokulturelle und politische Struktur des internationalen Systems. Dabei gewinnt die Kooperation zwischen Unternehmensbereichen von MU bis hin zu Jointventures (als Konsortien, Arbeitsgemeinschaften oder gemeinsame Tochtergesellschaften) an Bedeutung. Durch solche (strategische) Allianzen wollen die MU ihre individuellen Stärken ergänzen und/oder ihre individuellen Schwächen ausgleichen.
 
Die Expansion der MU wurde begünstigt durch die Liberalisierung des Welthandels und des internationalen Zahlungsverkehrs (z. B. Erleichterung internationaler Kapitalbewegungen, Schaffung internationaler Finanzmärkte) sowie durch marktwirtschaftliche Strukturen und entsprechende Wirtschaftspolitik in westlichen Industrieländern. Unterstützt wurde dieser Prozess auch durch den anhaltenden Trend zur Globalisierung der Produktion, aktive Reformprogramme, hohe Wachstumsraten und makroökonomische Stabilität in verschiedenen Entwicklungsländern. Eine wesentliche Voraussetzung für die zentrale Lenkung globaler Unternehmensaktivitäten ist die Entwicklung moderner Technologien im Informations-, Kommunikations- und Verkehrswesen.
 
 Betriebswirtschaftliche Aspekte
 
An erster Stelle der Motive für eine internationale Geschäftstätigkeit stehen die Erschließung neuer und die Sicherung bestehender Absatzmärkte. Produktion und Marketing »vor Ort« erleichtern das Eingehen auf spezifische Konsumgewohnheiten und Markterfordernisse. Dabei spielen MU bei der Verbreitung westlicher Konsumgewohnheiten und Wertvorstellungen in Entwicklungsländern eine wesentliche Rolle. Werden Märkte durch Zölle und andere Handelshemmnisse geschützt, ermöglicht die Errichtung beziehungsweise der Erwerb von Betrieben den Marktzugang. Ein weiteres Motiv ist die Ausnutzung von unterschiedlichen Arbeitskosten: Arbeitsintensive Produktionen oder Teilprozesse werden vielfach in Entwicklungs- beziehungsweise Schwellenländer oder mittel- und osteuropäischen Staaten verlagert (»Niedriglohnländer«). Auch die Sicherung der Rohstoffversorgung kann ein wichtiger Grund für Auslandsinvestitionen sein. Um Transportkosten zu sparen, werden häufig verarbeitende Betriebe angegliedert. Von wachsender Bedeutung ist das Bestreben, neues technologisches Wissen sowie Informationen über Kundenpräferenzen und lokale Marktentwicklungen zu absorbieren. Kapitalstarke MU übernehmen innovative kleinere Unternehmen und sorgen für breite Einführung der Innovationen. Eine wichtige Rolle in den Strategien der MU spielt auch die Realisierung von unternehmensspezifischen Größenvorteilen. Solche Größenvorteile entstehen z. B. dann, wenn ein Unternehmen hohe, einmalig anfallende Kosten in Forschung, Entwicklung und im Marketing hat. Durch eine Erhöhung des Güterabsatzes (Verstärkung der Marktgröße) können die Durchschnittskosten gesenkt und damit die Wettbewerbsposition gegenüber Konkurrenten verbessert werden. Weitere Motive liefern die von den Staaten gesetzten Rahmenbedingungen. Geringere Gewinnbesteuerung, staatliche Investitionszuschüsse, moderate arbeitsrechtliche Bestimmungen, aber auch fehlende oder unzureichende Umwelt- und Wettbewerbsgesetze sind Faktoren, die Standortentscheidungen beeinflussen. Eine Rolle spielen auch das »soziale Klima« (Streikhäufigkeit) und die politische Stabilität des Gastlandes, Qualifikation der Arbeitskräfte, Infrastruktur und die Nähe von Forschungseinrichtungen.
 
Die Internationalisierung ergibt für die Konzernleitung aber auch Probleme in Bezug auf unterschiedliche Rechts- und Wirtschaftsordnungen, soziokulturelle Bedingungen und Mentalitätsunterschiede. Gleichzeitig ist die Ausrichtung des Konzerns auf globale Zielvorgaben Voraussetzung für die Ausnutzung der Standortvorteile und Synergieeffekte. Die Konzernzentrale steht vor der Aufgabe, das richtige Maß an Zentralisierung und Verselbstständigung der Tochtergesellschaften zu finden. Nicht immer gehören die großen MU - gemessen an der Umsatz- oder Kapitalrendite - zu den besonders erfolgreichen Unternehmen.
 
 Volkswirtschaftliche und politische Wirkungen
 
Die Diskussion um MU ist kontrovers. Am wenigsten umstritten ist ihr Beitrag zur internationalen Arbeitsteilung, zur Ausweitung des Welthandels und zum wirtschaftlichen Wachstum. MU sind die Hauptakteure bei der Entstehung weltweiter Märkte (Globalisierung). Sie bestimmen mit ihren Investitions-, Produktions- und Produktentscheidungen zunehmend Charakter und Formen des internationalen Handels. Außerdem spielen sie eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von technischem und betriebswirtschaftlichem Wissen. Direktinvestitionen bedeuten in der Regel auch Transfer moderner Technologien. Allerdings bleiben MU in Entwicklungsländern oft »technologische Inseln« (Zentrum-Peripherie-Modell). Probleme entstehen, wenn im Stammland eine Verschlechterung der Wettbewerbsposition durch Abfluss von technischem Wissen ins Ausland droht beziehungsweise in den Gastländern die führenden Wirtschaftszweige durch ausländische Konzerne beherrscht und Anstrengungen in Forschung und Entwicklung beschränkt werden.
 
MU beeinflussen die Zahlungsbilanz in mehrfacher Weise. Für die Wirkungen auf die Leistungsbilanz des Stammlandes kommt es darauf an, ob die Produktion im Ausland bisherige Exporte ersetzt oder - was überwiegend anzunehmen ist - netto zu zusätzlichem Handel führt. Diente die Direktinvestition dazu, Handelshemmnisse zu überspringen, wird kein Export substituiert. Die Kapitalbilanz des Stammlandes wird durch die Direktinvestition zunächst belastet, die des Gastlandes entlastet. Werden später Gewinne transferiert, sind die Wirkungen auf die Kapitalbilanz umgekehrt.
 
Umstritten sind die Wirkungen auf die Beschäftigung und die Position von Arbeitnehmern und Gewerkschaften. Im Stammland tritt vielfach ein Verlust von Arbeitsplätzen ein, wenn diese in »Niedriglohnländer« verlagert werden. Dem steht die Sicherung von Arbeitsplätzen gegenüber, wenn aus den Auslandbetrieben billigere Vorprodukte bezogen oder Auslandsmärkte gesichert werden können und wenn die im Ausland zusätzlich verdienten Devisen wieder zum Ankauf von inländischen Erzeugnissen verwendet werden. Im Gastland führt die Errichtung neuer Betriebe zu zusätzlichen Arbeitsplätzen. Dies ist nicht der Fall, wenn bestehende Betriebe aufgekauft werden. Die Etablierung eines technologisch fortschrittlichen MU hat im Gastland in der Regel einen positiven Effekt auf Löhne und Arbeitsbedingungen. Allerdings kann in einem Entwicklungsland ein großes MU eine dominierende Position am Arbeitsmarkt und eine starke Verhandlungsmacht gegenüber Arbeitnehmern und Gewerkschaften innehaben. Auch können die in einem Staat geltenden Mitbestimmungsrechte zum Teil unwirksam werden, wenn die Unternehmensentscheidungen in der ausländischen Konzernzentrale fallen.
 
Wettbewerbsvorteile können MU durch die Gestaltung der konzerninternen Verrechnungspreise und Zahlungsbedingungen erlangen. Erhöht z. B. das MU die Preise für konzerninterne Bezüge von einer Tochtergesellschaft, so vermindern sich die Gewinne, die bei »normaler« Kalkulation entstanden wären. Über die Festlegung der konzerninternen Preise lassen sich daher Gewinne in ein Land mit günstigerer Besteuerung verlagern. Hierdurch können sich MU dem Zugriff nationaler Steuerbehörden weitgehend entziehen. So nutzen MU häufig die durch öffentliche Mittel bereitgestellte Infrastruktur eines Staates, ohne durch eigene Steuerzahlungen hierzu einen Beitrag zu leisten.
 
Grundsätzlich belebt das Auftreten ausländischer Konkurrenten den Wettbewerb auf nationalen Märkten. Neue Produkte und Produktionsverfahren zwingen die inländischen Produzenten zu verstärkten innovativen Anstrengungen, nationale Kartelle und Oligopolmärkte werden aufgebrochen. Zudem haben MU die Möglichkeit, protektionistische Tendenzen durch Direktinvestitionen zu umgehen. Diese positive wettbewerbspolitische Einschätzung von MU gilt jedoch uneingeschränkt nur bei der Neugründung von Betrieben. Dagegen führt die Übernahme bestehender Unternehmen durch MU häufig zu Konzentrationsprozessen und damit zu einer Einschränkung des Wettbewerbs. Andererseits kann es aber auch (z. B. aus Angst vor Überfremdung) zu einer meist staatlich unterstützten Konzentration nationaler Unternehmen kommen bis hin zum Aufbau von MU in Staatsbesitz (öffentliche Unternehmen).
 
Ihre Finanzmacht, ihre Möglichkeiten zu internen »Gewinnverlagerungen« zwischen den einzelnen Konzernunternehmen und die Tatsache, dass den weltweiten Aktionsmöglichkeiten von MU eine auf nationale Märkte beschränkte Wettbewerbskontrolle gegenübersteht, macht große MU zu einem besonderen wettbewerbspolitischen Faktor. So erhalten Tochtergesellschaften von MU durch die Finanzkraft des hinter ihnen stehenden Konzerns eine Marktstellung, die über ihren tatsächlichen Marktanteil hinausgeht.
 
Die globale Ausrichtung von MU kann zu Konflikten mit Zielen nationaler Politik führen. Außerdem versuchen MU häufig, auf Regierungen und Parlamente Einfluss zu nehmen. Besonders in Entwicklungsländern gibt es Beispiele von Verbindungen, die weit über legitimen Lobbyismus hinausgehen, wobei Druck auf die politische Führung des Gastlandes ausgeübt und politische Unterstützung durch den Heimatstaat mobilisiert werden kann. Als bekanntes Beispiel gilt die lange andauernde Machtstellung der United Fruit Company in Mittelamerika. Auch gegenüber Industriestaaten können MU durch die Drohung, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Druck ausüben. Durch die Möglichkeiten, die eigenen globalen Unternehmensziele gegenüber Staaten durchzusetzen, und durch strategische Entscheidungen über Standorte, Arbeitsplätze, Technologien, Gewinne können zwischenstaatliche Verteilungskonflikte entstehen beziehungsweise verstärkt und die Erfolgsaussichten nationaler Wirtschaftspolitik eingeschränkt werden. Solange eine vergleichbare Gegenmacht auf internationaler Ebene fehlt, besitzen MU Handlungsspielräume, die zu Machtmissbrauch gegenüber Konkurrenten und Regierung sowie zu einer einseitigen Ausrichtung weltwirtschaftlicher Abläufe an privatwirtschaftlicher Gewinnmaximierung führen können. Gesellschaftspolitische Ziele (z. B. gerechte Verteilung, Umweltschutz, Mitbestimmung) werden dadurch in den Hintergrund gedrängt.
 
 Kontrollmöglichkeiten
 
Ansatzpunkte zur Begrenzung und Kontrolle der wirtschaftlichen und politischen Macht von MU bestehen zunächst auf nationaler Ebene. So enthält das deutsche Außensteuergesetz Regelungen zur Vermeidung von Gewinnverlagerungen: § 1 schreibt vor, dass in Geschäftsbeziehungen zwischen Gesellschaften eines MU die Bedingungen anzuwenden sind, die unter unabhängigen Dritten üblich sind. Das deutsche Wettbewerbsrecht gilt auch für inländische Tochtergesellschaften von MU. Es findet nach § 98 Absatz 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung auch Anwendung auf Wettbewerbsbeschränkungen, die von im Ausland ansässigen Unternehmen verursacht werden, wenn sie sich im Inland auswirken. Probleme ergeben sich jedoch in den Fällen, in denen die Beschlüsse in der ausländischen Konzernzentrale gefasst werden. Für die Wettbewerbspolitik im Rahmen der EU gegenüber MU sind ferner die Art. 85 und 86 EG-Vertrag und die am 21. 9. 1990 in Kraft getretene Fusionskontroll-VO von Bedeutung. Die weltweiten Aktivitäten von großen MU lassen sich damit jedoch nicht wirksam kontrollieren. Stärkstes Mittel der nationalen Politik, das v. a. von Entwicklungsländern in den 60er- und 70er-Jahren vornehmlich im Rohstoffsektor eingesetzt wurde, ist die vollständige oder teilweise Verstaatlichung von Tochtergesellschaften.
 
Die Aktionsfelder verlagern sich auf zwischenstaatliche Zusammenarbeit und internationale Organisationen. Dabei geht es nicht nur darum, negative Auswirkungen der Tätigkeit von MU einzudämmen, sondern auch positive Wirkungen zu unterstützen, z. B. durch Maßnahmen der Exportförderung und durch Investitionsschutzabkommen. Auf internationaler Ebene gilt es v. a. ein Rahmenwerk zu schaffen, das ähnlich wie das GATT und die Bestimmungen über den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank eine Grundlage für die Tätigkeit der MU und ein internationales Recht für Direktinvestitionen bildet. Darum bemühen sich u. a. die Organe der EG und der OECD, wobei die entsprechenden Vereinbarungen im Rahmen der WTO getroffen werden sollen. Die Welthandelskonferenz UNCTAD hat Richtlinien für die Tätigkeit der MU in Entwicklungsländern verabschiedet, die OECD einen Ausschuss für internationale Investitionen und MU gegründet sowie Leitsätze für MU als Empfehlungen formuliert. Mit dem Ziel, ein Gegengewicht zu schaffen, bemühen sich der Internationale Bund Freier Gewerkschaften und die Internationalen Berufssekretariate um eine koordinierte Politik gegenüber den MU (z. B. Bildung von Weltkonzernausschüssen, internationale Koordinierung von Tarifverhandlungen).
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Fusionskontrolle · Globalisierung · Konzern · marktbeherrschendes Unternehmen · Unternehmenskonzentration · Wettbewerb · Wettbewerbsfähigkeit
 
Literatur:
 
H. Teufel: M. U. u. Außenhandelstheorie (1991);
 
Hb. der Internat. Unternehmenstätigkeit, hg. v. B. N. Kumar u. H. Haussmann (1992);
 
Multinationals in the New Europa and global trade, hg. v. M. W. Klein u. P. J. I. Welfens (Berlin 1992);
 M. Bargel: Internat. Kapital- u. Technologietransfers m. U. (1993);
 
Die Internationalisierung von Unternehmungen. Strategien u. Probleme ihrer Umsetzung, hg. v. E. Pausenberger (1994);
 
Globalisierung der Wirtschaft. Konsequenzen für Arbeit, Technik u. Umwelt, hg. v. U. Steger (1996);
 C. Riedl: Organisator. Wandel durch Globalisierung (1999);
 E. Koch: Globalisierung der Wirtschaft. Über Weltkonzerne und Weltpolitik (2000);
 J. Kleinert und H. Klodt: Megafusionen. Trends, Ursachen und Implikationen (2000);
 J. Löffler: Entwicklung von globalen Konzernstrategien (2000);
 A. Picot u. a.: Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organisation u. Management (2001);
 N. Klein: No Logo! Der Kampf der Global Players um Marktmacht; ein Spiel mit vielen Verlierern u. wenigen Gewinnern (A. d. Amerikan.. 2001);
 U. Wackerbarth: Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe (2001);
 
Der global player u. das Territorium, hg. v. U. Mückenberger u. M. Menzl (2002);
 H. Kreikebaum: Organisationsmanagement internationaler Unternehmen (2002);
 A. Sell: Internationale Unternehmenskooperation (22002).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Multinationale Unternehmen: Grundlagen
 
Weltwirtschaft: Neue Mächte, neue Märkte
 

Universal-Lexikon. 2012.