Akademik

Innovation
Neuerung

* * *

In|no|va|ti|on 〈[ -va-] f. 20Erneuerung, Neuerung, Neugestaltung [<lat. innovatio „Erneuerung“; zu novus „neu“]

* * *

In|no|va|ti|on, die; -, -en [spätlat. innovatio = Erneuerung, Veränderung, zu: innovare = erneuern, verändern, zu lat. novus = neu]:
1.
a) (Soziol.) geplante u. kontrollierte Veränderung, Neuerung in einem sozialen System durch Anwendung neuer Ideen u. Techniken:
politische I.;
das Wachstum durch I. fördern;
b) (bildungsspr.) Einführung von etw. Neuem; Neuerung; Reform.
2. (Wirtsch.) Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, bes. die Einführung eines neuen Produkts od. die Anwendung eines neuen Verfahrens:
technische -en.
3. (Bot.) (bei ausdauernden Pflanzen) jährliche Erneuerung eines Teiles des Sprosssystems.

* * *

Innovation
 
[zu lateinisch novare »erneuern«, »verändern«] die, -/-en, die planvolle Erneuerung mit dem Ziel, entweder bereits Bestehendes zu optimieren oder Neues zu realisieren. Das Verb (innovieren) bezeichnet den Vorgang der Erneuerung, während das Substantiv auch das Ergebnis des Prozesses, die Neuerung selbst, bedeuten kann. Im Unterschied zur Invention, die den Prozess der Hervorbringung von etwas Neuem (die Erfindung) bezeichnet, und zur Diffusion, die den Prozess der weiteren Verbreitung und Übertragung einer Neuerung benennt, beschreibt Innovation den Moment, an dem eine Neuerung praktisch und in einer für den jeweiligen Zusammenhang relevanten Weise eingeführt wird. Untersuchungen über Entstehung, Wirkungsweise, Durchsetzung, Verwendbarkeit, Wirkungszusammenhang und Akzeptanz spielen in der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung ebenso eine Rolle wie in der Politik- und Wirtschaftsberatung.
 
In der Wissenschaftstheorie und -geschichte wird unter Innovation jener Prozess verstanden, in dessen Verlauf neues Wissen und neue Wissenschaften auftreten. So ist z. B. eine Theorieinnovation (etwa die Relativitätstheorie) ein Denkansatz, der für bekannte Problemstellungen eine neuartige Lösung bedeutet, die das bestehende Theoriegebäude erschüttert (T. S. Kuhn).
 
Das im Französischen bereits im 13. Jahrhundert in seiner ursprünglichen, unspezifischen Bedeutung auftretende Wort Innovation blieb im deutschen Sprachraum bis ins 20. Jahrhundert ein auf Prozessrecht und Botanik eingeschränkter Fachterminus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff Innovation jedoch immer häufiger für Neuerungen wissenschaftlich-technischer Natur verwendet und löste in Anlehnung an den englischen Sprachgebrauch v. a. im Zusammenhang mit der internationalen Rezeption nationalökonomischer Theorien den deutschen Begriff der Neuerung ab, der als empirisch kontrollierbares Prinzip der wirtschaftlichen Entwicklung besonders in den Wirtschaftswissenschaften von J. A. Schumpeter eingeführt worden war. Im heutigen öffentlichen Leben wird der Begriff oft auch als Ciffre für Moderne verwendet.
 
 Der Innovationsbegriff in den einzelnen Sozialwissenschaften
 
Eine systematische Verwendungsweise erfahren die verschiedenen Bedeutungsvarianten des Begriffs Innovation u. a. in der Völkerkunde, wo Innovation ein eigenständig entdecktes oder aus fremden Kulturen übernommenes Kulturelement bezeichnet, das sich qualitativ von vorhandenen Formen unterscheidet und sich ihnen gegenüber gegebenenfalls durchsetzt. In der Erziehungswissenschaft bezieht sich Innovation auf die Um- oder Neugestaltung eines didaktischen Systems (Schulart, Unterrichtsmethode), die z. B. im Rahmen der Einführung neuer schulischer Organisationsformen, moderner Lehr- und Lerntechnologien, der Curriculumsrevision u. a. wirksam werden kann, aber auch auf die Änderung des Lernverhaltens (innovatives Lernen) abzielt, während sich die Psychologie eher mit der Entstehung individueller und gesellschaftlicher Verhaltensmuster sowie der sozialen Dimension der Kreativität befasst.
 
Die Soziologie analysiert u. a. den Zusammenhang zwischen der Verteilung sozialer Macht und den Innovationspotenzialen innerhalb einer Gesellschaft sowie innovationsfördernde und innovationsbeschränkende Faktoren (auch wirtschaftlicher und politischer Art). In der Theorie des Strukturfunktionalismus (T. Parsons, R. K. Merton) bezeichnet Innovation eine Form oder Stufe im Anpassungsprozess des individuellen Handelns an individuell oder gesamtgesellschaftlich erforderte Verhaltensweisen, Deutungsmuster und Lebensstile angesichts veränderter oder konflikthaft aufgeladener Umweltbedingungen oder innergesellschaftlichen Problemstellungen, die die bisherigen Verhaltensmuster als ungenügend erscheinen lassen. Unter diesem Blickwinkel ist Innovation sowohl Erscheinungsform als auch Ursache des sozialen Wandels und des technischen Fortschritts (Hans Peter Dreitzel [* 1935], W. Zapf) und spielt in den Theorien über die Modernisierung traditioneller Gesellschaften (Daniel Lerner [* 1917, ✝ 1980]) eine Rolle.
 
In der Politologie wird der Innovationbegriff im Zusammenhang mit der Modernisierung (Innovation) des politischen Systems selbst (Frank R. Pfetsch) oder dem Umgang einer Gesellschaft mit Neuerungen verwendet. Everett E. Hagen (* 1906) sieht Innovation als Reaktionsweise der Eliten an, die innerhalb eines gesamtgesellschaftlichen Kräftefeldes mit Statusverlust konfrontiert sind und nun mithilfe von Innovation neue Machtpotenziale erschließen und hierüber den sozialen Wandel in Gang setzen oder aufrechterhalten.
 
In den Wirtschaftswissenschaften wurde der deutsche Begriff Neuerung beziehungsweise die englische Bezeichnung Innovation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts v. a. durch J. A. Schumpeter geprägt, der hierunter die Durchsetzung neuer Produkte und Produktqualitäten (Produktinnovation), neuer Herstellungsverfahren (Prozessinnovation, Verfahrensinnovation), die Erschließung neuer Absatz- und Bezugsmärkte und neue Methoden der Organisation und des Managements sowie institutionelle Änderungen (institutionelle Innovation) fasste. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts verengte sich der Begriff vornehmlich auf den Prozess des technischen Wandels und die damit verbundene Produkt- und Prozessinnovation. Im Gefolge von Christopher Freeman wurde stattdessen stärker zwischen bedeutender Innovation und Verbesserungsinnovation unterschieden. Unter bedeutender oder radikaler Innovation wird ein ganz neues oder wesentlich verändertes Produkt oder Produktionsverfahren verstanden. Verbesserungsinnovationen oder inkrementale Innovationen beschreiben dagegen jenen Teil des Innovationsgeschehens, der durch evolutionäre, schrittweise Verbesserungen der Produkteigenschaften gekennzeichnet ist. In der Volkswirtschaftslehre bezeichnet Innovation die weltweit erste Markteinführung; die Nachahmung durch Konkurrenzunternehmen ist mit dem Begriff Imitation belegt. In der Btriebswirtschaftslehre meint Innovation hingegen die Neuheit für das Unternehmen selbst.
 
In jüngster Zeit setzte sich erneut eine breitere Sichtweise des Innovationssystems durch: Innovationen werden stärker »systemar« betrachtet, indem Wissensproduktion und Entstehung neuer Produkte und Verfahren stärker im Kontext gesamtwirtschaftlicher Einflussfaktoren (z. B. internationaler Wettbewerb, Rahmenbedingungen, Nachfrageveränderungen) betrachtet und die Schnittstelle Wissenschaft/Wirtschaft sowie unternehmensinterne »weiche« Innovationsfaktoren (Arbeitsorganisation, Qualifikation, Einstellung des Managements u. a.) einbezogen werden.
 
 Innovationssystem
 
Lange Zeit wurde der Begriff Innovationssystem nur auf die Infrastruktur in Forschung und Entwicklung (FuE) bezogen (Universitäten, Großforschungs- und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, industrielle FuE). Die Komplexität des Innovationsprozesses verlangt jedoch auch die Einbeziehung des Umfelds. Nach heutigem Verständnis zählen zu den Bestandteilen des nationalen Innovationssystems auch staatliche, halbstaatliche und private Institutionen zur Bildung, Qualifikation, Finanzierung, Regulierung und Normensetzung sowie Zulieferungs- und Regionalstrukturen. Neben der Forschungs- und Technologiepolitik schaffen auch die Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt-, Verkehrs-, Kommunikations- und Wettbewerbspolitik wesentliche Rahmenbedingungen für seine Funktionsfähigkeit.
 
Neuere Theorien betonen in besonderem Maße die dynamischen Effekte wissensintensiver Produktion. Da Wissen ein öffentliches Gut ist, reichen diese von unentgeltlichen Wissensübertragungen und positiven externen Effekten von FuE über Ausstrahlungseffekte der Wissensgewinnung auf andere Gebiete, Industriezweige oder Unternehmensteile bis zu Verbundeffekten, Lernkurven und technischen Standards. Die innovationsfinanzierenden Institutionen werden in ihrer Bedeutung für das Innovationssystem zunehmend als wichtiger angesehen. Dabei ist neben der Höhe der Aufwendungen eines Landes für FuE v. a. entscheidend, wie effizient die Mittel eingesetzt werden und wie gut das Innovationssystem funktioniert. Die Bedeutung nationaler Innovationssysteme für die internationale Wettbewerbsposition der jeweiligen Länder und ihre Fähigkeit, neben dem wirtschaftlichen auch den öffentlichen Bedarf in den Bereichen Verkehr, Gesundheit, Energie und Umwelt zu decken, ist insbesondere in der evolutorischen Innovationsforschung betont worden. Trotz Internationalisierung und Globalisierung behalten nationale Innovationssysteme einen hohen Stellenwert (Richard Nelson). Empirische Untersuchungen weisen darauf hin, dass selbst für international tätige Unternehmen ihr Stammland einen erheblichen Einfluss behalten wird. Neben FuE sind dafür bekanntermaßen Humankapital, Ausbildungssystem und eine gute Infrastruktur ausschlaggebend.
 
 Wissensproduktion und Innovation
 
In den letzten Jahren sind in führenden Industrieländern (u. a. auch in Deutschland) zahlreiche Studien zur Einschätzung der für das Innovationsgeschehen »kritische Technologiebereiche« entstanden. Ziel dieser Bemühungen war, diejenigen Technologiebereiche zu identifizieren, denen ein entscheidender Einfluss auf die künftige Wettbewerbs- und Problemlösungsfähigkeit der Volkswirtschaften zugesprochen wird. Aus diesen Untersuchungen ergibt sich, dass die Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr nach herkömmlichen Gesichtspunkten aufteilbar ist. So verschieden die einzelnen Entwicklungslinien auch sein mögen, sie wirken letztlich alle zusammen. Trotz zunehmender Anwendungsnähe bleiben wichtige Bereiche unverändert stark von der Grundlagenforschung dominiert (z. B. Bioinformatik, Mikrosystemtechnik, Fertigungsverfahren für Hochleistungs- und Oberflächenwerkstoffe), so dass die Unterscheidung in Grundlagen und Anwendungen zum Teil entfällt. Die Multi- und Interdisziplinarität der Technikentwicklung wird demgemäß weiterhin zunehmen. Neue Technologien werden sich transdisziplinär etablieren, d. h., die ursprünglich interdisziplinär erarbeiteten Ergebnisse werden sich als eigenständige Arbeitsgebiete in komplexen disziplinären Vernetzungen fortentwickeln. Damit z. B. die Nanotechnologie als neue Basistechnologie zukünftige Innovationsprozesse und neue Technikgenerationen in voller Breite befruchten kann, ist das transdisziplinäre Zusammenwirken mit Elektronik, Informationstechnik, Werkstoffwissenschaft, Optik, Biochemie, Biotechnologie, Medizin und Mikromechanik eine wichtige Voraussetzung. Entsprechend reichen die Anwendungen der Nanotechnik in die Bereiche maßgeschneiderte Werkstoffe und biologisch-technische Systeme hinein, wenn sie auch vorwiegend im Bereich der Elektronik gesehen werden.
 
Es lässt sich somit feststellen, dass die Technologie an der Schwelle des 21. Jahrhunderts eine Reihe von Veränderungen aufweist: drastisch steigende Innovationskosten, wachsende Bedeutung der Interdisziplinarität und der Dynamik überlappender Technikgebiete, engere Verzahnung von Grundlagenforschung und wirtschaftlichen Anwendung sowie engere Vernetzung von Forschung und Bedarf. Dieser in der letzten Zeit beobachtete Umbruch des Innovationsgeschehens kann als »Übergang zu einem neuen Modus der Wissensproduktion« (Michael Gibbons) bezeichnet werden. Während der traditionelle Modus eine eher lineare, disziplinär gebundene, vorwiegend interne Form (innerhalb eines Forschungsinstituts oder eines Unternehmens) der Wissensproduktion beinhaltete, überwindet der neue Modus wissensbasierter Innovationsprozesse eine Reihe von konventionellen Trennungen und ist durch folgende Elemente charakterisiert: Problemorientierung, Anwendung, Vernetzung der Akteure im Innovationssystem und flexible, reaktionsfreudige Strukturen. Andere Analysen stellen neben der Wissensgewinnung auch auf die produktionstechnische Umsetzung und Diffusion von Innovationen ab. Danach hat das deutsche Innovationssystem besondere Vorteile hinsichtlich Ausbildung und Humankapital, Bedeutung des exportintensiven Mittelstands sowie engmaschiger Lieferverflechtungen.
 
Die Stärke eines Landes im internationalen Technologiewettbewerb beruht auf dem, was Michael Porter in seinem Standardwerk über nationale Wettbewerbsvorteile »Cluster-Bildung« (Bildung strategischer Kompetenzzentren) genannt hat. Viele multinationale Konzerne verfolgen inzwischen die Strategie, mit Forschung und Produktentwicklung dort präsent zu sein, wo in ihrem Produktsegment oder Technologiefeld die weltweit besten Bedingungen für Innovationen und Wissensgenerierung gegeben sind. Während in den USA - auch im Zuge internationaler Investitionen - Kompetenzzentren v. a. in den Bereichen Mikroelektronik, Computertechnik, Software und Pharmazeutika (Impfstoffe und Gentechnik) bestehen, besitzt Deutschland, wie Patent- und Außenhandelsanalysen belegen, zwei solcher Cluster: ein großes, verflochtenes sektoral-technisches Cluster um den Maschinen- und Fahrzeugbau und ein weiteres, ebenso verflochtenes um die Chemie und Pharmazeutik.
 
Die von neueren Theorien hervorgehobenen dynamischen Effekte wissensintensiver Produktion erfordern neue Innovationsstrategien und verleihen folgenden Aspekten des Innovationsprozesses und moderner Innovationssysteme besondere Bedeutung: Optimierung von Schnittstellen und Arbeitsteilung der Akteure, hohe Anpassungsfähigkeit von Forschungseinrichtungen, Unternehmen und deren Umfeld auf geänderte Rahmenbedingungen, Verbindung von Zukunftstechniken mit bisherigen Stärken im internationalen Technologiewettbewerb. Innovationserfolge werden nur erreicht, wenn eine sich wandelnde Nachfrage frühzeitig aufgegriffen und Technik als Instrument für Problemlösungen eingesetzt wird. Die Bereitstellung von Forschungsinfrastruktur, die Nutzbarmachung von externen Effekten (einschließlich derjenigen von Netzwerken und Ausstrahlungseffekten) und die Integration verschiedener innovationsbeeinflussender Politikbereiche werden als wichtige Aufgaben der Technologiepolitik betrachtet. Darüber hinaus zwingt die zunehmende Globalisierung der Märkte die nationale wie die europäische Politik dazu, den Schwerpunkt von der reinen Technikförderung auf das Initiieren von komplexen Innovationen (z. B. Produkt- und Dienstleistungspakete, die von der Finanzierung über Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung, Nachrüstung und Entsorgung reichen; Kreislaufwirtschaftskonzepte) zu verlagern, die weit in wirtschaftliche, rechtliche, soziale und gesellschaftliche Räume reichen. Zukunftsentwürfe (z. B. für die Informationstechnik) der 1990er-Jahren gehen davon aus, dass künftig nicht allein die Frage nach der technischen Realisierbarkeit im Mittelpunkt des Interesses von Wirtschaft, Wissenschaft, Staat und Öffentlichkeit stehen wird, sondern die nach dem Lösungsbeitrag für zahlreiche, in den verschiedenen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft anstehende Probleme. Angesichts von Massenarbeitslosigkeit und erheblichen Umweltproblemen geht es v. a. darum, durch eine nachhaltige Forschungs- und Technologiepolitik vorwiegend Arbeitszeit sparende durch Ressourcen sparende, sozialverträgliche und Arbeit schaffende Technologien und Strukturen zu ersetzen. Die Dringlichkeit eines solchen »Perspektivwechsels« hat erheblich zugenommen.
 
 Innovationen in der Wirtschaft
 
In Deutschland ist die Wirtschaft - ähnlich wie in Japan, aber anders als z. B. in den USA, Frankreich oder Großbritannien - der wichtigste Akteur im Innovationssystem. Rd. zwei Drittel der FuE wird in den Unternehmen durchgeführt. Diese Arbeitsteilung hat sich in Deutschland seit vielen Jahren als zweckmäßig erwiesen, und es gibt keine Anzeichen für eine grundlegende Änderung. Für die Verbesserung der Innovationsfähigkeit wird es jedoch entscheidend sein, wie die Schnittstellen zwischen Unternehmen und öffentlichen FuE-Einrichtungen künftig gestaltet werden (Bring- und Holschuld). Genauso wichtig ist, dass die Unternehmen in ihren Innovationsstrategien (wieder) eine stärker langfristige Orientierung erreichen, die nicht zuletzt aufgrund des erwähnten Zusammenwachsens unterschiedlichster Technologiegebiete (»Technologiefusion«) erforderlich ist. Das seit Ende der 80er-Jahre zu beobachtende kurzfristige Denken hat mit zu dem beklagenswerten Mangel an Innovationen beigetragen.
 
Die Innovationsaufwendungen schließen in Europas Wirtschaft überwiegend Aufwendungen für FuE (rd. 40 %), für Testung und Training sowie für Produktkonstruktion ein. Sie stiegen seit 1980 von jährlich 5 % des Umsatzes auf über 6 % Ende der 1980er-Jahre an und sanken danach auf 5,5 %.
 
Auch die FuE-Aufwendungen im deutschen Wirtschaftssektor wuchsen seit 1989 jährlich nur noch halb so stark wie in den 80er-Jahren. Das FuE-Personal der Wirtschaft hat bis 1997 sogar abgenommen; seitdem erhöhte es sich wieder leicht.
 
Die Aufwendungen des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie pro Kopf der Bevölkerung waren 1989-94 real um 15-20 % zurückgegangen. Hierin widerspiegelte sich u. a. die vereinigungsbedingte Vergrößerung des Wirtschaftsraums und eine unterproportionale Erhöhung des Forschungsbudgets, das sich absolut durchaus erhöht hatte (1989: 8,47 Mrd. DM, 1993: 10,92 Mrd. DM). Seit 1998 stiegen sowohl die absoluten (1998: 10,96 Mrd. DM) als auch die Pro-Kopf-Aufwendungen. Beim Anteil der gesamten FuE-Aufwendungen am Bruttoinlandsprodukt nimmt Deutschland international allerdings nur einen mittleren Platz ein.
 
Seit Ende der 80er-Jahre entfällt knapp die Hälfte der deutschen Exporte an verarbeiteten Industriewaren auf Hochtechnologiewaren (FuE-intensive Waren); dieser Anteil hat sich auch nach der Wiedervereinigung und dem anschließenden Verlust der Ostmärkte für Unternehmen aus den neuen Bundesländern kaum verändert. Vielmehr hat sich die Angebotsstruktur der deutschen Volkswirtschaft bereits im vergangenen Jahrzehnt deutlich verschoben. Insbesondere in Bereichen, in denen die Mikroelektronik eine dominante Rolle spielt, zeigt sich, dass die deutsche Wirtschaft technologisch und auf den Weltmärkten Terrain verloren hat.
 
Neben Inovationen in etablierten Unternehmen spielt die Neugründung von innovativen, forschungsaktiven Unternehmen eine bedeutende Rolle, wobei sich die Neugründungsdynamik zunehmend vom Industrie- auf den Dienstleistungssektor verlagert. In den neuen Bundesländern ist der Innovationsbeitrag nach einem kurzen Gründungsboom zu gering. Da die Unternehmensdichte hier immer noch deutlich geringer ist als im früheren Bundesgebiet, besteht keine Aussicht auf baldige Änderung. Während die internen FuE-Aufwendungen im gesamtdeutschen Wirtschaftssektor insgesamt von (1995) 52,84 Mrd. DM auf (1998) 59,33 Mrd. DM anstiegen und die von der Wirtschaft gemeldeten Plandaten für 1999 sogar 63,3 Mrd. DM vorsehen, werden für die neuen Länder nur interne FuE-Aufwendungen in Höhe von 2,72 Mrd. DM beziehungsweise 3,55 Mrd. DM ausgewiesen.
 
FuE in der deutschen Wirtschaft ist vergleichsweise stark internationalisiert. Ausländische Tochterunternehmen in Deutschland haben bisher mindestens 8,0 Mrd. DM für FuE aufgewendet; rd. 15 % des FuE-Personals der Industrie in Deutschland sind in ausländische Tochtergesellschaften beschäftigt; der Anteil ausländischer Unternehmen am FuE-Gesamtaufwand der inländischen Wirtschaft lag 1993 bei knapp 16 %. Standortnachteile Deutschlands für Innovation und für den Aufbau von anspruchsvollen Produktionsstätten in neuen Technologiefeldern sind nach Aussagen von Unternehmen weniger die hohen, qualifikationsgerechten Löhne als vielmehr die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen.
 
 Innovationspolitik
 
In den letzten Jahrzehnten ist die nach dem Zweiten Weltkrieg überwiegend betriebene Forschungspolitik zunehmend durch Technologie- und Innovationspolitik ergänzt worden, d. h., Gegenstand staatlicher Förderung ist nicht mehr allein der reine Forschungsprozess, sondern auch der Umsetzungsprozess mit seinen Risiken. So finden sich heute in allen entwickelten westlichen Industrieländern auch staatliche Aktivitäten zur Förderung der angewandten Forschung, der technologischen Entwicklung und der industriellen Innovationen, die als Technologie- und Innovationspolitik bezeichnet werden. Die in der Regel als Schnittmenge von Industrie- und Technologiepolitik definierte Innovationspolitik weist vielfältige Verbindungen zu anderen Politikbereichen auf, insbesondere zur Bildungs- (Aus-, Fort-, Weiterbildung), Wirtschafts- (Strukturwandel, Anpassungsverhalten der Unternehmen), Rechts-, Innen-, Umwelt- und Verkehrspolitik. Diese Politikbereiche bestimmen entweder Rahmenbedingungen von Forschung und Innovationen auf der Angebotsseite (vorhandene Infrastruktur, qualifiziertes Personal) oder auf der Nachfrageseite (Straßenbau, Umweltregularien oder Produktanforderungen).
 
Ins kritische Blickfeld gerät in den letzten Jahren der Engpass bei hochqualifizierten Studienabgängern in einigen Sparten (z. B. Informatik), der zunehmend zu einem Innovationshemmnis wird. Wurzeln dieser Qualifikationsengpässe liegen u. a. bereits im Primär- und Sekundärbereich der Ausbildung. Wie die PISA-Studie 2000 der OECD belegt, erreichen die Fähigkeiten 15-jähriger Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht mehr die Durchschnittswerte führender Länder.
 
Politischer Hauptakteur der Technologiepolitik war in Deutschland über lange Zeit der Bund; im Laufe der Entwicklung haben in zunehmendem Umfang sowohl regionale als auch supranationale Akteure an Bedeutung gewonnen. Auch das Spektrum der beteiligten Institutionen hat sich stark erweitert: neben Einrichtungen auf Bundesebene sind solche der Bundesländer und Kommunen, halbstaatliche und private Institutionen (Industrie- und Handelskammern, Transferinstitutionen, Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen, Banken) sowie Organe der EG getreten. Der Wechsel von der Forschungs- zur Innovationsförderung war damit von einer Dezentralisierung und einer Zunahme der institutionellen Vielfalt der beteiligten Akteure begleitet.
 
In der EU wird FuE seit Mitte der 80er-Jahre innerhalb breit angelegter Rahmenprogramme gefördert. Die jährlich bereitgestellten Mittel stiegen von (1980) 284 Mio. ECU auf (1993) 2 Mrd. ECU; während der Laufzeit des 6. Rahmenprogramms (2002-2006) sollen im Jahresdurchschnitt 3,3 Mrd. bereitgestellt werden. Ergänzt werden die FuE-Rahmenprogramme durch die Europäischen Strukturfonds und durch zahlreiche europäische Kooperationsabkommen für Forschung und Entwicklung.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Forschung · Globalisierung · Technikfolgenabschätzung · technischer Fortschritt · Technologiepolitik · Wachstum · Wettbewerbsfähigkeit · Wissensgesellschaft
 
Literatur:
 
T. S. Kuhn: The structure of scientific revolutions (Chicago 1962);
 J. A. Schumpeter: Theorie der wirtschaftl. Entwicklung (41935, Nachdr. 1993);
 
Bundesbericht Forschung (1965 ff.); Theorien des sozialen Wandels, hg. v. W. Zapf (41979);
 C. Freeman: The economics of industrial innovation (Neudr. London 1991);
 M. E. Porter: Nationale Wettbewerbsvorteile. Erfolgreich konkurrieren auf dem Weltmarkt (1991);
 
Dynamics of science-based innovation, hg. v. H. Grupp (Berlin 1992);
 
Technology and the economy, hg. v. der Organization for Economic Co-operation and Development (Paris 1992, Nachdr. ebd. 1994);
 
I.-Ökonomie u. Technologiepolitik - Forschungsansätze u. polit. Konsequenzen, hg. v. F. Meyer-Krahmer (1993);
 
National innovation systems, hg. v. R. R. Nelson (New York 1993);
 
Technologie am Beginn des 21. Jh., hg. v. H. Grupp (21995);
 H. Klodt: Grundlagen der Forschungs- u. Technologiepolitik (Neuausg. 1995);
 H. Grupp: Messung u. Erklärung des Techn. Wandels - Grundzüge einer I.-Ökonomik(1997);
 
I.-Politik in globalisierten Arenen, hg. v. K. Grimmer (1999);
 
I.-Standort Dtl., hg. v. H. Legler u. a. (2000);
 H. Schnabl: Struktur-Evolution: I.(2000);
 B. Hotz-Hart: Innovationen: Wirtschaft u. Politik im globalen Wettbewerb (2001).
 

* * *

In|no|va|ti|on, die; -, -en [spätlat. innovatio = Erneuerung, Veränderung, zu: innovare = erneuern, verändern, zu lat. novus = neu]: 1. a) (Soziol.) geplante u. kontrollierte Veränderung, Neuerung in einem sozialen System durch Anwendung neuer Ideen u. Techniken: politische I.; das Wachstum durch I. fördern; Einsparungen werden oft als I. verkauft; b) (bildungsspr.) Einführung von etw. Neuem; Neuerung; Reform: I. in der Herrenmode kommt unangefochten aus Italien (NZZ 21. 1. 83, 7). 2. (Wirtsch.) Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, bes. die Einführung eines neuen Produkts od. die Anwendung eines neuen Verfahrens: technische -en; Zu dieser Konzentration auf problemlösende -en, durch die wir die Entwicklung des Automobils aktiv mitgestalten, kommt unsere Bereitschaft zu hohen Investitionen (Saarbr. Zeitung 8. 7. 80, 5); Gerade -en aber sind während der Wiedervereinigung auf der Strecke geblieben (Spiegel 40, 1998, 46). 3. (Bot.) (bei ausdauernden Pflanzen) jährliche Erneuerung eines Teiles des Sprosssystems.

Universal-Lexikon. 2012.