Parsons
['pɑːsnz],
1) Sir Charles Algernon, britischer Ingenieur, * London 13. 6. 1854, ✝ auf einer Reise nach den Westindischen Inseln 11. 2. 1931; erfand die mehrstufige Überdruck-Dampfturbine (Parsonsturbine, 1884 gebaut, 4 kW), bei der das Dampfgefälle in Einzelgefälle aufgeteilt wird. 1897 stattete er ein Schiff (»Turbinia«) damit aus. Die Parsonsturbine entwickelte sich seit 1900 zu einer der bedeutendsten Großkraftmaschinen für Kraftwerks- und Schiffsbetrieb.
2) Talcott, amerikanischer Soziologe, * bei Colorado Springs (Colorado) 13. 12. 1902, ✝ München 8. 5. 1979; studierte zunächst Medizin und Biologie, wandte sich später wirtschaftswissenschaftlichen und soziologischen Studien zu. Bei Studienaufenthalten in Europa machte er sich mit der Kulturanthropologie B. Malinowskis und dem soziologischen Denken M. Webers vertraut. 1944-79 war er Professor für Soziologie an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts). In seinem ersten großen Werk »The structure of social action« (1937) entwickelte Parsons unter Anknüpfung an die Werke europäischer Sozialtheoretiker und Ökonomen (V. Pareto, É. Durkheim, A. Marshall, M. Weber) eine voluntaristische Theorie des Handelns, dergemäß Handeln das Resultat von Zielen, situationsspezifischen Konstellationen und Normen ist. Parsons' Ziel war die Entwicklung einer allgemeinen Theorie des sozialen Handelns, die neben den Ideen Webers und Durkheims auch die Erkenntnisse S. Freuds berücksichtigt.
Das Problem der sozialen Ordnung löst Parsons aus einer systemtheoretischen Perspektive (strukturell-funktionale Theorie). Danach ist Handeln auf Integration angelegt. Zwar wird der Mensch über Persönlichkeitsentwicklung und soziale Interaktionen kulturell gesteuert, dennoch erfolgt die Befolgung von Normen nicht automatisch, sondern fordert Entscheidungen (das heißt Denkvorgänge) zwischen verschiedenen Handlungsalternativen; diese sind Anleitungen (Programme) für menschliches Sozialverhalten (AGIL-Schema). Diesen Prozess der Mobilisierung innerer Energie bezeichnet Parsons als Motivation. Mit der Bindung an bestimmte Handlungsprogramme über Orientierungsalternativen (Pattern variables) werden diese bestätigt und als gesellschaftliche Institutionen reproduziert, wobei Variationen der Anpassung an Programme und damit auch Veränderungen dieser möglich sind. Hierin ist der Kern einer soziologischen Evolutionstheorie angelegt.
Als Modernisierungstheoretiker hat Parsons Grundvoraussetzungen für eine Differenzierung von Gesellschaften, die eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht haben, benannt; diese bezeichnet er als evolutionäre Universalien (Schriftsprache, formalisiertes Rechtssystem, Geld, Märkte). Parsons hat darüber hinaus bedeutende Arbeiten zur Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung, zum Gesundheitswesen und zum Erziehungssystem verfasst.
Weitere Werke: Essays in sociological theory (1949; deutsch Beitrag zur soziologischen Theorie); The social system (1951); Toward a general theory of action (1951, mit E. A. Shils); Working papers in the theory of action (1953, mit R. F. Bales und E. A. Shils); Family, socialization, and interaction process (1955, mit R. F. Bales); Economy and society (1956, mit N. J. Smelser); Social structure and personality (1964; deutsch Sozialstruktur und Persönlichkeit); Societies. Evolutionary and comparative perspectives (1966); The system of modern societies (1971; deutsch Das System moderner Gesellschaften); The American university (1973, mit G. M. Platt); Action theory and the human condition (1978).
S. Jensen: T. P. Eine Einf. (1980);
Verhalten, Handeln u. System. T. P.' Beitr. zur Entwicklung der Sozialwiss., hg. v. W. Schluchter (1980);
R. Münch: Theorie des Handelns. Zur Rekonstruktion der Beitrr. von T. P., Émile Durkheim u. Max Weber (1982);
H. Wenzel: Die Ordnung des Handelns (1991).
Universal-Lexikon. 2012.