Pädagogik
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Er|zie|hungs|wis|sen|schaft 〈f. 20; unz.〉 = Pädagogik
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Er|zie|hungs|wis|sen|schaft, die:
a) Teilbereich der Pädagogik, dessen Gegenstand die wissenschaftliche Erforschung der Erziehungsprozesse ist;
b) Pädagogik.
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I Erziehungswissenschaft,
ein Begriff, der vielfach synonym mit Pädagogik gebraucht wird. Da der Begriff in der deutschen Sprache mehrdeutig ist (er bedeutet einerseits die erzieherische Praxis, meint andererseits aber auch die wissenschaftliche Theorie dieser Praxis), hat es immer wieder Versuche gegeben, beide Aspekte durch unterschiedliche Bezeichnungen voneinander abzuheben. So ordnete J. Göttler (1915) der pädagogischen Praxis das Etikett Pädagogie zu und bezeichnete die pädagogische Theorie als Pädagogik. In neuerer Zeit unterscheidet W. Brezinka zwischen Erziehungswissenschaft, zu der er als historische Teildisziplin die Historiographie der Erziehung rechnet, sowie zwischen praktischer Pädagogik und Philosophie der Erziehung. Der Aufgabenbereich der Erziehungswissenschaft besteht nach Brezinka darin, auf der Grundlage des verfügbaren Wissens über den Realitätsbereich Erziehung Theorien zu entwickeln, die dann hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Tatsachen empirisch geprüft und auf ihre logische Stimmigkeit hin analysiert werden.
II
Erziehungswissenschaft,
Bezeichnung für die Pädagogik oder einen ihrer Teilbereiche, der sich der Erforschung pädagogisch relevanter Prozesse (Erziehung, Bildung und Unterricht) und Institutionen und deren historisch-gesellschaftlichen Kontext zuwendet. Die Skala der erziehungswissenschaftlichen Positionen reicht von der bloßen Tatsachenfeststellung (A. Fischer, P. Petersen, R. Lochner) bis zur Begründung erziehungsrelevanter Handlungen als eigenständige oder als Momente umfassender gesellschaftlicher Prozesse.
Erziehungswissenschaft lässt sich den gegenwärtigen wissenschaftstheoretischen Grundpositionen gemäß differenzieren: 1) Die analytisch-empirische Erziehungswissenschaft folgt vorwiegend der empirischen Methode unter ausdrücklicher Anlehnung an den kritischen Rationalismus (K. R. Popper), verstanden als »Sozial-Technologie« (L. Rössner), die Wert- und Zielfragen aus ihrem Erkenntniszusammenhang ausblendet. 2) Gestützt auf eine deskriptiv-hermeneutische Methodologie wird die geisteswissenschaftliche Pädagogik von einem »praktischen« Interesse geleitet; der an der historisch konkreten Gesellschaft orientierte Bildungsbegriff wurde geprägt u. a. von W. Dilthey, E. Spranger, H. Nohl, W. Flitner, E. Weniger und W. Klafki. 3) Anfang der 1970er-Jahre wurde von ihren damaligen Vertretern u. a., zunächst in engem Anschluss an die kritische Theorie der »Frankfurter Schule« (M. Horkheimer, T. W. Adorno, J. Habermas), die kritische Erziehungswissenschaft (K. Mollenhauer, H. Blankertz, W. Klafki, K. Schaller) entwickelt, die sich, geleitet vom »emanzipatorischen« Interesse, vorwiegend der ideologiekritischen Methode bedient. Erziehung wird im Blick auf ihren Beitrag zur Verbesserung (Humanisierung) der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse untersucht. Als »kritisch-konstruktive Theorie« (Klafki) hat Erziehungswissenschaft Empirie, Hermeneutik und Ideologiekritik zu verbinden.
Als Reaktion auf die gesellschaftlich-politische Entwicklung schenken die Vertreter der empirischen Erziehungswissenschaft neuerdings verstärkt den sekundären Tugenden (Tüchtigkeit, Fleiß) als gesellschaftlichen Bindekräften Beachtung. Neokonservativen Tendenzen kommt auch die personalistisch orientierte Pädagogik entgegen, für welche die gesellschaftliche Sinnbildungsprozesse keine subjektkonstituierende Bedeutung haben (K. H. Dickopp). Unter Wiederaufnahme phänomenologischer Sichtweisen (O. F. Bollnow, M. J. Langeveld) wird die geisteswissenschaftliche Pädagogik wieder belebt (W. Loch). Die kritische Erziehungswissenschaft befreit sich aus der engen Anlehnung an die kritische Theorie (Blankertz, W. Keckeisen), rezipiert aus der Phänomenologie den Lebensweltbegriff (H. Brunkhorst) in seiner Weiterentwicklung durch M. Heidegger (E. Fink, T. Ballauff), M. J.-J. Merleau-Ponty (W. Lippitz, K. Meyer-Drawe) u. a.; interaktionistische und kommunikationstheoretische Paradigmen werden herangezogen, um im Miteinander Perspektiven für eine humane Zukunft zu entwerfen (Schaller).
Alternativ zu diesen drei Typen von Erziehungswissenschaften sind Versuche ihrer materialistischen Begründung in Weiterführung des politökonomischen Ansatzes von K. Marx unternommen worden (J. Gamm, J. Gröll, W. Schmied-Kowarzik), ebenso Versuche ihrer Selbstbegründung (T. Litt, J. Derbolav, H. H. Groothoff). Andererseits ist die dem Neukantianismus entstammende transzendentalkritische Erziehungswissenschaft (A. Petzelt, M. Heitger, W. Fischer) zu nennen; sie befasst sich mit der letztlich unlösbaren Aufgabe der Rechtfertigung pädagogischer Handlungen als solcher.
Als Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft werden insbesondere betrachtet: die allgemeine, systematische, historische, vergleichende Erziehungswissenschaft, pädagogische Anthropologie und Psychologie, Didaktik, Bildungsforschung und -politik, Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Erwachsenenbildung.
Geisteswissenschaftl. Pädagogik am Ausgang ihrer Epoche, Erich Weniger, hg. v. I. Dahmer u. W. Klafki (1968);
W. Klafki: Aspekte kritisch-konstruktiver E. (1976);
W. Brezinka: Metatheorie der Erziehung. Eine Einf. in die Grundl. der E.. .. (41978);
W. Brezinka: Grundbegriffe der E. (41981);
L. Rössner: Einf. in die analytisch-empir. E. (1979);
Theorien u. Grundbegriffe der Erziehung u. Bildung, hg. v. D. Lenzen u. a. (1983);
K. Schaller: Krit. E. am Ausgang ihrer Epoche?, in: K. Schaller: Pädagogik der Kommunikation (1987);
M. von Saldern: E. u. neue Systemtheorie (1991);
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Er|zie|hungs|wis|sen|schaft, die <o. Pl.>: a) Teilbereich der Pädagogik, dessen Gegenstand die wissenschaftliche Erforschung der Erziehungsprozesse ist; b) Pädagogik.
Universal-Lexikon. 2012.