Buch|ma|le|rei 〈f. 18〉 handgemalter od. kolorierter Textschmuck in alten Handschriften u. Büchern
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Buch|ma|le|rei, die:
1. <o. Pl.> Kunst der malerischen Ausschmückung von Handschriften in der Antike u. im Mittelalter.
2. gemaltes Bild in Handschriften der Antike u. des Mittelalters.
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Buchmalerei,
Miniaturmalerei [benannt nach der im frühen Mittelalter für Überschriften, Randleisten, Initialen verwendeten roten Mennige, lateinisch »minium«], Malerei oder Zeichnung in Handschriften und Büchern. Die Buchmalerei umfasst die figürliche und ornamentale Ausstattung der Buchseiten durch Federzeichnungen oder Malerei, von den Buchmalern (Miniatoren) ausgeführt mit Deckfarben und Gold.
Antike und frühchristliche Zeit
Schon in Ägypten sind seit dem Neuen Reich (1552-1070 v. Chr.) Totenbücher in Gestalt von Papyrusrollen mit Tuschzeichnungen am oberen und unteren Rand erhalten. Die griechisch-römische Antike übernahm die für Darstellungsfolgen besonders geeignete Friesform in Buchrollen. Der im 4. Jahrhundert n. Chr. aufkommende Kodex begünstigte die Illustration durch Einzelbilder, so das Quedlinburger Itala-Fragment (Berlin) und die früheste illustrierte Vergilhandschrift (Vatikan). Illustrierte Luxushandschriften des 6. Jahrhunderts auf Purpurpergament sind die Wiener Genesis und zwei Evangelienbücher, der Codex Rossanensis und der Codex Sinopensis (Paris); aus Nordmesopotamien stammt das Rabula-Evangeliar (586; Florenz).
Nach dem Ende des Bilderstreits erreichte die byzantinische Buchmalerei ihren Höhepunkt unter der makedonischen Dynastie (zweite Hälfte 9. Jahrhundert); zahlreiche erhaltene Werke bezeugen die Wiederaufnahme klassischer Elemente in Typen und Stil. Als Tendenz herrscht das seitenfüllende Einzelbild in der Art der Ikone vor. Die byzantinische Buchmalerei des 11. und 12. Jahrhunderts griff nicht mehr direkt auf spätantike Vorlagen zurück, sondern schuf einen schwerelosen Figurenstil und bevorzugte den Goldgrund. Charakteristisch für die Buchmalerei der späten Komnenenzeit (zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts) wurden psychologische Beobachtung und dramatisierte Handlung. Im Figurenstil der Buchmalerei unter den Palaiologen (1258-1453) sind kräftige Körperlichkeit und entmaterialisierende Glanzlichtflächen der Gewänder verbunden. - In allen Epochen der byzantinischen Buchmalerei hatte das figürliche Bild höchste Bedeutung; die ornamentale Dekoration spielte - verglichen mit der westlichen Buchmalerei nur eine nebensächliche Rolle.
Merowinger- und Karolingerzeit
Zu einer vollständigen Umbildung der mediterranen Vorlagen unter starker Einwirkung der vorchristlichen Tiergeflechtornamentik kam es im späten 7. und frühen 8. Jahrhundert in den angelsächsischen Benediktinerklöstern Northumbriens, die auf die irische Kunst sowie auf die Skriptorien (Schreibstuben) des Festlandes einwirkten (Echternach, Sankt Gallen, Salzburg). Die bekanntesten Handschriften der insularen Buchmalerei sind die Evangeliare von Durrow (um 680) und Kells (wohl nach 800; beide Dublin), von Lindisfarne (vor 698, London) und das wohl in Irland entstandene Echternacher Willibrord-Evangeliar (vor 690, Paris).
Die Klöster im Merowingerreich (Gellone, Luxeuil, Corbie) entwickelten einen selbstständigen, im Figürlichen derben fränkischen Stil. Die spanische Buchmalerei des 7. Jahrhunderts zeigte syrische und koptische Einflüsse, die in den spanischen Beatus-Apokalypsen weiterwirkten. - Die karolingische Buchmalerei brachte umfangreiche Prachthandschriften hervor. Werke der in Aachen zu lokalisierenden Palastschule Karls des Großen, u. a. das Wiener Krönungsevangeliar und das Evangeliar im Aachener Münster, schlossen sich frühbyzantinischen Vorbildern an. Die gleichfalls in Aachen, teilweise etwas früher tätige Hofschule Karls des Grossen, der u. a. das Evangeliar des Schreibers Godescalc (Paris) und das Evangeliar für die Äbtissin Ada (Trier) angehören, hielt sich an syrischen Vorlagen. Die Schule von Reims folgte mit dem Ebo-Evangeliar (Épernay) und dem Utrechtpsalter der Palastschule. Die bedeutendste Gesamtleistung weist die seit Alkuins Wirken blühende Schule von Tours auf (Bamberger Bibel, Lothar-Evangeliar, Vivian-Bibel; die beiden letzten Paris). Die am reichsten geschmückten Bücher, so den »Codex Aureus« aus Sankt Emmeram in Regensburg (München) und die Bibel von San Paolo fuori le mura in Rom, lieferte die Hofschule Karls des Kahlen. Eine Gruppe nordfranzösischer und rheinischer Klöster mischte merowingische und angelsächsische Überlieferung. In Sankt Gallen überlagerten sich merowingische, anglofränkische und karolingische Einflüsse.
Frühromanische Zeit
Ende des 10. Jahrhunderts wurden die Motive durch Bilder aus den Evangelien und dem Leben der Heiligen erweitert. In die ottonische Buchmalerei, besonders der Reichenau, Kölns und Regensburgs, drangen byzantinische Elemente ein. Unter Otto II. gewann Trier Bedeutung (Gregormeister). Am aufwendigsten war die Produktion der Reichenauer Malerschule. Höhepunkt dieser Schule sind eine Reihe von Prachthandschriften, die man nach dem Widmungstitel eines Evangeliars in Aachen mit »Liuthargruppe« benennt, darunter das Evangeliar Ottos III. und das Perikopenbuch Heinrichs II., beide aus Bamberg (München), sowie die Bamberger Apokalypse. Im Gegensatz zu diesen Schulen pflegte man in der Kölner Malerschule einen malerischen Stil, der auf byzantinische Vorbilder und solche der Hofschule Karls des Kahlen zurückging (Sakramentar aus Sankt Gereon, Paris; Evangeliar der Äbtissin Hitda von Meschede, Darmstadt). - England erlebte eine qualitätvolle Buchmalerei in der Schule von Winchester, die karolingischen Formen mit eigenartiger Pflanzenornamentik verband. Den Schreibstuben des Maasgebietes (Saint—Omer, Saint—Amand, Marchiennes und Lüttich) sind die südfranzösischen (Poitiers) ebenbürtig. Die katalanische Buchmalerei hielt an der altspanischen Überlieferung fest. Italien bewahrte, in ständiger Verbindung mit Byzanz, die Überlieferung; Oberitalien (Bobbio, Mailand, Ivrea) stand in Verbindung mit den ottonischen Schulen.
12. und 13. Jahrhundert
In Italien und Spanien wurde im 12. Jahrhundert gemäß der Überlieferung weitergearbeitet. In England und Frankreich entwickelte sich aus einem verhärteten Stil eine anmutige, unmittelbar in die Gotik übergehende Bewegtheit. In Nordfrankreich kündigte sich im 13. Jahrhundert u. a. in den Schöpfungen des Malers Savalo in Saint-Amand eine ruhigere Formgebung an. Bedeutende Werke entstanden auf deutschem Boden v. a. unter Abt Bertold (1200-35) in Weingarten (Missale der Morgan Library, New York). Die Skriptorien von Salzburg und der von ihnen abhängigen Klöster (Mondsee, Admont, Sankt Florian, Passau, Regensburg, Prüfening) brachten eine Fülle mit Deckfarbenbildern geschmückter Bücher hervor. In Niedersachsen gab es wichtige Skriptorien in Corvey, Hildesheim und Helmarshausen, wo die Prachthandschrift eines Evangeliars für Heinrich den Löwen entstand (ab 1988 Wolfenbüttel). Im Rheingebiet, das schon früh gelöstere Formen zeigte, entfaltete sich die »klassische« Kunst der Stauferzeit, die mit dem 1165 auf dem Odilienberg begonnenen Hortus deliciarum der Äbtissin Herrad von Landsberg einsetzte und in den Evangelistaren aus Speyer (Karlsruhe) und aus Köln (Brüssel) gipfelte.
Früh- und Hochgotik
In Frankreich und England begann die Frühgotik mit Anmut der Linienführung. Die Klosterschulen verloren ihre Sonderstellung, Nichtkleriker gewannen als Künstler an Bedeutung. Das persönliche Gebetbuch (Livre d'heures, Stundenbuch) kam auf, weltliche Dichtungen und Chroniken boten der Buchmalerei neue Aufgaben. Mit dem Ingeborg-Psalter (um 1210, Chantilly) und verwandten Psaltern setzte der neue Stil ein. In dieser Gestalt brachte ihn Mathias Parisiensis, der Leiter der Schreibstube von Saint Albans, nach England, wo er sich zunächst in großen Apokalypsen auswirkte. Ein Hauptwerk der französischen Hochgotik ist der Psalter Ludwigs des Heiligen für die Sainte-Chapelle (1256, Paris). Im frühen 14. Jahrhundert setzte, vermittelt durch die Papstresidenz Avignon, mit J. Pucelle die Anlehnung an italienische Vorbilder ein. In der englischen Buchmalerei gewann die Ornamentik größere Bedeutung (Psalter des Robert de Lisle und der Königin Maria; beide London). In Deutschland trat die gotische Formensprache mit fast 100-jähriger Verspätung auf, zuerst im Westen. Anmutiger sind oberrheinische Handschriftenillustrationen um 1300 (Weltchronik des Rudolf von Ems, Sankt Gallen und Berlin; die älteren Bilder der Manessischen Handschrift, Heidelberg). Böhmen, das Mitte des 14. Jahrhunderts in Johannes von Neumarkt, dem Kanzler Karls IV., und in König Wenzel große Bücherfreunde besaß, stand stark unter toskanischer Einwirkung (Liber viaticus, um 1355-60, Prag). In den unter König Wenzel entstandenen Handschriften überwiegt die Ornamentik (Wenzelsbibel, 6 Bände, Wien). In Italien entwickelte sich die Buchmalerei des Trecento in Bologna, Mailand, Florenz, Siena und Neapel.
Am Ende des 14. Jahrhunderts hatten französische und niederländische Miniaturmaler im Dienste Karls V. von Frankreich und seiner Brüder, besonders des Herzogs Jean de Berry, am Durchbruch eines neuen, die realistische Darstellung von Landschaft und Raum erstrebenden Stils entscheidenden Anteil. Die bedeutendsten dieser spätgotische Künstler waren die Brüder von Limburg. Jacquemart de Hesdin setzte die Tradition von Pucelle fort. In der Folgezeit übertrafen französische Künstler wie J. Fouquet die Niederländer, unter ihnen Simon Bening, den führenden Meister des Breviarium Grimani (Venedig). Hinter den Niederländern standen die Mailänder Giovannino und Salomone de' Grassi mit ihren Stundenbüchern für die Visconti kaum zurück. In Deutschland schuf 1425-67 die Hagenauer Werkstatt des D. Lauber über 50 Handschriften mit Federzeichnungen. Ihre Überlieferung nahmen die Schweizer D. Schilling der Ältere und der Jüngere in ihren Chroniken auf. Am Niederrhein schätzte man Gebetbücher kleinen Formates mit Aquarellen; die besten werden S. Lochner zugeschrieben. Die große Zeit deutscher Buchmalerei endete mit dem Gebetbuch Kaiser Maximilians, für das A. Dürer, L. Cranach der Ältere, H. Baldung, H. Burgkmair u. a. die Randzeichnungen schufen (München und Besançon).
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Initiale · islamische Kunst · Kodex
K. Weitzmann: Spätantike u. frühchristl. B. (a. d. Engl., 1977);
E. G. Grimme: Die Gesch. der abendländ. B. (1980);
O. Pächt: B. des MA. (1984);
Otton. B., bearb. v. H. Mayr-Harting (a. d. Engl., 1991);
J. K. Eberlein: Miniatur u. Arbeit (1995).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Buchmalerei: Schriftbild, Initiale, Ornament und Illustration
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Buch|ma|le|rei, die: 1. <o. Pl.> die Kunst der malerischen Ausschmückung von Handschriften in der Antike u. im Mittelalter. 2. gemaltes Bild in Handschriften der Antike u. des Mittelalters.
Universal-Lexikon. 2012.