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Befreiungskriege
I
Befreiungskriege,
 
die Kriege von 1813 bis 1815, die Deutschland, Italien und Spanien von der französischen Fremdherrschaft befreiten und dem Kaiserreich Napoleons I. ein Ende bereiteten. Nach Anfängen in Preußen 1806/07 war Widerstand gegen die napoleonische Herrschaft mit dem spanischen Unabhängigkeitskrieg (ab 1808) offen ausgebrochen; er hatte Signalwirkung v. a. für die deutsche Erhebung, die 1809 von Österreich ausging (Kriegserklärung 9. 4., Napoleonische Kriege; Sieg bei Aspern und Eßling, 21./22. 5.). Gleichzeitig begann der Tiroler Freiheitskampf unter der Führung von A. Hofer; in Norddeutschland kämpften Freikorps, deren militärische Erfolge allerdings relativ gering waren (u. a. W. von Dörnberg, F. von Schill, Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg-Oels). Die nationalen Erhebungen 1809 scheiterten in erster Linie an der Passivität Preußens, das sich in der staatlichen Neuorganisation befand (stein-hardenbergsche Reformen, u. a. Heeresreform; Preußen, Geschichte). Österreich musste am 14. 10. 1809 den Frieden von Schönbrunn schließen, durch den es erhebliche Territorialverluste erlitt und zu einer von Frankreich abhängigen Macht zweiten Ranges degradiert wurde (Österreich, Geschichte). Erst Napoleons Niederlage im Russischen Feldzug von 1812 löste die eigentlichen Befreiungskriege aus, denen sich nunmehr auch Preußen anschloss.
 
Frühjahrsfeldzug 1813
 
: Nach dem Untergang der Großen Armee Napoleons 1812 entschloss sich Kaiser Alexander I., nach Westen vorzustoßen. Die Konvention von Tauroggen leitete am 30. 12. 1812 die Erhebung Preußens ein (beginnend mit dem Vormarsch der russischen Truppen, ab 1. 1. 1813, in Ostpreußen); am 22. 1. übersiedelte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, beraten von K. A. von Hardenberg, nach Breslau. Auf der Tagung der von H. F. K. Reichsfreiherr vom und zum Stein einberufenen ostpreußischen Landstände (5.-8. 2.) wurde die Bewaffnung beschlossen (am 9. 2. Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerabteilungen). Initiiert von Stein, schlossen Preußen und Russland am 27./28. 2. 1813 das Bündnis von Kalisch; nach der Kriegserklärung an Frankreich am 16. 3. erließ Friedrich Wilhelm III. am 17. 3. in Breslau den Aufruf »An Mein Volk«. Preußen begann zu rüsten (u. a. Stiftung des Eisernen Kreuzes am 10. 3., ab 17. 3. Aufstellung der Landwehr, ab 21. 4. des Landsturms); der preußische König folgte dabei nur zögernd der v. a. durch E. M. Arndt entfachten patriotischen Begeisterung des Volkes (u. a. Geldsammlungen). Auch in verschiedenen Rheinbundstaaten waren ab Januar Insurrektionen ausgebrochen (u. a. Hamburg); Streifkorps, u. a. das Ende März/Anfang April aufgestellte Lützowsche Freikorps, begannen den französischen Gegner zu attackieren.
 
Trotz der weitgehenden Räumung Deutschlands vermochte Napoleon nochmals ein großes Heer aufzustellen, das den verbündeten Preußen und Russen (124 000 Mann) zahlenmäßig überlegen war (230 000 Mann). Nach der Niederlage bei Möckern (5. 4.; Besetzung Sachsens durch Preußen unter G. L. von Blücher) gelang es Napoleon, die Preußen am 2. 5. bei Großgörschen (tödliche Verwundung G. J. D. von Scharnhorsts) und am 20./21. 5. bei Bautzen zu schlagen und die Verbündeten zum Rückzug nach Schlesien zu zwingen. Am 4. 6. schloss Napoleon mit den Verbündeten den Waffenstillstand von Pläswitz (zunächst bis bis 20. 7., dann bis bis 10. 8.). Der Sieg der Briten unter A. Wellesley (ab 1814 Herzog von Wellington) bei Vittoria (21. 6.) führte zur Verdrängung der französischen Truppen aus Spanien. Das durch K. W. Fürst von Metternich geschickt zwischen den Parteien taktierende Österreich trat schließlich am 27. 6. dem geheimen Bündnisvertrag von Reichenbach (bei Schweidnitz) zwischen Preußen/Russland und Großbritannien (14./15. 6.) bei und in dessen Erfüllung auf die Seite der Verbündeten (10. 8.; Kriegserklärung an Frankreich am 11. 8.); in den Allianzen zu Teplitz (9. 9. und 3. 10.) wurde das Bündnis gefestigt und als Kriegsziel der Alliierten v. a. die Wiederherstellung Österreichs und Preußens in den Grenzen von 1805 festgelegt. Auch Schweden (22. 7.) und später Bayern (Vertrag von Ried mit Österreich, 8. 10.) traten der Koalition bei; auf dem Prager Friedenskongress (28. 7.-10. 8.) war Napoleon nicht zu Konzessionen bereit.
 
Herbstfeldzug 1813:
 
Die Koalition gegen Napoleon, der seine Hauptmacht um Dresden sammelte, bildete drei Heere: die Böhmische oder Hauptarmee, die sich aus Österreichern, Russen und Preußen zusammensetzte und von dem österreichischen General K. P. Fürst zu Schwarzenberg kommandiert wurde, die Schlesische Armee, in der Russen und Preußen unter dem Kommando Blüchers und seines Generalquartiermeisters Gneisenau standen, und die Nordarmee unter J.-B. Bernadotte (Kronprinz und ab 1818 König Karl XIV. Johann von Schweden), mit preußischen, russischen und schwedischen Truppen. Den Oberbefehl hatte Schwarzenberg, sein Generalstabschef war J. Graf von Radetzky. Aufgrund des am 13. 7. vereinbarten Feldzugsplans der Verbündeten (»Trachenberger Protokoll«), an dem Gneisenau wesentlichen Anteil hatte, zog sich die von Napoleon selbst angegriffene Armee zurück; das Ergebnis war, dass die Verbündeten gegen nicht von Napoleon kommandierte französische Heere Siege davontrugen (F. W. Bülow bei Großbeeren am 23. 8., Blücher an der Katzbach am 26. 8.), während die Hauptarmee unter Schwarzenberg bei Dresden am 26./27. 8. durch Napoleon geschlagen wurde. Blücher erzwang am 3. 10. bei Wartenburg den Elbübergang, worauf alle verbündeten Armeen die Umfassung Napoleons einleiteten, der sich daraufhin aus Dresden zurückzog. So kam es zur Entscheidung: In der Völkerschlacht bei Leipzig (16.-19. 10.) wurde Napoleon vernichtend geschlagen. Er selbst entkam, nachdem er bei Hanau (31. 10.) den sperrenden Riegel bayerischer Truppen durchbrochen hatte, mit dem Rest seines Heeres über den Rhein; der Rheinbund löste sich auf, die französische Herrschaft brach in ganz Deutschland zusammen.
 
Feldzug 1814:
 
Die Verbündeten (ohne Schweden) beschlossen, den Krieg in Frankreich fortzusetzen, gleichzeitig aber auch um einen Verständigungsfrieden mit Napoleon zu verhandeln; am 20. 12. 1813 begann der Rheinübergang der Hauptarmee bei Basel. Die eigenmächtige Rheinüberschreitung Blüchers in der Neujahrsnacht 1813/14 bei Kaub führte zur Befreiung der linksrheinischen Gebiete und zwang die Alliierten zur Offensive. Blücher konnte, unterstützt von Teilen der Hauptarmee, Napoleon bei La Rothière schlagen (1. 2.), dieser dann aber in einer Reihe von Gefechten einzelne Korps der Verbündeten nacheinander besiegen. Schließlich entschlossen sie sich nach dem Sieg der Hauptarmee unter Schwarzenberg bei Arcis-sur-Aube (20./21. 3.) zum Vormarsch gegen Paris, das am 30. 3. kapitulieren musste. Napoleon hatte vergebens versucht, durch einen Umgehungsmarsch die Niederlage abzuwenden. Von Spanien aus drang Wellington nach Bordeaux vor. Am 6. 4. musste Napoleon in Fontainebleau abdanken. Er wurde nach Elba verbannt, Ludwig XVIII. als französischer König eingesetzt. Im ersten Pariser Frieden (30. 5.) erhielt Frankreich die Grenzen von 1792.
 
Feldzug 1815:
 
Während der Wiener Kongress (1814/15) noch über die Neuordnung Europas verhandelte, landete Napoleon am 1. 3. 1815 bei Cannes und konnte, da die ihm entgegengesandten Truppen zu ihm übergingen, am 20. 3. in Paris einziehen. Zwei Armeen wurden gegen ihn aufgestellt, eine unter Wellington aus britischen, deutschen und niederländischen Truppen sowie eine preußische unter Blücher. Es gelang Napoleon, Blücher am 16. 6. bei Ligny zu schlagen; er scheiterte aber am 18. 6. bei Belle-Alliance (oder Waterloo). In der Verfolgung wurde das letzte von Napoleon aufgestellte Heer vernichtet. Napoleon selbst ergab sich den Engländern und wurde nach Sankt Helena gebracht. Der zweite Pariser Frieden (20. 11.) mit dem wiederhergestellten bourbonischen Königtum schloss die Befreiungskriege ab.
 
Literatur:
 
F. Meinecke: Das Zeitalter der dt. Erhebung (1906, 71963);
 R. Friederich: Die B. 1813-1815, 4 Bde. (1911-13);
 H. Ulmann: Gesch. der B. 1813 u. 1814, 2 Bde. (1914-15);
 
Der Befreiungskrieg 1813, hg. v. P. Hoffmann u. a. (Berlin-Ost 1967);
 
Die Erhebung gegen Napoleon 1806-1814/15, hg. v. H.-B. Spies (1981).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Revolutionskriege: Eroberung oder Befreiung?
 
II
Befreiungskriege
 
Der Untergang der napoleonischen Armee in Russland war für die unterdrückten Völker Europas das lang ersehnte Signal zum Aufstand. Emigranten aus verschiedenen Ländern im Gefolge des Zaren, unter ihnen der deutsche Reichsfreiherr vom und zum Stein, drängten den russischen Monarchen, den Kampf gegen Napoleon auch über die Weichsel hinaus fortzusetzen.
 
Nach eigenmächtig abgeschlossenen Abkommen des preußischen Generals Yorck am 30. Dezember 1812 und - einen Monat später - des österreichischen Feldmarschalls Schwarzenberg mit ihren bisherigen russischen Gegnern lösten sich das preußische und das österreichische Hilfskorps aus dem französischen Heeresverband. Aber die von den deutschen Patrioten ersehnte Allianz des preußischen und des österreichischen Monarchen mit dem Zaren kam zunächst noch nicht zustande. Preußen verbündete sich mit Russland und erklärte am 16. März 1813 Napoleon den Krieg. Der Aufruf des preußischen Königs »An mein Volk« vom folgenden Tag verstärkte die nationale Begeisterung.
 
In ersten Gefechten blieb Napoleon erneut Sieger und drängte die verbündeten Preußen und Russen nach Schlesien zurück. Da er jedoch dringend Zeit zur Ausbildung neuer Rekruten benötigte, schlug Napoleon selbst eine Waffenruhe vor. Später hat er diesen Vorschlag als großen taktischen Fehler bezeichnet. Als am 10. August die Feindseligkeiten wieder auflebten, hatte sich die Koalition gegen ihn durch den Beitritt Großbritanniens, Schwedens und schließlich auch Österreichs wesentlich verstärkt. In drei Heeresgruppen rückten die Armeen der Verbündeten von Norden, Osten und Süden gegen die im Raum Dresden konzentrierten Franzosen vor. In der »Völkerschlacht« bei Leipzig (16.- 19. Oktober 1813) fiel die Entscheidung. Napoleon musste, um der drohenden Einschließung zu entgehen, mit den Resten seiner schwer geschlagenen Truppen einen fluchtartigen Rückzug zum Rhein antreten, während die mit ihm verbündeten Rheinbundkontingente in geschlossenen Verbänden zu den Alliierten übergingen.
 
Der Krieg wurde in Frankreich fortgesetzt, da Napoleon auf ein Friedensangebot des die Außenpolitik des Bündnisses maßgeblich bestimmenden österreichischen Staatsmannes Metternich nicht einging. Der Vormarsch der weit überlegenen Alliierten auf Paris war nicht mehr aufzuhalten, zumal auch von Spanien aus ein britisches Heer in Frankreich einrückte. Am 31. März 1814 zogen die Verbündeten in Paris ein. Napoleon dankte ab, ihm wurde die Insel Elba als Exil zugewiesen.
 
Während noch die Siegermächte auf dem Wiener Kongress über die Neuordnung Europas stritten, kehrte Napoleon jedoch überraschend nach Paris zurück und proklamierte ein liberales Regierungsprogramm; der Bourbonenkönig Ludwig XVIII. floh vorübergehend ins Ausland. Aber die zuvor noch heftig zerstrittenen Verbündeten setzten gemeinsame Militäraktionen gegen Napoleon in Gang. Bei Waterloo konnte er am 18. Juni 1815 von Briten und Preußen endgültig geschlagen werden und wurde nun auf die Atlantikinsel St. Helena verbannt.

Universal-Lexikon. 2012.