Bautzen,
sorbisch Bụdyšin [-diʃin],
1) Große Kreisstadt in Sachsen und Verwaltungssitz von 2), in der Oberlausitz, auf einem Granitplateau über der Spree, 219 m über dem Meeresspiegel, 46 400 Einwohner; politisches Zentrum der Sorben mit dem Domowina-Bund Lausitzer Sorben, Domowina-Verlag, Sorbisches Institut, Sorbisches Museum, Deutsch-Sorbisches Volkstheater und Sorbisches Nationalensemble; Sitz des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts. Landesjustizvollzugsanstalt (»Gelbes Elend«, ehemalig Bautzen I; Bautzen II 1989/90-92 als Untersuchungsgefängnis fortgeführt, heute Menschenrechtsmuseum [im Aufbau]).
Wichtigste Industriezweige sind der Bau von Schienenfahrzeugen und Einrichtungen der Kommunikationstechnik, das grafische Gewerbe sowie die Schreibgeräteherstellung.
Die bereits um 1000 angelegte Ortenburg wurde 1483-86 völlig neu errichtet, 1645-48 erneuert und ausgebaut. Von der Stadtbefestigung sind aus dem 14./15. Jahrhundert große Teile des inneren Mauerrings einschließlich mehrerer Türme erhalten, u. a. »Alte Wasserkunst« (1558, zur Wasserversorgung und Befestigung angelegt), »Reichenturm« und »Lauenturm«. Der spätgotische Dom Sankt Petri (1293-1303 und 2. Hälfte 15. Jahrhundert; zum Teil hervorragende Ausstattung v. a. des 17./18. Jahrhunderts, u. a. Kruzifix von B. Permoser) ist seit 1548 Simultankirche, seit 1921 Kathedrale des Bistums Meißen, seit 1980 Konkathedrale des Bistums Dresden-Meißen. Bestimmend für das Stadtbild ist ebenso die spätgotische Michaeliskirche (nach 1429 begonnen; reich skulptierter Taufstein von 1597). Die Innenstadt mit dem barocken Rathaus (1729-32) und ihren zahlreichen barocken Häusern wurde nach Beseitigung der Kriegsschäden unter Denkmalschutz gestellt.
An der Stelle des früheren Stammsitzes der westslawischen (sorbischen) Milzener (Wohngau Milsca) entstand als Grenzfeste der Markgrafen von Meißen die Ortenburg. Im Anschluss an sie erwuchs aus teils sorbischen, teils deutschen Siedlungen das 1002 erstmals erwähnte Bụdis(s)in (deutscher Name erst im 15. Jahrhundert belegt und seit 1868 offizielle Bezeichnung). Die schnell wachsende Stadt (Stadtrecht 1240), seit 1031 fest in deutschem Besitz, seit 1319 zu Böhmen gehörend, wurde durch ihre Lage am Schnittpunkt bedeutender Handelsstraßen zu einem Zentrum der Oberlausitz (Lausitz) und besaß 1346-1815 eine führende Stellung im (Ober-)Lausitzer Sechsstädtebund; 1635 kam sie zu Kursachsen. - Im 1904 errichteten größten sächsischen Gefängnis bestand von Mai 1945 bis Februar/März 1950 ein sowjetisches Internierungslager des NKWD/MHD (Speziallager Nummer 4; durchschnittlich 7 000, insgesamt etwa 30 000 Internierte und etwa 12 000 bis 17 000 Tote; wegen des gelben Klinkersteinbaus »Gelbes Elend« genannt); nach seiner Übergabe an die DDR-Behörden im März 1950 (am 31. 3. 1950 Häftlingsaufstand) wurde es v. a. als berüchtigte Haftanstalt des Staatssicherheitsdienstes (Bautzen II, 1956-89) für als besonders »gefährlich« eingeschätzte Staatsgegner (u. a. politische Häftlinge, »Republikflucht«-Willige, Ausreiseantragsteller) fortgeführt.
R. Schrammek: Verkehrs- u. Bau-Gesch. der Stadt B. (Bautzen 1984);
Das Gelbe Elend. B.-Häftlinge berichten, 1945-1956, hg. vom B.-Komitee (1992).
2) Landkreis im Regierungsbezirk Dresden, Sachsen, in der Oberlausitz, grenzt im Süden an die Tschechische Republik, 955 km2, 159 100 Einwohner. An das fruchtbare Lösshügelland (Lausitzer Gefilde) mit Weizen- und Zuckerrübenanbau schließt sich nach Süden das waldreiche Lausitzer Bergland (Valtenberg, 587 m über dem Meeresspiegel; Czorneboh, 561 m über dem Meeresspiegel) mit dem Erholungsort Schirgiswalde, nach Norden die waldreiche Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft (seit 1994 nördlich von der Stadt Bautzen ein 26 000 ha großes Biosphärenreservat) mit Fisch- und Waldwirtschaft an. Wichtigste Zweige der Industrie sind Maschinenbau und Metallverarbeitung, elektrotechnisch-elektronische, Lebensmittel-, Holz- und keramische Industrie. Hauptindustriestandort ist die Kreisstadt Bautzen, daneben sind größere Betriebe auch in Bischofswerda, Neukirch/Lausitz (Fahrradfabrik), Weißenberg, Wilthen (Weinbrennerei), Obergurig (Mähdrescherwerk) und Weigsdorf-Köblitz (Weinbautraktorenbau) angesiedelt. Im Lausitzer Bergland gibt es mehrere Standorte der Textilindustrie und Natursteingewinnung (Lausitzer Granit, Basalt). Anziehungspunkte des Fremdenverkehrs sind der Saurierpark in Kleinwelka nördlich von der Stadt Bautzen, die Spreetalsperre Bautzen (»Oberlausitzer Meer«; 5,6 km2) und die Oberlausitzer Teichlandschaft. Das Gebiet um die Kreisstadt Bautzen ist Mittelpunkt des Volks- und Brauchtums der Sorben. - Der Landkreis entstand am 1. 8. 1994 aus dem alten Kreis Bautzen sowie Gebietsteilen und Gemeinden der Kreise Bischofswerda und Löbau.
Universal-Lexikon. 2012.