Ẹr|furt:
Landeshauptstadt von Thüringen.
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Ẹrfurt,
1) Hauptstadt und größte Stadt des Landes Thüringen, kreisfreie Stadt, liegt in einer Höhe von 158-430 m über dem Meeresspiegel inmitten des Thüringer Beckens, in einer weiten Talmulde der Gera (rechter Nebenfluss der Unstrut), 201 800 Einwohner. Die Stadt ist Sitz eines katholischen Bischofs und bedeutender Verbände, Banken, Versicherungen u. a. Behörden (seit 1999 Sitz des Bundesarbeitsgerichts). Wichtige wissenschaftlich-kulturelle Einrichtungen und Kulturstätten sind die Fachhochschulen, PH, die 1994 wieder gegründete Universität, die 1999 den Lehrbetriebs aufgenommen hat, die Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek Erfurt (mit der Amploniana), 11 Museen (besonders Angermuseum mit mehreren Sammlungen, Museum für Stadtgeschichte, Naturkundemuseum, Museum für Thüringer Volkskunde), Luther-Gedenkstätte, Gedenkstätte »Erfurter Parteitag 1891«, drei Galerien (besonders »Galerie am Fischmarkt«), Opern-, Schauspielhaus u. a. Theater, Philharmonisches Orchester, Kultur- und Kongresszentrum, Thüringenhalle und Thüringer Zoopark. Auf dem Garten- und Ausstellungsgelände Cyriaksburg (ega) finden unterschiedliche Messen und Ausstellungen statt. Von den Park- und Waldflächen ist der 700 ha große Steigerwald am größten. Die Wirtschaft basiert auf den traditionellen Industriezweigen wie Elektronik (Technologie- und mikroelektronisches Anwendungszentrum), Elektrotechnik, Schreib- und Bürotechnik, Maschinenbau, Bau-, Nahrungsmittel- und Genussmittel- sowie Bekleidungs- und Möbelindustrie, ergänzt vom Garten- und Samenzuchtanbau und dem Druckereigewerbe. Nach 1990 erfolgte der Strukturwandel zum Dienstleistungszentrum Thüringens. Erfurt ist ein in Ausbau befindlicher Straßen- und Eisenbahnknotenpunkt und besitzt einen Flughafen im nationalen und europäischen Luftverkehr.
Der mittelalterliche Stadtkern ist weitgehend erhalten. Die Stadt wird beherrscht von der Baugruppe des Doms und der Severikirche auf dem Domhügel. Der Dom (auf Vorgängerbauten 1154 begonnen, gotischer Chorumbau 1349-72, spätgotischer Neubau des Langhauses 1455-65) ist eine reich ausgestattete dreischiffige Hallenkirche mit bedeutender Bauplastik an der auf dreieckigem Grundriss errichteten Portalvorhalle (»Triangel«, um 1330) am nördlichen Querschiffarm, auf die die breite Freitreppe von der Stadt zuführt; fast vollständig erhalten sind die spätgotischen Glasgemälde (1370-1420) des Chors; im Innern u. a. Altaraufsatz (um 1160), bronzene Leuchterfigur (»Wolfram«, um 1160), Altartriptychon (»Einhornaltar«, um 1420-30), reiches gotisches Chorgestühl (um 1360); an der Südseite Kapitelgebäude mit Kreuzgang; Domschatz. Die Severikirche (um 1278 bis um 1400), eine fünfschiffige gotische Hallenkirche, verfügt ebenfalls über eine reiche Ausstattung, u. a. Severisarkophag (um 1365), Taufstein mit Überbau (1467). Dem Domhügel benachbart ist der Petersberg mit den Überresten der ehemaligen Benediktinerklosterkirche Sankt Peter und Paul (1103-47; 1813 zerstört) und barocker Zitadelle (1665-1707). Weitere Kirchen prägen das Stadtbild, darunter: gotische Prediger- oder Dominikanerkirche (zwischen 1263 und 1278 bis um 1370) mit spätgotischem Lettner (Anfang 15. Jahrhundert; Verkündigungsgruppe um 1370) und spätgotischem Flügelaltar (1492), vom Kloster ist das Kapitelhaus erhalten; gotische Barfüßer- oder Franziskanerkirche (nach 1291-Anfang 15. Jahrhundert; heute Museum) und gotische Augustinerkirche (nach 1277-Mitte 14. Jahrhundert; Kloster und Kirche heute Luther-Gedenkstätte und Tagungsstätte); frühgotische Klosterkirche der Ursulinen (13. Jahrhundert) mit Vesperbild (1320/30); romanische Schottenkirche (vor 1150 begonnen, 1727 barock verändert; 1964-67 im ursprünglichen Zustand wiederhergestellt); gotische Kaufmannskirche (1291-1368); Reglerkirche (Ende 12. Jahrhundert, Umbau 14. Jahrhundert); Neuwerkkirche (ursprünglich gotisch, Umbau 1731-35). Die gotische Ägidienkirche (1324 und Ende 15. Jahrhundert) bildet den Osteingang der Krämerbrücke (bereits 1117 erwähnt, 1325 in Stein ausgeführt), einer nördlich der Alpen einmaligen, beiderseits mit Fachwerkhäusern bebauten Brückenstraße. Bedeutende Profanbauten sind die barocken Gebäude Statthalterei (1711-20) und Packhof (1706-09; heute Angermuseum). Auch zahlreiche Bürgerhäuser (seit der Renaissance) sind erhalten (u. a. »Haus zum Roten Ochsen«, 1562; »Haus zum Breiten Herd«, 1584; »Haus zur Hohen Lilie«, 1538). Zu den bemerkenswerten Gebäuden des 19. Jahrhunderts gehören der spätklassizistische alte Bahnhof, das neugotische Rathaus und die seit 1945 so genannten ehemaligen »Kongresssäle« (ursprünglich Ballhaus, später unter der Bezeichnung »Kaisersaal«), die nach umfassender Rekonstruktion als »Kultur- und Kongresszentrum Kaisersaal Erfurt« 1994 neu eröffnet wurden. Auf dem Gelände der Cyriaksburg (1480) wurden 1961 für die 1. Internationale Gartenbauausstellung zahlreicher Bauten errichtet. Neue städtebaulichen Akzente bilden u. a. moderne Bürogebäude, Hotels, Wohnbauten.
Das Stadtgebiet von Erfurt war bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt. Die Stadt entstand an einer Furt durch die ursprünglich Erpha genannte Gera. Im Zusammenhang mit der fränkischen Mission wurde um 706 das Kloster auf dem Petersberg gegründet; 742 (Ersterwähnung) wurde Erfurt durch Bonifatius vorübergehend Bistum (»Erphesfurt«). Karl der Grosse bestimmte 805 den Außenposten des Fränkischen Reichs (eine Königspfalz bestand seit 802) zu einem Mittelpunkt des (Grenz-)Handels mit den Slawen. Durch die Vereinigung des Bistums Erfurt mit dem Erzbistum Mainz (755) entstanden neben den königlichen die Mainzer Rechte an der Stadt und deren Territorium, die bis 1802 erhalten blieben. Als kirchliches und politisches Zentrum Thüringens bereits im Mittelalter eine der bedeutendsten, volkreichsten und geistig führenden Städte Deutschlands, gebot Erfurt im späten Mittelalter über ein Territorium von rd. 900 km2 mit mehr als 80 Dörfern und Burgen sowie der Stadt Sömmerda. Die Blüte im 14. und 15. Jahrhundert verdankte die mit der Hanse verbundene Stadt, verkehrsgünstig am Schnittpunkt der Via regia (Königsstraße) mit der Nord-Süd-Verbindung zwischen Ostsee und Alpen gelegen, v. a. ihrem weit gespannten Handel, besonders mit dem Blaufärbemittel Waid, das in den »Waiddörfern« angebaut wurde. Schon im 13. Jahrhundert bedeutender Ort geistigen Lebens (Meister Eckhart), wurde die 1379 gegründete Universität (1392 eröffnet, 1816 aufgehoben) eine Hochburg des deutschen Humanismus (»Dunkelmännerbriefe«, 1515-17) und der Reformation; 1501-05 studierte hier M. Luther (1505-11 Mönch im Augustinerkloster). Durch Schutzverträge (1483, 1516) erlangten die Wettiner in Erfurt Einfluss, bis sich 1664 Mainz mit Gewalt wieder in den Besitz der Stadt setzte. Mit dem Niedergang des Waidhandels im 17. Jahrhundert verlor Erfurt vorübergehend seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Im 18. Jahrhundert kam der gewerbsmäßige Gartenbau und Samenhandel auf, der europäischen Bedeutung erlangte und im 19. Jahrhundert, neben der Entwicklung Erfurts zum Industriezentrum (nach 1850), die Wirtschaft prägte. 1802 kam Erfurt an Preußen, 1807-13 war es durch Napoleon I. »Domaine réservée à l'empereur« (reservierte Domäne; 1808 Erfurter Fürstentag); 1815-1944 zur preußischen Provinz Sachsen (Regierungsbezirk Erfurt) gehörend, tagte in Erfurt 1850 das Erfurter Parlament der preußischen Union und 1891 der Erfurter Parteitag der SPD (Erfurter Programm). Ab 1944 zu Thüringen, war Erfurt 1948/50-52 und ist wieder seit 10. 1. 1991 Landeshauptstadt; 1952-90 war Erfurt Hauptstadt des gleichnamigen DDR-Bezirks. - Das Treffen zwischen Bundeskanzler W. Brandt (Bundesrepublik Deutschland) und Ministerpräsident W. Stoph (DDR) in Erfurt am 19. 3. 1970 bildete mit der folgenden Begegnung in Kassel (21. 5. 1970 den Auftakt der von Brandt eingeleiteten neuen Deutschland- und Ostpolitik. (Stadtplan Seite 523/524)
E. 742-1992. Stadtgesch. - Universitätsgesch., hg. v. U. Weiss (1992);
2) von 1952 bis 1990 DDR-Bezirk, heute der zentrale und westliche Teil des Landes Thüringen.
3) katholisches Bistum, 742 von Bonifatius gegründet und im folgenden Jahr durch Papst Zacharias bestätigt; es umfasste wahrscheinlich das Stammesgebiet der Thüringer zwischen Harz und Unstrut sowie Thüringer Wald, Werra und Saale, bestand jedoch nur einige Jahre. Nach seiner Auflösung wurde das Gebiet 755 dem Erzbistum Mainz eingegliedert. Nach dem Untergang des Mainzer Erzbistums (1803) kamen das mittlere und nördliche Thüringen zunächst an das Erzbistum Regensburg, 1821 an das Bistum Paderborn und 1930 an das Bistum Fulda. Die Katholiken Südthüringens gehörten kirchlich zum Bistum Würzburg. Nach 1945 wurden mit dem Jurisdiktionsbezirk Erfurt der Diözese Fulda und dem Bischöflichen Kommissariat Meiningen eigene kirchliche Verwaltungsstrukturen geschaffen, seit 1973 war das Gebiet als Bischöfliches Amt Erfurt-Meiningen einem ständigen Apostolischen Administrator mit den Vollmachten eines residierenden Bischofs unterstellt. Am 8. 7. 1994 (Errichtungsfeier am 18. 9.) wurde das Bistum Erfurt in den Grenzen des ehemaligen Jurisdiktionsbezirkes Erfurt-Meiningen neu errichtet (mit Ausnahme des Dekanats Geisa, das beim Bistum Fulda verblieb). Erfurt gehört als Suffraganbistum zur Kirchenprovinz Paderborn. Bischof ist Joachim Wanke (* 1941; seit 1981 Bischof und Apostolischer Administrator in Erfurt).
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Ẹr|furt: Stadt im südlichen Teil des Thüringer Beckens; Landeshauptstadt von Thüringen.
Universal-Lexikon. 2012.