Akademik

Zinn
Zịnn 〈n. 11; unz.; chem. 〉
1. silberweißes, glänzendes, weiches Metall, chem. Element, Ordnungszahl 50
2. Geschirr aus Zinn
[<ahd. zin <germ. *tina-, vielleicht urspr. „Stäbchen“; → Zinke]

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Zịnn [ahd. zin (Herkunft unsicher)], das; -s; Symbol: Sn ( Stannum) chem. Element aus Gruppe 14 des Periodensystems, Protonenzahl 50, AG 118,710. Silberweiß glänzendes, weiches u. zu Folien (Stanniol) walzbares Metall (weißes Z., β-Sn) der Dichte 7,286 g/mL u. graues pulveriges Halbmetall (graues Z., α-Sn) der Dichte 5,765 g/mL, das sich bei Temp. unterhalb 13 °C spontan aus β-Sn bilden kann (Zinnpest). Das Metall hat den Smp. 231,93 °C, den Sdp. 2603 °C u. liegt in seinen Verb. in den Oxidationsstufen ‒4, +2 u. +4 vor; es ist nicht toxisch u. für den Menschen essentiell. Verwendung findet Z. haupts. zur Herst. von Weißblech u. Zinnleg. für Weichlote, Schrift- u. Lagermetalle; von Bed. sind auch zinnorg. Verbindungen.

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Zịnn, das; -[e]s [mhd., ahd. zin, H. u., viell. verw. mit Zain (frühere münztechnische Bez. für einen gegossenen Metallstreifen; das Metall Zinn wurde in Stabform gegossen) u. eigtl. = Stab(förmiges)]:
1. sehr weiches, dehnbares, silberweiß glänzendes Schwermetall (chemisches Element; Zeichen: Sn; vgl. Stannum).
2. Gegenstände, bes. Geschirr aus Zinn (1):
altes Z. sammeln.

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I
Zinn,
 
lateinisch Stạnnum, chemisches Symbol Sn, ein chemisches Element aus der vierten Hauptgruppe des Periodensystems der chemischen Elemente. Zinn tritt in zwei Modifikationen unterschiedlicher Dichte auf, oberhalb 13,2 ºC als tetragonal kristallisierendes β-Zinn und unterhalb 13,2 ºC als kubisches α-Zinn (zum Teil wird eine weitere, rhombische Modifikation, die zwischen 162 ºC und dem Schmelzpunkt, 231,97 ºC, auftritt, angegeben). - Das gewöhnlich vorliegende β-Zinn ist ein silberweißes, stark glänzendes, sehr weiches und dehnbares Metall, das sich zu dünnen Folien (Stanniol) auswalzen lässt; beim Erhitzen auf über 162 ºC wird es jedoch so spröde, dass es leicht pulverisiert werden kann (»sprödes Zinn«, »Körner-Z.«). Beim Biegen eines Zinnstabes tritt ein knirschendes Geräusch auf (Zinngeschrei), das durch Reibung der β-Zinnkristalle aneinander verursacht wird. Unterhalb von 13,2 ºC wandelt sich das metallische β -Zinn unter Wärmeabgabe (2,09 kJ/mol) und Volumenzunahme in das halbmetallische α-Zinn (»graues Zinn«), eine graue pulverige Substanz, um. Der Übergang erfolgt dabei gewöhnlich mit äußerst geringer Geschwindigkeit; zunächst bilden sich dunkle Flecken (»Pusteln«), die sich langsam auf dem Metall ausbreiten (Zinnpest), danach verläuft die Umwandlung umso rascher, je tiefer abgekühlt wird. Durch Zugabe geeigneter Legierungselemente, die als Inhibitoren der Umwandlung wirken (u. a. Blei, Antimon, Wismut), lässt sich die Bildung von α-Zinn stark verlangsamen. Chemisch verhält sich Zinn ziemlich reaktionsträge; bei normaler Temperatur ist es gegen Wasser und Luft beständig; erst bei starkem Erhitzen verbrennt es mit Sauerstoff zu Zinndioxid, SnO2. Mit verdünnten Säuren und Basen reagiert Zinn sehr langsam.
 
Vorkommen
 
und Gewinnung: Zinn steht in der Häufigkeit der chemischen Elemente an 31. Stelle. Es kommt sehr selten gediegen vor, findet sich aber in mehreren sulfidischen Mineralen, z. B. im Zinnkies. Das weitaus wichtigste Zinnerz ist der Zinnstein, der zur Zinngewinnung abgebaut wird; er ist in den meisten Lagerstätten jedoch nur in geringen Mengen enthalten (meist weniger als 1 %) und muss zunächst durch nassmechanische Aufbereitung (Schwertrübeaufbereitung, Flotation u. a.) zu Konzentraten mit 35-75 % Zinngehalt angereichert werden. Diese Konzentrate enthalten neben Zinndioxid meist weitere Metalloxide, ferner Verunreinigungen wie Schwefel und Arsen (die durch Abrösten entfernt werden müssen). Das Zinndioxid wird mithilfe von Kohlenmonoxid (aus Koks) in Schmelzöfen reduziert. Die Reduktion verläuft erst bei Temperaturen von über 1 200 ºC ausreichend schnell, wobei jedoch ein Teil des in den Konzentraten enthaltenen Eisens mitreduziert wird. Das erhaltene Rohzinn ist deshalb meist durch Eisen (daneben auch Kupfer, Blei, Wismut u. a.) verunreinigt. Es wird allgemein einer Raffination durch Seigerung oder durch Elektrolyse unterworfen. Das so gewonnene Elektrolytzinn besitzt eine Reinheit von über 99,9 %. - Da Zinn ein verhältnismäßig teures Metall ist, kommt auch der Rückgewinnung Bedeutung zu. Wichtig ist heute v. a. die Weißblechentzinnung durch Einwirkung von Natronlauge unter Zusatz von Oxidationsmitteln (dabei bilden sich Lösungen von Natriumstannat(IV), Na2[Sn(OH)6], aus denen das Zinn über die Zinndioxid-Hydrate zurückgewonnen wird) oder durch Einwirkung von trockenem Chlor (dabei bildet sich flüssiges Zinntetrachlorid, SnCl4, das vom Eisenschrott abgetrennt werden kann und dann zu Zinndioxid hydrolysiert wird) sowie die Entzinnung auf elektrolytischen Wege.
 
Verwendung:
 
Zinn ist ein wichtiges Gebrauchsmetall (auch in Form der Zinnlegierungen), das zur Herstellung technischer und kunstgewerblicher Gegenstände verwendet wird; als technischer Werkstoff wird Zinn jedoch heute immer mehr durch Aluminium verdrängt. Fast die Hälfte der gesamten Zinnproduktion wird zum Verzinnen von Metallen zum Schutz gegen Korrosion verwendet.
 
Wirtschaft:
 
Die weltweite Zinnproduktion betrug (1997) 211 700 t; größte Produzenten waren China (55 400 t), Indonesien (55 200 t), Peru (28 000 t), Brasilien (20 400 t) und Bolivien (12 900 t); ferner Australien, Russland, Malaysia und Vietnam. Ein Teil des Zinns stammt aus dem Recycling; der Recyclinganteil der Hüttenproduktion beträgt zwischen 5 und 10 %. Etwa 80 % der Welthüttenproduktion werden international gehandelt. Die bedeutendsten Exporteure sind Indonesien, Malaysia, China, Bolivien und Brasilien, wichtigste Importeure sind die USA, Japan und Deutschland - Zinn war schon früh Gegenstand von internationalen Rohstoffabkommen (1931-85 sechs »International Tin Agreements, ITA«). 1985 scheiterten die Bemühungen, einen stabilen Zinnpreis durch ein Ausgleichslager (»Buffer stock«) zu erhalten; seitdem gibt es eine freie Preisbildung. Danach haben die Zinn produzierenden Länder versucht, über Exportquoten das Überangebot zu begrenzen. Dazu wurde die Vereinigung der Zinnproduzenten (ATCP) gegründet. Jedoch waren wichtige Produzenten wie China und Brasilien lange Zeit nicht Mitglied. Aber auch nach ihrem Beitritt hat das Exportquotenkartell nicht funktioniert, da sich v. a. China nicht an die vorgegebenen Quoten hielt. Das Quotensystem wurde daher ausgesetzt. Ein regulierender Einfluss der Produzentenvereinigung auf den Zinnmarkt ist damit nicht gegeben. Erschwerend für die Kontrolle des Zinnmarkts ist der traditionell umfangreiche Schmuggel, durch den jegliche Regelung bisher letztlich unterlaufen wurde.
 
Geschichte:
 
Zinn wurde zuerst als Legierung mit Kupfer (Bronze) bekannt (Bronzezeit). Die Gewinnung von Bronze durch gemeinsame Verhüttung von Kupfer- und Zinnerzen im 3. Jahrtausend v. Chr. ging im Allgemeinen der Gewinnung des reinen Zinns voraus. Die Herkunft des im Mittelmeerraum verwendeten Zinns ist umstritten, wahrscheinlich wurde auf der Iberischen Halbinsel bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. Zinnerz abgebaut, im 2. Jahrtausend v. Chr. auch auf Sardinien. Zinnminen gab es vermutlich auch in Vorderasien (Zentralanatolien, Iran, Afghanistan), im Kaukasus und in Hinterindien. In China und Japan soll Zinn bereits um 1800 v. Chr. hergestellt worden sein; seit etwa 1500 v. Chr. war reines Zinn auch in Ägypten bekannt. Das Wrack eines um 1200 v. Chr. gesunkenen phönikischen Schiffes, das u. a. mit Zinnbarren beladen war, wurde vor Kap Gelidonya (Südwestkleinasien) gefunden. Der Handel lag im 2./1. Jahrtausend v. Chr. in den Händen der Phöniker, dann der Karthager. Wohl im 1. Jahrtausend v. Chr. wurden zur Hauptversorgungsquelle des Mittelmeerraumes die Zinnseifen von Cornwall und Devonshire (»Zinninseln«); der Handel lief v. a. über Gallien. Seit Ende des 12. Jahrhunderts gab es im böhmischen und sächsischen Erzgebirge Zinnbergbau. Ein Verfahren zur Herstellung von Weißblech wurde im 14. Jahrhundert in Deutschland erfunden.
 
Aufgrund seiner Verträglichkeit mit Lebensmitteln wurde Zinn vom Mittelalter bis zum Biedermeier für Geschirr des bürgerlichen Haushalts verwendet. Wegen seiner Sprödigkeit musste es aber mit anderen Metallen legiert werden, wozu besonders das (giftige) Blei geeignet war. Daher entstand ab dem 14. Jahrhundert ein Kontrollsystem zur Überprüfung des Bleigehalts, das im Barock obligatorisch drei Garantiestempel verlangte (Meister-, Qualitäts-, Stadtzeichen). »Englisch Zinn« (»Fein-Z.«) ist nur mit Kupfer oder Wismut legiert, während »Maintzer Englisch Zinn« eine geringe Bleimenge enthält. »Prob-Z.« (nach der Nürnberger oder Reichsprobe) mit 10 % Bleianteil ist noch als Speisegeschirr verwendbar; die sehr unterschiedlichen örtlichen Vorschriften ließen zum Teil auch höhere Bleianteile zu. Das neuere Britanniametall ist v. a. mit Antimon legiert.
 
Zinngerät wird im Gussverfahren mit zwei- oder mehrteiligen Formen aus Messing, Eisen, Stein, Gips, Ton oder Blei hergestellt. Dabei können die Gegenstände einen Reliefdekor erhalten. Weitere Ziertechniken sind das Gravieren und das Flecheln (tremblieren), die Bearbeitung mit dem Hammer (Schlagen), das Punzen sowie Ätzverfahren und Bemalung (im 16. Jahrhundert bezeugt). Lackmalerei nach ostasiatischem Vorbild findet sich bei Zinngerät besonders im Empire und im Biedermeier. Durch Vergolden und Versilbern wurde Zinngerät veredelt. Die Verbindung von Zinn und Messing trat besonders in den Zentren des Gelbgusses, so in Nürnberg und in Niederdeutschland, auf.
 
Zinngegenstände (Schmuck) sind für das 3. Jahrtausend v. Chr. in der Ägäis (Lesbos), für das 2. Jahrtausend v. Chr. in Ägypten und im Kaukasus sowie für die europäische vorgeschichtliche Zeit durch Funde nachgewiesen, so in bronzezeitlichen Gräbern auf der Insel Amrum. V. a. literarische Quellen bezeugen den Gebrauch von Zinngeräten in der Antike.
 
Im Mittelalter wurde Zinn im kirchlichen Bereich für Pilgerzeichen, Ampullen für geweihte Öle, Beschläge an Reliquienkästchen, bei liturgischen Geräten, bei Hostiendosen und seit dem 13. Jahrhundert bei Taufbecken und -kesseln verwendet. Als Gebrauchsgegenstände für gehobene Ansprüche gab es Kannen (Humpen) von großer Vielgestaltigkeit wie die gedrungenen Hansekannen (14.-15. Jahrhundert), die in Süddeutschland verbreiteten, auch als Meisterstücke geforderten gefußten Kannen, in Nordostdeutschland Balusterkannen und die schlesischen Schleifkannen mit polygonaler Wandung und graviertem Dekor. Manche Formen wurden im 16. Jahrhundert weiterverwendet, andere, z. B. die gefußte Kanne, im 17. Jahrhundert wieder aufgenommen. Auch liturgische Geräte aus Zinn erschienen im 17. Jahrhundert wieder häufiger. Zum Zunft- und Ratsgeschirr aus Zinn gehörten seit dem 16. Jahrhundert auch Pokale wie der Willkomm mit geschweiftem Umriss und Deckel mit bekrönender Figur. Ab etwa 1560 wurden in Nürnberg Gussformen mit eingeätztem Schmuck für Zinngerät gebräuchlich. Die Ausstattung mit Reliefdekor hatte einen Höhepunkt im späten 16. und im 17. Jahrhundert, v. a. mit dem in Mömpelgard (heute Montbéliard) tätigen F. Briot und dem in Nürnberg wirkenden C. Enderlein. Außer in Nürnberg wurde Reliefzinn besonders in sächsischen Werkstätten gefertigt, wobei Plaketten (u. a. von P. Flötner) abgeformt wurden. Im norddeutschen Raum waren im 17./18. Jahrhundert Rörken als schmalleibige Trinkgefäße mit Deckel beliebt. Zu den in der Schweiz tradierten Typen gehören die Kannen mit glockenförmigem und prismatischem Körper oder die schon in der Spätgotik gebräuchlichen Ratsschenkkannen mit Ausgussrohr. Das 18. Jahrhundert begann mit der Imitation von höfischen Silberarbeiten (Kannen, Terrinen), was sich über den Klassizismus in das Biedermeier fortsetzte. In der Alltagskultur fanden Walzenkrüge, Teller, Lampen, Wärmflaschen u. a. aus Zinn weiterhin Verwendung. Im 19. Jahrhundert entstanden in den Zinnwerkstätten historisierende Erzeugnisse, v. a. zur Ausstattung von Repräsentationsräumen (»Edel-Z.«). In der Zeit des Jugendstils war die Firma J. P. Kayser Sohn (gegründet 1885) in Krefeld-Oppum von großer Bedeutung (Kayserzinn). Zinn wurde als Material auch in der Darmstädter Künstlerkolonie und der Wiener Werkstätte aufgegriffen. Heute hat es v. a. als Zierrat und Sammlergut Bedeutung. (Zinnfiguren)
 
Literatur:
 
E. S. Hedges: Tin in social and economic history (London 1964);
 F. von Bismarck u. E. Volz: Bewertung von Z.-Vorkommen (1983);
 D. Nadolski: Altes Gebrauchs-Z. (Leipzig 1983);
 D. Nadolski: Zunft-Z. Formenvielfalt u. Gebrauch bei Fest u. Alltag des Handwerks (Neuausg. 1986);
 G. Wacha: Z. u. Z.-Gießer in den Ländern Mitteleuropas (1983);
 R. D. Penhallurick: Tin in antiquity (London 1986);
 B. Lehmann: Metallogeny of tin (Berlin 1990);
 F. Aichele: Z. (21992);
 J. Wanderer: Z. Rohstoff, Erzaufbereitung, metallurg. Gewinnung, Raffination u. Recycling von Z. (1993);
 J. Wanderer: Z. 2000. Fachbibliogr. über den Zeitraum 1963-1996 mit 285 Lit.-Hinweisen (1996).
 
II
Zịnn,
 
1) Georg August, Politiker, * Frankfurt am Main 27. 5. 1901, ✝ ebenda 27. 3. 1976; Rechtsanwalt, Mitglied der SPD; in der Zeit des Nationalsozialismus mehrfach in Haft, war 1948-49 Mitglied des Parlamentarischen Rates, 1946-49 und 1950-62 Justizminister von Hessen, 1950-69 dort Ministerpräsident sowie 1953-54 und 1964-65 Präsident des Bundesrates; Vertreter einer entschieden föderalistischen Linie. Mit seinem Namen verbindet sich besonders der »Hessenplan« (ein landespolitisches Entwicklungsprogramm).
 
Schrift: Das Bundesratsprinzip heute (1964).
 
 2) Johann Gottfried, Mediziner, * Ansbach 4. 12. 1727, ✝ Göttingen 6. 4. 1759; ab 1753 Professor in Göttingen; verfasste die erste Schrift über die Anatomie des menschlichen Auges (»Descriptio anatomica oculi humani iconibus illustrata«, 1755).

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Zịnn, das; -[e]s [mhd., ahd. zin, H. u., viell. verw. mit ↑Zain (das Metall wurde in Stabform gegossen) u. eigtl. = Stab(förmiges)]: 1. sehr weiches, dehnbares, silberweiß glänzendes Schwermetall (chemisches Element); Zeichen: Sn (↑Stannum). 2. Gegenstände, bes. Geschirr aus ↑Zinn (1): altes Z. sammeln.

Universal-Lexikon. 2012.