* * *
Ge|nos|sen|schaft [gə'nɔsn̩ʃaft], die; -, -en:Vereinigung, Zusammenschluss mehrerer Personen mit dem Ziel, durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb den Einzelnen wirtschaftlich zu fördern:
eine Genossenschaft gründen; einer Genossenschaft beitreten.
Zus.: Berufsgenossenschaft, Molkereigenossenschaft, Produktionsgenossenschaft, Winzergenossenschaft.
* * *
Ge|nọs|sen|schaft 〈f. 20〉 Zusammenschluss mehrerer Personen zur Förderung gleicher wirtschaftlicher Interessen mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes (Landwirtschafts\Genossenschaft, Berufs\Genossenschaft, Konsum\Genossenschaft, Handwerker\Genossenschaft) ● eingetragene \Genossenschaft 〈Abk.: eG, e. G.〉
* * *
Ge|nọs|sen|schaft, die; -, -en:
Vereinigung, Zusammenschluss mehrerer Personen mit dem Ziel, durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb den Einzelnen wirtschaftlich zu fördern (Abk.: Gen.):
sie gehörten verschiedenen ländlichen -en an.
* * *
Genossenschaft,
1) Rechtsgeschichte: ursprünglich eine personale, ethisch-religiös fundierte Gemeinschaft, die mit den sie tragenden Mitgliedern identisch war. Ihre Organisationsstruktur konnte durch Gleichberechtigung der Genossen geprägt oder herrschaftlich ausgerichtet sein (z. B. Ehe und Familie, Munt). Teils bestand die Notwendigkeit einstimmiger Beschlussfassung (alle für einen), teils repräsentierte der einzelne Entschluss den Willen aller (einer für alle). Seit dem 12. Jahrhundert zeichnete sich die Ablösung der personalen Mitwirkung ihrer Mitglieder ab, was Hand in Hand mit der Schaffung einer Verbandsperson ging. Beispielhaft dafür ist der Zusammenschluss der Bürger in den Städten zu Schwurgemeinschaften, die sich alsbald zu autonomen Körperschaften entwickelten, die durch ihre Organe (Bürgermeister, Rat) tätig wurden. Allmählich wurde das Erfordernis der Einstimmigkeit durch das Mehrheitsprinzip verdrängt. In der Zeit des Hoch- und Spätmittelalters entstand eine Vielzahl jeweils besonderen Zwecken dienender Genossenschaften (Wald-, Weide-, Wasser-, Deichgenossenschaft; Gilde, Hanse). - Beeinflusst durch die Rezeption des gemeinen Rechts, v. a. durch die Übernahme der kanonistischen Fiktionstheorie (Anstalt), wandelte sich das Verständnis der Genossenschaft zu einem rein juristischen Begriff. Demzufolge ist die Genossenschaft zwar vermögensfähig, nicht aber handlungs- und deliktsfähig. Der Fiktionstheorie, die im 19. Jahrhundert zu einer Theorie der juristischen Person ausgebaut wurde (F. C. von Savigny), setzte O. von Gierke nach Vorarbeiten G. Beselers (»Volksrecht und Juristenrecht«, 1843) seine Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit entgegen, die der Genossenschaft erneut eine (geistige) Realität zusprach.
O. von Gierke: Das dt. G.-Recht, 4 Bde. (1868-1913, Nachdr. Graz 1954).
2) Wirtschaft: Gesellschaft mit unbegrenzter Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder (»Genossen«) mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezweckt (§ 1 Genossenschaftsgesetz vom 1. 5. 1889 in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 8. 1994). Die Mitglieder bleiben einerseits selbstständig als Bauern, Gewerbetreibende, Handwerker oder Privatpersonen, gehen andererseits aber eine spezielle Koalition ein, um von einer gemeinsam getragenen Unternehmung, der Genossenschaft, Leistungen zu empfangen. In Bezugs-, Absatz-, Waren- oder Dienstleistungsgenossenschaften nutzen die Mitglieder großbetrieblicher Vorteile und verschaffen sich einen wettbewerbsfähigen Marktzugang. Gemeinsam betrieben werden z. B. Einkauf, Lagerung, Maschinenhaltung, Weiterverarbeitung und Verkauf. Bedeutsam sind in Deutschland u. a. Kreditgenossenschaften, Baugenossenschaften und Verkehrsgenossenschaften. Seit 1972 existiert in Deutschland eine einheitliche Genossenschaftsorganisation mit einem Dachverband (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V.) und drei Bundesverbänden. Man unterscheidet Primärgenossenschaften (Lokalgenossenschaften), deren Mitglieder natürliche Personen sind, und Sekundärgenossenschaften (Zentralgenossenschaften), deren Mitglieder hauptsächlich Genossenschaften sind. Zu den Primärgenossenschaften zählen die Kreditgenossenschaften, die ländlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften und die gewerblichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften. Die Primärgenossenschaften haben sich entsprechend ihren Geschäftsfeldern auf regionaler Ebene Zentralbanken, Zentralgenossenschaften beziehungsweise Waren- und Dienstleistungszentralen geschaffen, die im Interesse der Einzelgenossenschaften tätig werden und auf nationaler Ebene Spezialinstitute und Bundeszentralen gegründet haben.
Die Genossenschaft muss eine Firma führen, die vom Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein und den Zusatz »eingetragene Genossenschaft« (eG, e. G.) enthalten muss. Sie ist juristische Person sowie Kaufmann im Sinne des Handelsrechts und entsteht durch Eintragung in das beim Amtsgericht geführte Genossenschaftsregister. Eine Genossenschaft muss mindestens sieben Mitglieder haben. Das Statut bedarf der Schriftform. Es muss u. a. den Umfang der Geschäftsanteile und die darauf zu leistende Mindesteinzahlungssumme festlegen sowie angeben, ob für den Konkursfall eine Nachschusspflicht der Genossen besteht und ob diese beschränkt oder unbeschränkt ist (eine unmittelbare Haftung der Genossen gegenüber den Gläubigern der Genossenschaft gibt es nicht).
Organe der eingetragenen Genossenschaft sind: Generalversammlung (oberstes Willensbildungsorgan), Vorstand und Aufsichtsrat. In der Generalversammlung hat jeder Genosse eine Stimme; seit 1974 ist (ausgenommen bei bestimmten vorrangigen Entscheidungen) auch ein Mehrstimmrecht (maximal drei Stimmen) zulässig. Ab 1 500 Mitglieder kann eine Vertreterversammlung an die Stelle der Generalversammlung treten. Der Vorstand, mindestens zwei Genossen, in der Regel von der Generalversammlung gewählt, leitet die Genossenschaft unter eigener Verantwortung. Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei von der Generalversammlung gewählten Genossen; in einer eingetragenen Genossenschaft mit mehr als 500 Beschäftigten muss er zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen (§ 77 Betriebsverfassungsgesetz 1952); bei mehr als 2 000 Beschäftigten gilt die paritätische Mitbestimmung (§ 1 Mitbestimmungs-Gesetz). Die eingetragenen Genossenschaft muss Mitglied eines Prüfungsverbandes sein. Die genossenschaftliche Prüfung, weiter gehend als die aktienrechtliche, umfasst auch die Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung. Für den Jahresabschluss der eingetragenen Genossenschaften gelten seit dem 19. 12. 1985 die Vorschriften des HGB für Kapitalgesellschaften mit den rechtsformspezifischen Ergänzungen der §§ 336-339 HGB.
Innerhalb der deutschen Genossenschaftsorganisationen hat sich angesichts verschärfter Wettbewerbsbedingungen in den letzten Jahrzehnten ein erheblichen Strukturwandel und Konzentrationsprozess vollzogen. So sank die Zahl der Genossenschaften von (1950) 26 000 auf (2001) rd. 6 000. Bei den Kreditgenossenschaften sank die Zahl im gleichen Zeitraum von 12 000 auf 1 621, zugleich verfünffachte sich die Zahl der Mitglieder auf 15,2 Mio.; bei den ländlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften ging die Zahl von knapp 21 000 auf 3 600 zurück, während sich die Anzahl der Mitglieder auf 2,8 Mio. erhöhte; bei den gewerblichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften war eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen. In diesem Bereich gab es (2001) 1 048 Genossenschaften mit 0,2 Mio. Mitgliedern. - In der DDR waren die Genossenschaften Träger der zweiten Form sozialistischen Eigentums, des »genossenschaftlichen Gemeineigentums werktätiger Kollektive« (Art. 10 Verfassung). Sie galten als freiwillige Zusammenschlüsse zur Erreichung wirtschaftlicher Zwecke (der Zusammenschluss wurde jedoch zum Teil unter ökonomischem und politischem Druck erzwungen, besonders im landwirtschaftlichen Bereich), waren jedoch durch die Einbindung in die Planwirtschaft sowie in das staatliche Bankenmonopol in ihrer Wirtschaftstätigkeit stark eingeschränkt und insofern keine unabhängigen Einrichtungen. Die wichtigsten waren: die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG; rd. 3 850, mehr als 800 000 Mitglieder), die Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH; rd. 2 700, rd. 160 000 Mitglieder), die gärtnerischen Produktionsgenossenschaften (GPG; rd. 200, etwa 30 000 Mitglieder), die Produktionsgenossenschaften werktätiger Fischer (PwF), die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG) und die Konsumgenossenschaften (KG). Rechtsgrundlage für die Arbeit der Genossenschaften bildete in der Regel ein Musterstatut für die jeweilige Genossenschaftsart. Nach dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland bestand für die Genossenschaften in den neuen Ländern die Aufgabe, sich auf der Grundlage der Anforderungen des Genossenschaftsgesetzes zu erneuern und Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Die strukturelle Anpassung der Genossenschaften an die Bedingungen der Marktwirtschaft vollzog sich jedoch (juristisch betrachtet) zum großen Teil durch Umwandlung der Rechtsform.
In Österreich ist die Genossenschaft geregelt im Genossenschaftsgesetz vom 9. 4. 1873, zuletzt novelliert 1974. Im Gegensatz zum deutschen Genossenschaftsrecht ist eine Genossenschaft nur dann Kaufmann, wenn ihr Unternehmen den Betrieb eines Handelsgewerbes zum Gegenstand hat. Zur Gründung einer Genossenschaft genügen zwei Personen. Zwingend vorgeschrieben sind als Organe die Generalversammlung und der Vorstand.
Der Rechtszustand in der Schweiz (Revidiertes Obligationenrecht vom 18. 12. 1936 Art. 828 ff.) ist ähnlich. Die zum Teil sehr alten Allmendgenossenschaften der Schweiz unterstehen kantonalem (privatem oder öffentlichem) Recht.
Die neuzeitlichen Genossenschaften entstanden 1830-40 in Westeuropa im Zusammenhang mit der Industrialisierung als wirtschaftliche Selbsthilfeeinrichtungen (»Kinder der Not«). H. de Saint-Simon und C. Fourier entwickelten in Frankreich den Gedanken der Produktivgenossenschaften. Die Verbrauchergenossenschaften haben ihren Ursprung in England, wo die Ideen William Kings (* 1786, ✝ 1865) und R. Owens 1844 zur Gründung eines Konsumvereins in Rochdale (bei Manchester) führten (»Die redlichen Pioniere von Rochdale«). Das gewerbliche Genossenschaftswesen in Deutschland geht auf H. Schulze-Delitzsch, das ländliche auf F. W. Raiffeisen zurück.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Bezugsgenossenschaften · Einkaufsgenossenschaften · gewerbliche Genossenschaften · Handwerkergenossenschaften · Konsumgenossenschaften · Produktivgenossenschaften · Winzergenossenschaften
E. Boettcher: Die G. in der Marktwirtschaft (1980);
H.-J. Herzog: Genossenschaftl. Organisationsformen in der DDR (1982);
R. Hettlage: G.-Theorie u. Partizipationsdiskussion (21987);
G.-Wesen, hg. v. J. Laurinkari (1990);
W. Koch: Der G.-Gedanke F. W. Raiffeisens als Kooperationsmodell in der modernen Industriegesellschaft (1991);
E. Dülfer: Betriebswirtschaftslehre der G.en u. vergleichbarer Kooperative (21995).
* * *
Ge|nọs|sen|schaft, die; -, -en: Vereinigung, Zusammenschluss mehrerer Personen mit dem Ziel, durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb den Einzelnen wirtschaftlich zu fördern: Seine (= Raiffeisens) Grundidee der ländlichen -en breitete sich jedoch über ganz Europa aus (Zeit 19. 11. 98, 46); Abk.: Gen.
Universal-Lexikon. 2012.