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Harmonik
Har|mo|nik 〈f.; -; unz.; Mus.〉 die Technik, Kunst der musikalischen Klanggestaltung

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Har|mo|nik, die; - [lat. harmonice < griech. harmonike̅̓] (Musik):
Lehre von der Harmonie (1 a).

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Harmonik
 
[griechisch, harmonia = »geordnetes Gefüge«], Bezeichnet sowohl das räumliche Miteinander von nach musikalisch-akustischen Gesetzmäßigkeiten geordneten Tönen als Zusammenklang (Akkord) als auch die Beziehungen der Akkorde untereinander innerhalb eines bestimmten musikalischen Zusammenhangs (Kadenz). Das Analysieren, Beschreiben und Vermitteln dieser Sachverhalte ist Gegenstand der Harmonielehre. Die Harmonik steht insbesondere im Bereich der tonal gebundenen Musik in enger, untrennbarer Wechselwirkung zu anderen Elementen der Musik, so zur Melodik (jeder Melodie sind konkrete Harmonien zugeordnet; Begleitakkorde), zu Rhythmus und Metrum (Harmoniewechsel fallen meist mit betonten Taktteilen zusammen, Rhythmusfiguren und Akzente können die Harmonik verdeutlichen), zur Form (die Harmonik füllt die Form mit Spannung und Entspannung = Auflösung in die Tonika), zum Tempo (langsame Titel fordern größere harmonische Dichte als schnelle). Dennoch muss der Stellenwert der Harmonik gerade in der populären Musik recht differenziert beurteilt werden. Er ist in hohem Maße abhängig von dem Zeit- und Musikstil (Stil), dem die Komposition entstammt. Bei einer Bossa nova gilt der komplizierten Akkordfolge wesentlich mehr Aufmerksamkeit als beispielsweise der oft simplen Harmonik bei einem Reggae-Song, der vordergründig von (Text,) Rhythmus und Sound lebt. Daraus jedoch Wertmaßstäbe ableiten zu wollen hieße, die eigentlichen Sachverhalte zu verkennen. Der Old-Time-Jazz, in dem die Harmonik aufgrund der linearen Melodieumspielung (Improvisation) von untergeordneter Bedeutung, häufig nur ein Zufallsprodukt war, ist deshalb nicht weniger »wertvoll« als der mit alterierten Akkorden und anderen harmonischen Raffinessen durchdrungene Modern Jazz.
 
Die historische Entwicklung der populären Musik hat in einigen Bereichen auch zu speziellen harmonischen Klangbildern geführt, basierend auf den der europäischen Musiktradition verbundenen Kadenzierungen, jedoch überlagert bzw. modifiziert durch Einflüsse anderer Kulturen. Grundsätzlich lassen sich zwei Prinzipien unterscheiden:
 
1. Die von Leit- und Gleittönigkeit geprägte, im Dur-Moll-System verankerte »klassische« Kadenz (I-IV-V-I); die Dominante erscheint (auch in Form von Zwischendominanten, Dominantketten und Dominantvertretern ) als weitaus häufigste Funktion — das Dominantische bestimmt die Akkordverbindungen; typisch sind authentische Schlüsse (V-I), wobei in Mollkadenzen ausschließlich die Durdominante anzutreffen ist. Dieses harmonische Prinzip liegt der gesamten europäischen und nordamerikanischen populären Musik des 19. Jahrhunderts und allen davon abgeleiteten und beeinflussten Stilarten im 20. Jahrhundert zugrunde, einschließlich dem Jazz bis hin zum Cool Jazz und vielen Rocktiteln.
 
2. Die Leit- und Gleittönigkeit vermeidenden, nur teilweise im Dur-Moll-System verankerten, auch von modalen Leitern, Pentatonik, Bluestonalität u.a. bestimmten Kadenzierungen; bewusstes Abwenden von Dominantverbindungen, Bevorzugung der Subdominantregion, oft plagale Schlüsse (IV-I), Molldominantklang in Moll. Dieses harmonische Prinzip, verwurzelt in der Folklore vieler Länder und ein Ergebnis der afroamerikanischen Akkulturation, kam Ende der Fünfzigerjahre über die Folkbewegung und den Blues in die Beatmusik, war auch für den Modal Jazz und Rockjazz (Fusionmusic) grundlegend.
 
In den einzelnen Jazzstilen ist die Bedeutung der Harmonik unterschiedlich. Größere Beachtung fand sie zunächst Ende der Zwanzigerjahre, als die Musiker begannen, beim Improvisieren anstelle der Melodie die unterlegte Akkordfolge als Bezugspunkt zu nutzen. Die Kollektivimprovisation auf harmonischer Basis führte letztlich zum Satzdenken, wie es besonders mit der Profilierung der Bigband erforderlich war. Zusatztöne und Alterationen erweiterten, verschleierten und verschärften die Akkorde in ihrer inneren Spannung. Auch die Zahl der Harmoniewechsel stieg durch Nebenklänge und dominantische Gefüge (Jazzkadenz). Mit der Block-Chord-Spielweise (Milton Buckner, 1941) wurde diese Erweiterung der Bigband-typischen Harmonik auch auf das Klavier übertragen. Im Bebop kamen noch die »11er«- und »13er«-Akkorde mit zahlreichen Alterationen hinzu. Ein wirkungsvolles harmonisches Mittel der Spannungssteigerung war das verzögerte Anspielen der Kadenz-Hauptstufen, sozusagen ein Nachhinken der Begleitakkorde gegenüber dem Melodiemetrum. Beim Improvisieren galt es nun nicht nur Melodieabläufe zu erfinden, sondern auch die Harmonievorgabe kreativ abzuwandeln. Die Harmonik wurde letztlich bis an ihre Grenzen ausgedehnt, sodass — analog der Entwicklung in der artifiziellen Musik — ein radikaler Bruch in Form jeglicher Negierung des Harmonischen im Free Jazz die Folge war. Man kann also mit Recht die Harmonik als ein stilbildendes, stilbestimmendes Element bezeichnen, das letztlich gravierende Veränderungen im Jazz bewirkt hat. Großen Einfluss auf die gesamte populäre Musik hatte die Blues-Harmonik, die Bluesformel mit ihrer Betonung des Subdominantbereichs und den Blue Notes.
 
In der Rockmusik besitzt die Harmonik im Allgemeinen nicht den gleichen Stellenwert wie etwa im modernen Jazz. Rockharmonik geht auf drei Traditionslinien zurück: die einfache Kadenzierung herkömmlicher Tanzmusik, die Bluesformel und folkloristische modale Wendungen. Neuerungen kamen vor allem in der Beatmusik der Sechzigerjahre. Auffällig war dabei das bewusste weitgehende Vermeiden (verbrauchter) dominantischer Verbindungen bzw. das Bevorzugen der Subdominante und ihr verwandter Klänge. Typisch wurden auch unter Einfluss irischer, schottischer und altenglischer Folklore z. B. folgende Akkordverbindungen (Tonika C):
 
— C B♭ C (I ♭VII I)
 
— C E♭ F G (I ♭III IV V)
 
— C B♭ A♭ G (I ♭VII ♭VI V)
 
Einige Titel basieren auf reinem Moll (also mit Molldominantklang). Mitunter folgen harmonische Verbindungen der Gitarrespieltechnik (Rückungen). Um Raum für melodisch freiere Improvisationen zu schaffen, liegen einer längeren Strecke oft nur zwei Harmonien zugrunde, zum Teil sogar nur ein Akkord (häufig 10). Modale Melodiewendungen (modale Leitern) werden über mehrere Takte mit den leitereigenen Akkorden der Grundskala harmonisiert.
 

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Har|mo|nik, die; - [lat. harmonice < griech. harmonike̅́] (Musik): Lehre von der ↑Harmonie (1 a).

Universal-Lexikon. 2012.