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Inquisition
In|qui|si|ti|on 〈f. 20
I 〈unz.; vom 12.-18. Jh.〉 Glaubensgericht der kath. Kirche (bes. in Spanien) gegen Abtrünnige
II 〈zählb.〉 (strenge) Untersuchung
[<lat. inquisitio „Untersuchung, Erforschung“]

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In|qui|si|ti|on, die; -, -en [lat. inquisitio = (gerichtliche) Untersuchung]:
1. <o. Pl.> (vom 12. bis 18. Jh., bes. während der Gegenreformation) als Einrichtung der katholischen Kirche wirkendes, mit großer Härte u. grausamen Untersuchungsmethoden gegen Abtrünnige, Ketzer vorgehendes 1Gericht (1 a):
jahrhundertelang hat die I. Ketzer verfolgt, verurteilt, verbrannt.
2. Untersuchung der Inquisition (1):
die grausamen -en in Spanien;
Ü sich einer I. (einem strengen Verhör) unterwerfen müssen.

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I
Inquisition
 
Während im frühmittelalterlichen Abendland das Aufspüren von Straftaten und -tätern noch nahezu ausschließlich Sache der betroffenen Privatpersonen (des Verletzten und seiner Sippe) war, setzte sich unter dem Eindruck der Gottesfriedensbewegung und einer seit dem 11. und 12. Jahrhundert zunehmenden rechtlichen Regulierung der Lebensbereiche allmählich das Inquisitionsverfahren im Strafprozess durch.
 
Eine besondere Rolle spielte die Inquisition dabei im Rahmen der Ketzerbekämpfung, beim Vorgehen der Kirche gegen die Anhänger der vermeintlichen Irrlehren, wobei von Anfang an von der Kirche auch politische bzw. wirtschaftliche Interessen verfolgt wurden, etwa bei der Auflösung des Templerordens 1307/12. Während noch in der älteren Kirchentradition die Auffassung vertreten wurde, dass gegen die Verbreitung von Häresie nicht mit Gewalt, sondern mit Predigt und Kirchenstrafen vorzugehen sei, führte seit dem endenden Hochmittelalter die Bedrohung der Kirche durch große Ketzerbewegungen (z. B. Waldenser und Katharer,) im Einvernehmen mit der weltlichen Obrigkeit zu einer zunehmenden Kriminalisierung der Ketzerei mit entsprechender Verschärfung der Strafen, die nun von der Vermögenskonfiskation über Kerkerhaft bis zum Tod durch Verbrennen reichten.
 
Zuständig für die Strafverfolgung waren noch bis in das 13. Jahrhundert hinein die Bischofsgerichte. Unter Papst Gregor IX. (1227-41) wurde jedoch die Inquisition zum spezifischen Instrument der Ketzerbekämpfung, als der Papst dazu überging, besondere, mit Spezialvollmachten ausgestattete Inquisitoren - meist Angehörige des Dominikanerordens - mit dieser Aufgabe zu betrauen, wobei diese Inquisitoren bald neben dem Ankläger- auch das Richteramt in ihrer Person vereinigten. Die Rechtsstellung des Beschuldigten innerhalb dieses Verfahrens war denkbar ungünstig, da seine Verteidigungsmöglichkeiten äußerst beschränkt waren und er beim Vorliegen von Verdachtsmomenten durch die Folter, die 1352 von Innozenz VI. (1352-62) im Verfahren zugelassen wurde, zum Geständnis gezwungen werden konnte. Da die Kirche selbst es ablehnte, Blut zu vergießen, wurde der Delinquent der weltlichen Obrigkeit zum Vollzug des Todesurteils überantwortet. Für Deutschland erlangte die Inquisition bereits im frühen 13. Jahrhundert mit dem Wüten des berüchtigten Inquisitors Konrad von Marburg, der 1233 von aufgebrachten Adligen ermordet wurde, traurige Berühmtheit; im Gegensatz zu den südlichen Ländern setzte sie sich hier jedoch erst im 15. Jahrhundert, in den Hexenprozessen, endgültig durch.
 
II
Inquisition
 
[lateinisch »(gerichtliche) Untersuchung«] die, -/-en, nach dem Verfahren des Inquisitionsprozesses benannte, v. a. von kirchlichen Institutionen seit dem Mittelalter betriebene und meist mit staatlicher Hilfe durchgeführte Verfolgung von Häretikern. - Das kirchliche Vorgehen gegen Häretiker war ursprünglich Sache der Bischöfe. Seitdem das Christentum im Römischen Reich Staatsreligion war, konnten Häretiker (z. B. Donatisten und Manichäer) auch reichsgesetzlich verfolgt werden (Edikt Theodosius' I. von 380/381), wobei die Strafmaßnahmen von Güterkonfiskation, Aberkennung der bürgerlichen Rechte, Verbannung bis hin zur Todesstrafe reichten. Die Inquisition als eine eigene Behörde zur Aufspürung und Verfolgung der Häretiker bildete sich jedoch erst im Mittelalter im Zusammenhang mit der vermeintlichen Gefährdung der Kirche durch die so genannten Ketzer (Bogomilen, Albigenser, Katharer, Waldenser) heraus. Zunächst noch eine bischöfliche Einrichtung, geriet die Inquisition seit dem Ende des 12. Jahrhunderts zunehmend unter päpstlicher Kontrolle. Ein erster Schritt war die von Alexander III. auf dem 3. Laterankonzil (1179) ausgesprochene förmliche Exkommunikation der Ketzer, die von Lucius III. 1184 wiederholt und von Kaiser Friedrich I. Barbarossa durch die Verhängung des Reichsbanns unterstützt wurde. Innozenz III. erneuerte 1199 die bischöfliche Inquisitionsgerichte und setzte zusätzlich päpstliche Sonderbeauftragte zur Durchführung der Inquisition ein. 1215 forderte das 4. Laterankonzil die Auslieferung der verurteilten Ketzer an die weltliche Gewalt; das Konzil von Toulouse regelte 1229 das Verfahren und die Bestrafung. Kirchliche und weltliche Gewalt arbeiteten dabei Hand in Hand. Kaiser Friedrich II., der aus politischen Gründen die oberitalienischen Häretiker mit Folterung und Kerkerhaft verfolgte, hatte 1224 den Tod auf dem Scheiterhaufen als Strafe eingeführt; Gregor IX. übernahm dies in seine Ketzerdekrete von 1231. Umgekehrt waren die weltlichen Gerichte durch Friedrich II. angewiesen, die Vollstreckung von Todesurteilen für kirchlichen Inquisitionsgerichte durchzuführen. Den Feuertod begründete man »theologisch« (unter Berufung auf 1. Korintherbrief 5, 5) damit, dass auf diesem Weg wenigstens die Seele durch das Fürbittgebet der Kirche gerettet werden könne. Unter Gregor IX. wurde 1231/32 die Inquisition in einer päpstlichen Behörde zentralisiert, die von Inquisitoren, vornehmlich Dominikanern (die man daher als »domini canes«, lateinisch für »Hunde des Herrn« verspottete), verwaltet wurde. Das Inquisitionsverfahren hatte immer den gleichen Ablauf: Aufforderung an die Häretiker zur Selbstanzeige, an die Gläubigen zur Denunziation; Vorladung, gegebenenfalls Verhaftung zur Vorführung; Untersuchung mit dem Ziel des Schuldbekenntnisses, wobei weder die Namen von Denunzianten oder Zeugen genannt noch Verteidiger zugestanden wurden. 1252 erlaubte Innozenz IV. die Anwendung der Folter. Die Strafen reichten von Kirchenstrafen bis zum Tod durch Verbrennen. Die Inquisition erreichte ihre Höhepunkte v. a. in Spanien, Italien und Frankreich. In Deutschland war schon 1227 der Prämonstratenser Konrad von Marburg als päpstlicher Inquisitor eingesetzt worden, der rigoros und erbarmungslos gegen angebliche Ketzer, v. a. aus dem Adel, vorging. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts verband sich in Deutschland die Inquisition mit den Hexenverfolgungen (Hexe). Von Anfang an waren mit der Ketzerverfolgung auch politische und wirtschaftliche Interessen verquickt; ganze missliebige Gruppen (z. B. der Templerorden) konnten so vernichtet werden. In Spanien war die Inquisition seit 1478, in Portugal seit 1536 eine staatliche Einrichtung unter einem Großinquisitor und ein wichtiges Instrument zur Verfolgung der Marranen, Morisken und Protestanten. Erster spanischer Großinquisitor und bedeutendster Organisator der Inquisition in Spanien war T. de Torquemada. Charakteristisch für die spanische und portugiesische Inquisition waren die Autodafés, denen in Spanien zwischen 1481 und 1808 rd. 31 000 Menschen zum Opfer fielen. Rd. 270 000 wurden in dieser Zeit zu Kerkerhaft und Vermögensentzug verurteilt. Die neuzeitliche Trennung von Kirche und Staat sowie die Kritik an der Inquisition seitens der Aufklärung ließen Einfluss und Bedeutung der Inquisition allmählich zurückgehen. In einigen Ländern bestand sie jedoch bis ins 19. Jahrhundert (Spanien bis 1834, Italien bis 1859, Kirchenstaat bis 1870). Die im Zuge der Gegenreformation 1542 von Paul III. errichtete oberste Instanz für alle Glaubensgerichte, die »Congregatio Romanae et universalis inquisitionis« (Kongregation für römische und weltweite Inquisition; kurz: »Sanctum Officium«), wurde 1965 in die Kurienkongregation für die Glaubenslehre (»Glaubenskongregation«) umgewandelt. Grundlegend für den damit gegebenen »stillschweigenden Verzicht« auf die Inquisition war die Erklärung des 2. Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit, in der das Konzil ausdrücklich »das Recht der Person und der Gemeinschaften auf gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit in religiösen Dingen« betonte. Die heute auch in der katholischen Kirche vorherrschende kritische Sicht der Inquisition fand Ausdruck in der formellen Rehabilitierung G. Galileis (1992), in Aussagen eines von Papst Johannes Paul II. gebilligten Briefes an die Teilnehmer der 1994 zur Vorbereitung des Heiligen Jahres 2000 einberufenen Kardinalsversammlung, in denen kritisch zu den Gewalttaten der Inquisition Stellung genommen wird, in der Öffnung des Archivs der Inquisition für die wissenschaftliche Forschung (1998) und besonders in dem am 12. März 2000 in der Peterskirche von Papst Johannes Paul II. vorgetragenen Schuldbekenntnis und der Vergebungsbitte für die Verfehlungen und Irrtümer in der Geschichte der Kirche.
 
Literatur:
 
H. C. Lea: Gesch. der I. im MA., 3 Bde. (a. d. Engl., 1905-13, Nachdr. 1980);
 H. C. Lea: Gesch. der span. I., 3 Bde. (a. d. Engl. 1911-12, Nachdr. 1980);
 R. Leiber: Die mittelalterl. I. (1963);
 H.-P. Kneubühler: Die Überwindung v. Hexenwahn u. Hexenprozeß (1977);
 H. Kamen: Die span. I. (a. d. Engl., Neuausg. 1980);
 B. Rill: Die I. u. ihre Ketzer (1982);
 M. Hroch u. A. Skýbová: Die I. im Zeitalter der Gegenreformation (a. d. Tschech., 1985);
 
Teufelsglaube u. Hexenprozesse, hg. v. G. Schwaiger (1987);
 W. Otto: Conquista, Kultur u. Ketzerwahn. Spanien im Jh. seiner Weltherrschaft (1992);
 
Die Anfänge der I. im MA. Mit einem Ausblick auf das 20. Jh. u. einem Beitr. über religiöse Intoleranz im nichtchristl. Bereich, hg. v. P. Segl (1993);
 R. Lemm: Die Span. I. Gesch. u. Legende (a. d. Niederländ., 1996).
 

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In|qui|si|ti|on, die; -, -en [lat. inquisitio = (gerichtliche) Untersuchung]: 1. <o. Pl.> (vom 12. bis 18. Jh., bes. während der Gegenreformation) als Einrichtung der katholischen Kirche wirkendes, mit großer Härte u. grausamen Untersuchungsmethoden gegen Abtrünnige, Ketzer vorgehendes 1Gericht (1 a): Jahrhundertelang hat die I. Ketzer verfolgt, verurteilt, verbrannt (Dönhoff, Ära 181); freudig hört Ihr die Häscher an euer Tor pochen, willkommen sind euch die Späher der I. (Hacks, Stücke 92). 2. Untersuchung der ↑Inquisition (1): die grausamen -en in Spanien; Ü sich einer I. (einem strengen Verhör) unterwerfen müssen; wenn man es (= Polizeiverhör) mit der intimen I. und den mit ihr verbundenen Unterwerfungsritualen vergleicht, die Besucher und Mitglieder der Alternativszene erdulden (Pohrt, Endstation 62).

Universal-Lexikon. 2012.