die Musik der USA. Hier setzt die Musikgeschichte mit dem Gemeindegesang der im 17. Jahrhundert eingewanderten Puritaner ein. Die Texte ihrer Hymnen und Psalmen sind in dem 1640 erschienenen »Bay Psalm Book« enthalten; Melodien finden sich erst in späteren Ausgaben ab 1698. Weitere religiöse Gesänge brachten deutsche und schwedische Einwanderer mit. Erste Hymnen auf amerikanischem Boden komponierte der Deutsche C. Beissl; sie wurden im Hymnenbuch der Gemeinde Ephrata (westlich von Philadelphia) »Turtel Taube« (1747) veröffentlicht. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich hieraus eine eigene, neuenglische Form mehrstimmigen Hymnengesangs, die »fugue tune«. Neben ihren religiösen Gesängen brachten die europäischen Einwanderer das Musikleben ihrer Heimat sowie Instrumente nach Amerika. Bald nach 1700 tauchten die ersten Orgeln auf. Ein weiterer Zustrom an musikalischem Gut gelangte 1741 durch die aus Böhmen und Mähren einwandernden Herrnhuter nach Pennsylvania. Daraus entwickelte sich eine nachhaltig wirkende Pflege vokaler und instrumentaler Musik. Schon 1744 ergänzte hier ein Collegium musicum die Singstunden. Auch die Volksmusik ist stark europäisch beeinflusst; so gehen Volksballaden häufig auf englische Vorbilder zurück. Daneben steht die aus afrikanischer Tradition entstandene Folklore der Schwarzen.
Die Entwicklung im Bereich der Musikwiedergabe setzte im 18. Jahrhundert ein und erreichte im 19. Jahrhundert eine breite Grundlage. 1731 fand in Boston das erste öffentliche Konzert statt. 1735 wurde erstmals eine Oper aufgeführt, die sechs Jahre zuvor in London erfolgreiche Ballad-Opera »Flora«; 1752 folgte die »Beggar's opera«. 1744 entstand in New York der Liebhaberverein »Harmonic Society«, und 1770 wurden Teile des »Messias« von G. F. Händel aufgeführt. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Gesellschaften zur Pflege und Aufführung europäischer Musikwerke gegründet, so die »Haendel and Haydn Society« (Boston 1815) und in New York die »Philharmonic Society« (1842). Chöre und Orchester entstanden in vielen Städten, so 1843 das »New York Philharmonic Orchestra«. Orchestergründungen in Saint Louis (1880), Boston (1881), Chicago (1891) u. a. folgten. Zu einem regen öffentlichen Konzertleben trat die Pflege der deutschen Oper. 1825 gab man C. M. von Webers »Der Freischütz« in New York. Das Werk R. Wagners war mit »Tannhäuser« (in Teilen, 1852), »Lohengrin« (1871) und »Die Walküre« (1877) vertreten. 1883 erfolgte die Gründung der »Metropolitan Opera« in New York.
Auch Unterrichtswesen und Musikwissenschaft fanden im 19. Jahrhundert erste Wegbereiter: 1832 wurde die Musikakademie in Boston gegründet, seit 1849 wird Musikwissenschaft an der Yale University gelehrt.
Ein schöpferisches Musikleben nach europäischem Vorbild gibt es seit etwa 1800. Als frühester Komponist gilt der aus Mähren stammende A. P. Heinrich. - Die Komponisten der Neuenglandschule (2. Hälfte des 19. Jahrhunderts) studierten zum Teil in Deutschland und komponierten in der Art von J. Brahms und E. Grieg, so J. K. Paine, G. W. Chadwick, H. Parker, A. Foote und E. McDowell, der für Amerika typischste Komponist dieser Zeit (»Indian suite«, 2 Klavierkonzerte). Ein Neuerer, der sich um 1900 gegen die Nachahmung der europäischen Kompositionsstile stellte, war C. Ives. Nach 1900 wurde Frankreich der Treffpunkt junger amerikanischer Komponisten, wo V. d'Indy, C. Debussy und M. Ravel die Vorbilder waren, so für den Spätromantiker D. G. Mason und die Impressionisten C. M. Loeffler und C. T. Griffes.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand durch das Zusammenfließen europäischer und afrikanischer Musiktraditionen der Jazz. In ihren religiösen Liedern schufen die Schwarzen die Negrospirituals. Die 20er-Jahre brachten den Höhepunkt des Blues, dem bei den Weißen die Countrymusic entspricht. Jazzelemente drangen auch in die ernste Musik ein und führten zu charakteristischen Mischungen aus ernster Musik und Unterhaltungsmusik wie im Musical. Große Popularität erlangten in diesem Zusammenhang G. Gershwin und später C. Porter sowie L. Bernstein.
Seit 1920 war die amerikanische Kunstmusik verschiedensten Einflüssen ausgesetzt. Die jungen Komponisten studierten in Paris (meist bei Nadia Boulanger) oder Rom; ihre Vorbilder waren C. Debussy, M. Ravel, I. Strawinsky, B. Bartók, P. Hindemith, D. Milhaud. Trotzdem blieb die amerikanische Musik eigenständig durch die Aufnahme nationaler Eigentümlichkeiten wie Volkstanz und Jazzrhythmus und von melodischen Elementen der Volksmusik, der Negrospirituals, der Cowboy-, Holzfäller- und Goldsucherlieder. Eine Reihe führender Komponisten vertritt diese Richtungen: A. Copland, R. Harris, W. Piston, R. Thompson, H. Hanson und R. Sessions.
Emigranten wie P. Hindemith, A. Schönberg, I. Strawinsky, E. Křenek übten in den USA starken Einfluss aus. E. Varèse schrieb als erster reine Geräuschkompositionen. H. D. Cowell mit seinen Neuerungen wirkte auf G. Antheil und J. Cage, der um 1950 mit M. Feldman, C. Wolff und E. Brown die experimentelle Musik begründete und die europäische Avantgarde entscheidend beeinflusste. Die freie Atonalität von C. Ruggles erwuchs aus ostamerikanisch-europäischer Tradition. Der Kalifornier H. Partch entwickelte sein originäres spekulatives System aus einer Kritik der europäischen Musik. E. Carter vermittelte ab 1950 zwischen europäischer und früher amerikanischer Moderne. M. Babbitt erweiterte bereits 1948 die Zwölftontechnik zur vollen Serialität und war auch als Musiktheoretiker einflussreich. G. Perle vertritt eine von A. Berg ausgehende Zwölfton-»Tonalität«. Andere Komponisten sind S. Barber, E. Bloch, W. Riegger, P. Creston, D. Moore, P. Menin, N. Dello Joio, V. Thomson, L. Foss, der mit Opern international erfolgreiche, aus Italien stammende G. C. Menotti sowie L. Sowerby und W. H. Schuman; in der jüngsten Zeit: M. Powell, L. A. Hiller, G. Schuller, E. Ghent, L. Kirchner, R. Hoffmann, J. D. Martino, C. Wuorinen, P. Westergaard sowie die Vertreter der Minimalmusic T. Riley, La M. Young, S. Reich und P. Glass.
Nicht zuletzt wegen der Etablierung des Faches Komposition an den Universitäten ist die gegenwärtige Kunstmusikszene der USA stilistisch überaus vielgesichtig. Zwischen den immer noch sehr prägenden Extremen der Cage- und Babbitt-Schulen macht sich eine große Zahl divergierender, oft einander überschneidender Tendenzen bemerkbar. Charakteristisch ist generell eine Rückwendung zu tonalen Idiomen und expressiven Charakteren (besonders ausgeprägt W. Rochberg; auch J. Adams, mit starker Tendenz zum »minimalism«), daneben steht ein betontes technologisch-wissenschaftliches Interesse (Elektronik, Computermusik, Kybernetikmodelle). Andere Richtungen sind Live-Elektronik (R. Ashley, D. Behrman, A. Lucier), multimediales Musiktheater (S. Martirano, E. Salzman), »Performance«-Konzepte mit interdisziplinären Aktionen (K. Friedman, R. Morgan, P. Earls), schließlich die Besinnung auf soziale Kommunikation unter Einbeziehung massenmedialer Aspekte (R. Reynolds). Insgesamt tritt die früher starke europäische Orientierung zurück gegenüber einer Besinnung auf eigene amerikanische Traditionen und (v. a. an der Westküste) auf asiatische Denk- und Musizierweisen. (lateinamerikanische Musik, indianische Musik)
J. T. Howard: Our contemporary composers (New York 1941, Nachdr. 1946);
A. Copland: Unsere neue Musik (a. d. Engl., 1947);
E. Křenek: Musik im goldenen Westen (1949);
P. H. Lang: One hundred years of music in America (New York 1961);
V. Thomson: American music since 1910 (ebd. 1971);
H. W. Hitchcock: Music in the United States (Englewood Cliffs, N. J., 21974);
Universal-Lexikon. 2012.