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Völkerrecht
Vọ̈l|ker|recht 〈n. 11; unz.〉 alle rechtl. Vorschriften, die das Zusammenleben verschiedener Völker regeln

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Vọ̈l|ker|recht, das:
international verbindliches, bes. zwischenstaatliches Recht.

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Völker|recht,
 
internationales Recht, lateinisch Ius gẹntium, französisch Droit des gens [drwa dɛ ʒã], Droit international public [drwa ɛ̃tɛrnasjɔ'nal py'blik], englisch Law of nations [lɔː əv neɪʃnz], International law [ɪntə'næʃnl lɔː], die durch Vertrag oder Gewohnheitsrecht begründeten Rechtssätze, die in Frieden und Krieg die Rechte und Pflichten, die Beziehungen und den Verkehr der Staaten und der sonstigen Rechtssubjekte des Völkerrechts untereinander regeln. Geltungsgrund des Völkerrechts ist nicht der hoheitliche Befehl oder die institutionell garantierte Regelung einer überlegenen Zwangsorganisation (wie beim nationalen Recht), sondern der Recht schaffende Konsens der Staaten, aufbauend auf dem Grundprinzip der souveränen Gleichheit aller in der Völkerrechtsgemeinschaft verbundenen Staaten. Die normative Kraft des Völkerrechts ist von deren tätiger Rechtsüberzeugung abhängig (wieweit diese ihre Existenz und Integrität gegenseitig respektieren und ihre Beziehungen nach Rechtsgrundsätzen, nicht nach Opportunität, Willkür und Gewalt ordnen). Weil der Verbindlichkeit des Völkerrechts eine regelmäßige und wirksame Sanktion fehlt, wurde immer wieder sein Rechtscharakter geleugnet (T. Hobbes, G. W. F. Hegel, J. Austin u. a.).
 
Ursprüngliche Rechtssubjekte des Völkerrechts sind die souveränen Staaten. Nach deren Willen, jedoch in eingeschränktem Maße kommt Völkerrechtsfähigkeit auch den internationalen Organisationen, einigen historischen Völkerrechtssubjekten (Heiliger Stuhl, Malteserorden, Internationalem Komitee vom Roten Kreuz), bestimmten Gruppen (Minderheiten, Krieg führenden Parteien) und ganz begrenzt Einzelpersonen (Menschenrechte, Völkerstrafrecht) zu.
 
Rechtsquellen
 
des Völkerrechts sind Verträge und Gewohnheitsrecht, ergänzt durch die von den »zivilisierten Staaten« anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze (Art. 38 Statut des Internationalen Gerichtshofes). Die verbindliche Kraft der vertraglichen Vereinbarung, die auf dem Grundsatz Pacta sunt servanda beruht, erfasst nur die Vertragsparteien. Beschlüsse, Empfehlungen internationaler Organisationen und Konferenzen können rechtliche Verbindlichkeit nur erlangen, wenn dies in einem Vertrag vorgesehen ist oder wenn sie zum Inhalt eines ordnungsgemäß abgeschlossenen Vertrages gemacht werden. Die völkerrechtlichen Regeln über Verträge sind in dem Wiener Übereinkommen vom 23. 5. 1969 über das Recht der Verträge kodifiziert worden. Rechtssätze des Völkergewohnheitsrechts universaler (z. B. Freiheit der Meere) oder regionaler Geltung (z. B. der Grenzverlauf an einem See) entstehen durch eine länger dauernde einheitliche Praxis.
 
Völkerrecht und nationales Recht sind zwei zu unterscheidende und verschiedenartige Rechtsordnungen (dualistische Theorie). Um auch innerstaatlich verbindlich zu sein, muss ein Rechtssatz des Völkerrechts in die jeweilige nationale Rechtsordnung durch eine staatliche Entscheidung (Verfassung oder Gesetz) aufgenommen werden (»Transformation«). In Deutschland sind allgemeine Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts; sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner (Art. 25 GG). Verträge des Bundes, die nicht nur Verwaltungs-Abkommen sind, werden auf dem Weg der Gesetzgebung Bundesrecht (Art. 59 Absatz 2 GG). - Ähnliches gilt für Österreich (Art. 9 Bundes-Verfassungsgesetz). In der Schweiz gilt Völkerrecht innerstaatlich direkt als solches, d. h. völkerrechtliche Verträge müssen nicht durch Gesetz transformiert oder mit landesrechtlicher Gesetzeskraft ausgestattet werden (monistische Theorie).
 
Das Völkerrecht wird herkömmlich in Friedensrecht und Kriegsrecht unterteilt. Zum Völkerrecht gehören die Entstehung, die Kontinuität und der Untergang von Staaten, die Umgrenzung und Veränderung des Staatsgebiets, die allgemeinen Rechte und Pflichten der Staaten und die Haftung bei Völkerrechtsverletzungen. Wichtige Einzelgebiete sind z. B. das Konsularrecht, das See-, Luft- und Weltraumrecht, das Recht des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs, die Menschenrechte, das Fremdenrecht, die Abrüstung und Friedenssicherung, die Einrichtungen der friedlichen Streitbeilegung.
 
Historische Entwicklung:
 
Altertum, Antike und Mittelalter kennen bereits Formen der rechtlichen Verständigung und Zusammenarbeit zwischen den Völkern, v. a. Bündnisse und Friedensverträge. Einflussreich war die zuerst von der Stoa entwickelte und in der Scholastik mit den Glaubenslehren des Christentums verbundene Vorstellung eines naturrechtlich begründeten Weltrechts. Im Verlauf des Mittelalters entwickelte sich eine Praxis politischer Verträge und Handelsverträge, entstanden Anfänge eines Seerechts (Consolat de mar, Barcelona, 14. Jahrhundert) und des Konsularwesens. Schließlich bildete sich mit dem Aufstieg der nationalstaatlichen Monarchien seit dem 14. Jahrhundert eine rechtliche Ordnung der Diplomatie und der Beziehungen der Staaten untereinander. Die scholastische Lehre vom »bellum iustum« band das Kriegsführungsrecht der Fürsten an einen billigenswerten Grund. Wesentliche Wegbereiterin des neuzeitlichen Völkerrechts war die spätscholastische spanische Schule (F. de Vitoria, G. Vázquez, F. Suárez u. a.). Deren Leistung nutzend und in systematischer Ausarbeitung des Naturrechtsgedankens wurde H. Grotius zum Begründer des wissenschaftlichen Völkerrechts. Das europäische Staatensystem der beginnenden Neuzeit und die weltumgreifenden Entdeckungen und Kolonialisierungen der europäischen Mächte sind die geschichtliche Bedingung und der politische Rahmen des klassischen Völkerrechts (ius publicum europaeum), das seine praktische Ausformung v. a. durch die großen europäischen Friedenskongresse erhielt: Westfälischer Frieden, 1648; Nimwegen, 1678/79; Rijswijk, 1697; Utrecht, 1713; Wiener Kongress, 1815; Pariser Frieden, 1856; Berliner Kongress, 1878. Es ging nach der Französischen Revolution im Zeitalter der bürgerlichen Verfassungs-Bewegung und dann der Demokratie in das moderne Völkerrecht über, das sich seit den beiden Weltkriegen, der Auflösung des europäischen Staatensystems, der Spaltung der Weltgesellschaft in Staatenblöcke und der Entkolonialisierung v. a. in Asien und Afrika in einer tief greifenden Umwälzung befindet. In Völkerbund und Vereinten Nationen entstanden universale Organisationen, die den Schutz des Weltfriedens, die Förderung der internationalen Zusammenarbeit und die Festigung der Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechts der Völker zum Ziel hatten beziehungsweise haben. Die als Resolution 2 625 (XXV) am 24. 10. 1970 von der UN-Generalversammlung verabschiedete »Erklärung über völkerrechtliche Grundsätze für freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen« (Friendly Relations Declaration) fasst die rechtlichen Grundlagen der heutigen Völkerrechtsgemeinschaft zusammen. Die jüngste Zeit ist v. a. geprägt durch das sich im Zusammenhang mit der Neuen Weltwirtschaftsordnung herausbildende Entwicklungsvölkerrecht sowie die Fortbildung des Kriegsrechts zu einem Recht der »bewaffneten internationalen Konflikte«.
 
Zur Ahndung von Kriegsverbrechen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten Kriegsverbrecherprozesse durchgeführt. Die Vereinten Nationen setzten 1993 zur Verfolgung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts im ehemaligen Jugoslawien sowie 1994 zur Untersuchung von schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in Ruanda Kriegsverbrechertribunale ein. 1998 wurde auf einer UN-Konferenz in Rom das Gründungsstatut eines Internationalen Strafgerichtshofs verabschiedet.
 
Literatur:
 
Wb. des V., begr. v. K. Strupp, hg. v. H.-J. Schlochauer, 3 Bde. u. Reg.-Bd. (21960-64);
 F. Berber: Lb. des V., 3 Bde. (21969-77);
 D. P. O'Connell: International law, 2 Bde. (London 21970);
 C. Rousseau: Droit international public, 5 Bde. (Paris 1970-83);
 H. Kruse: Islam. V.-Lehre (21979);
 Y. Takano: Einf. in das V., 3 Bde. (a. d. Jap., 1979-92);
 Jörg P. Müller u. L. Wildhaber: Praxis des V., (Bern 21982);
 P. Reuter: Droit international public (Paris 61983);
 A. Verdross u. B. Simma: Universelles V. (31984);
 
Österr. Hb. des V., hg. v. H. Neuhold u. a., 3 Bde. (Wien 1-31986-97);
 W. G. Grewe: Epochen der V.-Gesch. (21988);
 J. G. Starke: Introduction to international law (London 101989);
 
V., begr. v. E. Menzel, hg. v. K. Ipsen u. a. (31990);
 U. Fastenrath: Lücken im V. (1991);
 
Lex. des Rechts: V., hg. v. I. Seidl-Hohenveldern (21992);
 P. Fischer u. H. F. Köck: Allg. V. (Wien 41994);
 A. Bleckmann: Allg. Staats- u. Völkerrechtslehre. Vom Kompetenz- zum Kooperationsvölkerrecht (1995);
 O. Kimminich: Einf. in das V. (61997);
 I. Seidl-Hohenveldern: V. (91997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Menschenrechte: Von kollektiven und individuellen Rechten
 

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Vọ̈l|ker|recht, das <o. Pl.>: international verbindliches, bes. zwischenstaatliches Recht.

Universal-Lexikon. 2012.